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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Erinnerungen aus dem polnischen Insurrektionskriege

Offizierwcichc, dn drang am Abend die Wilhelmsstraße herauf ein wüster Lärm.
Aus dem tobenden Geheul von tausend Stimme" glaubte ich deutlich nur den
immer wiederkehrenden Ruf: "Will sie heraus! Will sie heraus!" zu unterscheiden.
Ju der dadurch erweckten Meinung, daß es sich darum handle, einem von den tobenden
Volkshaufen bedrohten weiblichen Wesen Schuh und Beistand zu leisten, sandte ich sofort
eine Patrouille von meiner Wache mich der Gegend, woher der Lärm kam. Als diese
lauge wegblieb, übergab ich die Wache einem Unteroffizier und begab mich selbst
nach einem Hotel nahe an dem Wilhelmsplatze, wo sich das lärmende und tobende
Volk drängte, aber alle meine Bemühungen, näheres über die Ursache des Lärmens
zu erfahren, blieben fruchtlos, weil die Leute hier alle polnisch sprachen, was ich
nicht verstand. Einer der mir zunächst stehenden, an deu ich mich wandte, sah
mich erst eine Weile stumm und verwundert an, dann brüllte er mir überlaut in
das Ohr: "Will fe raus!"

Endlich gab mir ein deutsch sprechender Kellner aus dem nahen Hotel den
gewünschten Aufschluß. "Der Geueral von Willisen ist als Kommissar von der
Regierung ans Berlin eingetroffen, um hier Frieden zu stiften, sagte er, und
weil sie den nicht mögen, so wollen sie ihn mit einer Katzenmusik weggraulen, des¬
halb schreien sie: Willisen heraus!" Ich gab der angenommnen Patrouille einen
Wink, einen der Hauptschreier vou "Will se raus" neben mir zu arretieren. Dann
begab ich mich mit meinem Gefangnen nach der Wache zurück und schickte über das
Vorgefallne eine Meldung nu die Kommandantur.

Während noch die Kommissare der Regierung damit beschäftigt waren, auf der
Landkarte eine imaginäre Demarkationslinie zwischen dem deutschen und dem polnischen
Element in der Provinz Posen zu ziehe", hatte das polnische Nationalkomitee vier
kleine Orte, Wresche" (neuerdings viel genannt durch deu Aufstand der polnischen
Schulkinder), Schroda, Miloslow und Xions zu Brennpunkten eiues allgemeine" Auf-
standes in der Provinz Posen bestimmt und unter der Leitung herbeigerufner fran-
zösischer Ingenieure uach milan Regeln der Kunst mit Barrikaden, Schanzen, Ver¬
dauen usw. zur Verteidigung einrichten lassen. Hier sammelte sich das durch allerlei
Versprechungen verlockte Landvolk. Die meisten waren mit der alten polnischen
Nativnalwnffe, der gerade nufgerichteteu Sense, bewaffnet, andre mit Schußwaffen-
Unter jungen Edelleuten wurden die Insurgenten einexerziert, von Geistlichen in
der Kirche für die Befreiung Polens geweiht und für kugelfest erklärt.

Nach langem Zögern entschloß sich die preußische Negierung, die Insurrektion
an ihren Hauptherden zu unterdrücken. Der Truppenkoloune, die zu diesem Zwecke
gegen Tions gesandt wurde, war unser Bataillon zugeteilt.

