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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Skizze" aus uuserüi heutigen Volksleben

Ihnen aber sagen: Bei Ihnen sieht es ja aus, wie in Sodom und Gomorrha.
Beim seligen Herrn Schloßprcdiger wurden immer erst die Strümpfe weggethan
und dann gesungen.

Eleonore Grossi nahm keine Notiz von der Vermahnung, Worauf sich An-
tonie mit ihrem Strickstrumpfe zu Trudchen Leverkuhn begab und sie für die Unord¬
nung bei ihrer Freundin verantwortlich machte. Bei Schloßpredigers hätten sie
jeden Morgen allemal erst Buße gethan, und dann hätte kein Mensch die Strümpfe
auf dem Klavier liegen lassen dürfen. Was wollte Trudchen Leverkuhn machen?
Sie begab sich zu ihrer Freundin und stiftete Ordnung. Was ihr jedoch immer
nur auf kurze Zeit gelang, denu Eleonore Grossi war gar zu genial und nicht
dazu zu bringen, früh nach dem Kaffee allemal erst Buße zu thun.

Man konnte unmöglich das große Ereignis des Einzugs vorüber gehn lassen,
ohne ein Einzugsfest zu feiern. Nach langen Verhandlungen fand sich ein Abend,
der alleu Beteiligten paßte. Trudchen Leverkuhn hatte die Rolle des Familien-
Hauptes übernommen. Sie hatte ihre Stube besonders schon geschmückt. Man sah
eine bekränzte, dnrch Brandmalerei hergestellte Tafel, auf der die Zahl des Ersparungs-
toeffizienten 0,8505 prangte. Darunter lag F. W. Grandners Nationalökonomie
auf rechnerischer Grundlage, und rechts und links davon standen die Photographien
von zwei Professoren, die vielleicht in entfernter Weise mit der Sache in Ver¬
bindung gebracht werden konnten. Für Theegebäck war reichlich gesorgt, auf dem
stummen Diener sang ein ansehnlich großer Theekessel, den Trudchen Leverkühns
Mama gestiftet hatte. Um acht Uhr erschienen feierlich die beiden Geladnen, fünf
Minuten darauf Jungfer Antonie ungeladuerweise. Man sah sich unwillig an
und flüsterte sich zu, was denn die Person wolle, aber niemand wagte es, ihr zu
sagen, daß sie nicht willkommen sei. Der Abend war zu schön, als daß man ihn
sich durch so eine Person hätte verderben lassen sollen. Man ließ sie ihre läng¬
lichen Geschichten von dem seligen Herrn Schloßprediger erzählen und trank viele
Tassen Thee. Sogar Fräulein Schcrbitz laute ans und steckte sich eine Zigarette
an. Zuletzt erhob sich Trudchen Leverkuhn, hielt eine Rede über die Notwendigkeit
der Zusammenfassung der Kräfte, über die Bildung von Familien der Unver¬
heirateten und schloß mit einem Hoch auf die Freiheit.

Jungfer Antonie sah währenddessen mit mißbilligender Verwundrung von
der einen zur andern und sagte, ohne mit ihrer Theetnsse mit anzustoßen: Die
Freiheit ist nämlich vom Teufel.

Was ist? fragte man lachend. Die Freiheit ist vom Teufel?

Ja, erwiderte die berühmte Antonie, angelegentlich auf ihren Strickstrumpf
schauend, so sagte der selige Herr Schloßprediger. Und daß ichs nun sage, niemals
ist beim Herrn Schloßprediger bis Glocke elf Thee getrunken worden, und niemals
hat man mit den Theetassen auf dem Teufel sein Reich angestoßen.

Die jungen Mädchen hätten zerknirscht sein müssen, sie waren es aber nicht,
sondern sagten sich vergnügt Gute Nacht und wünschten der Jungfer Antonie, daß
sie vom Teufel träumen möchte. Dies hatte zur Folge, daß Jungfer Antonie deu
ganzen folgenden Tag eine strenge Miene machte, und daß sie noch weniger als
sonst geneigt war, zu hören, wenn man etwas von ihre wollte.

So war also das große Werk gelungen. Wenn sich Trndchen, nachdem sie
ihren Unterricht beendet und ihre Hefte korrigiert hatte, mit einem guten Buche in
der Hand auf dem gemeinsamen Balkon in ihren Triumphstuhl setzte, so that sie
es rin dem Selbstbewußtsein des kleinen Klaus im Märchen, als er mit sechs
fremden Pferden pflügte und rief: Hu, alle meine sieben Pferde. So hatte sie
sichs in ihren kühnsten Träumen gedacht. Heil der Wissenschaft, Heil dem Er-
sparungskoeffizicnten! selbständig, unabhängig und doch nicht vereinsamt oder vier
Treppen hoch in die Sphäre vo" Schustern verbannt! Dies war ein Teil der
Lösung der Frauenfrage. Es genügt doch nicht, der Frau einen selbständigen
Beruf zu schaffen, man muß die selbständigen Frauen zu Familie" zusammenfassen,


Skizze» aus uuserüi heutigen Volksleben

Ihnen aber sagen: Bei Ihnen sieht es ja aus, wie in Sodom und Gomorrha.
Beim seligen Herrn Schloßprcdiger wurden immer erst die Strümpfe weggethan
und dann gesungen.

