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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

Er dachte an all die fernen Weihnachten zurück, die hinter ihm lagen. Alle so
warm, so strahlend, so voll Liebe. Und zu allen diesen Weihnachten hatte auch Onkel
Zinnober gehört, schon als Waldemar noch ein ganz kleiner Junge gewesen war.

Denn Onkel Zinnober war der beste Freund seines Vaters, seit die beiden
ein ihrem ersten Schultage auf einer Bank nebeneinander gesessen waren. Sie hatten
zusammen die Schule durchgemacht, hatten zusammen studiert und waren immer
unzertrennlich gewesen. Und das waren sie noch heute, wo sie anfingen, alte Männer
zu werden, und da Onkel Zinnober unverheiratet geblieben war, so hatte er den
Beruf eines Familienonkels ergriffen und war als solcher alle die vielen Jahre
pünktlich am Sonntag Mittag zum Essen erschienen. Da blieb er dann -- ebenso
"n allen Feiertagen -- den ganzen Nachmittag da und zum Abendbrot; an den
Wochentagen würde ihn niemand dazu gebracht haben, auch die größte Freundlich¬
keit der Frau Mama uicht, an den Mahlzeiten teilzunehmen. Onkel Zinnober hatte
seine festen Grundsätze für das Maß der Gastfreundschaft, das man in Anspruch
nehmen durfte. Die Geburtstage wurden natürlich zu den Feiertagen gerechnet.

Wie mochte er nur zu dem wunderlichen Namen gekommen sein? Vielleicht
hatte er ihn schon von seinen Studiengenossen auf der Akademie erhalten, an der
^' jetzt der Professor der Zeichen- und Malklassen war. Was für Dampf die
Schüler vor ihm hatten! Aber er konnte auch was. Es kam doch wohl selten
lor wie bei ihm, daß einer nie in seinem Leben ein Bild auf einer Ausstellung
gehabt und doch jedes schon verkauft hatte, ehe es nur im Rahmen war. Warum
der Onkel wohl nicht geheiratet hatte? Ob die Frauenzimmer alle auch solchen
Dampf vor seiner Hakennase über dem Spitzbart und dem bösen Mund und vor
den dunkeln funkelnden Augen gehabt hatten, wie die Akademiker? Er sah wirklich
wie ein bösartiges Wurzelmännlein aus, und doch, wie freundlich konnte der böse
Mund lächeln, und konnten die scharfen Augen blicken. Aber man mußte ihn freilich
^hr gut kennen, wenn man keine Angst vor ihm haben wollte.

Es wird das Gescheiteste sein, dachte der Professor, ich gebe den Koffer auf
^e"> Bahnhof ab und lasse ihn erst am Abend heimbringen, und gehe derweilen zum
^ulei Zinnober und rauche eine Zigarre bei ihm, bis es Bescherungszeit ist, und
wir zusammen zu den Eltern gehn können. Sie dürfen es nicht wissen, daß ich
da bin, bis der Baum brennt.

Unvermerkt hatte die Landschaft sich verändert, dnrch die er fuhr. Da waren
ichvn die Hügel, an denen der Wald emporstieg mit dem Gestrüpp des Unterholzes,
das die braunroten dürren Blätter festhielt. Und unvermerkt war die Sonne über
die Mittagshöhe hinweggegangen, und die Nachmittagsfarben logen gedämpft über
der Natur.

Ja, das war auch ein Weihnachten gewesen, wie Ärmchen ins Haus gekommen
war, ein mageres Mädchen mit flachsblondem Ruschelkopf. Er sah es noch so
deutlich mit seinen verstörten braunen Augen, wie es der Onkel gebracht hatte. Die
braunen Augen waren ihm so wunderlich gewesen, wie sie aus den blonden Locken,
dle ihr ins Gesicht fielen, hervorgeschaut hatten. Es war das einzige Kind
^ Schwester Onkel Zinnobers. Die Eltern waren plötzlich beide an einer Seuche
gestorben, die den Ort Heiingesucht hatte, wo die armen Leute gelebt hatten,
^ulei Zinnober war in seinem Nadmautel zu den Eltern gekommen und hatte ihnen
>e Nachricht gebracht. Dann war er mit einem Gesicht, vor dem die Leute sich
wrchteteu, auf die Buhu gestiegen und davon gefahren. Nach ein paar Tagen, am
^echnnchtsabend, war er mit dem zitternden Kinde an der Hand zurückgekommen
"o hatte mit dem bösesten Gesicht zu der Mutter gesagt: Da habe ich die Range,
as fange ich nun mit ihr an? Dabei waren ihm die dicken Thränen die Wangen
uV^""/^ gelaufen. -- Geben Sie das Kind nur her, hatte die Mutter geantwortet
A^de es an sich gezogen. Dann hatte sie mit ihren schönen strahlenden Augen
zum Vater aufgeschaut. Nicht wahr, Mann, dn läßt es mir? hatte sie gefragt;
°"s soll unser Christkind sein.


