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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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historisch, heraldisch und vom rein geselligen Standpunkt ans ein überaus einflu߬
reicher und maßgebender Repräsentant des höchsten einheimischen Adels. Und wie
er diesem Umstand sein hohes Amt und den Purpur in ähnlicher Weise perdankte,
wie dies schon wiederholt bei seinen Vorfahren der Fall gewesen war, so gab ihm
dieselbe bevorzugte weltliche Stellung eine Unabhängigkeit gegenüber allen, auch
den mächtigsten und geheimnisvollster römischen Einflüssen, vor der sich der Prior
beugen mußte. Ju Staaten, wo es keine mächtige Feudnlaristokratie giebt, ist auch
der höchstgestellte Kirchenfürst ein Geschöpf Roms, hier in Böhmen, auf dem
Hradschi" war der Fürsterzbischof nicht das Geschöpf, sondern nur der Bundes¬
genosse Roms, und dieser Umstand fühlte sich überall an der Freiheit seiner Be¬
wegungen heraus. Denn so sehr auch die Kurie der Laienwelt gegenüber Wert
darauf legt, als nur von geistlichen Rücksichten geleitet zu erscheinen, so vorsichtig
und so klug weiß sie jeder rein weltlichen Machtfrage da Rechnung zu tragen, wo
sie damit einen Erfolg oder einen Vorteil zu erzielen hofft.

Der Versuch des Priors, den Grafen Viktor nicht gegen den Willen des
Kardinals, sondern mit dessen Hilfe zu stürzen, war etwas, woran sich der zehnte
nicht gewagt hätte, denn der Kardinal war dem Manne, den es zu stürzen galt, ge¬
wogen, Montenerv war einer seiner nahen Verwandten, und dem Kardinal -- er hatte
diese Anschauung mit der Muttermilch eingesogen -- stand die Familie ebenso nahe
wie die Kirche, oder um es mit andern Worten auszudrücken, für eine Kirche, die
den Interessen seiner Familie zuwiderhandelte, hatte er wenig Herz und Teil¬
nahme. Wenn die Kirche vorgehn und sich bereichern wollte, wenn es ihr darum
zu thun war, freigeistigen Übermut zu breche" und ketzerischen Frevel zu strafe",
so mochte sie sich anderswo hinwenden, nicht in den Schoß seiner Familie und
Verwandtschaft. Der Angriff des Priors mußte deshalb mit besondrer Kühnheit
ins Werk gesetzt werden, wenn er gelingen sollte. Daß Graf Viktor ein Freigeist
war, hatte den Kardinal im Verkehr mit ihm nie gestört. So korrekt in: Glauben
und in der Haltung der überaus taktvolle Kirchenfttrst für seine Person war, so tolerant
war er da, wo es sich für ihn um nichtamtliche, altgewohnte Beziehungen handelte.

Ich habe geheime Aufträge vou Rom, sagte der Prior, Aufträge, deren so¬
fortiger Ausführung ich mich um so "veniger entziehn kann, als sie in der Form
eines unbedingten Befehls gegeben sind. Der Graf wird höchste" Orts für so
gefährlich gehalten, daß mir die Wahl des Mittels, ihn unschädlich zu machen,
überlassen worden ist. Ich wollte nicht verfehlen, Ew. Eminenz von diesem Sach¬
verhalt ehrfurchtsvoll in Kenntnis zu setze", und mir deren Beistand pflichtschuldigst
erbitte".

Bei einem Kirchenfürsten, der keinen andern Halt gehabt hätte als den, den
ihm die Kurie gab, würde -- das ist "ur so eine Laieuvermutung -- der dunkle
Schatten der gewaltigen Hand, mit deren Allmacht gedroht wurde, vielleicht gewirkt
haben. Dem Kardinal machte er keinen Eindruck. Man werde wohl daran thun,
sagte er, in dieser Sache mit der größten Vorsicht zu Werke zu gehn und sich
-- er richtete sich hierbei in der vollen Höhe seiner imponierender Gestalt auf ^
von Roni aus unmittelbar an ihn zu wenden. Er sei nicht gesonnen, Machen¬
schaften ""lauterer Natur, bei denen man sich untergeordneter Werkzeuge bediene,
und seinem Einfluß bei Sr. Majestät und hier im Lande zu decken. Er weise von
vornherein jede Verantwortung für einen unberechtigten Eingriff zurück und werde,
wenn diesem seinem ausdrücklichen Befehle doch zuwidergehandelt werde, nicht ruhn
und nicht rasten, bis den Schuldigen die Strafe des weltlichen Arms erreicht habe.

Ich darf wohl annehmen, sagte der Prior, daß Ew. Eminenz sich der mit
dieser Entschließung übernommenen besonders schweren Verantwortung bewußt sind-
Es würde mir leid thun, wenn man an höchster Stelle deren Anschammge" nicht
teilte und sei" Mißfallen in empfindlicher Weise z" versteh" gäbe.