Am 29. April morgens elf Uhr stand unser kleines Korps unter Oberst von
Brandt gefechtsbereit an dem Wege von Sabrina, eine kleine Stunde von Lions. Unser
abgesandter Parlamentär wurde mit Hohngelächter und Schüssen abgewiesen. Da
begann der Augriff. Während einige Geschütze auf einer Anhöhe nördlich von der
Stadt abprotzten und Granaten in die Stadt warfen, drangen die Kompagnien
der Avantgarde unter Tirailleurgefecht in die Gärten und Höfe der Vorstadt ein.
Unser Bataillon wurde vorgezogen und einige Schritte von dem stark verbarrika¬
dierten Haupteingang (an der Schrimmer Straße) in einer Terrainmnlde aufgestellt.
Das an Heftigkeit zunehmende Kleingewehrfeuer ließ auf den hartnäckigsten Wider¬
stand schließen, auf den unsre Avantgarde bei ihrem Vordringen durch die Höfe
und Scheunen der östlichen Vorstadt gestoßen war. Die Aufgabe, die unserm
Bataillon zufiel, war nicht leicht. Die Barrikade, die wir zu nehmen hatten, be¬
stand aus einem Erdwnll von zwei Metern Höhe, in ihrem Kern aus Mauerwerk
und Feldsteinen mit darüber gelegten Baumstämmen, in die Schießscharten einge¬
schnitten waren. Die Besatzung der Barrikade -- Büchsenschützen und Kosseuiere
(Sensenmänner) -- hielt unerschüttert aus, obgleich sie keinen andern Rückzug hatte,
als in die Flammen, die in den mit Stroh und Schindeln gedeckten Scheuern der
Vorstädte durch hineingefallne Granaten ausgebrochen waren und sich schnell von
Dach zu Dach bis auf den Marktplatz verbreiteten. .e

Die vorderste der beiden gegen die Barrikade vorgesandten Kompagnien wurd


Erinnerungen aus dem polnischen Insurrektionskriege

Offizierwcichc, dn drang am Abend die Wilhelmsstraße herauf ein wüster Lärm.
Aus dem tobenden Geheul von tausend Stimme» glaubte ich deutlich nur den
immer wiederkehrenden Ruf: „Will sie heraus! Will sie heraus!" zu unterscheiden.
Ju der dadurch erweckten Meinung, daß es sich darum handle, einem von den tobenden
Volkshaufen bedrohten weiblichen Wesen Schuh und Beistand zu leisten, sandte ich sofort
eine Patrouille von meiner Wache mich der Gegend, woher der Lärm kam. Als diese
lauge wegblieb, übergab ich die Wache einem Unteroffizier und begab mich selbst
nach einem Hotel nahe an dem Wilhelmsplatze, wo sich das lärmende und tobende
Volk drängte, aber alle meine Bemühungen, näheres über die Ursache des Lärmens
zu erfahren, blieben fruchtlos, weil die Leute hier alle polnisch sprachen, was ich
nicht verstand. Einer der mir zunächst stehenden, an deu ich mich wandte, sah
mich erst eine Weile stumm und verwundert an, dann brüllte er mir überlaut in
das Ohr: „Will fe raus!"

Endlich gab mir ein deutsch sprechender Kellner aus dem nahen Hotel den
gewünschten Aufschluß. „Der Geueral von Willisen ist als Kommissar von der
Regierung ans Berlin eingetroffen, um hier Frieden zu stiften, sagte er, und
weil sie den nicht mögen, so wollen sie ihn mit einer Katzenmusik weggraulen, des¬
halb schreien sie: Willisen heraus!" Ich gab der angenommnen Patrouille einen
Wink, einen der Hauptschreier vou „Will se raus" neben mir zu arretieren. Dann
begab ich mich mit meinem Gefangnen nach der Wache zurück und schickte über das
Vorgefallne eine Meldung nu die Kommandantur.

Während noch die Kommissare der Regierung damit beschäftigt waren, auf der
Landkarte eine imaginäre Demarkationslinie zwischen dem deutschen und dem polnischen
Element in der Provinz Posen zu ziehe», hatte das polnische Nationalkomitee vier
kleine Orte, Wresche» (neuerdings viel genannt durch deu Aufstand der polnischen
Schulkinder), Schroda, Miloslow und Xions zu Brennpunkten eiues allgemeine» Auf-
standes in der Provinz Posen bestimmt und unter der Leitung herbeigerufner fran-
zösischer Ingenieure uach milan Regeln der Kunst mit Barrikaden, Schanzen, Ver¬
dauen usw. zur Verteidigung einrichten lassen. Hier sammelte sich das durch allerlei
Versprechungen verlockte Landvolk. Die meisten waren mit der alten polnischen
Nativnalwnffe, der gerade nufgerichteteu Sense, bewaffnet, andre mit Schußwaffen-
Unter jungen Edelleuten wurden die Insurgenten einexerziert, von Geistlichen in
der Kirche für die Befreiung Polens geweiht und für kugelfest erklärt.