Grenzboten IV 1902 85
Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

Er dachte an all die fernen Weihnachten zurück, die hinter ihm lagen. Alle so
warm, so strahlend, so voll Liebe. Und zu allen diesen Weihnachten hatte auch Onkel
Zinnober gehört, schon als Waldemar noch ein ganz kleiner Junge gewesen war.

Denn Onkel Zinnober war der beste Freund seines Vaters, seit die beiden
ein ihrem ersten Schultage auf einer Bank nebeneinander gesessen waren. Sie hatten
zusammen die Schule durchgemacht, hatten zusammen studiert und waren immer
unzertrennlich gewesen. Und das waren sie noch heute, wo sie anfingen, alte Männer
zu werden, und da Onkel Zinnober unverheiratet geblieben war, so hatte er den
Beruf eines Familienonkels ergriffen und war als solcher alle die vielen Jahre
pünktlich am Sonntag Mittag zum Essen erschienen. Da blieb er dann — ebenso
«n allen Feiertagen — den ganzen Nachmittag da und zum Abendbrot; an den
Wochentagen würde ihn niemand dazu gebracht haben, auch die größte Freundlich¬
keit der Frau Mama uicht, an den Mahlzeiten teilzunehmen. Onkel Zinnober hatte
seine festen Grundsätze für das Maß der Gastfreundschaft, das man in Anspruch
nehmen durfte. Die Geburtstage wurden natürlich zu den Feiertagen gerechnet.

Wie mochte er nur zu dem wunderlichen Namen gekommen sein? Vielleicht
hatte er ihn schon von seinen Studiengenossen auf der Akademie erhalten, an der
^' jetzt der Professor der Zeichen- und Malklassen war. Was für Dampf die
Schüler vor ihm hatten! Aber er konnte auch was. Es kam doch wohl selten
lor wie bei ihm, daß einer nie in seinem Leben ein Bild auf einer Ausstellung
gehabt und doch jedes schon verkauft hatte, ehe es nur im Rahmen war. Warum
der Onkel wohl nicht geheiratet hatte? Ob die Frauenzimmer alle auch solchen
Dampf vor seiner Hakennase über dem Spitzbart und dem bösen Mund und vor
den dunkeln funkelnden Augen gehabt hatten, wie die Akademiker? Er sah wirklich
wie ein bösartiges Wurzelmännlein aus, und doch, wie freundlich konnte der böse
Mund lächeln, und konnten die scharfen Augen blicken. Aber man mußte ihn freilich
^hr gut kennen, wenn man keine Angst vor ihm haben wollte.

Es wird das Gescheiteste sein, dachte der Professor, ich gebe den Koffer auf
^e»> Bahnhof ab und lasse ihn erst am Abend heimbringen, und gehe derweilen zum
^ulei Zinnober und rauche eine Zigarre bei ihm, bis es Bescherungszeit ist, und
wir zusammen zu den Eltern gehn können. Sie dürfen es nicht wissen, daß ich
da bin, bis der Baum brennt.

Unvermerkt hatte die Landschaft sich verändert, dnrch die er fuhr. Da waren
ichvn die Hügel, an denen der Wald emporstieg mit dem Gestrüpp des Unterholzes,
das die braunroten dürren Blätter festhielt. Und unvermerkt war die Sonne über
die Mittagshöhe hinweggegangen, und die Nachmittagsfarben logen gedämpft über
der Natur.

Ja, das war auch ein Weihnachten gewesen, wie Ärmchen ins Haus gekommen
war, ein mageres Mädchen mit flachsblondem Ruschelkopf. Er sah es noch so
deutlich mit seinen verstörten braunen Augen, wie es der Onkel gebracht hatte. Die
braunen Augen waren ihm so wunderlich gewesen, wie sie aus den blonden Locken,
dle ihr ins Gesicht fielen, hervorgeschaut hatten. Es war das einzige Kind
^ Schwester Onkel Zinnobers. Die Eltern waren plötzlich beide an einer Seuche
gestorben, die den Ort Heiingesucht hatte, wo die armen Leute gelebt hatten,
^ulei Zinnober war in seinem Nadmautel zu den Eltern gekommen und hatte ihnen
>e Nachricht gebracht. Dann war er mit einem Gesicht, vor dem die Leute sich
wrchteteu, auf die Buhu gestiegen und davon gefahren. Nach ein paar Tagen, am
^echnnchtsabend, war er mit dem zitternden Kinde an der Hand zurückgekommen
"o hatte mit dem bösesten Gesicht zu der Mutter gesagt: Da habe ich die Range,
as fange ich nun mit ihr an? Dabei waren ihm die dicken Thränen die Wangen
uV^""/^ gelaufen. — Geben Sie das Kind nur her, hatte die Mutter geantwortet
A^de es an sich gezogen. Dann hatte sie mit ihren schönen strahlenden Augen
zum Vater aufgeschaut. Nicht wahr, Mann, dn läßt es mir? hatte sie gefragt;
°"s soll unser Christkind sein.


