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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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habe die Sache ja keine Eile. Die Sache habe große Eile, erwiderte Trudchen
entrüstet, und sie wenigstens hätte keine Lust, sich vor Probsts zu blamieren.

Dann möchte man die Kleinigkeit auslegen, sagte Eleonore.

Fräulein Scherbitz lehnte mit kühler Bestimmtheit ab, für irgend jemand Ver¬
pflichtungen zu übernehmen. Was war zu thun? Trudcheu mußte in die eigne
Tasche greifen und die Miete auslegen.

Und diese Korridorglocke! Sie konnte einen Menschen nervös machen. Fort¬
während klingelt es. Streichhölzer zu verkaufen, ein Weinrcisender, ein Mausefallen-
mauu, Strohdecken, Gott weiß, wer da alles kam. Und diese Bettler! In den
vierten Stock gelangten sie nicht so leicht, nud wenn einer sich einmal so hoch ver¬
stiegen hatte, dann war er dem Schuster in die Hände gefallen, der ihn mit Hurra
wieder hinabschaffte. Aber hier -- es war, als wenn sie es gewußt hätten, daß
hier drei alleinstehende Damen wohnten. Sie wußten es auch wirklich. Denn
draußen um der Wand des Treppenhauses standen drei Dreiecke eingekratzt, was
in der Hieroglyphenschrift der Lumpen bedeutet: Hier giebts nur drei Frauen. Und
so kamen sie in Scharen und waren, wenn sie einmal in den Korridor eingedrungen
waren, nur mit äußerster Mühe wieder hinauszuschaffen. Und nie war es genug,
was sie kriegten, und immer war das Ende eine große Schimpferei.

Das war ja nnn zwar lästig, wäre jedoch noch zu ertragen gewesen, aber
man las in der Zeitung, daß Mord- und Raubanfälle in der Stadt auf einzeln
stehende Damen, Lehrerinnen, Beamtinnen und Reutncrinneu verübt worden seien.
Aller acht Tage wurde ein neuer Fall berichtet. Das war ja schrecklich. Neulich
war keine drei Häuser weit ein Kerl bei einer alten Dame eingedrungen, und wer
weiß, was geschehn wäre, wenn nicht glücklicherweise der Schornsteinfeger hinzu¬
gekommen wäre, der dem Mörder mit dein Besen über den Kopf gehalten hatte,
ihn aber doch nicht dingfest hatte machen können.

Unsre drei Wohnnngsgcnossenschafter fürchteten sich nicht, Gott bewahre, aber
sie erschraken doch jedesmal, sobald die Thürglocke erklang. Es müßte doch scheußlich
sein, so in der Blüte der Jahre von so einem Mörder abgemurkst zu werden.
Und drei alleinstehende Damen in einer Wohnung ohne männlichen Schutz, das
mußte doch zu einem Mordanfnlle förmlich herausfordern. Geht es denn wirklich
nirgends in der Welt ohne diese Männer?

Wozu hatte man aber die berühmte Antonie ins Haus genommen? Wozu
ertrug man ihre Tyrannei und Schnlmeistereien nud Küchengerüche, wenn nicht dazu,
daß sie das Haus beschützte? Aber die berühmte Antonie war nie da, wenn man
sie brauchte. Antonie war sozusagen christlich-vergnügungssüchtig. Sie mußte früh
bei jeder Trauung sein und mit Gleichgesinnten die Kleider der Braut und der Braut¬
jungfern besprechen, sie mußte nachmittags bei jedem Begräbnis zur Bildung des
Franenchors beitragen, sie durfte abends bei keiner Missivnsstunde fehlen und mußte
sich je nachdem für das Heil der Kaffern oder der Papuas begeistern, da konnte so
natürlich nicht zu Hause auf die Thür achten.

Ja, was noch schlimmer war, sie ließ selbst die Thür regelmäßig offen steh".
Erst neulich war ein Mensch bis in die Stube von Fräulein Scherbitz vorgedrungen.
Fräulein Scherbitz war bis auf den Tod erschrocken, und es war nicht auszudenken
gewesen, was hätte geschehn können, wenn nicht in diesem Augenblicke das Hoiottoho
einer Walküre aus dem Zimmer von Fräulein Grossi erklungen wäre.

Nun aber machte man der Jungfer Antonie ernste Vorstellungen.

Na, was deun? erwiderte das Juwel, bei Schloßpredigers wurde die Thür
nie zugeschlossen. Der selige Herr Schlvßprediger -- ach Gott, was war das für
ein Mann! -- sagte immer, es ist Sünde, sagte er, wenn man die Thür zuschließt-
Und daß ich es Ihnen nur sage, Sie haben alle kein rechtes Gottvertrauen, sonst
würden Sie sich uicht so haben.