Nach langem Zögern entschloß sich die preußische Negierung, die Insurrektion
an ihren Hauptherden zu unterdrücken. Der Truppenkoloune, die zu diesem Zwecke
gegen Tions gesandt wurde, war unser Bataillon zugeteilt.

Am 29. April morgens elf Uhr stand unser kleines Korps unter Oberst von
Brandt gefechtsbereit an dem Wege von Sabrina, eine kleine Stunde von Lions. Unser
abgesandter Parlamentär wurde mit Hohngelächter und Schüssen abgewiesen. Da
begann der Augriff. Während einige Geschütze auf einer Anhöhe nördlich von der
Stadt abprotzten und Granaten in die Stadt warfen, drangen die Kompagnien
der Avantgarde unter Tirailleurgefecht in die Gärten und Höfe der Vorstadt ein.
Unser Bataillon wurde vorgezogen und einige Schritte von dem stark verbarrika¬
dierten Haupteingang (an der Schrimmer Straße) in einer Terrainmnlde aufgestellt.
Das an Heftigkeit zunehmende Kleingewehrfeuer ließ auf den hartnäckigsten Wider¬
stand schließen, auf den unsre Avantgarde bei ihrem Vordringen durch die Höfe
und Scheunen der östlichen Vorstadt gestoßen war. Die Aufgabe, die unserm
Bataillon zufiel, war nicht leicht. Die Barrikade, die wir zu nehmen hatten, be¬
stand aus einem Erdwnll von zwei Metern Höhe, in ihrem Kern aus Mauerwerk
und Feldsteinen mit darüber gelegten Baumstämmen, in die Schießscharten einge¬
schnitten waren. Die Besatzung der Barrikade — Büchsenschützen und Kosseuiere
(Sensenmänner) — hielt unerschüttert aus, obgleich sie keinen andern Rückzug hatte,
als in die Flammen, die in den mit Stroh und Schindeln gedeckten Scheuern der
Vorstädte durch hineingefallne Granaten ausgebrochen waren und sich schnell von
Dach zu Dach bis auf den Marktplatz verbreiteten. .e

