Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.Z>ur Bankreform Thatsachen nicht vergessen, die ebenso gut wie irgend welche staatliche Kontrolle Erstens stehn den Banken riesige Hilfskräfte zu Gebote, die es ihnen In dieser Beziehung ist deshalb zweitens das Selbstversicherungs- Z>ur Bankreform Thatsachen nicht vergessen, die ebenso gut wie irgend welche staatliche Kontrolle Erstens stehn den Banken riesige Hilfskräfte zu Gebote, die es ihnen In dieser Beziehung ist deshalb zweitens das Selbstversicherungs- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239270"/> <fw type="header" place="top"> Z>ur Bankreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_2344" prev="#ID_2343"> Thatsachen nicht vergessen, die ebenso gut wie irgend welche staatliche Kontrolle<lb/> die Erfüllung der gesamten Bankverbindlichkeiten sichern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2345"> Erstens stehn den Banken riesige Hilfskräfte zu Gebote, die es ihnen<lb/> ermöglichen, auch große Verluste zu verschmerzen, ohne in dem gewöhnlichen<lb/> Gange des Geschäfts Änderungen eintreten zu lassen. So konnte, um nur ein<lb/> Beispiel zu erwähnen, die Diskontogesellschaft in Verbindung mit der Nord¬<lb/> deutschen Bank in Hamburg im Laufe weniger Jahre nahezu 27 Millionen Mark,<lb/> die sie an Popp in Paris und an der Venezuela-Eisenbahn verloren hatte, von<lb/> den erzielten Jahresgcwiunen abschreiben. Auch die Leipziger Bank Hütte wahr¬<lb/> scheinlich, wenn sie sich nicht mit dem gar zu hohen Betrage von 85 Mil-<lb/> lionen Mark bei der Trebcrgesellschaft engagiert hätte, ihre Verluste allmählich<lb/> verwinden können. Fast jede unsrer Großbanken hat im Laufe ihres Bestehns<lb/> verlustbringende Engagements gehabt. Wer auf große Gewinne ausgeht, muß<lb/> auch auf große Verluste gefaßt sein, insbesondre auf dem Gebiete noch uncr-<lb/> probter industrieller Neuerungen und Versuche, und im Auslande. Aber man<lb/> darf nicht schließen, daß diese Engagements immer völlig verloren seien, sondern<lb/> sie sind oft nur zur Zeit nicht realisierbar. Soweit sie aber unwiederbringlich<lb/> verloren sind, ist diese Einbuße, wenn auch absolut bedeutend, doch in Anbe¬<lb/> tracht des ganzen Geschäftsumfangs meist nur gering und wird durch die Ge¬<lb/> winne aus andern Engagements weit überwogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2346" next="#ID_2347"> In dieser Beziehung ist deshalb zweitens das Selbstversicherungs-<lb/> Prinzip der Großbanken von unschätzbarer Bedeutung. Dadurch, daß eine<lb/> Bank ihre verfügbaren Mittel den verschiedensten Zweigen der Industrie nicht<lb/> nur im eignen Lande, sondern auch in den verschiedenstell Teilen der fünf Kön<lb/> einende zu gute kommen läßt, verteilt sie ihre Risiken auf die zweckmäßigste<lb/> Weise. Denn eine Krise in dein einen Industriezweige läßt die andern meist<lb/> unberührt; eine Krise in dem einen Lande, dein einen Kontinent zieht nicht so<lb/> leicht die andern in Mitleidenschaft. In der modernen Bankpraxis hat dieses<lb/> Prinzip immer mehr Anhänger gefunden, und die Wirkungen, die seine Be¬<lb/> folgung ausüben, drücken dem gesamten Bankwesen die Signatur auf. Die<lb/> Frucht, die der Erkenntnis dieses Leitsatzes entsprungen ist, ist die straffe, zen¬<lb/> tralisierte, großkapitalistische Bankorganisation, die ihre Existenz wiederum zwei<lb/> verschiednen Entwicklnngsprozessen verdankt. Die Großbanken entwickelten sich<lb/> entweder aus kleinern oder mittlern Anfängen von innen heraus, indem sie<lb/> ihren Betrieb erweiterten und Filialen gründeten, die selbständig geleitet d:e<lb/> Vorteile des Kleinbetriebs mit denen des Großbetriebs verbanden, weil sie<lb/> einen festen Rückhalt um der kräftigen Zentrale hatten; oder sie entstanden<lb/> durch Augliederung der Proviuzialbanken um die hauptstädtischen auf dem Wege<lb/> der Filiation. So bildet jede Großbank mit dem Netz ihrer Filialen ein ein¬<lb/> heitliches Ganze, innerlich hinreichend gefestigt, den Stürmen der wechselnden<lb/> Zeiten zu trotzen. Aber für den Fall, daß sie größere Engagements eingeht,<lb/> darf ihr diese Selbstversicherung nicht mehr genügen. Dann deckt sie sich selbst<lb/> wiederum durch Rückversicherung in Form eines Zusammenschlusses mit andern<lb/> Bankinstituten zu einem Konsortium. Am ausgedehntesten hat diese Risiko-<lb/> verteilungs- und Selbstversicherungspolitik die Deutsche Bank betrieben. Sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
Z>ur Bankreform
Thatsachen nicht vergessen, die ebenso gut wie irgend welche staatliche Kontrolle
die Erfüllung der gesamten Bankverbindlichkeiten sichern.
