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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

Sprachlebens besonders im neuhochdeutschen zu schildern. Weise, der schon ver¬
schiedentlich Proben einer glücklichen Gabe, wissenschaftliche Themata gemeinver¬
ständlich zu behandeln, gegeben hat, bietet in vierzehn Kapiteln -- voran geht eine
kurze Geschichte der deutschen Sprache -- eine Fülle der mannigfaltigsten und
charakteristischsten Thatsachen des Sprachlebens, die er in abgerundeten Einzelbildern
so zu zeigen versteht, daß vor vilen mich der Zusammenhang der Sprache mit dem
deutschen' Volkstum deutlich wird, weshalb er der Bedeutung der Wörter besondre
Aufmerksamkeit zugewandt hat. Fragen, wie die nach der Wechselwirkung zwischen
Sprache und Art des Volkes, der Gegensatz zwischen der Sprache Norddeutschlands
und Süddeutschlands, der Unterschied zwischen Mundart nud Schriftsprache, der
Wortschatz als Spiegel deutscher Sitte, ferner die Entwicklung des Stils als Aus¬
drucks des Zeitgeistes und sein Zusammenhang mit dem Wandel der Kultur, der
Reichtum des heimischen Wortschatzes und die Geschichte der Fremdwörter, lauter
Betrachtungen, für deren lebensvolle Behandlung Rudolf Hildebrand, zuerst in
seinem geistvollen Buche über den deutscheu Sprachunterricht, den Ton angegeben
hat, werden so anziehend erörtert, daß sie in die Tiefen des Sprachlebens einführen
und den Reichtum und die Pracht der Muttersprache offenbaren, zugleich aber
mittelbar dazu beitragen, den Sinn für Klarheit, Reinheit und Nichtigkeit der
Sprache beim Gebrauch in Schrift und Rede auszubilden. Nachdem es Welses
Buch binnen wenig Jahren schon zur vierten Auflage gebracht hat, und wo es
jetzt in einer Anzahl von mehr als 12000 Exemplaren verbreitet ist, erscheint alle
weitere Empfehlung hier überflüssig, und man kann sich nur freuen, daß das Inter¬
esse unter den Gebildeten für die Muttersprache so allgemein ist, daß ein Mit¬
bewerber auf demselben Gebiete hoffen darf, neben einem vom Erfolge so un¬
gewöhnlich begünstigten Schriftsteller mich für seine Arbeit die wohlverdiente An¬
erkennung zu finden. Vehaghel. der zu den Sprachforschern gehört, die die
Ergebnisse streng wissenschaftlicher Arbeit auch in ansprechender Form für den größern
Kreis der Gebildeten darzustellen wissen, macht es seinen Lesern, bei denen er ein
über die bloße Befriedigung einer edlern Neugier hinausgehendes tieferes wissen¬
schaftliches Interesse voraussetzt, nicht ganz so leicht und bequem, wie schou die
systematische Anordnung des Stoffes, der die Absicht einer gewissen Vollständigkeit
^kennen läßt, zugleich strengen, wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird und
darum besonders Lehrern höherer Schulen angelegentlich empfohlen sein mag. Ve¬
haghel behandelt den Stoff in einem allgemeinen und einem besondern Teil. In
dein allgemeinen Teile, der in drei Abschnitte zerfällt, geht er zunächst ans die
Verschiedenheiten innerhalb des Deutschen ein, die einmal veranlaßt sind durch die
Begrenzungen mich Zeit und Raum (vorgermanisch, germanisch, deutsch usw.), sodann
durch die Unterschiede der qeschriebnen und gesprochen Rede (Laut- und Schrift¬
bild, Schriftsprache als Einheitssprache im Gegensatz zu den Verschiedenheiten des
Dreh usw.), endlich der Stnndessprnchen und technischen Sprachen; zum Schluß
bespricht er die Schwankungen innerhalb der nämlichen Spracheinheit. Im zweiten
Abschnitt des allgemeinen'Teils sucht er die Entstehung der Sprachverschiedeu-
heitcn zu erklären, indem er den allgemeinen Triebkräften des Sprachlebens nach¬
geht und die einzelnen Veränderungen in der äußern Sprachform und der Be¬
deutung verfolgt, außerdem die Verbreitung der Sprachverttnderuugen über die
^erschiednen Teile des Sprachschatzes bei den einzelnen Sprechenden desselben Sprach-
rreises sowie die Verbreitung dnrch Zeit und Raum betrachtet; der dritte Abschnitt
befaßt sich mit der Einwirkung fremder Sprachen ans das Deutsche. Im zweiten
Hauptteil werden Schrift und Rechtschreibung, Wortbetonnng, Wortbicguug und
Wortbildung, Satzfügnng und zum Schluß die Eigennamen erörtert, alles in an¬
ziehender Darstellung, die nirgends an den trocknen Ton der Sprachlehren erinnert.