Die vorderste der beiden gegen die Barrikade vorgesandten Kompagnien wurd


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[0678] Erinnerungen aus dem polnischen Insurrektionskriege Offizierwcichc, dn drang am Abend die Wilhelmsstraße herauf ein wüster Lärm. Aus dem tobenden Geheul von tausend Stimme» glaubte ich deutlich nur den immer wiederkehrenden Ruf: „Will sie heraus! Will sie heraus!" zu unterscheiden. Ju der dadurch erweckten Meinung, daß es sich darum handle, einem von den tobenden Volkshaufen bedrohten weiblichen Wesen Schuh und Beistand zu leisten, sandte ich sofort eine Patrouille von meiner Wache mich der Gegend, woher der Lärm kam. Als diese lauge wegblieb, übergab ich die Wache einem Unteroffizier und begab mich selbst nach einem Hotel nahe an dem Wilhelmsplatze, wo sich das lärmende und tobende Volk drängte, aber alle meine Bemühungen, näheres über die Ursache des Lärmens zu erfahren, blieben fruchtlos, weil die Leute hier alle polnisch sprachen, was ich nicht verstand. Einer der mir zunächst stehenden, an deu ich mich wandte, sah mich erst eine Weile stumm und verwundert an, dann brüllte er mir überlaut in das Ohr: „Will fe raus!" Endlich gab mir ein deutsch sprechender Kellner aus dem nahen Hotel den gewünschten Aufschluß. „Der Geueral von Willisen ist als Kommissar von der Regierung ans Berlin eingetroffen, um hier Frieden zu stiften, sagte er, und weil sie den nicht mögen, so wollen sie ihn mit einer Katzenmusik weggraulen, des¬ halb schreien sie: Willisen heraus!" Ich gab der angenommnen Patrouille einen Wink, einen der Hauptschreier vou „Will se raus" neben mir zu arretieren. Dann begab ich mich mit meinem Gefangnen nach der Wache zurück und schickte über das Vorgefallne eine Meldung nu die Kommandantur. Während noch die Kommissare der Regierung damit beschäftigt waren, auf der Landkarte eine imaginäre Demarkationslinie zwischen dem deutschen und dem polnischen Element in der Provinz Posen zu ziehe», hatte das polnische Nationalkomitee vier kleine Orte, Wresche» (neuerdings viel genannt durch deu Aufstand der polnischen Schulkinder), Schroda, Miloslow und Xions zu Brennpunkten eiues allgemeine» Auf- standes in der Provinz Posen bestimmt und unter der Leitung herbeigerufner fran- zösischer Ingenieure uach milan Regeln der Kunst mit Barrikaden, Schanzen, Ver¬ dauen usw. zur Verteidigung einrichten lassen. Hier sammelte sich das durch allerlei Versprechungen verlockte Landvolk. Die meisten waren mit der alten polnischen Nativnalwnffe, der gerade nufgerichteteu Sense, bewaffnet, andre mit Schußwaffen- Unter jungen Edelleuten wurden die Insurgenten einexerziert, von Geistlichen in der Kirche für die Befreiung Polens geweiht und für kugelfest erklärt. Nach langem Zögern entschloß sich die preußische Negierung, die Insurrektion an ihren Hauptherden zu unterdrücken. Der Truppenkoloune, die zu diesem Zwecke gegen Tions gesandt wurde, war unser Bataillon zugeteilt. Am 29. April morgens elf Uhr stand unser kleines Korps unter Oberst von Brandt gefechtsbereit an dem Wege von Sabrina, eine kleine Stunde von Lions. Unser abgesandter Parlamentär wurde mit Hohngelächter und Schüssen abgewiesen. Da begann der Augriff. Während einige Geschütze auf einer Anhöhe nördlich von der Stadt abprotzten und Granaten in die Stadt warfen, drangen die Kompagnien der Avantgarde unter Tirailleurgefecht in die Gärten und Höfe der Vorstadt ein. Unser Bataillon wurde vorgezogen und einige Schritte von dem stark verbarrika¬ dierten Haupteingang (an der Schrimmer Straße) in einer Terrainmnlde aufgestellt. Das an Heftigkeit zunehmende Kleingewehrfeuer ließ auf den hartnäckigsten Wider¬ stand schließen, auf den unsre Avantgarde bei ihrem Vordringen durch die Höfe und Scheunen der östlichen Vorstadt gestoßen war. Die Aufgabe, die unserm Bataillon zufiel, war nicht leicht. Die Barrikade, die wir zu nehmen hatten, be¬ stand aus einem Erdwnll von zwei Metern Höhe, in ihrem Kern aus Mauerwerk und Feldsteinen mit darüber gelegten Baumstämmen, in die Schießscharten einge¬ schnitten waren. Die Besatzung der Barrikade — Büchsenschützen und Kosseuiere (Sensenmänner) — hielt unerschüttert aus, obgleich sie keinen andern Rückzug hatte, als in die Flammen, die in den mit Stroh und Schindeln gedeckten Scheuern der Vorstädte durch hineingefallne Granaten ausgebrochen waren und sich schnell von Dach zu Dach bis auf den Marktplatz verbreiteten. .e Die vorderste der beiden gegen die Barrikade vorgesandten Kompagnien wurd

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/678>, abgerufen am 01.09.2024.