Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.Die brandenburgische Provinzialsynode die über die theologische Richtung der Universitätsprofessoren und die Be¬ Die Klagen über den Mangel an Orthodoxie bei den Professoren der Die alte Forderung, daß die theologischen Professuren nur mit Vertretern Und nicht minder deutlich verlangte Stöcker, daß akademische Lehrer, die Weniger weit als die von dieser Seite erhobne Forderung der Besetzung Hier also wird orthodoxer Standpunkt nicht mehr von sämtlichen, sondern Beide Anträge nun -- der Manteuffelsche und der Bartholdsche -- wurden ') Hier wie im folgenden setze ich voraus, daß die Zeitungsberichte bei aller Unvoll-
ständigkeit doch im wesentlichen zutreffend sind. Die brandenburgische Provinzialsynode die über die theologische Richtung der Universitätsprofessoren und die Be¬ Die Klagen über den Mangel an Orthodoxie bei den Professoren der Die alte Forderung, daß die theologischen Professuren nur mit Vertretern Und nicht minder deutlich verlangte Stöcker, daß akademische Lehrer, die Weniger weit als die von dieser Seite erhobne Forderung der Besetzung Hier also wird orthodoxer Standpunkt nicht mehr von sämtlichen, sondern Beide Anträge nun — der Manteuffelsche und der Bartholdsche — wurden ') Hier wie im folgenden setze ich voraus, daß die Zeitungsberichte bei aller Unvoll-
ständigkeit doch im wesentlichen zutreffend sind. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0660" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239448"/> <fw type="header" place="top"> Die brandenburgische Provinzialsynode</fw><lb/> <p xml:id="ID_3023" prev="#ID_3022"> die über die theologische Richtung der Universitätsprofessoren und die Be¬<lb/> deutung und den Zweck der Kandidatcnseminare die allgemeine Aufmerksamkeit<lb/> auf sich gezogen. Wieder sind hier — wie schon früher wiederholt in Ver¬<lb/> sammlungen der Gesamtsynode — von orthodoxer Seite Klagen erhoben, und<lb/> von der ganz überwiegenden Majorität Beschlüsse gefaßt worden, die sich gegen<lb/> die auf den Universitäten vertretenen freiern Richtungen wenden und die Not¬<lb/> wendigkeit der Erziehung der angehenden Geistlichen in „bibelglüubiger" und<lb/> „bekcnntnisgemäßer" Richtung betonen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3024"> Die Klagen über den Mangel an Orthodoxie bei den Professoren der<lb/> evangelischen Theologie sind ja nichts neues; nur die Form, in der sie auf¬<lb/> treten, die Begründung und die Folgerungen, die aus ihnen gezogen werden,<lb/> unterscheiden sich von frühern Vorgängen. Und sie thun das in der That,<lb/> zum Teil in sehr beachtenswerter Weise.</p><lb/> <p xml:id="ID_3025"> Die alte Forderung, daß die theologischen Professuren nur mit Vertretern<lb/> der orthodoxen Richtung besetzt werden dürften, fehlte zwar in den Verhandlungen<lb/> nicht. Auf Grund eiuer Petition des Lutherischen Vereins für die Provinz<lb/> Brandenburg wurde von Freiherrn von Manteuffel und Genossen der Antrag ge¬<lb/> stellt, an den Kultusminister die Bitte zu richten, es möchten für das Lehramt in<lb/> den evangelisch-theologischen Fakultäten „nur solche Männer" dem König vor¬<lb/> geschlagen werden, „die imstande sind, die ihnen anvertraute theologische Jugend<lb/> so auszurüsten, daß diese dereinst das geistliche Amt ehrlicherweise dem Or-<lb/> dinationsgelübde gemäß auszurichten vermag": es wird von orthodoxer Seite<lb/> eben angenommen, daß eine Amtsführung „gemäß dem Ordinationsgclübde"<lb/> „ehrlicherweise" nur von Geistlichen geschehn könne, die auf orthodoxen<lb/> Boden stehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_3026"> Und nicht minder deutlich verlangte Stöcker, daß akademische Lehrer, die<lb/> „die Heilswahrheiten bestreiten," nicht zu den Lehrämtern berufen würden.<lb/> Nur als Privatdozenten oder in Schriftwerken dürfe ihnen gestattet werden,<lb/> ihre Ansichten zu vertreten."')</p><lb/> <p xml:id="ID_3027"> Weniger weit als die von dieser Seite erhobne Forderung der Besetzung<lb/> aller theologischen Lehrstühle mit Vertretern der Orthodoxie ging der Antrag<lb/> Barthold und Genossen, der nur wünschte, ,,daß die theologischen Lehrstühle<lb/> in ausreichendem Maße mit solchen Männern besetzt werden, die nicht nur die<lb/> gehörige wissenschaftliche Befähigung besitzen, sondern vor allem fest im Glauben<lb/> der Kirche stehn."