Einzelnen Darlegungen, z. B. über das Vernersche Gesetz, dürften freilich wohl
uur die an strengeres Denken gewöhnten Leser gewachsen sein, und andre Abschnitte,
wie die über die Wortbildung und die Satzfügnng, bieten zur Zeit ganz neue,dem Verfasser eigentümliche Ergebnisse, die sich an die Adresse der Fachgelehrten


Litteratur

Sprachlebens besonders im neuhochdeutschen zu schildern. Weise, der schon ver¬
schiedentlich Proben einer glücklichen Gabe, wissenschaftliche Themata gemeinver¬
ständlich zu behandeln, gegeben hat, bietet in vierzehn Kapiteln — voran geht eine
kurze Geschichte der deutschen Sprache — eine Fülle der mannigfaltigsten und
charakteristischsten Thatsachen des Sprachlebens, die er in abgerundeten Einzelbildern
so zu zeigen versteht, daß vor vilen mich der Zusammenhang der Sprache mit dem
deutschen' Volkstum deutlich wird, weshalb er der Bedeutung der Wörter besondre
Aufmerksamkeit zugewandt hat. Fragen, wie die nach der Wechselwirkung zwischen
Sprache und Art des Volkes, der Gegensatz zwischen der Sprache Norddeutschlands
und Süddeutschlands, der Unterschied zwischen Mundart nud Schriftsprache, der
Wortschatz als Spiegel deutscher Sitte, ferner die Entwicklung des Stils als Aus¬
drucks des Zeitgeistes und sein Zusammenhang mit dem Wandel der Kultur, der
Reichtum des heimischen Wortschatzes und die Geschichte der Fremdwörter, lauter
Betrachtungen, für deren lebensvolle Behandlung Rudolf Hildebrand, zuerst in
seinem geistvollen Buche über den deutscheu Sprachunterricht, den Ton angegeben
hat, werden so anziehend erörtert, daß sie in die Tiefen des Sprachlebens einführen
und den Reichtum und die Pracht der Muttersprache offenbaren, zugleich aber
mittelbar dazu beitragen, den Sinn für Klarheit, Reinheit und Nichtigkeit der
Sprache beim Gebrauch in Schrift und Rede auszubilden. Nachdem es Welses
Buch binnen wenig Jahren schon zur vierten Auflage gebracht hat, und wo es
jetzt in einer Anzahl von mehr als 12000 Exemplaren verbreitet ist, erscheint alle
weitere Empfehlung hier überflüssig, und man kann sich nur freuen, daß das Inter¬
esse unter den Gebildeten für die Muttersprache so allgemein ist, daß ein Mit¬
bewerber auf demselben Gebiete hoffen darf, neben einem vom Erfolge so un¬
gewöhnlich begünstigten Schriftsteller mich für seine Arbeit die wohlverdiente An¬
erkennung zu finden. Vehaghel. der zu den Sprachforschern gehört, die die
Ergebnisse streng wissenschaftlicher Arbeit auch in ansprechender Form für den größern
Kreis der Gebildeten darzustellen wissen, macht es seinen Lesern, bei denen er ein
über die bloße Befriedigung einer edlern Neugier hinausgehendes tieferes wissen¬
schaftliches Interesse voraussetzt, nicht ganz so leicht und bequem, wie schou die
systematische Anordnung des Stoffes, der die Absicht einer gewissen Vollständigkeit
^kennen läßt, zugleich strengen, wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird und
darum besonders Lehrern höherer Schulen angelegentlich empfohlen sein mag. Ve¬
haghel behandelt den Stoff in einem allgemeinen und einem besondern Teil. In
dein allgemeinen Teile, der in drei Abschnitte zerfällt, geht er zunächst ans die
Verschiedenheiten innerhalb des Deutschen ein, die einmal veranlaßt sind durch die
Begrenzungen mich Zeit und Raum (vorgermanisch, germanisch, deutsch usw.), sodann
durch die Unterschiede der qeschriebnen und gesprochen Rede (Laut- und Schrift¬
bild, Schriftsprache als Einheitssprache im Gegensatz zu den Verschiedenheiten des
Dreh usw.), endlich der Stnndessprnchen und technischen Sprachen; zum Schluß
bespricht er die Schwankungen innerhalb der nämlichen Spracheinheit. Im zweiten
Abschnitt des allgemeinen'Teils sucht er die Entstehung der Sprachverschiedeu-
heitcn zu erklären, indem er den allgemeinen Triebkräften des Sprachlebens nach¬
geht und die einzelnen Veränderungen in der äußern Sprachform und der Be¬
deutung verfolgt, außerdem die Verbreitung der Sprachverttnderuugen über die
^erschiednen Teile des Sprachschatzes bei den einzelnen Sprechenden desselben Sprach-
rreises sowie die Verbreitung dnrch Zeit und Raum betrachtet; der dritte Abschnitt
befaßt sich mit der Einwirkung fremder Sprachen ans das Deutsche. Im zweiten
Hauptteil werden Schrift und Rechtschreibung, Wortbetonnng, Wortbicguug und
Wortbildung, Satzfügnng und zum Schluß die Eigennamen erörtert, alles in an¬
ziehender Darstellung, die nirgends an den trocknen Ton der Sprachlehren erinnert.
Einzelnen Darlegungen, z. B. über das Vernersche Gesetz, dürften freilich wohl
uur die an strengeres Denken gewöhnten Leser gewachsen sein, und andre Abschnitte,
wie die über die Wortbildung und die Satzfügnng, bieten zur Zeit ganz neue,dem Verfasser eigentümliche Ergebnisse, die sich an die Adresse der Fachgelehrten


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[0401] Litteratur Sprachlebens besonders im neuhochdeutschen zu schildern. Weise, der schon ver¬ schiedentlich Proben einer glücklichen Gabe, wissenschaftliche Themata gemeinver¬ ständlich zu behandeln, gegeben hat, bietet in vierzehn Kapiteln — voran geht eine kurze Geschichte der deutschen Sprache — eine Fülle der mannigfaltigsten und charakteristischsten Thatsachen des Sprachlebens, die er in abgerundeten Einzelbildern so zu zeigen versteht, daß vor vilen mich der Zusammenhang der Sprache mit dem deutschen' Volkstum deutlich wird, weshalb er der Bedeutung der Wörter besondre Aufmerksamkeit zugewandt hat. Fragen, wie die nach der Wechselwirkung zwischen Sprache und Art des Volkes, der Gegensatz zwischen der Sprache Norddeutschlands und Süddeutschlands, der Unterschied zwischen Mundart nud Schriftsprache, der Wortschatz als Spiegel deutscher Sitte, ferner die Entwicklung des Stils als Aus¬ drucks des Zeitgeistes und sein Zusammenhang mit dem Wandel der Kultur, der Reichtum des heimischen Wortschatzes und die Geschichte der Fremdwörter, lauter Betrachtungen, für deren lebensvolle Behandlung Rudolf Hildebrand, zuerst in seinem geistvollen Buche über den deutscheu Sprachunterricht, den Ton angegeben hat, werden so anziehend erörtert, daß sie in die Tiefen des Sprachlebens einführen und den Reichtum und die Pracht der Muttersprache offenbaren, zugleich aber mittelbar dazu beitragen, den Sinn für Klarheit, Reinheit und Nichtigkeit der Sprache beim Gebrauch in Schrift und Rede auszubilden. Nachdem es Welses Buch binnen wenig Jahren schon zur vierten Auflage gebracht hat, und wo es jetzt in einer Anzahl von mehr als 12000 Exemplaren verbreitet ist, erscheint alle weitere Empfehlung hier überflüssig, und man kann sich nur freuen, daß das Inter¬ esse unter den Gebildeten für die Muttersprache so allgemein ist, daß ein Mit¬ bewerber auf demselben Gebiete hoffen darf, neben einem vom Erfolge so un¬ gewöhnlich begünstigten Schriftsteller mich für seine Arbeit die wohlverdiente An¬ erkennung zu finden. Vehaghel. der zu den Sprachforschern gehört, die die Ergebnisse streng wissenschaftlicher Arbeit auch in ansprechender Form für den größern Kreis der Gebildeten darzustellen wissen, macht es seinen Lesern, bei denen er ein über die bloße Befriedigung einer edlern Neugier hinausgehendes tieferes wissen¬ schaftliches Interesse voraussetzt, nicht ganz so leicht und bequem, wie schou die systematische Anordnung des Stoffes, der die Absicht einer gewissen Vollständigkeit ^kennen läßt, zugleich strengen, wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird und darum besonders Lehrern höherer Schulen angelegentlich empfohlen sein mag. Ve¬ haghel behandelt den Stoff in einem allgemeinen und einem besondern Teil. In dein allgemeinen Teile, der in drei Abschnitte zerfällt, geht er zunächst ans die Verschiedenheiten innerhalb des Deutschen ein, die einmal veranlaßt sind durch die Begrenzungen mich Zeit und Raum (vorgermanisch, germanisch, deutsch usw.), sodann durch die Unterschiede der qeschriebnen und gesprochen Rede (Laut- und Schrift¬ bild, Schriftsprache als Einheitssprache im Gegensatz zu den Verschiedenheiten des Dreh usw.), endlich der Stnndessprnchen und technischen Sprachen; zum Schluß bespricht er die Schwankungen innerhalb der nämlichen Spracheinheit. Im zweiten Abschnitt des allgemeinen'Teils sucht er die Entstehung der Sprachverschiedeu- heitcn zu erklären, indem er den allgemeinen Triebkräften des Sprachlebens nach¬ geht und die einzelnen Veränderungen in der äußern Sprachform und der Be¬ deutung verfolgt, außerdem die Verbreitung der Sprachverttnderuugen über die ^erschiednen Teile des Sprachschatzes bei den einzelnen Sprechenden desselben Sprach- rreises sowie die Verbreitung dnrch Zeit und Raum betrachtet; der dritte Abschnitt befaßt sich mit der Einwirkung fremder Sprachen ans das Deutsche. Im zweiten Hauptteil werden Schrift und Rechtschreibung, Wortbetonnng, Wortbicguug und Wortbildung, Satzfügnng und zum Schluß die Eigennamen erörtert, alles in an¬ ziehender Darstellung, die nirgends an den trocknen Ton der Sprachlehren erinnert. Einzelnen Darlegungen, z. B. über das Vernersche Gesetz, dürften freilich wohl uur die an strengeres Denken gewöhnten Leser gewachsen sein, und andre Abschnitte, wie die über die Wortbildung und die Satzfügnng, bieten zur Zeit ganz neue,dem Verfasser eigentümliche Ergebnisse, die sich an die Adresse der Fachgelehrten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/401>, abgerufen am 01.09.2024.