Sprachs, ging zu einem Begräbnis erster Klasse mit Marschällen und dein
großen Leichenwagen und ließ die Thür wieder offen stehn.


habe die Sache ja keine Eile. Die Sache habe große Eile, erwiderte Trudchen
entrüstet, und sie wenigstens hätte keine Lust, sich vor Probsts zu blamieren.

Dann möchte man die Kleinigkeit auslegen, sagte Eleonore.

Fräulein Scherbitz lehnte mit kühler Bestimmtheit ab, für irgend jemand Ver¬
pflichtungen zu übernehmen. Was war zu thun? Trudcheu mußte in die eigne
Tasche greifen und die Miete auslegen.

Und diese Korridorglocke! Sie konnte einen Menschen nervös machen. Fort¬
während klingelt es. Streichhölzer zu verkaufen, ein Weinrcisender, ein Mausefallen-
mauu, Strohdecken, Gott weiß, wer da alles kam. Und diese Bettler! In den
vierten Stock gelangten sie nicht so leicht, nud wenn einer sich einmal so hoch ver¬
stiegen hatte, dann war er dem Schuster in die Hände gefallen, der ihn mit Hurra
wieder hinabschaffte. Aber hier — es war, als wenn sie es gewußt hätten, daß
hier drei alleinstehende Damen wohnten. Sie wußten es auch wirklich. Denn
draußen um der Wand des Treppenhauses standen drei Dreiecke eingekratzt, was
in der Hieroglyphenschrift der Lumpen bedeutet: Hier giebts nur drei Frauen. Und
so kamen sie in Scharen und waren, wenn sie einmal in den Korridor eingedrungen
waren, nur mit äußerster Mühe wieder hinauszuschaffen. Und nie war es genug,
was sie kriegten, und immer war das Ende eine große Schimpferei.

Das war ja nnn zwar lästig, wäre jedoch noch zu ertragen gewesen, aber
man las in der Zeitung, daß Mord- und Raubanfälle in der Stadt auf einzeln
stehende Damen, Lehrerinnen, Beamtinnen und Reutncrinneu verübt worden seien.
Aller acht Tage wurde ein neuer Fall berichtet. Das war ja schrecklich. Neulich
war keine drei Häuser weit ein Kerl bei einer alten Dame eingedrungen, und wer
weiß, was geschehn wäre, wenn nicht glücklicherweise der Schornsteinfeger hinzu¬
gekommen wäre, der dem Mörder mit dein Besen über den Kopf gehalten hatte,
ihn aber doch nicht dingfest hatte machen können.

Unsre drei Wohnnngsgcnossenschafter fürchteten sich nicht, Gott bewahre, aber
sie erschraken doch jedesmal, sobald die Thürglocke erklang. Es müßte doch scheußlich
sein, so in der Blüte der Jahre von so einem Mörder abgemurkst zu werden.
Und drei alleinstehende Damen in einer Wohnung ohne männlichen Schutz, das
mußte doch zu einem Mordanfnlle förmlich herausfordern. Geht es denn wirklich
nirgends in der Welt ohne diese Männer?

Wozu hatte man aber die berühmte Antonie ins Haus genommen? Wozu
ertrug man ihre Tyrannei und Schnlmeistereien nud Küchengerüche, wenn nicht dazu,
daß sie das Haus beschützte? Aber die berühmte Antonie war nie da, wenn man
sie brauchte. Antonie war sozusagen christlich-vergnügungssüchtig. Sie mußte früh
bei jeder Trauung sein und mit Gleichgesinnten die Kleider der Braut und der Braut¬
jungfern besprechen, sie mußte nachmittags bei jedem Begräbnis zur Bildung des
Franenchors beitragen, sie durfte abends bei keiner Missivnsstunde fehlen und mußte
sich je nachdem für das Heil der Kaffern oder der Papuas begeistern, da konnte so
natürlich nicht zu Hause auf die Thür achten.

Ja, was noch schlimmer war, sie ließ selbst die Thür regelmäßig offen steh».
Erst neulich war ein Mensch bis in die Stube von Fräulein Scherbitz vorgedrungen.
Fräulein Scherbitz war bis auf den Tod erschrocken, und es war nicht auszudenken
gewesen, was hätte geschehn können, wenn nicht in diesem Augenblicke das Hoiottoho
einer Walküre aus dem Zimmer von Fräulein Grossi erklungen wäre.

Nun aber machte man der Jungfer Antonie ernste Vorstellungen.

Na, was deun? erwiderte das Juwel, bei Schloßpredigers wurde die Thür
nie zugeschlossen. Der selige Herr Schlvßprediger — ach Gott, was war das für
ein Mann! — sagte immer, es ist Sünde, sagte er, wenn man die Thür zuschließt-
Und daß ich es Ihnen nur sage, Sie haben alle kein rechtes Gottvertrauen, sonst
würden Sie sich uicht so haben.

Sprachs, ging zu einem Begräbnis erster Klasse mit Marschällen und dein
großen Leichenwagen und ließ die Thür wieder offen stehn.