</p><lb/> <p xml:id="ID_3028"> Hier also wird orthodoxer Standpunkt nicht mehr von sämtlichen, sondern<lb/> nur von einer „ausreichenden" Anzahl theologischer Professoren verlangt: neben<lb/> den orthodoxen sollen auch andre Lehrer der Theologie mit Amt und Würden<lb/> betraut werden dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3029" next="#ID_3030"> Beide Anträge nun — der Manteuffelsche und der Bartholdsche — wurden<lb/> zurückgezogen zu Gunsten eines dritten, von dem Superintendenten Baethgc<lb/> mit 57 Genossen gestellten Antrags, der schließlich mit ganz überwiegender<lb/> Majorität — gegen nur fünf Stimmen — von der Synode angenommen wurde.</p><lb/> <note xml:id="FID_48" place="foot"> ') Hier wie im folgenden setze ich voraus, daß die Zeitungsberichte bei aller Unvoll-<lb/> ständigkeit doch im wesentlichen zutreffend sind.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0660]
Die brandenburgische Provinzialsynode
die über die theologische Richtung der Universitätsprofessoren und die Be¬
deutung und den Zweck der Kandidatcnseminare die allgemeine Aufmerksamkeit
auf sich gezogen. Wieder sind hier — wie schon früher wiederholt in Ver¬
sammlungen der Gesamtsynode — von orthodoxer Seite Klagen erhoben, und
von der ganz überwiegenden Majorität Beschlüsse gefaßt worden, die sich gegen
die auf den Universitäten vertretenen freiern Richtungen wenden und die Not¬
wendigkeit der Erziehung der angehenden Geistlichen in „bibelglüubiger" und
„bekcnntnisgemäßer" Richtung betonen.
Die Klagen über den Mangel an Orthodoxie bei den Professoren der
evangelischen Theologie sind ja nichts neues; nur die Form, in der sie auf¬
treten, die Begründung und die Folgerungen, die aus ihnen gezogen werden,
unterscheiden sich von frühern Vorgängen. Und sie thun das in der That,
zum Teil in sehr beachtenswerter Weise.
Die alte Forderung, daß die theologischen Professuren nur mit Vertretern
der orthodoxen Richtung besetzt werden dürften, fehlte zwar in den Verhandlungen
nicht. Auf Grund eiuer Petition des Lutherischen Vereins für die Provinz
Brandenburg wurde von Freiherrn von Manteuffel und Genossen der Antrag ge¬
stellt, an den Kultusminister die Bitte zu richten, es möchten für das Lehramt in
den evangelisch-theologischen Fakultäten „nur solche Männer" dem König vor¬
geschlagen werden, „die imstande sind, die ihnen anvertraute theologische Jugend
so auszurüsten, daß diese dereinst das geistliche Amt ehrlicherweise dem Or-
dinationsgelübde gemäß auszurichten vermag": es wird von orthodoxer Seite
eben angenommen, daß eine Amtsführung „gemäß dem Ordinationsgclübde"
„ehrlicherweise" nur von Geistlichen geschehn könne, die auf orthodoxen
Boden stehn.
Und nicht minder deutlich verlangte Stöcker, daß akademische Lehrer, die
„die Heilswahrheiten bestreiten," nicht zu den Lehrämtern berufen würden.
Nur als Privatdozenten oder in Schriftwerken dürfe ihnen gestattet werden,
ihre Ansichten zu vertreten."')
Weniger weit als die von dieser Seite erhobne Forderung der Besetzung
aller theologischen Lehrstühle mit Vertretern der Orthodoxie ging der Antrag
Barthold und Genossen, der nur wünschte, ,,daß die theologischen Lehrstühle
in ausreichendem Maße mit solchen Männern besetzt werden, die nicht nur die
gehörige wissenschaftliche Befähigung besitzen, sondern vor allem fest im Glauben
der Kirche stehn."
Hier also wird orthodoxer Standpunkt nicht mehr von sämtlichen, sondern
nur von einer „ausreichenden" Anzahl theologischer Professoren verlangt: neben
den orthodoxen sollen auch andre Lehrer der Theologie mit Amt und Würden
betraut werden dürfen.
Beide Anträge nun — der Manteuffelsche und der Bartholdsche — wurden
zurückgezogen zu Gunsten eines dritten, von dem Superintendenten Baethgc
mit 57 Genossen gestellten Antrags, der schließlich mit ganz überwiegender
Majorität — gegen nur fünf Stimmen — von der Synode angenommen wurde.
') Hier wie im folgenden setze ich voraus, daß die Zeitungsberichte bei aller Unvoll-
ständigkeit doch im wesentlichen zutreffend sind.
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