Sorgen Sie sich nicht, lieber Prior, sagte der Kardinal, indem er durch eine
Bewegung z" versteh" gab, daß die Audienz z" Ende sei, und verlassen Sie sich


Am Fuße des Hradschins

historisch, heraldisch und vom rein geselligen Standpunkt ans ein überaus einflu߬
reicher und maßgebender Repräsentant des höchsten einheimischen Adels. Und wie
er diesem Umstand sein hohes Amt und den Purpur in ähnlicher Weise perdankte,
wie dies schon wiederholt bei seinen Vorfahren der Fall gewesen war, so gab ihm
dieselbe bevorzugte weltliche Stellung eine Unabhängigkeit gegenüber allen, auch
den mächtigsten und geheimnisvollster römischen Einflüssen, vor der sich der Prior
beugen mußte. Ju Staaten, wo es keine mächtige Feudnlaristokratie giebt, ist auch
der höchstgestellte Kirchenfürst ein Geschöpf Roms, hier in Böhmen, auf dem
Hradschi» war der Fürsterzbischof nicht das Geschöpf, sondern nur der Bundes¬
genosse Roms, und dieser Umstand fühlte sich überall an der Freiheit seiner Be¬
wegungen heraus. Denn so sehr auch die Kurie der Laienwelt gegenüber Wert
darauf legt, als nur von geistlichen Rücksichten geleitet zu erscheinen, so vorsichtig
und so klug weiß sie jeder rein weltlichen Machtfrage da Rechnung zu tragen, wo
sie damit einen Erfolg oder einen Vorteil zu erzielen hofft.

Der Versuch des Priors, den Grafen Viktor nicht gegen den Willen des
Kardinals, sondern mit dessen Hilfe zu stürzen, war etwas, woran sich der zehnte
nicht gewagt hätte, denn der Kardinal war dem Manne, den es zu stürzen galt, ge¬
wogen, Montenerv war einer seiner nahen Verwandten, und dem Kardinal — er hatte
diese Anschauung mit der Muttermilch eingesogen — stand die Familie ebenso nahe
wie die Kirche, oder um es mit andern Worten auszudrücken, für eine Kirche, die
den Interessen seiner Familie zuwiderhandelte, hatte er wenig Herz und Teil¬
nahme. Wenn die Kirche vorgehn und sich bereichern wollte, wenn es ihr darum
zu thun war, freigeistigen Übermut zu breche» und ketzerischen Frevel zu strafe»,
so mochte sie sich anderswo hinwenden, nicht in den Schoß seiner Familie und
Verwandtschaft. Der Angriff des Priors mußte deshalb mit besondrer Kühnheit
ins Werk gesetzt werden, wenn er gelingen sollte. Daß Graf Viktor ein Freigeist
war, hatte den Kardinal im Verkehr mit ihm nie gestört. So korrekt in: Glauben
und in der Haltung der überaus taktvolle Kirchenfttrst für seine Person war, so tolerant
war er da, wo es sich für ihn um nichtamtliche, altgewohnte Beziehungen handelte.

Ich habe geheime Aufträge vou Rom, sagte der Prior, Aufträge, deren so¬
fortiger Ausführung ich mich um so »veniger entziehn kann, als sie in der Form
eines unbedingten Befehls gegeben sind. Der Graf wird höchste» Orts für so
gefährlich gehalten, daß mir die Wahl des Mittels, ihn unschädlich zu machen,
überlassen worden ist. Ich wollte nicht verfehlen, Ew. Eminenz von diesem Sach¬
verhalt ehrfurchtsvoll in Kenntnis zu setze», und mir deren Beistand pflichtschuldigst
erbitte».

Bei einem Kirchenfürsten, der keinen andern Halt gehabt hätte als den, den
ihm die Kurie gab, würde — das ist »ur so eine Laieuvermutung — der dunkle
Schatten der gewaltigen Hand, mit deren Allmacht gedroht wurde, vielleicht gewirkt
haben. Dem Kardinal machte er keinen Eindruck. Man werde wohl daran thun,
sagte er, in dieser Sache mit der größten Vorsicht zu Werke zu gehn und sich
— er richtete sich hierbei in der vollen Höhe seiner imponierender Gestalt auf ^
von Roni aus unmittelbar an ihn zu wenden. Er sei nicht gesonnen, Machen¬
schaften »»lauterer Natur, bei denen man sich untergeordneter Werkzeuge bediene,
und seinem Einfluß bei Sr. Majestät und hier im Lande zu decken. Er weise von
vornherein jede Verantwortung für einen unberechtigten Eingriff zurück und werde,
wenn diesem seinem ausdrücklichen Befehle doch zuwidergehandelt werde, nicht ruhn
und nicht rasten, bis den Schuldigen die Strafe des weltlichen Arms erreicht habe.

Ich darf wohl annehmen, sagte der Prior, daß Ew. Eminenz sich der mit
dieser Entschließung übernommenen besonders schweren Verantwortung bewußt sind-
Es würde mir leid thun, wenn man an höchster Stelle deren Anschammge» nicht
teilte und sei» Mißfallen in empfindlicher Weise z» versteh» gäbe.

