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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ankleben

Professor imstande war, sich nach seinem Mütterchen zu sehnen und wirkliche Thränen
in sein Kopfkissen zu weinen. Aber so geschah es dem großen Jungen wirklich-
Und endlich schlief er doch ein mit dem Gefühl, daß das alte liebe Mütterchen ihm
sanft mit der Hand über die Stirn strich. Gott sei Dank, daß er noch ihr Junge
war! Und wie er in den Traum hinübersank, wußte er es auch, daß die Diana
von Versailles blondes Haar habe. Wundervoll goldblondes. Woher wußte er
es nur?

Am andern Morgen hatte er merkwürdigerweise prachtvollen Appetit. Löwen-
appetit. Die Eier waren exquisit, und der Kaffee war eine Wonne. Ich werde
sie überraschen, dachte der Professor, während er frühstückte; das wird famos. Dann
wunderte er sich, daß es ihm so schmecke. Eigentlich müßte er doch schmerzlich
niedergebeugt sein, dachte er; gramvoll und verzweifelt. Ein andrer würde in
einem solchen Falle hingegangen und Einsiedler in einem härenem Gewände ge¬
worden sein. In einer Höhle, vor die eine primitive Fassade gemanert war, mit
einer kleinen Glocke unter einem kleinen Dach, die er läuten konnte, daß ihm fromme
Leute ein gutes Frühstück brächten; mit einem Reh vor der Thür und einem Eich¬
horn auf einen: Aste der dicken Eiche, die sich über der Einsiedelei wölbte. -- Du
hast kein Herz, Waldemar! sagte der Professor zu sich. Oder dein Herz war nicht
wirklich im Spiele. Die Blamage ist ja grenzenlos --

Er konnte doch plötzlich nicht recht schlucken, als er sich wieder vorstellte,
wie er gestern abend dagesessen und den Schicksalsschlag empfangen hatte. Es war
doch hart, wenn eine rauhe Hand so mit einem Stoß ein Luftschloß zerstörte,
woran man so lange und mit solcher Zuversicht gebaut hatte. So lauge? Na,
Waldemar, mehr als vier Wochen waren es eigentlich nicht. Und gesteh es nur,
es war doch auch etwas Eitelkeit und geistiger Hochmut bei dieser Gefühlsent¬
wicklung xs,r äistÄnec!.

Eigentliche Liebe konnte es ja noch gar nicht gewesen sein, wenn ihn auch
diese klassische Schönheit hingerissen hatte. Er senkte die Stirn, als er an das
schöne Mädchen dachte und an den Rittmeister mit dem Schnurrbart und dem
Siegerblick, und es wollte sich doch ein schmerzlicher Zug um seinen Mund legen.'

Gott sei Dank, dachte er, indem er aufstand, daß die Sache noch so PA
ciiLtaves abgelaufen ist. Große Blößen hatte er sich noch nicht gegeben. Nur bei
denen zu Hanse durfte er auf etwas Spott rechnen. Nein, bei der Mutter nicht;
ihr würde vielleicht das Herz mehr weh thun, als ihm selbst.

Wenn sie nur dem Onkel Zinnober nichts gesagt hatten -- -- das wäre
gräßlich!

Aber je mehr er nu den Onkel Zinnober dachte und an sie alle zu Hause,
desto sehnsüchtiger wurde er.

Es ist doch famos, daß ich sie nun wirklich so gänzlich überrasche! dachte er,
indem er eilig seinen Koffer Päckte. Und dann rasselte er in der Droschke ans den
Bahnhof, und dann saß er in dem warmen Cvupü und fuhr durch das winterliche
Land, der Heimat zu.

Nun war es schon länger als drei Jahre her, seit er zum letztenmal den Fuß
über die väterliche Schwelle gesetzt hatte. Er saß grübelnd in seiner Ecke und sah
in die schneebedeckte Landschaft hinaus. Weite, weiße Fläche"; dann und wann
ein Wald -- kahle Bäume oder dunkle Tannen, deren Zweige der Schnee nieder¬
beugte, dann und wann ein Dorf mit hochbeschneiten Dächern; gelbe Glanzlichter
im Wintersonnenschein und violette Schatte". Auf den Stationen überall Menschen¬
gedränge -- alle Leute hatten die Arme und die Hände voll Pakete. Dann wieder
die große, hehre Einsamkeit der Natur. -- Daß er gar nicht an Ärmchen gedacht
hatte! Das war doch merkwürdig. Freilich, es hatte ja eine andre Gestalt alle
seine Gedanken erfüllt und ihn der Heimat so fremd gemacht, daß er nicht einma
zu Weihnachten hatte heimkommen wollen. Zu den seinen, zu den warmen Herze",
die immer bei ihm waren, wenn er auch falschen Göttern anhing!


Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ankleben

Professor imstande war, sich nach seinem Mütterchen zu sehnen und wirkliche Thränen
in sein Kopfkissen zu weinen. Aber so geschah es dem großen Jungen wirklich-
Und endlich schlief er doch ein mit dem Gefühl, daß das alte liebe Mütterchen ihm
sanft mit der Hand über die Stirn strich. Gott sei Dank, daß er noch ihr Junge
war! Und wie er in den Traum hinübersank, wußte er es auch, daß die Diana
von Versailles blondes Haar habe. Wundervoll goldblondes. Woher wußte er
es nur?

Am andern Morgen hatte er merkwürdigerweise prachtvollen Appetit. Löwen-
appetit. Die Eier waren exquisit, und der Kaffee war eine Wonne. Ich werde
sie überraschen, dachte der Professor, während er frühstückte; das wird famos. Dann
wunderte er sich, daß es ihm so schmecke. Eigentlich müßte er doch schmerzlich
niedergebeugt sein, dachte er; gramvoll und verzweifelt. Ein andrer würde in
einem solchen Falle hingegangen und Einsiedler in einem härenem Gewände ge¬
worden sein. In einer Höhle, vor die eine primitive Fassade gemanert war, mit
einer kleinen Glocke unter einem kleinen Dach, die er läuten konnte, daß ihm fromme
Leute ein gutes Frühstück brächten; mit einem Reh vor der Thür und einem Eich¬
horn auf einen: Aste der dicken Eiche, die sich über der Einsiedelei wölbte. — Du
hast kein Herz, Waldemar! sagte der Professor zu sich. Oder dein Herz war nicht
wirklich im Spiele. Die Blamage ist ja grenzenlos —

Er konnte doch plötzlich nicht recht schlucken, als er sich wieder vorstellte,
wie er gestern abend dagesessen und den Schicksalsschlag empfangen hatte. Es war
doch hart, wenn eine rauhe Hand so mit einem Stoß ein Luftschloß zerstörte,
woran man so lange und mit solcher Zuversicht gebaut hatte. So lauge? Na,
Waldemar, mehr als vier Wochen waren es eigentlich nicht. Und gesteh es nur,
es war doch auch etwas Eitelkeit und geistiger Hochmut bei dieser Gefühlsent¬
wicklung xs,r äistÄnec!.

Eigentliche Liebe konnte es ja noch gar nicht gewesen sein, wenn ihn auch
diese klassische Schönheit hingerissen hatte. Er senkte die Stirn, als er an das
schöne Mädchen dachte und an den Rittmeister mit dem Schnurrbart und dem
Siegerblick, und es wollte sich doch ein schmerzlicher Zug um seinen Mund legen.'

Gott sei Dank, dachte er, indem er aufstand, daß die Sache noch so PA
ciiLtaves abgelaufen ist. Große Blößen hatte er sich noch nicht gegeben. Nur bei
denen zu Hanse durfte er auf etwas Spott rechnen. Nein, bei der Mutter nicht;
ihr würde vielleicht das Herz mehr weh thun, als ihm selbst.

Wenn sie nur dem Onkel Zinnober nichts gesagt hatten — — das wäre
gräßlich!

Aber je mehr er nu den Onkel Zinnober dachte und an sie alle zu Hause,
desto sehnsüchtiger wurde er.

Es ist doch famos, daß ich sie nun wirklich so gänzlich überrasche! dachte er,
indem er eilig seinen Koffer Päckte. Und dann rasselte er in der Droschke ans den
Bahnhof, und dann saß er in dem warmen Cvupü und fuhr durch das winterliche
Land, der Heimat zu.

Nun war es schon länger als drei Jahre her, seit er zum letztenmal den Fuß
über die väterliche Schwelle gesetzt hatte. Er saß grübelnd in seiner Ecke und sah
in die schneebedeckte Landschaft hinaus. Weite, weiße Fläche«; dann und wann
ein Wald — kahle Bäume oder dunkle Tannen, deren Zweige der Schnee nieder¬
beugte, dann und wann ein Dorf mit hochbeschneiten Dächern; gelbe Glanzlichter
im Wintersonnenschein und violette Schatte». Auf den Stationen überall Menschen¬
gedränge — alle Leute hatten die Arme und die Hände voll Pakete. Dann wieder
die große, hehre Einsamkeit der Natur. — Daß er gar nicht an Ärmchen gedacht
hatte! Das war doch merkwürdig. Freilich, es hatte ja eine andre Gestalt alle
seine Gedanken erfüllt und ihn der Heimat so fremd gemacht, daß er nicht einma
zu Weihnachten hatte heimkommen wollen. Zu den seinen, zu den warmen Herze»,
die immer bei ihm waren, wenn er auch falschen Göttern anhing!