Grenzboten IV 1902 85
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[0687] Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen Er dachte an all die fernen Weihnachten zurück, die hinter ihm lagen. Alle so warm, so strahlend, so voll Liebe. Und zu allen diesen Weihnachten hatte auch Onkel Zinnober gehört, schon als Waldemar noch ein ganz kleiner Junge gewesen war. Denn Onkel Zinnober war der beste Freund seines Vaters, seit die beiden ein ihrem ersten Schultage auf einer Bank nebeneinander gesessen waren. Sie hatten zusammen die Schule durchgemacht, hatten zusammen studiert und waren immer unzertrennlich gewesen. Und das waren sie noch heute, wo sie anfingen, alte Männer zu werden, und da Onkel Zinnober unverheiratet geblieben war, so hatte er den Beruf eines Familienonkels ergriffen und war als solcher alle die vielen Jahre pünktlich am Sonntag Mittag zum Essen erschienen. Da blieb er dann — ebenso «n allen Feiertagen — den ganzen Nachmittag da und zum Abendbrot; an den Wochentagen würde ihn niemand dazu gebracht haben, auch die größte Freundlich¬ keit der Frau Mama uicht, an den Mahlzeiten teilzunehmen. Onkel Zinnober hatte seine festen Grundsätze für das Maß der Gastfreundschaft, das man in Anspruch nehmen durfte. Die Geburtstage wurden natürlich zu den Feiertagen gerechnet. Wie mochte er nur zu dem wunderlichen Namen gekommen sein? Vielleicht hatte er ihn schon von seinen Studiengenossen auf der Akademie erhalten, an der ^' jetzt der Professor der Zeichen- und Malklassen war. Was für Dampf die Schüler vor ihm hatten! Aber er konnte auch was. Es kam doch wohl selten lor wie bei ihm, daß einer nie in seinem Leben ein Bild auf einer Ausstellung gehabt und doch jedes schon verkauft hatte, ehe es nur im Rahmen war. Warum der Onkel wohl nicht geheiratet hatte? Ob die Frauenzimmer alle auch solchen Dampf vor seiner Hakennase über dem Spitzbart und dem bösen Mund und vor den dunkeln funkelnden Augen gehabt hatten, wie die Akademiker? Er sah wirklich wie ein bösartiges Wurzelmännlein aus, und doch, wie freundlich konnte der böse Mund lächeln, und konnten die scharfen Augen blicken. Aber man mußte ihn freilich ^hr gut kennen, wenn man keine Angst vor ihm haben wollte. Es wird das Gescheiteste sein, dachte der Professor, ich gebe den Koffer auf ^e»> Bahnhof ab und lasse ihn erst am Abend heimbringen, und gehe derweilen zum ^ulei Zinnober und rauche eine Zigarre bei ihm, bis es Bescherungszeit ist, und wir zusammen zu den Eltern gehn können. Sie dürfen es nicht wissen, daß ich da bin, bis der Baum brennt. Unvermerkt hatte die Landschaft sich verändert, dnrch die er fuhr. Da waren ichvn die Hügel, an denen der Wald emporstieg mit dem Gestrüpp des Unterholzes, das die braunroten dürren Blätter festhielt. Und unvermerkt war die Sonne über die Mittagshöhe hinweggegangen, und die Nachmittagsfarben logen gedämpft über der Natur. Ja, das war auch ein Weihnachten gewesen, wie Ärmchen ins Haus gekommen war, ein mageres Mädchen mit flachsblondem Ruschelkopf. Er sah es noch so deutlich mit seinen verstörten braunen Augen, wie es der Onkel gebracht hatte. Die braunen Augen waren ihm so wunderlich gewesen, wie sie aus den blonden Locken, dle ihr ins Gesicht fielen, hervorgeschaut hatten. Es war das einzige Kind ^ Schwester Onkel Zinnobers. Die Eltern waren plötzlich beide an einer Seuche gestorben, die den Ort Heiingesucht hatte, wo die armen Leute gelebt hatten, ^ulei Zinnober war in seinem Nadmautel zu den Eltern gekommen und hatte ihnen >e Nachricht gebracht. Dann war er mit einem Gesicht, vor dem die Leute sich wrchteteu, auf die Buhu gestiegen und davon gefahren. Nach ein paar Tagen, am ^echnnchtsabend, war er mit dem zitternden Kinde an der Hand zurückgekommen "o hatte mit dem bösesten Gesicht zu der Mutter gesagt: Da habe ich die Range, as fange ich nun mit ihr an? Dabei waren ihm die dicken Thränen die Wangen uV^""/^ gelaufen. — Geben Sie das Kind nur her, hatte die Mutter geantwortet A^de es an sich gezogen. Dann hatte sie mit ihren schönen strahlenden Augen zum Vater aufgeschaut. Nicht wahr, Mann, dn läßt es mir? hatte sie gefragt; °"s soll unser Christkind sein. Grenzboten IV 1902 85

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/687>, abgerufen am 01.09.2024.