Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.Dmllsch-Hsw'l^ich Das aber ist die Sache unsrer Lehrerschaft. Sie wird diese ihre moderne Deutsch-Österreich (Schluß) s giebt in Österreich eine ganze Reihe von historischen Legenden, Dmllsch-Hsw'l^ich Das aber ist die Sache unsrer Lehrerschaft. Sie wird diese ihre moderne Deutsch-Österreich (Schluß) s giebt in Österreich eine ganze Reihe von historischen Legenden, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0590" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239378"/> <fw type="header" place="top"> Dmllsch-Hsw'l^ich</fw><lb/> <p xml:id="ID_2743"> Das aber ist die Sache unsrer Lehrerschaft. Sie wird diese ihre moderne<lb/> Aufgabe uur lösen, wenn sie selbst von ihrer Bedeutung tief durchdrungen ist,<lb/> wenn sie selbst das klassische Altertum in sich lebendig macht und dem ver¬<lb/> alteten Formalismus gänzlich entsagt, wenn sie nie vergißt, daß heute die<lb/> alten Sprachen nur Mittel zum Zweck sind, wenn sie die Höhe der Leistung<lb/> nicht nach den Extemporalien mißt und das lateinische Spezimen nicht zu<lb/> einer unnatürlichen Sammlung von Fallstricken macht, sondern daneben wo¬<lb/> möglich wieder zu einem freien Gebrauche des Lateinischen in Wort und Schrift<lb/> anleitet, also den Schülern wieder mehr das freudige Bewußtsein eines gewissen<lb/> Könnens giebt, endlich ihre wichtigste Aufgabe nicht darin sieht, möglichst ein¬<lb/> wandfreie Zensuren zu erhalten, sondern in dein sichern grammatischen und<lb/> sachlichen Verständnis eines lateinischen und griechischen Textes. Man plage<lb/> aber auch von oben her das Gymnasium weniger mit Prüfungen aller Art,<lb/> deren allzustarke Betonung nur zur Dressur führt und Lehrern wie Schülern<lb/> die Freude an der Arbeit nimmt; man gewähre den reifern Schülern mehr<lb/> Freiheit zu selbständiger Thätigkeit, namentlich auch die Möglichkeit, sich in<lb/> die Bearbeitung eines deutschen Aufsatzes einigermaßen zu vertiefen, wozu<lb/> ihnen heute das Vielerlei der häuslichen Arbeit kaum mehr die Zeit läßt;<lb/> man gönne den Lehrern einige Entlastung von Stundenzahl und Korrekturen,<lb/> statt jede „Lehrkraft" möglichst „auszunützen," auf die Gefahr hin, daß sie früh<lb/> zusammenbricht, was leider nur zu häufig vorkommt; man schaffe ihnen endlich<lb/> ein wirklich sorgenfreies Dasein, das sie als Familienväter mit heranwachsenden<lb/> Söhnen und Töchtern jetzt trotz aller dankenswerten Gehaltsverbcsserungen der<lb/> letzten Zeit auch bei den bescheidensten Ansprüchen eines bürgerlichen Haushalts<lb/> ohne eignes Vermögen thatsächlich immer uoch nicht haben. Ein solches aber<lb/> ist bei Gymnasiallehrern selten vorhanden, denn sie kommen meist aus kleinen,<lb/> oft engen Verhältnissen, weil die ganze Laufbahn den Ehrgeiz nicht anlockt,<lb/> sondern eher abschreckt, also von Söhnen wohlhabender und reicher oder hoch¬<lb/> gestellter Väter fast niemals eingeschlagen wird. Dann wird sich ein zweites<lb/> gutes Wort Bosses erfüllen, das er wenig Monate vor seinem Tode (31. Juli<lb/> 1901) geschrieben hat: „Wir brauchen für das Gymnasium nur freie Hand,<lb/> dann bleibt es von selbst oben."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Deutsch-Österreich<lb/> (Schluß) </head><lb/> <p xml:id="ID_2744" next="#ID_2745"> s giebt in Österreich eine ganze Reihe von historischen Legenden,<lb/> die meist von der Presse suggeriert wordeu sind, die wohl jeder¬<lb/> mann nachspricht, aber keiner mehr recht glaubt. Zu diesen ge¬<lb/> hört auch die Wendung, das letzte deutsche Ministerium wäre<lb/> einzig und allein über die böhmische Frage gestürzt. Das be¬<lb/> streiten wir mit gutem Grund. Der Monarch fühlte sich allerdings tief ver¬<lb/> letzt, als man ihm seine erste Erwerbung für Österreich vergällen wollte, dochiADZMl'<lb/> /^M-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0590]