Eleonore Grossi nahm keine Notiz von der Vermahnung, Worauf sich An-
tonie mit ihrem Strickstrumpfe zu Trudchen Leverkuhn begab und sie für die Unord¬
nung bei ihrer Freundin verantwortlich machte. Bei Schloßpredigers hätten sie
jeden Morgen allemal erst Buße gethan, und dann hätte kein Mensch die Strümpfe
auf dem Klavier liegen lassen dürfen. Was wollte Trudchen Leverkuhn machen?
Sie begab sich zu ihrer Freundin und stiftete Ordnung. Was ihr jedoch immer
nur auf kurze Zeit gelang, denu Eleonore Grossi war gar zu genial und nicht
dazu zu bringen, früh nach dem Kaffee allemal erst Buße zu thun.

Man konnte unmöglich das große Ereignis des Einzugs vorüber gehn lassen,
ohne ein Einzugsfest zu feiern. Nach langen Verhandlungen fand sich ein Abend,
der alleu Beteiligten paßte. Trudchen Leverkuhn hatte die Rolle des Familien-
Hauptes übernommen. Sie hatte ihre Stube besonders schon geschmückt. Man sah
eine bekränzte, dnrch Brandmalerei hergestellte Tafel, auf der die Zahl des Ersparungs-
toeffizienten 0,8505 prangte. Darunter lag F. W. Grandners Nationalökonomie
auf rechnerischer Grundlage, und rechts und links davon standen die Photographien
von zwei Professoren, die vielleicht in entfernter Weise mit der Sache in Ver¬
bindung gebracht werden konnten. Für Theegebäck war reichlich gesorgt, auf dem
stummen Diener sang ein ansehnlich großer Theekessel, den Trudchen Leverkühns
Mama gestiftet hatte. Um acht Uhr erschienen feierlich die beiden Geladnen, fünf
Minuten darauf Jungfer Antonie ungeladuerweise. Man sah sich unwillig an
und flüsterte sich zu, was denn die Person wolle, aber niemand wagte es, ihr zu
sagen, daß sie nicht willkommen sei. Der Abend war zu schön, als daß man ihn
sich durch so eine Person hätte verderben lassen sollen. Man ließ sie ihre läng¬
lichen Geschichten von dem seligen Herrn Schloßprediger erzählen und trank viele
Tassen Thee. Sogar Fräulein Schcrbitz laute ans und steckte sich eine Zigarette
an. Zuletzt erhob sich Trudchen Leverkuhn, hielt eine Rede über die Notwendigkeit
der Zusammenfassung der Kräfte, über die Bildung von Familien der Unver¬
heirateten und schloß mit einem Hoch auf die Freiheit.

Jungfer Antonie sah währenddessen mit mißbilligender Verwundrung von
der einen zur andern und sagte, ohne mit ihrer Theetnsse mit anzustoßen: Die
Freiheit ist nämlich vom Teufel.

Was ist? fragte man lachend. Die Freiheit ist vom Teufel?

Ja, erwiderte die berühmte Antonie, angelegentlich auf ihren Strickstrumpf
schauend, so sagte der selige Herr Schloßprediger. Und daß ichs nun sage, niemals
ist beim Herrn Schloßprediger bis Glocke elf Thee getrunken worden, und niemals
hat man mit den Theetassen auf dem Teufel sein Reich angestoßen.

Die jungen Mädchen hätten zerknirscht sein müssen, sie waren es aber nicht,
sondern sagten sich vergnügt Gute Nacht und wünschten der Jungfer Antonie, daß
sie vom Teufel träumen möchte. Dies hatte zur Folge, daß Jungfer Antonie deu
ganzen folgenden Tag eine strenge Miene machte, und daß sie noch weniger als
sonst geneigt war, zu hören, wenn man etwas von ihre wollte.

So war also das große Werk gelungen. Wenn sich Trndchen, nachdem sie
ihren Unterricht beendet und ihre Hefte korrigiert hatte, mit einem guten Buche in
der Hand auf dem gemeinsamen Balkon in ihren Triumphstuhl setzte, so that sie
es rin dem Selbstbewußtsein des kleinen Klaus im Märchen, als er mit sechs
fremden Pferden pflügte und rief: Hu, alle meine sieben Pferde. So hatte sie
sichs in ihren kühnsten Träumen gedacht. Heil der Wissenschaft, Heil dem Er-
sparungskoeffizicnten! selbständig, unabhängig und doch nicht vereinsamt oder vier
Treppen hoch in die Sphäre vo» Schustern verbannt! Dies war ein Teil der
Lösung der Frauenfrage. Es genügt doch nicht, der Frau einen selbständigen
Beruf zu schaffen, man muß die selbständigen Frauen zu Familie» zusammenfassen,