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[0744] habe die Sache ja keine Eile. Die Sache habe große Eile, erwiderte Trudchen entrüstet, und sie wenigstens hätte keine Lust, sich vor Probsts zu blamieren. Dann möchte man die Kleinigkeit auslegen, sagte Eleonore. Fräulein Scherbitz lehnte mit kühler Bestimmtheit ab, für irgend jemand Ver¬ pflichtungen zu übernehmen. Was war zu thun? Trudcheu mußte in die eigne Tasche greifen und die Miete auslegen. Und diese Korridorglocke! Sie konnte einen Menschen nervös machen. Fort¬ während klingelt es. Streichhölzer zu verkaufen, ein Weinrcisender, ein Mausefallen- mauu, Strohdecken, Gott weiß, wer da alles kam. Und diese Bettler! In den vierten Stock gelangten sie nicht so leicht, nud wenn einer sich einmal so hoch ver¬ stiegen hatte, dann war er dem Schuster in die Hände gefallen, der ihn mit Hurra wieder hinabschaffte. Aber hier — es war, als wenn sie es gewußt hätten, daß hier drei alleinstehende Damen wohnten. Sie wußten es auch wirklich. Denn draußen um der Wand des Treppenhauses standen drei Dreiecke eingekratzt, was in der Hieroglyphenschrift der Lumpen bedeutet: Hier giebts nur drei Frauen. Und so kamen sie in Scharen und waren, wenn sie einmal in den Korridor eingedrungen waren, nur mit äußerster Mühe wieder hinauszuschaffen. Und nie war es genug, was sie kriegten, und immer war das Ende eine große Schimpferei. Das war ja nnn zwar lästig, wäre jedoch noch zu ertragen gewesen, aber man las in der Zeitung, daß Mord- und Raubanfälle in der Stadt auf einzeln stehende Damen, Lehrerinnen, Beamtinnen und Reutncrinneu verübt worden seien. Aller acht Tage wurde ein neuer Fall berichtet. Das war ja schrecklich. Neulich war keine drei Häuser weit ein Kerl bei einer alten Dame eingedrungen, und wer weiß, was geschehn wäre, wenn nicht glücklicherweise der Schornsteinfeger hinzu¬ gekommen wäre, der dem Mörder mit dein Besen über den Kopf gehalten hatte, ihn aber doch nicht dingfest hatte machen können. Unsre drei Wohnnngsgcnossenschafter fürchteten sich nicht, Gott bewahre, aber sie erschraken doch jedesmal, sobald die Thürglocke erklang. Es müßte doch scheußlich sein, so in der Blüte der Jahre von so einem Mörder abgemurkst zu werden. Und drei alleinstehende Damen in einer Wohnung ohne männlichen Schutz, das mußte doch zu einem Mordanfnlle förmlich herausfordern. Geht es denn wirklich nirgends in der Welt ohne diese Männer? Wozu hatte man aber die berühmte Antonie ins Haus genommen? Wozu ertrug man ihre Tyrannei und Schnlmeistereien nud Küchengerüche, wenn nicht dazu, daß sie das Haus beschützte? Aber die berühmte Antonie war nie da, wenn man sie brauchte. Antonie war sozusagen christlich-vergnügungssüchtig. Sie mußte früh bei jeder Trauung sein und mit Gleichgesinnten die Kleider der Braut und der Braut¬ jungfern besprechen, sie mußte nachmittags bei jedem Begräbnis zur Bildung des Franenchors beitragen, sie durfte abends bei keiner Missivnsstunde fehlen und mußte sich je nachdem für das Heil der Kaffern oder der Papuas begeistern, da konnte so natürlich nicht zu Hause auf die Thür achten. Ja, was noch schlimmer war, sie ließ selbst die Thür regelmäßig offen steh». Erst neulich war ein Mensch bis in die Stube von Fräulein Scherbitz vorgedrungen. Fräulein Scherbitz war bis auf den Tod erschrocken, und es war nicht auszudenken gewesen, was hätte geschehn können, wenn nicht in diesem Augenblicke das Hoiottoho einer Walküre aus dem Zimmer von Fräulein Grossi erklungen wäre. Nun aber machte man der Jungfer Antonie ernste Vorstellungen. Na, was deun? erwiderte das Juwel, bei Schloßpredigers wurde die Thür nie zugeschlossen. Der selige Herr Schlvßprediger — ach Gott, was war das für ein Mann! — sagte immer, es ist Sünde, sagte er, wenn man die Thür zuschließt- Und daß ich es Ihnen nur sage, Sie haben alle kein rechtes Gottvertrauen, sonst würden Sie sich uicht so haben. Sprachs, ging zu einem Begräbnis erster Klasse mit Marschällen und dein großen Leichenwagen und ließ die Thür wieder offen stehn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/744>, abgerufen am 01.09.2024.