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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ihrer moralischen Wirkung eine Sicherung von unberechenbarer Stärke bilden, während
der Fürst nur in Gesetz und Recht seine Macht findet."

Wohin sollte es im Deutschen Reiche kommen, wenn die Konservativen
diesem Grundsatz untre" wurden? Ganz gewiß ist es als ein Fortschritt zum
bessern anzuerkennen, daß den Konservativen von heule nicht mehr wie vor vierzig
Jahren alle Einseitigkeiten und Schroffheiten der Stahlschen Politik als Evangelium
gelten, daß sie in vieler Beziehung liberaler denken. Deshalb haben sie nicht auf¬
gehört konservativ zu sein. Aber gerade die Lehre vom monarchischen Prinzip im
deutscheu Staatsrecht, wie sie Stahls Scharfsinn mit unvergleichlicher Klarheit fest¬
gestellt hat, ist und bleibt der Prüfstein. Wer sie verleugnet, wer sie verletzt, hat
in Deutschland das Recht, sich konservativ zu nennen, verwirkt. Er stellt sich praktisch
auf den Boden des parlamentarischen Prinzips, und leider muß mau das den
konservativen Parteien und dem Zentrum in ihrem bisherigen Verhalten zu der
"Verständigung," je länger die Verhandlungen schweben, desto mehr zum Vorwurf
machen. In der Frage: Wer hat nachzugeben, die Parteien oder die verbündeten
Regierungen? -- "muß im Zweifel unes monarchischen Prinzip besonders in einem
großen Reiche die Erhaltung des königlichen Ansehens die entscheidende Rücksicht sein."

Es soll damit natürlich nicht gesagt werden, daß die verbündeten Regierungen
nicht die Pflicht hätten, den genannten Parteien das Nachgeben möglichst zu er¬
leichtern. Auch wenn sich die Parteien nicht ohne eigne Schuld in die schwierige
Lage, in der sie sind, verrannt hätten, bliebe diese Pflicht bestehn. Aber es versteht
sich ganz von selbst, und es klang aus jedem Wort, das von den Regiernngsver-
tretern in den langen Tnrifverhandlnngen gesprochen wurde, unzweideutig heraus,
daß sich die Regierungen dieser Pflicht dauernd bewußt sind, und daß sie sich be¬
mühen, sie zu erfüllen. Sie würden aber ihrer Pflicht, das monarchische Prinzip
zu wahren, ins Gesicht schlagen, wenn sie nicht auch einem ausgesprochnen Mehrheits¬
willen des Reichstags gegenüber das, was die Verbündeten Regierungen als mit
dem Gesamtwohl unvereinbar erkennt haben, als unannehmbar bezeichneten und
in allen Stadien der Verhandlungen auch so behandelten. Ans kleinliche Recht¬
haberei kommt es dabei gar nicht an. Aber darauf kommt alles an, daß die Mehrheits-
parteieu anerkennen, daß die Verbündeten Regierungen Politisch und staatsrechtlich
über der parlamentarische" Mehrheit stehn, auf einer höhern Warte, und daß im
Volk das Gefühl dafür stören, die schwerste Sünde gegen das monarchische Prinzip
und gegen deu wahren konservativen Geist in Deutschland bedeutet.

Ob überhaupt im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen von einer Verstän¬
digung zwischen deu Verbündeten Regierungen und den Mehrheitsparteien geredet werden
kaun, wollen wir nicht erörtern. Ausgeschlossen erscheint uns eine solche Verständigung
über eine Reihe von Punkten keineswegs. Was für die Verbündeten Regierungen
unannehmbar ist, steht mit hinreichender Bestimmtheit fest. Auf das Wesentliche
kommt es dabei an, uicht auf Nebensachen. Wer die Verständigung will, sollte daran
nicht unnötig rühren. Wenn die konservative Fraktion, wie die Zeitungen melden,
nenerdings einstimmig beschlossen hat, noch für die zweite Lesung des Zolltarifs
einen Antrag einzubringen, durch den die Jndustriezölle der Abschnitte 17 und 18
(Erzeugnisse der Metallindustrie und der Maschineuiudnstries um durchschnittlich
25 Prozent gegenüber den Kommissionsbeschlüssen herabgesetzt werden sollen, und auch
für die Erzeugnisse der chemischen Industrie eine wesentliche Herabsetzung oder die
Aufhebung der Zollsätze in Aussicht zu nehmen, so wird dadurch unsers Wissens das
bisher für unannehmbar erklärte Gebiet kumm berührt. Das Recht, diese Abänderungen
zu verlangen, wird den Antragstellern auch vom politischen Standpunkt aus nicht
bestritten werden können. Aber der Zeitpunkt und die Fvrni des Beschlusses geben
zu denken. Wäre damit eine Pression auf die Negierung in der Weise beabsichtigt,
daß sie durch neue unannehmbare Forderungen genötigt werden sollte, die frühern
Unannehmbarkeitserklärungen teilweise zurückzunehmen, so würde das die Verstän¬
digung wahrscheinlich uicht fördern, sondern stören. Parteitaktisch könnte es vielleicht


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ihrer moralischen Wirkung eine Sicherung von unberechenbarer Stärke bilden, während
der Fürst nur in Gesetz und Recht seine Macht findet."

Wohin sollte es im Deutschen Reiche kommen, wenn die Konservativen
diesem Grundsatz untre» wurden? Ganz gewiß ist es als ein Fortschritt zum
bessern anzuerkennen, daß den Konservativen von heule nicht mehr wie vor vierzig
Jahren alle Einseitigkeiten und Schroffheiten der Stahlschen Politik als Evangelium
gelten, daß sie in vieler Beziehung liberaler denken. Deshalb haben sie nicht auf¬
gehört konservativ zu sein. Aber gerade die Lehre vom monarchischen Prinzip im
deutscheu Staatsrecht, wie sie Stahls Scharfsinn mit unvergleichlicher Klarheit fest¬
gestellt hat, ist und bleibt der Prüfstein. Wer sie verleugnet, wer sie verletzt, hat
in Deutschland das Recht, sich konservativ zu nennen, verwirkt. Er stellt sich praktisch
auf den Boden des parlamentarischen Prinzips, und leider muß mau das den
konservativen Parteien und dem Zentrum in ihrem bisherigen Verhalten zu der
„Verständigung," je länger die Verhandlungen schweben, desto mehr zum Vorwurf
machen. In der Frage: Wer hat nachzugeben, die Parteien oder die verbündeten
Regierungen? — „muß im Zweifel unes monarchischen Prinzip besonders in einem
großen Reiche die Erhaltung des königlichen Ansehens die entscheidende Rücksicht sein."

Es soll damit natürlich nicht gesagt werden, daß die verbündeten Regierungen
nicht die Pflicht hätten, den genannten Parteien das Nachgeben möglichst zu er¬
leichtern. Auch wenn sich die Parteien nicht ohne eigne Schuld in die schwierige
Lage, in der sie sind, verrannt hätten, bliebe diese Pflicht bestehn. Aber es versteht
sich ganz von selbst, und es klang aus jedem Wort, das von den Regiernngsver-
tretern in den langen Tnrifverhandlnngen gesprochen wurde, unzweideutig heraus,
daß sich die Regierungen dieser Pflicht dauernd bewußt sind, und daß sie sich be¬
mühen, sie zu erfüllen. Sie würden aber ihrer Pflicht, das monarchische Prinzip
zu wahren, ins Gesicht schlagen, wenn sie nicht auch einem ausgesprochnen Mehrheits¬
willen des Reichstags gegenüber das, was die Verbündeten Regierungen als mit
dem Gesamtwohl unvereinbar erkennt haben, als unannehmbar bezeichneten und
in allen Stadien der Verhandlungen auch so behandelten. Ans kleinliche Recht¬
haberei kommt es dabei gar nicht an. Aber darauf kommt alles an, daß die Mehrheits-
parteieu anerkennen, daß die Verbündeten Regierungen Politisch und staatsrechtlich
über der parlamentarische» Mehrheit stehn, auf einer höhern Warte, und daß im
Volk das Gefühl dafür stören, die schwerste Sünde gegen das monarchische Prinzip
und gegen deu wahren konservativen Geist in Deutschland bedeutet.

Ob überhaupt im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen von einer Verstän¬
digung zwischen deu Verbündeten Regierungen und den Mehrheitsparteien geredet werden
kaun, wollen wir nicht erörtern. Ausgeschlossen erscheint uns eine solche Verständigung
über eine Reihe von Punkten keineswegs. Was für die Verbündeten Regierungen
unannehmbar ist, steht mit hinreichender Bestimmtheit fest. Auf das Wesentliche
kommt es dabei an, uicht auf Nebensachen. Wer die Verständigung will, sollte daran
nicht unnötig rühren. Wenn die konservative Fraktion, wie die Zeitungen melden,
nenerdings einstimmig beschlossen hat, noch für die zweite Lesung des Zolltarifs
einen Antrag einzubringen, durch den die Jndustriezölle der Abschnitte 17 und 18
(Erzeugnisse der Metallindustrie und der Maschineuiudnstries um durchschnittlich
25 Prozent gegenüber den Kommissionsbeschlüssen herabgesetzt werden sollen, und auch
für die Erzeugnisse der chemischen Industrie eine wesentliche Herabsetzung oder die
Aufhebung der Zollsätze in Aussicht zu nehmen, so wird dadurch unsers Wissens das
bisher für unannehmbar erklärte Gebiet kumm berührt. Das Recht, diese Abänderungen
zu verlangen, wird den Antragstellern auch vom politischen Standpunkt aus nicht
bestritten werden können. Aber der Zeitpunkt und die Fvrni des Beschlusses geben
zu denken. Wäre damit eine Pression auf die Negierung in der Weise beabsichtigt,
daß sie durch neue unannehmbare Forderungen genötigt werden sollte, die frühern
Unannehmbarkeitserklärungen teilweise zurückzunehmen, so würde das die Verstän¬
digung wahrscheinlich uicht fördern, sondern stören. Parteitaktisch könnte es vielleicht


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[0510] Maßgebliches und Unmaßgebliches ihrer moralischen Wirkung eine Sicherung von unberechenbarer Stärke bilden, während der Fürst nur in Gesetz und Recht seine Macht findet." Wohin sollte es im Deutschen Reiche kommen, wenn die Konservativen diesem Grundsatz untre» wurden? Ganz gewiß ist es als ein Fortschritt zum bessern anzuerkennen, daß den Konservativen von heule nicht mehr wie vor vierzig Jahren alle Einseitigkeiten und Schroffheiten der Stahlschen Politik als Evangelium gelten, daß sie in vieler Beziehung liberaler denken. Deshalb haben sie nicht auf¬ gehört konservativ zu sein. Aber gerade die Lehre vom monarchischen Prinzip im deutscheu Staatsrecht, wie sie Stahls Scharfsinn mit unvergleichlicher Klarheit fest¬ gestellt hat, ist und bleibt der Prüfstein. Wer sie verleugnet, wer sie verletzt, hat in Deutschland das Recht, sich konservativ zu nennen, verwirkt. Er stellt sich praktisch auf den Boden des parlamentarischen Prinzips, und leider muß mau das den konservativen Parteien und dem Zentrum in ihrem bisherigen Verhalten zu der „Verständigung," je länger die Verhandlungen schweben, desto mehr zum Vorwurf machen. In der Frage: Wer hat nachzugeben, die Parteien oder die verbündeten Regierungen? — „muß im Zweifel unes monarchischen Prinzip besonders in einem großen Reiche die Erhaltung des königlichen Ansehens die entscheidende Rücksicht sein." Es soll damit natürlich nicht gesagt werden, daß die verbündeten Regierungen nicht die Pflicht hätten, den genannten Parteien das Nachgeben möglichst zu er¬ leichtern. Auch wenn sich die Parteien nicht ohne eigne Schuld in die schwierige Lage, in der sie sind, verrannt hätten, bliebe diese Pflicht bestehn. Aber es versteht sich ganz von selbst, und es klang aus jedem Wort, das von den Regiernngsver- tretern in den langen Tnrifverhandlnngen gesprochen wurde, unzweideutig heraus, daß sich die Regierungen dieser Pflicht dauernd bewußt sind, und daß sie sich be¬ mühen, sie zu erfüllen. Sie würden aber ihrer Pflicht, das monarchische Prinzip zu wahren, ins Gesicht schlagen, wenn sie nicht auch einem ausgesprochnen Mehrheits¬ willen des Reichstags gegenüber das, was die Verbündeten Regierungen als mit dem Gesamtwohl unvereinbar erkennt haben, als unannehmbar bezeichneten und in allen Stadien der Verhandlungen auch so behandelten. Ans kleinliche Recht¬ haberei kommt es dabei gar nicht an. Aber darauf kommt alles an, daß die Mehrheits- parteieu anerkennen, daß die Verbündeten Regierungen Politisch und staatsrechtlich über der parlamentarische» Mehrheit stehn, auf einer höhern Warte, und daß im Volk das Gefühl dafür stören, die schwerste Sünde gegen das monarchische Prinzip und gegen deu wahren konservativen Geist in Deutschland bedeutet. Ob überhaupt im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen von einer Verstän¬ digung zwischen deu Verbündeten Regierungen und den Mehrheitsparteien geredet werden kaun, wollen wir nicht erörtern. Ausgeschlossen erscheint uns eine solche Verständigung über eine Reihe von Punkten keineswegs. Was für die Verbündeten Regierungen unannehmbar ist, steht mit hinreichender Bestimmtheit fest. Auf das Wesentliche kommt es dabei an, uicht auf Nebensachen. Wer die Verständigung will, sollte daran nicht unnötig rühren. Wenn die konservative Fraktion, wie die Zeitungen melden, nenerdings einstimmig beschlossen hat, noch für die zweite Lesung des Zolltarifs einen Antrag einzubringen, durch den die Jndustriezölle der Abschnitte 17 und 18 (Erzeugnisse der Metallindustrie und der Maschineuiudnstries um durchschnittlich 25 Prozent gegenüber den Kommissionsbeschlüssen herabgesetzt werden sollen, und auch für die Erzeugnisse der chemischen Industrie eine wesentliche Herabsetzung oder die Aufhebung der Zollsätze in Aussicht zu nehmen, so wird dadurch unsers Wissens das bisher für unannehmbar erklärte Gebiet kumm berührt. Das Recht, diese Abänderungen zu verlangen, wird den Antragstellern auch vom politischen Standpunkt aus nicht bestritten werden können. Aber der Zeitpunkt und die Fvrni des Beschlusses geben zu denken. Wäre damit eine Pression auf die Negierung in der Weise beabsichtigt, daß sie durch neue unannehmbare Forderungen genötigt werden sollte, die frühern Unannehmbarkeitserklärungen teilweise zurückzunehmen, so würde das die Verstän¬ digung wahrscheinlich uicht fördern, sondern stören. Parteitaktisch könnte es vielleicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/510>, abgerufen am 01.09.2024.