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[0742] Skizze» aus uuserüi heutigen Volksleben Ihnen aber sagen: Bei Ihnen sieht es ja aus, wie in Sodom und Gomorrha. Beim seligen Herrn Schloßprcdiger wurden immer erst die Strümpfe weggethan und dann gesungen. Eleonore Grossi nahm keine Notiz von der Vermahnung, Worauf sich An- tonie mit ihrem Strickstrumpfe zu Trudchen Leverkuhn begab und sie für die Unord¬ nung bei ihrer Freundin verantwortlich machte. Bei Schloßpredigers hätten sie jeden Morgen allemal erst Buße gethan, und dann hätte kein Mensch die Strümpfe auf dem Klavier liegen lassen dürfen. Was wollte Trudchen Leverkuhn machen? Sie begab sich zu ihrer Freundin und stiftete Ordnung. Was ihr jedoch immer nur auf kurze Zeit gelang, denu Eleonore Grossi war gar zu genial und nicht dazu zu bringen, früh nach dem Kaffee allemal erst Buße zu thun. Man konnte unmöglich das große Ereignis des Einzugs vorüber gehn lassen, ohne ein Einzugsfest zu feiern. Nach langen Verhandlungen fand sich ein Abend, der alleu Beteiligten paßte. Trudchen Leverkuhn hatte die Rolle des Familien- Hauptes übernommen. Sie hatte ihre Stube besonders schon geschmückt. Man sah eine bekränzte, dnrch Brandmalerei hergestellte Tafel, auf der die Zahl des Ersparungs- toeffizienten 0,8505 prangte. Darunter lag F. W. Grandners Nationalökonomie auf rechnerischer Grundlage, und rechts und links davon standen die Photographien von zwei Professoren, die vielleicht in entfernter Weise mit der Sache in Ver¬ bindung gebracht werden konnten. Für Theegebäck war reichlich gesorgt, auf dem stummen Diener sang ein ansehnlich großer Theekessel, den Trudchen Leverkühns Mama gestiftet hatte. Um acht Uhr erschienen feierlich die beiden Geladnen, fünf Minuten darauf Jungfer Antonie ungeladuerweise. Man sah sich unwillig an und flüsterte sich zu, was denn die Person wolle, aber niemand wagte es, ihr zu sagen, daß sie nicht willkommen sei. Der Abend war zu schön, als daß man ihn sich durch so eine Person hätte verderben lassen sollen. Man ließ sie ihre läng¬ lichen Geschichten von dem seligen Herrn Schloßprediger erzählen und trank viele Tassen Thee. Sogar Fräulein Schcrbitz laute ans und steckte sich eine Zigarette an. Zuletzt erhob sich Trudchen Leverkuhn, hielt eine Rede über die Notwendigkeit der Zusammenfassung der Kräfte, über die Bildung von Familien der Unver¬ heirateten und schloß mit einem Hoch auf die Freiheit. Jungfer Antonie sah währenddessen mit mißbilligender Verwundrung von der einen zur andern und sagte, ohne mit ihrer Theetnsse mit anzustoßen: Die Freiheit ist nämlich vom Teufel. Was ist? fragte man lachend. Die Freiheit ist vom Teufel? Ja, erwiderte die berühmte Antonie, angelegentlich auf ihren Strickstrumpf schauend, so sagte der selige Herr Schloßprediger. Und daß ichs nun sage, niemals ist beim Herrn Schloßprediger bis Glocke elf Thee getrunken worden, und niemals hat man mit den Theetassen auf dem Teufel sein Reich angestoßen. Die jungen Mädchen hätten zerknirscht sein müssen, sie waren es aber nicht, sondern sagten sich vergnügt Gute Nacht und wünschten der Jungfer Antonie, daß sie vom Teufel träumen möchte. Dies hatte zur Folge, daß Jungfer Antonie deu ganzen folgenden Tag eine strenge Miene machte, und daß sie noch weniger als sonst geneigt war, zu hören, wenn man etwas von ihre wollte. So war also das große Werk gelungen. Wenn sich Trndchen, nachdem sie ihren Unterricht beendet und ihre Hefte korrigiert hatte, mit einem guten Buche in der Hand auf dem gemeinsamen Balkon in ihren Triumphstuhl setzte, so that sie es rin dem Selbstbewußtsein des kleinen Klaus im Märchen, als er mit sechs fremden Pferden pflügte und rief: Hu, alle meine sieben Pferde. So hatte sie sichs in ihren kühnsten Träumen gedacht. Heil der Wissenschaft, Heil dem Er- sparungskoeffizicnten! selbständig, unabhängig und doch nicht vereinsamt oder vier Treppen hoch in die Sphäre vo» Schustern verbannt! Dies war ein Teil der Lösung der Frauenfrage. Es genügt doch nicht, der Frau einen selbständigen Beruf zu schaffen, man muß die selbständigen Frauen zu Familie» zusammenfassen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/742>, abgerufen am 01.09.2024.