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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

geführt hat, an Ort und Stelle nachznstudieren. Die Ergebnisse dieser Besichtigung
bringen dem Fachmann manche wichtige Ergänzung zu den Berichten der Parteien
und klären über Vorgänge ans, die an sich unverständlich erscheinen. Aber auch
den Laien, wenn er nur eine Karte zur Hand hat, muß die Darstellung, die der
Graf von den militärischen Ereignissen giebt, in jeder Hinsicht fesseln. In Stil
und Geist steht sie auf der künstlerischen Höhe, die wir an den Alten bei solchen Auf¬
gaben bewundern, der sich bei uns durch Moltke die gesamte offizielle Kriegslitteratnr
wieder genähert hat. Aus der gemeinverständlichen Schilderung der Hauptzüge
tritt das psychologische Element hervor, das diesen Feldzug so merkwürdig macht.
Die Türken lassen die Vorteile des Bodens, die Russen ihre Übermacht ungenutzt,
auf beiden Seiten treiben angestammte Nationalfehler zu Unterlassungs- und Be¬
gehungssünden unbegreiflicher Art, aber ebenso entwickeln beide Volker wieder die
höchsten kriegerischen Tugenden. Parad zu sein, große, heroische Persönlichkeiten
zu erziehn und sie an die rechte Stelle zu bringen, ist und bleibt die vornehmste
Pflicht einer Nation! Das ist die Moral, mit der der Leser von dem Feldzugsbild
des Grafen scheidet.

Aber das Buch ist mehr als ein Beitrag zur neusten Kriegsgeschichte, es ist
zugleich ein höchst wertvolles Stück Länder- und Völkerkunde, die Frucht von Be¬
obachtungen eines nach jeder Richtung aus dem Vollen schöpfenden Geistes. So, mit
dem vielseitigen Rüstzeug des Politikers, des Historikers, des Philosophen, des
Poeten reisen wenige, sogar aus unsern besten Kreisen. Das giebt den Beschrei¬
bungen des Buches einen bleibenden Wert, seinen Urteilen und Ansichten über das
Wesen und die Entwicklungsfähigkeit der einzelnen Balkanvölker eine hervorragende
Bedeutung. Anschaulicher, naturgetreuer und überzeugender können die Thpen des
Menschengemischs, das sich um Eingang zum Orient auf engem Raum zusammen¬
drängt, nicht skizziert werden. Nirgends doziert der Verfasser, und er giebt doch
überall tiefgegründete Begriffe; überall spricht bei ihm das Leben selbst. Groß
ist die Versuchung, die Bilder, die er vom Türken, vom Rumänen, vom Juden,
vom Zigeuner giebt, die meisterhaften, stimmungsvollen Schilderungen von Land¬
schaft und Volkstum abzuschreiben; es ist aber besser, den Leser an die Quelle selbst
zu verweisen. Er lernt ein Buch kennen, das an Belehrung und Genuß Außer¬
ordentliches bietet.


Entenrike.

Ab und zu kommt aus Norddeutschland wieder ein poetisches
Lebenszeichen, das jedermann beweist, daß diese Leute droben an der Küste für
unsre Litteratur in ihrer stillen, wortkargen Art doch sehr viel zu bedeuten haben.
Auch das kleine Buch, das Emma von Oertzen unter dein Titel "Enteurike und
andre hinterpvmmersche Geschichten" (Wolfenbüttel, I. Zwißler) vorlegt, gehört
zu dieser Klasse. Es sind Dorfgeschichten, außerordentlich einfache Erzählungen,
die auf seelische Vertiefung, auf Stimmungsmalerei und alle Novellistenkünste ver¬
zichten. Wir hören da von einer alten Viehmagd, der Entenrike, die auf dem
Totenbett ihre größte Sünde beichten will: sie hat einigemal Eier aus dem großen
Küchenkvrb genommen, um die im Wachstum zurückgebliebnen Küken zu füttern.
Dann kommt eine Kinderfrau, die, von Jung und Alt im Hanse geliebt und selbst
allen innigst zugethan, doch davonläuft.mis ihr vor Jahren davvngelanfner lieder¬
licher Mann scheinbar reuig zurückkommt. Weiter eine halb alberne Gouvernante,
die "ich liebe sie" mit "Ich liebe Sie" verwechselt, und so fort eine Reihe billiger
Originale. Reuters "Läuschen" usw. und andre Auekdoteusammlungeu bieten ähn¬
liches. Und doch wirkt das Buch im Leser lange nach. Denn diese Volksgestalten
sind ans dem Leben geholt, mit Liebe beobachtet und schlicht, aber in höchster An¬
schaulichkeit geschildert. Drum sei das Buch empfohlen.




