Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.Deutsch-Ästerreich zudrängen, weil man weiß, es würde mit neuer Lebendigkeit wieder aufersteh". Von dem Einfluß der "führenden" hauptstädtischen Presse ist nichts zu Deutsch-Ästerreich zudrängen, weil man weiß, es würde mit neuer Lebendigkeit wieder aufersteh». Von dem Einfluß der „führenden" hauptstädtischen Presse ist nichts zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0597" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239385"/> <fw type="header" place="top"> Deutsch-Ästerreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_2759" prev="#ID_2758"> zudrängen, weil man weiß, es würde mit neuer Lebendigkeit wieder aufersteh».<lb/> Wenn die Deutschen Politiker wären, könnten sie daraus etwas lernen. Gerade<lb/> jetzt, wo die Verhältnisse in Österreich für sie eine günstigere Wendung ge¬<lb/> nommen haben, sollten sie einsehen, daß mehr als je Einigkeit not thut. Alles,<lb/> was sie wieder spalten könnte, muß vermieden werden, wenigstens bis auf<lb/> weiteres. Wären sie nur halbwegs einig, so prallte der slawische Sturm noch<lb/> heute an ihrem festen Felsen ab. Schon die Spaltung in einen klerikalen<lb/> Flügel, der mit den Tschechen gegangen ist, selbst noch mit den hussitisch und<lb/> radikal angehauchten Jungtschechen, und einen liberalen Flügel hat ihr Elend<lb/> verschuldet, und die Spaltung des liberalen Flügels in eine Reihe machtloser,<lb/> sich gegenseitig bekämpfender Fraktionen vermehrt es noch. Man schreibe<lb/> nur einmal das Wort „deutsch," aber recht deutlich und ohne jede radikale<lb/> oder klerikale Zuthat, auf das Parteiprogramm, man lasse sich nicht von der<lb/> ganz andre Ziele verfolgenden kapitalistischen Presse auseinandersetzen; man<lb/> lerne den deutschen Bruder, der andrer Meinung ist, statt ihn zu schmähen,<lb/> wenn auch als vermeintlich Irrenden, dulden, und die Einigkeit wäre vor¬<lb/> handen, die Macht wäre sofort soweit in den Händen der Deutschen, daß nach<lb/> ihrem Willen regiert werden müßte, weil sie es in der Gewalt hätten, durch<lb/> den geringsten Kompromiß mit einer ihnen genehmen Fraktion jede parla¬<lb/> mentarische Frage zu entscheiden. Seit der Einführung der allgemeinen Wähler¬<lb/> klasse ist die Möglichkeit für die Deutschen, die parlamentarische Mehrheit für<lb/> sich allein zu erlangen, wohl für immer verloren gegangen, aber das wäre<lb/> für geschickte Politiker, die ihr Geschäft verstehn, gar kein Unglück, weil die<lb/> vereinten Deutschen als ausschlaggebende Macht von vielen Seiten umworben<lb/> würden und versöhnend und verbindend auftreten könnten, während die einfache<lb/> Mehrheit und damit Herrschaft im Parlament ihnen den Haß aller eintragen<lb/> würde. Freilich, so weit sind wir noch lange nicht; ehe die gegenwärtigen<lb/> deutsche» Parteien ihre Fraktionsbrille so weit geputzt haben werden, daß sie<lb/> diese ihnen ganz klar vorgezeichnete parlamentarische Stellung erkennen, kann<lb/> noch lange Zeit vergeh«. Vielleicht, daß den Deutschen ein Führer ersteht,<lb/> der die alles besser Wissenden zu meistern versteht, möglich, daß erst wieder<lb/> eine Art Badeni kommen muß, der die nur querulierenden ohnmächtigen<lb/> deutschen Gruppen beiseite zu schieben glauben könnte, sie sich dann aber plötzlich<lb/> geeinigt gegenüber sähe. Vor der Hand ist freilich nicht an eine Besserung zu<lb/> denken. Die Verbohrtheit der Fraktionspolitiker, die vom Altliberalismus her-<lb/> gekommne Arbeitsscheu, die den glücklichen Inhaber des Parteiprogramms von<lb/> jeder Thätigkeit und auch vom Denken entbindet, der Eigendünkel der Kleinen,<lb/> die meinen, weil sie sich auf die Fußspitzen stellen, bedeute ihr Ausguck den<lb/> politischen Horizont, die Leichtlebigkeit der gebildeten und besser gestellten deutschen<lb/> Gesellschaftsklassen, die aus cilledem hervorgehende Schwäche des Nationalgefühls<lb/> lassen es zu nichts kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2760" next="#ID_2761"> Von dem Einfluß der „führenden" hauptstädtischen Presse ist nichts zu<lb/> hoffen, denn diese dient ausschließlich kapitalistischen Zwecken, die nicht mit der<lb/> Einheit und Macht des Deutschtums zusammenfallen. Mahnende vernünftige<lb/> Stimmen in der Provinzprcsse werden um so lieber überhört, weil man sich<lb/> nicht sehr anstrengen mag. Ganz im Sinne unsrer Ausführungen sagte schon</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0597]
Deutsch-Ästerreich
zudrängen, weil man weiß, es würde mit neuer Lebendigkeit wieder aufersteh».
