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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

bemerkt. Aber ich ging, als ich von der Bahn kam, ein Stück hinter dir her.
Ich hatte die größte Angst, daß du dich umdrehen und mich bemerken würdest.
Ich war ganz erstaunt, als ich dich erkannte. Und wie ich dich gehn sah, so groß
und so -- -- -- er stockte wieder; beinahe hätte er gesagt: so schön und so
graziös in deinen Bewegungen -- es war ja wie Musik! Aber er sagte nur:
so verändert!

Sie hatte sich halb abgewandt von ihm. Es ist gräßlich heiß hier! sagte sie.
Ich lege solange ab! Sie knöpfte die Pelzjacke auf, zog sie aus und legte sie auf
einen Stuhl. Dann hob sie die Arme und nestelte an dem Tuch auf ihrem Haupte.
Ich war vorhin noch einmal zu Hause, sagte sie, nur um etwas zu sagen, und habe
das Tuch umgebunden, weil es anfing zu schneien, ehe ich mit meinen letzten Be¬
sorgungen für den Onkel fertig war.

Der Professor meinte, nie so schöne Umrisse gesehen zu haben. Er wandte in
seltsamer Verwirrung die Augen mit Gewalt von ihr ab, trat an das Fenster und
sah hinaus. Der Mond schien nicht mehr draußen. Nur ein matter Schein dämmerte
noch durch deu Schleier des herabwehenden Schnees. Und auch der wurde immer
schwächer. Dichter und dichter fielen die Flocken, bald war es ganz dunkel vor den
Scheiben, und mau sah nur noch die Flocken, die im Bereich des Lampenlichts
vorüberhuschten. Weit draußen im Lande, jenseits dieser Mauern, wo die Wolke,
die diesen Schauer herabsandte, uicht hinreichte, lag wohl lichter Mondschein auf der
träumenden Flur und verklärte den winterlichen Wald. Es war dem Professor,
als lockte und zöge es ihn, weg, hinaus, in die Ferne, in ein Traumland. Ärmchen
sagte nichts mehr. Er hatte das drückende Gefühl, daß sie ihm grolle, und sein
Gewissen sagte ihm, daß er Grund genug dazu gegeben habe. So wagte er das
Schweigen uicht zu unterbrechen und sah finster in das Dunkel vor dem Fenster
und ans die wirbelnden Flocken. Eine ganze Weile -- eine Ewigkeit deuchte es
ihn. -- Ob er denn gar nicht kommt? sagte er Plötzlich laut. Er erschrak fast über
seine Stimme. Zögernd wandte er sich um. Ärmchen hatte sich in Onkel Zinnobers
Sorgenstnhl gesetzt und sich mit geschlossenen Angen darin zurückgelehnt.

Er muß ja jetzt gleich kommen, antwortete sie, ohne die Augen zu öffnen.

Da nahm er einen Stoß Mappen von einem Hocker am Tisch, warf die Mappen auf
den Boden und rückte den Hocker neben deu Sorgeustuhl. Daun setzte er sich darauf
und betrachtete sie träumend. War sie uicht gerade wie Sie? Dieselben feinen,
klassischen Formen; genau so, wie Sie auf dem Wagen, lag sie hingegossen. War
diese Wirklichkeit nicht noch schöner als ein Traum?"

Und dein Ideal? fragte sie Plötzlich -- jetzt sagte sie "dem --, ohne sich
Zu bewegen und die Augen zu öffnen.

O Ärmchen! flüsterte er -- er wußte nicht, wie es kam, daß er rede" ihrem
Stuhl kniete. Er ergriff ihre feine Hand, die über die Armlehne herabhing -- sie
guckte ein wenig, gab sich aber doch gefangen -- und küßte sie. Mein Ideal?
^es habe es gesucht, und ich hatte mich verirrt -- ich wußte ja uicht, daß ich es
Herzen trug, und daß es fest verankert darinnen war, während ich es suchte.

Er spürte es, daß sie leise weinte. Er wollte sich erheben und sich über sie
^ugen. Da polterte es an der Thür.

Was? rief eine scharfe entrüstete Stimme, während sie beide aufführe". Wie?
sehe ich hier?

Aber Onkel! rief Ärmchen, die empor flog und sich vor ihn stellte. Wie kannston um -- du bist wirklich abscheulich!

Wie kann ich nur? Höhute er, darf ich uicht mehr in mein Atelier, wenn ich will?
^le^ Was? Geh nur beiseite, ich will wissen, was da hinterm Sorgcnstuhl steckt.

Aber Onkel, es ist ja doch nur Wal--

Was? Nur Waldemar?

Onkel, sagte dieser, indem er sich endlich von seinen Knieen erhob, Sie
Wessen doch, daß ich es bin!