Erstens stehn den Banken riesige Hilfskräfte zu Gebote, die es ihnen
ermöglichen, auch große Verluste zu verschmerzen, ohne in dem gewöhnlichen
Gange des Geschäfts Änderungen eintreten zu lassen. So konnte, um nur ein
Beispiel zu erwähnen, die Diskontogesellschaft in Verbindung mit der Nord¬
deutschen Bank in Hamburg im Laufe weniger Jahre nahezu 27 Millionen Mark,
die sie an Popp in Paris und an der Venezuela-Eisenbahn verloren hatte, von
den erzielten Jahresgcwiunen abschreiben. Auch die Leipziger Bank Hütte wahr¬
scheinlich, wenn sie sich nicht mit dem gar zu hohen Betrage von 85 Mil-
lionen Mark bei der Trebcrgesellschaft engagiert hätte, ihre Verluste allmählich
verwinden können. Fast jede unsrer Großbanken hat im Laufe ihres Bestehns
verlustbringende Engagements gehabt. Wer auf große Gewinne ausgeht, muß
auch auf große Verluste gefaßt sein, insbesondre auf dem Gebiete noch uncr-
probter industrieller Neuerungen und Versuche, und im Auslande. Aber man
darf nicht schließen, daß diese Engagements immer völlig verloren seien, sondern
sie sind oft nur zur Zeit nicht realisierbar. Soweit sie aber unwiederbringlich
verloren sind, ist diese Einbuße, wenn auch absolut bedeutend, doch in Anbe¬
tracht des ganzen Geschäftsumfangs meist nur gering und wird durch die Ge¬
winne aus andern Engagements weit überwogen.
In dieser Beziehung ist deshalb zweitens das Selbstversicherungs-
Prinzip der Großbanken von unschätzbarer Bedeutung. Dadurch, daß eine
Bank ihre verfügbaren Mittel den verschiedensten Zweigen der Industrie nicht
nur im eignen Lande, sondern auch in den verschiedenstell Teilen der fünf Kön
einende zu gute kommen läßt, verteilt sie ihre Risiken auf die zweckmäßigste
Weise. Denn eine Krise in dein einen Industriezweige läßt die andern meist
unberührt; eine Krise in dem einen Lande, dein einen Kontinent zieht nicht so
leicht die andern in Mitleidenschaft. In der modernen Bankpraxis hat dieses
Prinzip immer mehr Anhänger gefunden, und die Wirkungen, die seine Be¬
folgung ausüben, drücken dem gesamten Bankwesen die Signatur auf. Die
Frucht, die der Erkenntnis dieses Leitsatzes entsprungen ist, ist die straffe, zen¬
tralisierte, großkapitalistische Bankorganisation, die ihre Existenz wiederum zwei
verschiednen Entwicklnngsprozessen verdankt. Die Großbanken entwickelten sich
entweder aus kleinern oder mittlern Anfängen von innen heraus, indem sie
ihren Betrieb erweiterten und Filialen gründeten, die selbständig geleitet d:e
Vorteile des Kleinbetriebs mit denen des Großbetriebs verbanden, weil sie
einen festen Rückhalt um der kräftigen Zentrale hatten; oder sie entstanden
durch Augliederung der Proviuzialbanken um die hauptstädtischen auf dem Wege
der Filiation. So bildet jede Großbank mit dem Netz ihrer Filialen ein ein¬
heitliches Ganze, innerlich hinreichend gefestigt, den Stürmen der wechselnden
Zeiten zu trotzen. Aber für den Fall, daß sie größere Engagements eingeht,
darf ihr diese Selbstversicherung nicht mehr genügen. Dann deckt sie sich selbst
wiederum durch Rückversicherung in Form eines Zusammenschlusses mit andern
Bankinstituten zu einem Konsortium. Am ausgedehntesten hat diese Risiko-
verteilungs- und Selbstversicherungspolitik die Deutsche Bank betrieben. Sie
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