Wenn die Deutschen Politiker wären, könnten sie daraus etwas lernen. Gerade
jetzt, wo die Verhältnisse in Österreich für sie eine günstigere Wendung ge¬
nommen haben, sollten sie einsehen, daß mehr als je Einigkeit not thut. Alles,
was sie wieder spalten könnte, muß vermieden werden, wenigstens bis auf
weiteres. Wären sie nur halbwegs einig, so prallte der slawische Sturm noch
heute an ihrem festen Felsen ab. Schon die Spaltung in einen klerikalen
Flügel, der mit den Tschechen gegangen ist, selbst noch mit den hussitisch und
radikal angehauchten Jungtschechen, und einen liberalen Flügel hat ihr Elend
verschuldet, und die Spaltung des liberalen Flügels in eine Reihe machtloser,
sich gegenseitig bekämpfender Fraktionen vermehrt es noch. Man schreibe
nur einmal das Wort „deutsch," aber recht deutlich und ohne jede radikale
oder klerikale Zuthat, auf das Parteiprogramm, man lasse sich nicht von der
ganz andre Ziele verfolgenden kapitalistischen Presse auseinandersetzen; man
lerne den deutschen Bruder, der andrer Meinung ist, statt ihn zu schmähen,
wenn auch als vermeintlich Irrenden, dulden, und die Einigkeit wäre vor¬
handen, die Macht wäre sofort soweit in den Händen der Deutschen, daß nach
ihrem Willen regiert werden müßte, weil sie es in der Gewalt hätten, durch
den geringsten Kompromiß mit einer ihnen genehmen Fraktion jede parla¬
mentarische Frage zu entscheiden. Seit der Einführung der allgemeinen Wähler¬
klasse ist die Möglichkeit für die Deutschen, die parlamentarische Mehrheit für
sich allein zu erlangen, wohl für immer verloren gegangen, aber das wäre
für geschickte Politiker, die ihr Geschäft verstehn, gar kein Unglück, weil die
vereinten Deutschen als ausschlaggebende Macht von vielen Seiten umworben
würden und versöhnend und verbindend auftreten könnten, während die einfache
Mehrheit und damit Herrschaft im Parlament ihnen den Haß aller eintragen
würde. Freilich, so weit sind wir noch lange nicht; ehe die gegenwärtigen
deutsche» Parteien ihre Fraktionsbrille so weit geputzt haben werden, daß sie
diese ihnen ganz klar vorgezeichnete parlamentarische Stellung erkennen, kann
noch lange Zeit vergeh«. Vielleicht, daß den Deutschen ein Führer ersteht,
der die alles besser Wissenden zu meistern versteht, möglich, daß erst wieder
eine Art Badeni kommen muß, der die nur querulierenden ohnmächtigen
deutschen Gruppen beiseite zu schieben glauben könnte, sie sich dann aber plötzlich
geeinigt gegenüber sähe. Vor der Hand ist freilich nicht an eine Besserung zu
denken. Die Verbohrtheit der Fraktionspolitiker, die vom Altliberalismus her-
gekommne Arbeitsscheu, die den glücklichen Inhaber des Parteiprogramms von
jeder Thätigkeit und auch vom Denken entbindet, der Eigendünkel der Kleinen,
die meinen, weil sie sich auf die Fußspitzen stellen, bedeute ihr Ausguck den
politischen Horizont, die Leichtlebigkeit der gebildeten und besser gestellten deutschen
Gesellschaftsklassen, die aus cilledem hervorgehende Schwäche des Nationalgefühls
lassen es zu nichts kommen.
Von dem Einfluß der „führenden" hauptstädtischen Presse ist nichts zu
hoffen, denn diese dient ausschließlich kapitalistischen Zwecken, die nicht mit der
Einheit und Macht des Deutschtums zusammenfallen. Mahnende vernünftige
Stimmen in der Provinzprcsse werden um so lieber überhört, weil man sich
nicht sehr anstrengen mag. Ganz im Sinne unsrer Ausführungen sagte schon
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