Grenzboten IV 1802 86
Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

bemerkt. Aber ich ging, als ich von der Bahn kam, ein Stück hinter dir her.
Ich hatte die größte Angst, daß du dich umdrehen und mich bemerken würdest.
Ich war ganz erstaunt, als ich dich erkannte. Und wie ich dich gehn sah, so groß
und so — — — er stockte wieder; beinahe hätte er gesagt: so schön und so
graziös in deinen Bewegungen — es war ja wie Musik! Aber er sagte nur:
so verändert!

Sie hatte sich halb abgewandt von ihm. Es ist gräßlich heiß hier! sagte sie.
Ich lege solange ab! Sie knöpfte die Pelzjacke auf, zog sie aus und legte sie auf
einen Stuhl. Dann hob sie die Arme und nestelte an dem Tuch auf ihrem Haupte.
Ich war vorhin noch einmal zu Hause, sagte sie, nur um etwas zu sagen, und habe
das Tuch umgebunden, weil es anfing zu schneien, ehe ich mit meinen letzten Be¬
sorgungen für den Onkel fertig war.

Der Professor meinte, nie so schöne Umrisse gesehen zu haben. Er wandte in
seltsamer Verwirrung die Augen mit Gewalt von ihr ab, trat an das Fenster und
sah hinaus. Der Mond schien nicht mehr draußen. Nur ein matter Schein dämmerte
noch durch deu Schleier des herabwehenden Schnees. Und auch der wurde immer
schwächer. Dichter und dichter fielen die Flocken, bald war es ganz dunkel vor den
Scheiben, und mau sah nur noch die Flocken, die im Bereich des Lampenlichts
vorüberhuschten. Weit draußen im Lande, jenseits dieser Mauern, wo die Wolke,
die diesen Schauer herabsandte, uicht hinreichte, lag wohl lichter Mondschein auf der
träumenden Flur und verklärte den winterlichen Wald. Es war dem Professor,
als lockte und zöge es ihn, weg, hinaus, in die Ferne, in ein Traumland. Ärmchen
sagte nichts mehr. Er hatte das drückende Gefühl, daß sie ihm grolle, und sein
Gewissen sagte ihm, daß er Grund genug dazu gegeben habe. So wagte er das
Schweigen uicht zu unterbrechen und sah finster in das Dunkel vor dem Fenster
und ans die wirbelnden Flocken. Eine ganze Weile — eine Ewigkeit deuchte es
ihn. — Ob er denn gar nicht kommt? sagte er Plötzlich laut. Er erschrak fast über
seine Stimme. Zögernd wandte er sich um. Ärmchen hatte sich in Onkel Zinnobers
Sorgenstnhl gesetzt und sich mit geschlossenen Angen darin zurückgelehnt.

Er muß ja jetzt gleich kommen, antwortete sie, ohne die Augen zu öffnen.

Da nahm er einen Stoß Mappen von einem Hocker am Tisch, warf die Mappen auf
den Boden und rückte den Hocker neben deu Sorgeustuhl. Daun setzte er sich darauf
und betrachtete sie träumend. War sie uicht gerade wie Sie? Dieselben feinen,
klassischen Formen; genau so, wie Sie auf dem Wagen, lag sie hingegossen. War
diese Wirklichkeit nicht noch schöner als ein Traum?"

Und dein Ideal? fragte sie Plötzlich — jetzt sagte sie „dem —, ohne sich
Zu bewegen und die Augen zu öffnen.

O Ärmchen! flüsterte er — er wußte nicht, wie es kam, daß er rede« ihrem
Stuhl kniete. Er ergriff ihre feine Hand, die über die Armlehne herabhing — sie
guckte ein wenig, gab sich aber doch gefangen — und küßte sie. Mein Ideal?
^es habe es gesucht, und ich hatte mich verirrt — ich wußte ja uicht, daß ich es
Herzen trug, und daß es fest verankert darinnen war, während ich es suchte.

Er spürte es, daß sie leise weinte. Er wollte sich erheben und sich über sie
^ugen. Da polterte es an der Thür.

Was? rief eine scharfe entrüstete Stimme, während sie beide aufführe». Wie?
sehe ich hier?

Aber Onkel! rief Ärmchen, die empor flog und sich vor ihn stellte. Wie kannston um — du bist wirklich abscheulich!

Wie kann ich nur? Höhute er, darf ich uicht mehr in mein Atelier, wenn ich will?
^le^ Was? Geh nur beiseite, ich will wissen, was da hinterm Sorgcnstuhl steckt.

Aber Onkel, es ist ja doch nur Wal—

Was? Nur Waldemar?

Onkel, sagte dieser, indem er sich endlich von seinen Knieen erhob, Sie
Wessen doch, daß ich es bin!