Herausgegeben von Johannes Grunom in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

geführt hat, an Ort und Stelle nachznstudieren. Die Ergebnisse dieser Besichtigung
bringen dem Fachmann manche wichtige Ergänzung zu den Berichten der Parteien
und klären über Vorgänge ans, die an sich unverständlich erscheinen. Aber auch
den Laien, wenn er nur eine Karte zur Hand hat, muß die Darstellung, die der
Graf von den militärischen Ereignissen giebt, in jeder Hinsicht fesseln. In Stil
und Geist steht sie auf der künstlerischen Höhe, die wir an den Alten bei solchen Auf¬
gaben bewundern, der sich bei uns durch Moltke die gesamte offizielle Kriegslitteratnr
wieder genähert hat. Aus der gemeinverständlichen Schilderung der Hauptzüge
tritt das psychologische Element hervor, das diesen Feldzug so merkwürdig macht.
Die Türken lassen die Vorteile des Bodens, die Russen ihre Übermacht ungenutzt,
auf beiden Seiten treiben angestammte Nationalfehler zu Unterlassungs- und Be¬
gehungssünden unbegreiflicher Art, aber ebenso entwickeln beide Volker wieder die
höchsten kriegerischen Tugenden. Parad zu sein, große, heroische Persönlichkeiten
zu erziehn und sie an die rechte Stelle zu bringen, ist und bleibt die vornehmste
Pflicht einer Nation! Das ist die Moral, mit der der Leser von dem Feldzugsbild
des Grafen scheidet.

Aber das Buch ist mehr als ein Beitrag zur neusten Kriegsgeschichte, es ist
zugleich ein höchst wertvolles Stück Länder- und Völkerkunde, die Frucht von Be¬
obachtungen eines nach jeder Richtung aus dem Vollen schöpfenden Geistes. So, mit
dem vielseitigen Rüstzeug des Politikers, des Historikers, des Philosophen, des
Poeten reisen wenige, sogar aus unsern besten Kreisen. Das giebt den Beschrei¬
bungen des Buches einen bleibenden Wert, seinen Urteilen und Ansichten über das
Wesen und die Entwicklungsfähigkeit der einzelnen Balkanvölker eine hervorragende
Bedeutung. Anschaulicher, naturgetreuer und überzeugender können die Thpen des
Menschengemischs, das sich um Eingang zum Orient auf engem Raum zusammen¬
drängt, nicht skizziert werden. Nirgends doziert der Verfasser, und er giebt doch
überall tiefgegründete Begriffe; überall spricht bei ihm das Leben selbst. Groß
ist die Versuchung, die Bilder, die er vom Türken, vom Rumänen, vom Juden,
vom Zigeuner giebt, die meisterhaften, stimmungsvollen Schilderungen von Land¬
schaft und Volkstum abzuschreiben; es ist aber besser, den Leser an die Quelle selbst
zu verweisen. Er lernt ein Buch kennen, das an Belehrung und Genuß Außer¬
ordentliches bietet.


Entenrike.

Ab und zu kommt aus Norddeutschland wieder ein poetisches
Lebenszeichen, das jedermann beweist, daß diese Leute droben an der Küste für
unsre Litteratur in ihrer stillen, wortkargen Art doch sehr viel zu bedeuten haben.
Auch das kleine Buch, das Emma von Oertzen unter dein Titel „Enteurike und
andre hinterpvmmersche Geschichten" (Wolfenbüttel, I. Zwißler) vorlegt, gehört
zu dieser Klasse. Es sind Dorfgeschichten, außerordentlich einfache Erzählungen,
die auf seelische Vertiefung, auf Stimmungsmalerei und alle Novellistenkünste ver¬
zichten. Wir hören da von einer alten Viehmagd, der Entenrike, die auf dem
Totenbett ihre größte Sünde beichten will: sie hat einigemal Eier aus dem großen
Küchenkvrb genommen, um die im Wachstum zurückgebliebnen Küken zu füttern.
Dann kommt eine Kinderfrau, die, von Jung und Alt im Hanse geliebt und selbst
allen innigst zugethan, doch davonläuft.mis ihr vor Jahren davvngelanfner lieder¬
licher Mann scheinbar reuig zurückkommt. Weiter eine halb alberne Gouvernante,
die „ich liebe sie" mit „Ich liebe Sie" verwechselt, und so fort eine Reihe billiger
Originale. Reuters „Läuschen" usw. und andre Auekdoteusammlungeu bieten ähn¬
liches. Und doch wirkt das Buch im Leser lange nach. Denn diese Volksgestalten
sind ans dem Leben geholt, mit Liebe beobachtet und schlicht, aber in höchster An¬
schaulichkeit geschildert. Drum sei das Buch empfohlen.




Herausgegeben von Johannes Grunom in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0066] Maßgebliches und Unmaßgebliches geführt hat, an Ort und Stelle nachznstudieren. Die Ergebnisse dieser Besichtigung bringen dem Fachmann manche wichtige Ergänzung zu den Berichten der Parteien und klären über Vorgänge ans, die an sich unverständlich erscheinen. Aber auch den Laien, wenn er nur eine Karte zur Hand hat, muß die Darstellung, die der Graf von den militärischen Ereignissen giebt, in jeder Hinsicht fesseln. In Stil und Geist steht sie auf der künstlerischen Höhe, die wir an den Alten bei solchen Auf¬ gaben bewundern, der sich bei uns durch Moltke die gesamte offizielle Kriegslitteratnr wieder genähert hat. Aus der gemeinverständlichen Schilderung der Hauptzüge tritt das psychologische Element hervor, das diesen Feldzug so merkwürdig macht. Die Türken lassen die Vorteile des Bodens, die Russen ihre Übermacht ungenutzt, auf beiden Seiten treiben angestammte Nationalfehler zu Unterlassungs- und Be¬ gehungssünden unbegreiflicher Art, aber ebenso entwickeln beide Volker wieder die höchsten kriegerischen Tugenden. Parad zu sein, große, heroische Persönlichkeiten zu erziehn und sie an die rechte Stelle zu bringen, ist und bleibt die vornehmste Pflicht einer Nation! Das ist die Moral, mit der der Leser von dem Feldzugsbild des Grafen scheidet. Aber das Buch ist mehr als ein Beitrag zur neusten Kriegsgeschichte, es ist zugleich ein höchst wertvolles Stück Länder- und Völkerkunde, die Frucht von Be¬ obachtungen eines nach jeder Richtung aus dem Vollen schöpfenden Geistes. So, mit dem vielseitigen Rüstzeug des Politikers, des Historikers, des Philosophen, des Poeten reisen wenige, sogar aus unsern besten Kreisen. Das giebt den Beschrei¬ bungen des Buches einen bleibenden Wert, seinen Urteilen und Ansichten über das Wesen und die Entwicklungsfähigkeit der einzelnen Balkanvölker eine hervorragende Bedeutung. Anschaulicher, naturgetreuer und überzeugender können die Thpen des Menschengemischs, das sich um Eingang zum Orient auf engem Raum zusammen¬ drängt, nicht skizziert werden. Nirgends doziert der Verfasser, und er giebt doch überall tiefgegründete Begriffe; überall spricht bei ihm das Leben selbst. Groß ist die Versuchung, die Bilder, die er vom Türken, vom Rumänen, vom Juden, vom Zigeuner giebt, die meisterhaften, stimmungsvollen Schilderungen von Land¬ schaft und Volkstum abzuschreiben; es ist aber besser, den Leser an die Quelle selbst zu verweisen. Er lernt ein Buch kennen, das an Belehrung und Genuß Außer¬ ordentliches bietet. Entenrike. Ab und zu kommt aus Norddeutschland wieder ein poetisches Lebenszeichen, das jedermann beweist, daß diese Leute droben an der Küste für unsre Litteratur in ihrer stillen, wortkargen Art doch sehr viel zu bedeuten haben. Auch das kleine Buch, das Emma von Oertzen unter dein Titel „Enteurike und andre hinterpvmmersche Geschichten" (Wolfenbüttel, I. Zwißler) vorlegt, gehört zu dieser Klasse. Es sind Dorfgeschichten, außerordentlich einfache Erzählungen, die auf seelische Vertiefung, auf Stimmungsmalerei und alle Novellistenkünste ver¬ zichten. Wir hören da von einer alten Viehmagd, der Entenrike, die auf dem Totenbett ihre größte Sünde beichten will: sie hat einigemal Eier aus dem großen Küchenkvrb genommen, um die im Wachstum zurückgebliebnen Küken zu füttern. Dann kommt eine Kinderfrau, die, von Jung und Alt im Hanse geliebt und selbst allen innigst zugethan, doch davonläuft.mis ihr vor Jahren davvngelanfner lieder¬ licher Mann scheinbar reuig zurückkommt. Weiter eine halb alberne Gouvernante, die „ich liebe sie" mit „Ich liebe Sie" verwechselt, und so fort eine Reihe billiger Originale. Reuters „Läuschen" usw. und andre Auekdoteusammlungeu bieten ähn¬ liches. Und doch wirkt das Buch im Leser lange nach. Denn diese Volksgestalten sind ans dem Leben geholt, mit Liebe beobachtet und schlicht, aber in höchster An¬ schaulichkeit geschildert. Drum sei das Buch empfohlen. Herausgegeben von Johannes Grunom in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/66>, abgerufen am 01.09.2024.