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[0686] Der Professor, Gillet Zinnober, Rosamunde und Ankleben Professor imstande war, sich nach seinem Mütterchen zu sehnen und wirkliche Thränen in sein Kopfkissen zu weinen. Aber so geschah es dem großen Jungen wirklich- Und endlich schlief er doch ein mit dem Gefühl, daß das alte liebe Mütterchen ihm sanft mit der Hand über die Stirn strich. Gott sei Dank, daß er noch ihr Junge war! Und wie er in den Traum hinübersank, wußte er es auch, daß die Diana von Versailles blondes Haar habe. Wundervoll goldblondes. Woher wußte er es nur? Am andern Morgen hatte er merkwürdigerweise prachtvollen Appetit. Löwen- appetit. Die Eier waren exquisit, und der Kaffee war eine Wonne. Ich werde sie überraschen, dachte der Professor, während er frühstückte; das wird famos. Dann wunderte er sich, daß es ihm so schmecke. Eigentlich müßte er doch schmerzlich niedergebeugt sein, dachte er; gramvoll und verzweifelt. Ein andrer würde in einem solchen Falle hingegangen und Einsiedler in einem härenem Gewände ge¬ worden sein. In einer Höhle, vor die eine primitive Fassade gemanert war, mit einer kleinen Glocke unter einem kleinen Dach, die er läuten konnte, daß ihm fromme Leute ein gutes Frühstück brächten; mit einem Reh vor der Thür und einem Eich¬ horn auf einen: Aste der dicken Eiche, die sich über der Einsiedelei wölbte. — Du hast kein Herz, Waldemar! sagte der Professor zu sich. Oder dein Herz war nicht wirklich im Spiele. Die Blamage ist ja grenzenlos — Er konnte doch plötzlich nicht recht schlucken, als er sich wieder vorstellte, wie er gestern abend dagesessen und den Schicksalsschlag empfangen hatte. Es war doch hart, wenn eine rauhe Hand so mit einem Stoß ein Luftschloß zerstörte, woran man so lange und mit solcher Zuversicht gebaut hatte. So lauge? Na, Waldemar, mehr als vier Wochen waren es eigentlich nicht. Und gesteh es nur, es war doch auch etwas Eitelkeit und geistiger Hochmut bei dieser Gefühlsent¬ wicklung xs,r äistÄnec!. Eigentliche Liebe konnte es ja noch gar nicht gewesen sein, wenn ihn auch diese klassische Schönheit hingerissen hatte. Er senkte die Stirn, als er an das schöne Mädchen dachte und an den Rittmeister mit dem Schnurrbart und dem Siegerblick, und es wollte sich doch ein schmerzlicher Zug um seinen Mund legen.' Gott sei Dank, dachte er, indem er aufstand, daß die Sache noch so PA ciiLtaves abgelaufen ist. Große Blößen hatte er sich noch nicht gegeben. Nur bei denen zu Hanse durfte er auf etwas Spott rechnen. Nein, bei der Mutter nicht; ihr würde vielleicht das Herz mehr weh thun, als ihm selbst. Wenn sie nur dem Onkel Zinnober nichts gesagt hatten — — das wäre gräßlich! Aber je mehr er nu den Onkel Zinnober dachte und an sie alle zu Hause, desto sehnsüchtiger wurde er. Es ist doch famos, daß ich sie nun wirklich so gänzlich überrasche! dachte er, indem er eilig seinen Koffer Päckte. Und dann rasselte er in der Droschke ans den Bahnhof, und dann saß er in dem warmen Cvupü und fuhr durch das winterliche Land, der Heimat zu. Nun war es schon länger als drei Jahre her, seit er zum letztenmal den Fuß über die väterliche Schwelle gesetzt hatte. Er saß grübelnd in seiner Ecke und sah in die schneebedeckte Landschaft hinaus. Weite, weiße Fläche«; dann und wann ein Wald — kahle Bäume oder dunkle Tannen, deren Zweige der Schnee nieder¬ beugte, dann und wann ein Dorf mit hochbeschneiten Dächern; gelbe Glanzlichter im Wintersonnenschein und violette Schatte». Auf den Stationen überall Menschen¬ gedränge — alle Leute hatten die Arme und die Hände voll Pakete. Dann wieder die große, hehre Einsamkeit der Natur. — Daß er gar nicht an Ärmchen gedacht hatte! Das war doch merkwürdig. Freilich, es hatte ja eine andre Gestalt alle seine Gedanken erfüllt und ihn der Heimat so fremd gemacht, daß er nicht einma zu Weihnachten hatte heimkommen wollen. Zu den seinen, zu den warmen Herze», die immer bei ihm waren, wenn er auch falschen Göttern anhing!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/686>, abgerufen am 01.09.2024.