Grenzboten IV 1802 86
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[0695] Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ärmchen bemerkt. Aber ich ging, als ich von der Bahn kam, ein Stück hinter dir her. Ich hatte die größte Angst, daß du dich umdrehen und mich bemerken würdest. Ich war ganz erstaunt, als ich dich erkannte. Und wie ich dich gehn sah, so groß und so — — — er stockte wieder; beinahe hätte er gesagt: so schön und so graziös in deinen Bewegungen — es war ja wie Musik! Aber er sagte nur: so verändert! Sie hatte sich halb abgewandt von ihm. Es ist gräßlich heiß hier! sagte sie. Ich lege solange ab! Sie knöpfte die Pelzjacke auf, zog sie aus und legte sie auf einen Stuhl. Dann hob sie die Arme und nestelte an dem Tuch auf ihrem Haupte. Ich war vorhin noch einmal zu Hause, sagte sie, nur um etwas zu sagen, und habe das Tuch umgebunden, weil es anfing zu schneien, ehe ich mit meinen letzten Be¬ sorgungen für den Onkel fertig war. Der Professor meinte, nie so schöne Umrisse gesehen zu haben. Er wandte in seltsamer Verwirrung die Augen mit Gewalt von ihr ab, trat an das Fenster und sah hinaus. Der Mond schien nicht mehr draußen. Nur ein matter Schein dämmerte noch durch deu Schleier des herabwehenden Schnees. Und auch der wurde immer schwächer. Dichter und dichter fielen die Flocken, bald war es ganz dunkel vor den Scheiben, und mau sah nur noch die Flocken, die im Bereich des Lampenlichts vorüberhuschten. Weit draußen im Lande, jenseits dieser Mauern, wo die Wolke, die diesen Schauer herabsandte, uicht hinreichte, lag wohl lichter Mondschein auf der träumenden Flur und verklärte den winterlichen Wald. Es war dem Professor, als lockte und zöge es ihn, weg, hinaus, in die Ferne, in ein Traumland. Ärmchen sagte nichts mehr. Er hatte das drückende Gefühl, daß sie ihm grolle, und sein Gewissen sagte ihm, daß er Grund genug dazu gegeben habe. So wagte er das Schweigen uicht zu unterbrechen und sah finster in das Dunkel vor dem Fenster und ans die wirbelnden Flocken. Eine ganze Weile — eine Ewigkeit deuchte es ihn. — Ob er denn gar nicht kommt? sagte er Plötzlich laut. Er erschrak fast über seine Stimme. Zögernd wandte er sich um. Ärmchen hatte sich in Onkel Zinnobers Sorgenstnhl gesetzt und sich mit geschlossenen Angen darin zurückgelehnt. Er muß ja jetzt gleich kommen, antwortete sie, ohne die Augen zu öffnen. Da nahm er einen Stoß Mappen von einem Hocker am Tisch, warf die Mappen auf den Boden und rückte den Hocker neben deu Sorgeustuhl. Daun setzte er sich darauf und betrachtete sie träumend. War sie uicht gerade wie Sie? Dieselben feinen, klassischen Formen; genau so, wie Sie auf dem Wagen, lag sie hingegossen. War diese Wirklichkeit nicht noch schöner als ein Traum?" Und dein Ideal? fragte sie Plötzlich — jetzt sagte sie „dem —, ohne sich Zu bewegen und die Augen zu öffnen. O Ärmchen! flüsterte er — er wußte nicht, wie es kam, daß er rede« ihrem Stuhl kniete. Er ergriff ihre feine Hand, die über die Armlehne herabhing — sie guckte ein wenig, gab sich aber doch gefangen — und küßte sie. Mein Ideal? ^es habe es gesucht, und ich hatte mich verirrt — ich wußte ja uicht, daß ich es Herzen trug, und daß es fest verankert darinnen war, während ich es suchte. Er spürte es, daß sie leise weinte. Er wollte sich erheben und sich über sie ^ugen. Da polterte es an der Thür. Was? rief eine scharfe entrüstete Stimme, während sie beide aufführe». Wie? sehe ich hier? Aber Onkel! rief Ärmchen, die empor flog und sich vor ihn stellte. Wie kannston um — du bist wirklich abscheulich! Wie kann ich nur? Höhute er, darf ich uicht mehr in mein Atelier, wenn ich will? ^le^ Was? Geh nur beiseite, ich will wissen, was da hinterm Sorgcnstuhl steckt. Aber Onkel, es ist ja doch nur Wal— Was? Nur Waldemar? Onkel, sagte dieser, indem er sich endlich von seinen Knieen erhob, Sie Wessen doch, daß ich es bin! Grenzboten IV 1802 86

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/695>, abgerufen am 01.09.2024.