Dmllsch-Hsw'l^ich
Das aber ist die Sache unsrer Lehrerschaft. Sie wird diese ihre moderne
Aufgabe uur lösen, wenn sie selbst von ihrer Bedeutung tief durchdrungen ist,
wenn sie selbst das klassische Altertum in sich lebendig macht und dem ver¬
alteten Formalismus gänzlich entsagt, wenn sie nie vergißt, daß heute die
alten Sprachen nur Mittel zum Zweck sind, wenn sie die Höhe der Leistung
nicht nach den Extemporalien mißt und das lateinische Spezimen nicht zu
einer unnatürlichen Sammlung von Fallstricken macht, sondern daneben wo¬
möglich wieder zu einem freien Gebrauche des Lateinischen in Wort und Schrift
anleitet, also den Schülern wieder mehr das freudige Bewußtsein eines gewissen
Könnens giebt, endlich ihre wichtigste Aufgabe nicht darin sieht, möglichst ein¬
wandfreie Zensuren zu erhalten, sondern in dein sichern grammatischen und
sachlichen Verständnis eines lateinischen und griechischen Textes. Man plage
aber auch von oben her das Gymnasium weniger mit Prüfungen aller Art,
deren allzustarke Betonung nur zur Dressur führt und Lehrern wie Schülern
die Freude an der Arbeit nimmt; man gewähre den reifern Schülern mehr
Freiheit zu selbständiger Thätigkeit, namentlich auch die Möglichkeit, sich in
die Bearbeitung eines deutschen Aufsatzes einigermaßen zu vertiefen, wozu
ihnen heute das Vielerlei der häuslichen Arbeit kaum mehr die Zeit läßt;
man gönne den Lehrern einige Entlastung von Stundenzahl und Korrekturen,
statt jede „Lehrkraft" möglichst „auszunützen," auf die Gefahr hin, daß sie früh
zusammenbricht, was leider nur zu häufig vorkommt; man schaffe ihnen endlich
ein wirklich sorgenfreies Dasein, das sie als Familienväter mit heranwachsenden
Söhnen und Töchtern jetzt trotz aller dankenswerten Gehaltsverbcsserungen der
letzten Zeit auch bei den bescheidensten Ansprüchen eines bürgerlichen Haushalts
ohne eignes Vermögen thatsächlich immer uoch nicht haben. Ein solches aber
ist bei Gymnasiallehrern selten vorhanden, denn sie kommen meist aus kleinen,
oft engen Verhältnissen, weil die ganze Laufbahn den Ehrgeiz nicht anlockt,
sondern eher abschreckt, also von Söhnen wohlhabender und reicher oder hoch¬
gestellter Väter fast niemals eingeschlagen wird. Dann wird sich ein zweites
gutes Wort Bosses erfüllen, das er wenig Monate vor seinem Tode (31. Juli
1901) geschrieben hat: „Wir brauchen für das Gymnasium nur freie Hand,
dann bleibt es von selbst oben."
Deutsch-Österreich
(Schluß)
s giebt in Österreich eine ganze Reihe von historischen Legenden,
die meist von der Presse suggeriert wordeu sind, die wohl jeder¬
mann nachspricht, aber keiner mehr recht glaubt. Zu diesen ge¬
hört auch die Wendung, das letzte deutsche Ministerium wäre
einzig und allein über die böhmische Frage gestürzt. Das be¬
streiten wir mit gutem Grund. Der Monarch fühlte sich allerdings tief ver¬
letzt, als man ihm seine erste Erwerbung für Österreich vergällen wollte, dochiADZMl'
/^M-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |