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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Am Lußc- des l^radschins

Prag für eine Unehe sein eigner Herr sein werde, hatte den Eleven fanatisiert,
und da er, wenn die Junker fliegen sollten, mir die Zügel ein wenig locker zu
lassen brauchte, so war man geflogen. Der Prälat auf dem Berge und die Äbtissin
unten am Berge hatten die für sie bestimmten Briefe noch vor Schlafengehn er¬
halten, der Eleve hatte eine des göttlichen Dulders würdige Irrfahrt durch die
"feschesten" Lokale Prags unternommen, und Joseph war dem Kastellan und dessen
Gattin zur Beute gefallen. Als er sich in später Nachtstunde zur Ruhe legte, kam
er sich vor wie eine ausgepreßte Zitrone, die man statt des ihr durch Ausfragen
eutzognen eignen Saftes reichlich mit zimmet- und gewürznelkenreichem Punsch und
mit im Handnmdrehn gebacknen Pfannkuchen gefüllt hätte.

Am rudern Morgen war ein Gnrtnerburschc von unten am Berge oben auf
dem Berge erschienen und hatte dem Prälaten einen Brief der Äbtissin gebracht,
worin ihn diese zu einer Besprechung und zu gemeinsamer Verspeisung eines Wunder¬
fisches einlud, der in den Fischbehältern von Kremsmünster gezüchtet und gemästet,
eine unübertreffliche Abstinenzschüssel zu liefern versprach.

In der That leistete der Prämvnstratenserzögling anch, was man sich von ihm
versprochen hatte, und man würde ihm eine mehr genußreiche als verdienstliche
Abstinenz verdankt haben, wenn diese nicht durch die sonstige Reichhaltigkeit des
Mahls beeinträchtigt und in den Hintergrund gedrängt worden wäre. Als mau
schließlich auch zu der Besprechung kam, die von der Äbtissin in erster Reihe als
Zweck der Zusammenkunft bezeichnet worden war, machte wie von selbst das höfische
Zeremoniell, womit man sich bisher behandelt hatte, einem völlig andern, weniger
anmutigen, aber von Komödie und Verstellung nunmehr freien Wesen Platz. Es
war, als wären zwei Masken gefallen. Hätte man bisher nicht sagen können, wer
von den beiden es dem andern an Hochachtung, Verehrung und Ehrfurcht für ihn
zuvorthat, so saßen sich nun zwei entsetzlich nüchterne, mit einer schwierigen, sie ganz
in Anspruch nehmenden Angelegenheit beschäftigte Geschäftsleute oder Politiker gegen¬
über. Wenn man vorher scharf hingesehen hätte, und es einem nicht entgangen wäre,
daß der süße Honig, mit dem sich die beiden fütterten, nnr ein künstliches Er¬
eignis angenommncr katzenfreundlicher Umgangsformen war, würden sie einem
jetzt, wo sie aufrichtig und mit vollen: Ernst bei der Sache waren, weniger un-
heimlich und mißtraueuerwcckcnd erschienen sein als mit der vorgenommnen süßlich
lächelnden Maske.

Die Rückkehr des Grafen Viktor, darin stimmte man überein, war doch eine
lehr unbequeme, eine sehr ernste Sache. Die Gefahr war um so größer, je leichter
"an bei dem vorgerückten Alter des Fürsten durch dessen plötzlichen Tod überrascht
werden konnte. Und dann, meinte der Prälat, komme jede Hilfe zu spät.

Beste Äbtissin, sagte er, mit dem Lavieren und Zuwarten wird in der Regel
'"ehr geschadet als genützt. In unserm Falle handelt es sich darum, sofort in ent¬
scheidender Weise einzugreifen. Nur keine halben Maßregeln! Über das beste Mittel,
den Grafen so oder so zu beseitige" oder doch unschädlich zu machen, bin ich mir
un Augenblicke noch nicht recht klar. Handlungen, die uns mit den kaiserlichen Be¬
hörden in Konflikt bringen könnten, möchte ich allerdings möglichst vermeiden, und
von einer zwangsweisen Unterbringung des Abtrünnigen in einer unsrer geistlichen
Anstalten, einer Maßregel, mit der unter andern Umständen alles Nötige erreicht
werden würde, kann dem Grafen gegenüber nicht die Rede sein. Weder der Fürst
noch der Kardinal würde die Hand zu so etwas bieten. Im Gegenteil, der Fürst
würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um den Aufenthalt seines Neffen
Erfahrung zu bringen und ihn zu befreien. Auch der Kardinal würde ihm dabei
behilflich sein. Die frühern rein kameradschaftlichen Beziehungen, die er zum Grafen
hatte, liegen ihm noch immer am Herzen, und auch daß der Graf sein Verwandter
'se, macht mir die Sache nach dieser Seite hin besonders schwierig.

Die Äbtissin war nicht für extreme Maßregeln. Sie war schon oft in ihrem
laugen, mit Intriguen aller Art erfüllten Leben durch Lauern und bis auf den


Grenzboten I V 03
Am Lußc- des l^radschins

Prag für eine Unehe sein eigner Herr sein werde, hatte den Eleven fanatisiert,
und da er, wenn die Junker fliegen sollten, mir die Zügel ein wenig locker zu
lassen brauchte, so war man geflogen. Der Prälat auf dem Berge und die Äbtissin
unten am Berge hatten die für sie bestimmten Briefe noch vor Schlafengehn er¬
halten, der Eleve hatte eine des göttlichen Dulders würdige Irrfahrt durch die
»feschesten" Lokale Prags unternommen, und Joseph war dem Kastellan und dessen
Gattin zur Beute gefallen. Als er sich in später Nachtstunde zur Ruhe legte, kam
er sich vor wie eine ausgepreßte Zitrone, die man statt des ihr durch Ausfragen
eutzognen eignen Saftes reichlich mit zimmet- und gewürznelkenreichem Punsch und
mit im Handnmdrehn gebacknen Pfannkuchen gefüllt hätte.

Am rudern Morgen war ein Gnrtnerburschc von unten am Berge oben auf
dem Berge erschienen und hatte dem Prälaten einen Brief der Äbtissin gebracht,
worin ihn diese zu einer Besprechung und zu gemeinsamer Verspeisung eines Wunder¬
fisches einlud, der in den Fischbehältern von Kremsmünster gezüchtet und gemästet,
eine unübertreffliche Abstinenzschüssel zu liefern versprach.

In der That leistete der Prämvnstratenserzögling anch, was man sich von ihm
versprochen hatte, und man würde ihm eine mehr genußreiche als verdienstliche
Abstinenz verdankt haben, wenn diese nicht durch die sonstige Reichhaltigkeit des
Mahls beeinträchtigt und in den Hintergrund gedrängt worden wäre. Als mau
schließlich auch zu der Besprechung kam, die von der Äbtissin in erster Reihe als
Zweck der Zusammenkunft bezeichnet worden war, machte wie von selbst das höfische
Zeremoniell, womit man sich bisher behandelt hatte, einem völlig andern, weniger
anmutigen, aber von Komödie und Verstellung nunmehr freien Wesen Platz. Es
war, als wären zwei Masken gefallen. Hätte man bisher nicht sagen können, wer
von den beiden es dem andern an Hochachtung, Verehrung und Ehrfurcht für ihn
zuvorthat, so saßen sich nun zwei entsetzlich nüchterne, mit einer schwierigen, sie ganz
in Anspruch nehmenden Angelegenheit beschäftigte Geschäftsleute oder Politiker gegen¬
über. Wenn man vorher scharf hingesehen hätte, und es einem nicht entgangen wäre,
daß der süße Honig, mit dem sich die beiden fütterten, nnr ein künstliches Er¬
eignis angenommncr katzenfreundlicher Umgangsformen war, würden sie einem
jetzt, wo sie aufrichtig und mit vollen: Ernst bei der Sache waren, weniger un-
heimlich und mißtraueuerwcckcnd erschienen sein als mit der vorgenommnen süßlich
lächelnden Maske.

Die Rückkehr des Grafen Viktor, darin stimmte man überein, war doch eine
lehr unbequeme, eine sehr ernste Sache. Die Gefahr war um so größer, je leichter
»an bei dem vorgerückten Alter des Fürsten durch dessen plötzlichen Tod überrascht
werden konnte. Und dann, meinte der Prälat, komme jede Hilfe zu spät.

Beste Äbtissin, sagte er, mit dem Lavieren und Zuwarten wird in der Regel
'"ehr geschadet als genützt. In unserm Falle handelt es sich darum, sofort in ent¬
scheidender Weise einzugreifen. Nur keine halben Maßregeln! Über das beste Mittel,
den Grafen so oder so zu beseitige» oder doch unschädlich zu machen, bin ich mir
un Augenblicke noch nicht recht klar. Handlungen, die uns mit den kaiserlichen Be¬
hörden in Konflikt bringen könnten, möchte ich allerdings möglichst vermeiden, und
von einer zwangsweisen Unterbringung des Abtrünnigen in einer unsrer geistlichen
Anstalten, einer Maßregel, mit der unter andern Umständen alles Nötige erreicht
werden würde, kann dem Grafen gegenüber nicht die Rede sein. Weder der Fürst
noch der Kardinal würde die Hand zu so etwas bieten. Im Gegenteil, der Fürst
würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um den Aufenthalt seines Neffen
Erfahrung zu bringen und ihn zu befreien. Auch der Kardinal würde ihm dabei
behilflich sein. Die frühern rein kameradschaftlichen Beziehungen, die er zum Grafen
hatte, liegen ihm noch immer am Herzen, und auch daß der Graf sein Verwandter
'se, macht mir die Sache nach dieser Seite hin besonders schwierig.

Die Äbtissin war nicht für extreme Maßregeln. Sie war schon oft in ihrem
laugen, mit Intriguen aller Art erfüllten Leben durch Lauern und bis auf den


Grenzboten I V 03
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[0507] Am Lußc- des l^radschins Prag für eine Unehe sein eigner Herr sein werde, hatte den Eleven fanatisiert, und da er, wenn die Junker fliegen sollten, mir die Zügel ein wenig locker zu lassen brauchte, so war man geflogen. Der Prälat auf dem Berge und die Äbtissin unten am Berge hatten die für sie bestimmten Briefe noch vor Schlafengehn er¬ halten, der Eleve hatte eine des göttlichen Dulders würdige Irrfahrt durch die »feschesten" Lokale Prags unternommen, und Joseph war dem Kastellan und dessen Gattin zur Beute gefallen. Als er sich in später Nachtstunde zur Ruhe legte, kam er sich vor wie eine ausgepreßte Zitrone, die man statt des ihr durch Ausfragen eutzognen eignen Saftes reichlich mit zimmet- und gewürznelkenreichem Punsch und mit im Handnmdrehn gebacknen Pfannkuchen gefüllt hätte. Am rudern Morgen war ein Gnrtnerburschc von unten am Berge oben auf dem Berge erschienen und hatte dem Prälaten einen Brief der Äbtissin gebracht, worin ihn diese zu einer Besprechung und zu gemeinsamer Verspeisung eines Wunder¬ fisches einlud, der in den Fischbehältern von Kremsmünster gezüchtet und gemästet, eine unübertreffliche Abstinenzschüssel zu liefern versprach. In der That leistete der Prämvnstratenserzögling anch, was man sich von ihm versprochen hatte, und man würde ihm eine mehr genußreiche als verdienstliche Abstinenz verdankt haben, wenn diese nicht durch die sonstige Reichhaltigkeit des Mahls beeinträchtigt und in den Hintergrund gedrängt worden wäre. Als mau schließlich auch zu der Besprechung kam, die von der Äbtissin in erster Reihe als Zweck der Zusammenkunft bezeichnet worden war, machte wie von selbst das höfische Zeremoniell, womit man sich bisher behandelt hatte, einem völlig andern, weniger anmutigen, aber von Komödie und Verstellung nunmehr freien Wesen Platz. Es war, als wären zwei Masken gefallen. Hätte man bisher nicht sagen können, wer von den beiden es dem andern an Hochachtung, Verehrung und Ehrfurcht für ihn zuvorthat, so saßen sich nun zwei entsetzlich nüchterne, mit einer schwierigen, sie ganz in Anspruch nehmenden Angelegenheit beschäftigte Geschäftsleute oder Politiker gegen¬ über. Wenn man vorher scharf hingesehen hätte, und es einem nicht entgangen wäre, daß der süße Honig, mit dem sich die beiden fütterten, nnr ein künstliches Er¬ eignis angenommncr katzenfreundlicher Umgangsformen war, würden sie einem jetzt, wo sie aufrichtig und mit vollen: Ernst bei der Sache waren, weniger un- heimlich und mißtraueuerwcckcnd erschienen sein als mit der vorgenommnen süßlich lächelnden Maske. Die Rückkehr des Grafen Viktor, darin stimmte man überein, war doch eine lehr unbequeme, eine sehr ernste Sache. Die Gefahr war um so größer, je leichter »an bei dem vorgerückten Alter des Fürsten durch dessen plötzlichen Tod überrascht werden konnte. Und dann, meinte der Prälat, komme jede Hilfe zu spät. Beste Äbtissin, sagte er, mit dem Lavieren und Zuwarten wird in der Regel '"ehr geschadet als genützt. In unserm Falle handelt es sich darum, sofort in ent¬ scheidender Weise einzugreifen. Nur keine halben Maßregeln! Über das beste Mittel, den Grafen so oder so zu beseitige» oder doch unschädlich zu machen, bin ich mir un Augenblicke noch nicht recht klar. Handlungen, die uns mit den kaiserlichen Be¬ hörden in Konflikt bringen könnten, möchte ich allerdings möglichst vermeiden, und von einer zwangsweisen Unterbringung des Abtrünnigen in einer unsrer geistlichen Anstalten, einer Maßregel, mit der unter andern Umständen alles Nötige erreicht werden würde, kann dem Grafen gegenüber nicht die Rede sein. Weder der Fürst noch der Kardinal würde die Hand zu so etwas bieten. Im Gegenteil, der Fürst würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um den Aufenthalt seines Neffen Erfahrung zu bringen und ihn zu befreien. Auch der Kardinal würde ihm dabei behilflich sein. Die frühern rein kameradschaftlichen Beziehungen, die er zum Grafen hatte, liegen ihm noch immer am Herzen, und auch daß der Graf sein Verwandter 'se, macht mir die Sache nach dieser Seite hin besonders schwierig. Die Äbtissin war nicht für extreme Maßregeln. Sie war schon oft in ihrem laugen, mit Intriguen aller Art erfüllten Leben durch Lauern und bis auf den Grenzboten I V 03

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/507>, abgerufen am 01.09.2024.