Sorgen Sie sich nicht, lieber Prior, sagte der Kardinal, indem er durch eine
Bewegung z» versteh» gab, daß die Audienz z» Ende sei, und verlassen Sie sich


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[0562] Am Fuße des Hradschins historisch, heraldisch und vom rein geselligen Standpunkt ans ein überaus einflu߬ reicher und maßgebender Repräsentant des höchsten einheimischen Adels. Und wie er diesem Umstand sein hohes Amt und den Purpur in ähnlicher Weise perdankte, wie dies schon wiederholt bei seinen Vorfahren der Fall gewesen war, so gab ihm dieselbe bevorzugte weltliche Stellung eine Unabhängigkeit gegenüber allen, auch den mächtigsten und geheimnisvollster römischen Einflüssen, vor der sich der Prior beugen mußte. Ju Staaten, wo es keine mächtige Feudnlaristokratie giebt, ist auch der höchstgestellte Kirchenfürst ein Geschöpf Roms, hier in Böhmen, auf dem Hradschi» war der Fürsterzbischof nicht das Geschöpf, sondern nur der Bundes¬ genosse Roms, und dieser Umstand fühlte sich überall an der Freiheit seiner Be¬ wegungen heraus. Denn so sehr auch die Kurie der Laienwelt gegenüber Wert darauf legt, als nur von geistlichen Rücksichten geleitet zu erscheinen, so vorsichtig und so klug weiß sie jeder rein weltlichen Machtfrage da Rechnung zu tragen, wo sie damit einen Erfolg oder einen Vorteil zu erzielen hofft. Der Versuch des Priors, den Grafen Viktor nicht gegen den Willen des Kardinals, sondern mit dessen Hilfe zu stürzen, war etwas, woran sich der zehnte nicht gewagt hätte, denn der Kardinal war dem Manne, den es zu stürzen galt, ge¬ wogen, Montenerv war einer seiner nahen Verwandten, und dem Kardinal — er hatte diese Anschauung mit der Muttermilch eingesogen — stand die Familie ebenso nahe wie die Kirche, oder um es mit andern Worten auszudrücken, für eine Kirche, die den Interessen seiner Familie zuwiderhandelte, hatte er wenig Herz und Teil¬ nahme. Wenn die Kirche vorgehn und sich bereichern wollte, wenn es ihr darum zu thun war, freigeistigen Übermut zu breche» und ketzerischen Frevel zu strafe», so mochte sie sich anderswo hinwenden, nicht in den Schoß seiner Familie und Verwandtschaft. Der Angriff des Priors mußte deshalb mit besondrer Kühnheit ins Werk gesetzt werden, wenn er gelingen sollte. Daß Graf Viktor ein Freigeist war, hatte den Kardinal im Verkehr mit ihm nie gestört. So korrekt in: Glauben und in der Haltung der überaus taktvolle Kirchenfttrst für seine Person war, so tolerant war er da, wo es sich für ihn um nichtamtliche, altgewohnte Beziehungen handelte. Ich habe geheime Aufträge vou Rom, sagte der Prior, Aufträge, deren so¬ fortiger Ausführung ich mich um so »veniger entziehn kann, als sie in der Form eines unbedingten Befehls gegeben sind. Der Graf wird höchste» Orts für so gefährlich gehalten, daß mir die Wahl des Mittels, ihn unschädlich zu machen, überlassen worden ist. Ich wollte nicht verfehlen, Ew. Eminenz von diesem Sach¬ verhalt ehrfurchtsvoll in Kenntnis zu setze», und mir deren Beistand pflichtschuldigst erbitte». Bei einem Kirchenfürsten, der keinen andern Halt gehabt hätte als den, den ihm die Kurie gab, würde — das ist »ur so eine Laieuvermutung — der dunkle Schatten der gewaltigen Hand, mit deren Allmacht gedroht wurde, vielleicht gewirkt haben. Dem Kardinal machte er keinen Eindruck. Man werde wohl daran thun, sagte er, in dieser Sache mit der größten Vorsicht zu Werke zu gehn und sich — er richtete sich hierbei in der vollen Höhe seiner imponierender Gestalt auf ^ von Roni aus unmittelbar an ihn zu wenden. Er sei nicht gesonnen, Machen¬ schaften »»lauterer Natur, bei denen man sich untergeordneter Werkzeuge bediene, und seinem Einfluß bei Sr. Majestät und hier im Lande zu decken. Er weise von vornherein jede Verantwortung für einen unberechtigten Eingriff zurück und werde, wenn diesem seinem ausdrücklichen Befehle doch zuwidergehandelt werde, nicht ruhn und nicht rasten, bis den Schuldigen die Strafe des weltlichen Arms erreicht habe. Ich darf wohl annehmen, sagte der Prior, daß Ew. Eminenz sich der mit dieser Entschließung übernommenen besonders schweren Verantwortung bewußt sind- Es würde mir leid thun, wenn man an höchster Stelle deren Anschammge» nicht teilte und sei» Mißfallen in empfindlicher Weise z» versteh» gäbe. Sorgen Sie sich nicht, lieber Prior, sagte der Kardinal, indem er durch eine Bewegung z» versteh» gab, daß die Audienz z» Ende sei, und verlassen Sie sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/562>, abgerufen am 01.09.2024.