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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Die brandenburgische Provinzialsynode

nehmung, die sich jetzt jedem aufmerksamen Beobachter aufdrängt. Die aus¬
gestorbne oder verschwindende Generation im Elsaß beherrschte die französische
Sprache so mangelhaft, daß ein französischer Inspektor der Akademie -- kurz
vor dem Kriege -- den Eltern den Rat gab, die Kinder, damit sie sich, un¬
beirrt durch heimische Einflüsse, die französische Sprache tadellos aneigneten,
nach Nußland zu schicken. Aber die jüngere Generation der städtischen Be¬
völkerung, die jetzt in das öffentliche Leben getreten ist, spricht ein einwand¬
freies Französisch. Wie kommt das? Viele Leute haben ihre Bildung in fran¬
zösischen Schulen erhalten, andre vielleicht in gut geleiteten kleinen Neben¬
schulen im Lande selbst.

Nicht nnr die deutsche Einwandrung im Lande, sondern anch die ein¬
heimische deutsche Bevölkerung kann gegenüber den ans dem Inlande und
aus dem Auslande stammenden fremden Einflüssen nicht eines starken Rück¬
halts bei der deutschen Regierung entbehren. Auch für die mit Verfassungen
und Volksvertretung"!, ausgestatteten Staaten der Neuzeit, auch für das
Reichsland, gilt noch immer der Ausspruch eines altgriechischen Staatsmannes:
"Die Seele des Staates liegt in der Kraft der Negierung."




^le brandenburgische provinzialsynode und die Vor¬
bildung der evangelischen Theologen

meer deu Verhandlungen der Provinzialsynvden der altpreußischen
Landeskirche sind es die der Synode der Provinz Brandenburg,
die die öffentliche Aufmerksamkeit am meisten auf sich zu lenken
pflegen. Denn Brandenburg ist die volkreichste Provinz dieser
Landeskirche, die Provinz, die die Reichshauptstadt mit umfaßt,
und in deren Synode neben sonstigen hervorragenden Männern auch Mitglieder
der größten und angesehensten deutschen Universität ihren Sitz haben. Duzn
kommt, daß, weil die Synode in Berlin tagt, die in ganz Deutschland ge¬
wesenen Berliner Zeitungen ausführlich über ihre Verhandlungen berichten,
und daß so die dort gefaßten Beschlüsse überall im Reiche bekannt werden.

Diese Umstünde wirken zusammen, die brandenburgische Provinzialsynode
In besondrer Bedeutung zu erheben und ihr -- neben der nur aller sechs Jahre
zusammentretender Generalsynode -- bis zu einem gewissen Grade den Charakter
ernes Sprachorgans der gesamten Landeskirche zu geben.

Auch in dem Inhalt ihrer Verhandlungsgegenstände und Beschlüsse zeigt
Ach die hervorragende Stellung, die die in Berlin tagende Provinzialsynode
Annimmt. ^ sind zum Teil Angelegenheiten der Gesamtkirchc, die auch auf
M zur Erörterung gelangen, und es sind für das gesamte kirchliche Leben
anschneidende Fragen, über die sie Beschlüsse faßt.

Unter ihren Verhandlungen in der diesjährigen Tagung haben vor allem


Die brandenburgische Provinzialsynode

nehmung, die sich jetzt jedem aufmerksamen Beobachter aufdrängt. Die aus¬
gestorbne oder verschwindende Generation im Elsaß beherrschte die französische
Sprache so mangelhaft, daß ein französischer Inspektor der Akademie — kurz
vor dem Kriege — den Eltern den Rat gab, die Kinder, damit sie sich, un¬
beirrt durch heimische Einflüsse, die französische Sprache tadellos aneigneten,
nach Nußland zu schicken. Aber die jüngere Generation der städtischen Be¬
völkerung, die jetzt in das öffentliche Leben getreten ist, spricht ein einwand¬
freies Französisch. Wie kommt das? Viele Leute haben ihre Bildung in fran¬
zösischen Schulen erhalten, andre vielleicht in gut geleiteten kleinen Neben¬
schulen im Lande selbst.

Nicht nnr die deutsche Einwandrung im Lande, sondern anch die ein¬
heimische deutsche Bevölkerung kann gegenüber den ans dem Inlande und
aus dem Auslande stammenden fremden Einflüssen nicht eines starken Rück¬
halts bei der deutschen Regierung entbehren. Auch für die mit Verfassungen
und Volksvertretung«!, ausgestatteten Staaten der Neuzeit, auch für das
Reichsland, gilt noch immer der Ausspruch eines altgriechischen Staatsmannes:
"Die Seele des Staates liegt in der Kraft der Negierung."




^le brandenburgische provinzialsynode und die Vor¬
bildung der evangelischen Theologen

meer deu Verhandlungen der Provinzialsynvden der altpreußischen
Landeskirche sind es die der Synode der Provinz Brandenburg,
die die öffentliche Aufmerksamkeit am meisten auf sich zu lenken
pflegen. Denn Brandenburg ist die volkreichste Provinz dieser
Landeskirche, die Provinz, die die Reichshauptstadt mit umfaßt,
und in deren Synode neben sonstigen hervorragenden Männern auch Mitglieder
der größten und angesehensten deutschen Universität ihren Sitz haben. Duzn
kommt, daß, weil die Synode in Berlin tagt, die in ganz Deutschland ge¬
wesenen Berliner Zeitungen ausführlich über ihre Verhandlungen berichten,
und daß so die dort gefaßten Beschlüsse überall im Reiche bekannt werden.

Diese Umstünde wirken zusammen, die brandenburgische Provinzialsynode
In besondrer Bedeutung zu erheben und ihr — neben der nur aller sechs Jahre
zusammentretender Generalsynode — bis zu einem gewissen Grade den Charakter
ernes Sprachorgans der gesamten Landeskirche zu geben.

Auch in dem Inhalt ihrer Verhandlungsgegenstände und Beschlüsse zeigt
Ach die hervorragende Stellung, die die in Berlin tagende Provinzialsynode
Annimmt. ^ sind zum Teil Angelegenheiten der Gesamtkirchc, die auch auf
M zur Erörterung gelangen, und es sind für das gesamte kirchliche Leben
anschneidende Fragen, über die sie Beschlüsse faßt.

Unter ihren Verhandlungen in der diesjährigen Tagung haben vor allem


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[0659] Die brandenburgische Provinzialsynode nehmung, die sich jetzt jedem aufmerksamen Beobachter aufdrängt. Die aus¬ gestorbne oder verschwindende Generation im Elsaß beherrschte die französische Sprache so mangelhaft, daß ein französischer Inspektor der Akademie — kurz vor dem Kriege — den Eltern den Rat gab, die Kinder, damit sie sich, un¬ beirrt durch heimische Einflüsse, die französische Sprache tadellos aneigneten, nach Nußland zu schicken. Aber die jüngere Generation der städtischen Be¬ völkerung, die jetzt in das öffentliche Leben getreten ist, spricht ein einwand¬ freies Französisch. Wie kommt das? Viele Leute haben ihre Bildung in fran¬ zösischen Schulen erhalten, andre vielleicht in gut geleiteten kleinen Neben¬ schulen im Lande selbst. Nicht nnr die deutsche Einwandrung im Lande, sondern anch die ein¬ heimische deutsche Bevölkerung kann gegenüber den ans dem Inlande und aus dem Auslande stammenden fremden Einflüssen nicht eines starken Rück¬ halts bei der deutschen Regierung entbehren. Auch für die mit Verfassungen und Volksvertretung«!, ausgestatteten Staaten der Neuzeit, auch für das Reichsland, gilt noch immer der Ausspruch eines altgriechischen Staatsmannes: "Die Seele des Staates liegt in der Kraft der Negierung." ^le brandenburgische provinzialsynode und die Vor¬ bildung der evangelischen Theologen meer deu Verhandlungen der Provinzialsynvden der altpreußischen Landeskirche sind es die der Synode der Provinz Brandenburg, die die öffentliche Aufmerksamkeit am meisten auf sich zu lenken pflegen. Denn Brandenburg ist die volkreichste Provinz dieser Landeskirche, die Provinz, die die Reichshauptstadt mit umfaßt, und in deren Synode neben sonstigen hervorragenden Männern auch Mitglieder der größten und angesehensten deutschen Universität ihren Sitz haben. Duzn kommt, daß, weil die Synode in Berlin tagt, die in ganz Deutschland ge¬ wesenen Berliner Zeitungen ausführlich über ihre Verhandlungen berichten, und daß so die dort gefaßten Beschlüsse überall im Reiche bekannt werden. Diese Umstünde wirken zusammen, die brandenburgische Provinzialsynode In besondrer Bedeutung zu erheben und ihr — neben der nur aller sechs Jahre zusammentretender Generalsynode — bis zu einem gewissen Grade den Charakter ernes Sprachorgans der gesamten Landeskirche zu geben. Auch in dem Inhalt ihrer Verhandlungsgegenstände und Beschlüsse zeigt Ach die hervorragende Stellung, die die in Berlin tagende Provinzialsynode Annimmt. ^ sind zum Teil Angelegenheiten der Gesamtkirchc, die auch auf M zur Erörterung gelangen, und es sind für das gesamte kirchliche Leben anschneidende Fragen, über die sie Beschlüsse faßt. Unter ihren Verhandlungen in der diesjährigen Tagung haben vor allem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/659>, abgerufen am 01.09.2024.