Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Riit^ritiU^Ac

von ehedem, bei ist ein Brief deines Vaters, und wenn dn ihn gelesen hast, dann
mache dich reisefertig, wir fahren um fünf zurück.

Jean lachte hellauf, dachte: Ich bin doch kein Jahrkind, das man gegen
seinen Willen einpackt. Schön, daß ich euch um fünf wieder los bin! und ging in
die Laube, um seinen Brief zu lesen.

Da stand nun so ungefähr, was er erwartet hatte, nur viel schroffer und
kräftiger -- Sofort nach Hause kommen -- ungesunde Bummelei -- Zeit und
Gefühle wegwerfen -- Zukunft gefährden -- sich deutsche Sentimentalität an¬
färben -- sich von den deutschen Füchsen fangen lassen. Und weshalb? Um ein
paar lustiger Bubenjahre willen, die den sogenannten Verwandten gut genug bezahlt
wordeu wären. Dieses Erfurt könne ihm doch nichts sein als linear>Ms.ß's.

Der ganze Brief erzürnte Jean, dieses Wort aber fuhr ihm wie eine scharfe
Nadel ins Herz -- er hatte Erfurt selbst so genannt, gewiß, aber von andern
klang es doch recht anders -- häßlich tlangs da, und als sei er selber das Hä߬
liche. Überhaupt Erfurt, Erfurt sollte niemand schelten, nicht einmal sein Vater,
der es ja gar nicht kannte. Erfurt war keine Gefahr, mochte es ihn festhalten oder
ihm nur eine liebe Erinnerung bleiben; Erfurt war ihm Jugend Frohsiunsqnelle,
Gesundheit -- ihm war, als sei er schon in diesen paar Tagen ein reicherer
Mensch geworden.
''

'In incmtoncls. vsux "zus tu rsutrös tout Äo fullo et (zaliZ,diinävnuant. tondo
mu'dis snMg'so tu. eng promottos alö us xlus Miiuus remoktrs Iss xiecis clans col,t,o
vitio as malheur. Lies Z'fus-Iid, sont trop uns xour toi. L'ils vonlsnt to marier,
e'sse uni<zmömgnt, xour msttro le s'i^pin sur 1^ kortumz alö es> Al-Änämörö gri no
etoit, pss tour 6oluz.ppsr.

Auch das noch! Das galt Greten, das schwärzte seinen guten Kameraden an.
Nein nein! Das konnte er nicht dulden, durfte er gar nicht! Seine Erfurter
sollte keiner beargwöhnen. Die harmlose Grek, den ehrenhaften Vater, die gold¬
herzige Mutter! Das war Irrtum, das war Verleumdung!

Eine Stunde lang saß Jean in der kleinen Lattenlaube auf der Holzbank, die
ihm zu niedrig war, die Arme auf den klapprigen Tisch gestützt, den Blick hinaus
aus dem dämmrigen Blätterlicht in das reine Blau des Sonnenhimmels gerichtet,
das immer tiefer wurde, je länger man hineinsah. Die Bienen summten um die
Geißblnttblüten, vom Hang herüber klang das Zirpen zahlloser Grillen.

In dieser Stunde durchlebte Jean Jahre; nicht solche, die gewesen waren, in
freundlicher Erinnerung, nicht solche, die da sein würden, in goldner Hoffnung --
Gegenwart war sein Denken, aber es brachte ihn um Jahre vorwärts; nur wars
kein leichtes, lustiges Dahinstürmen, das in: Flug seine Bahn nimmt, Tasten wars
und Suchen uach Weg und Richtung, und als die gefunden waren: Kampf, heißer
Kampf mit kunstvoll geschmiedeten Plänen und den Licblingshosfnuugeu des Vaters
daheim. -- Hätte er gegen den Vater nicht den Brief zu Hilfe gehabt, den Brief,
der die unschuldigen Freunde kränkte, die Abwehrenden wären noch schwerer zu be¬
siegen gewesen. So kam gegen alle Bedenken immer wieder obenauf: Sie haben
dir Unrecht gethan, Grete! wenn sie dich nur erst sehen, wenn sie dich begreifen
lernen, wird sie Scham über ihren Irrtum befallen. Die Reiche, Schöne, die
nach zehn arbeitsvollen Jahren den berühmten Gärtner belohnen sollte, verschwand
aus Jeans Träumen. Er sah Greten in Paris unter den Cousinen, neben dem
Vater, sah sie draußen in Enghteu zwischen den Rosenhecken -- er konnte sich das alles
gar nicht mehr ohne Greten vorstellen. Mit einemmal? Nein, es war schon immer
so gewesen, nur hatten ihn Trägheit und Scheu vor dem Kampfe, den er eben
jetzt ausfocht, veranlaßt, daran vorbeizuseheu.

Die Jungen kamen in den Garten gerannt, guckten in die Laube und schrieen:
Da sitzt er ganz einschichtig! Lauf lieber mit uns an den Teich! Da ists fein!

Jean stand langsam auf; er kehrte aus der andern Welt in die kleine Laube
zurück. Die Bienen summten, die Grillen zirpten.


Riit^ritiU^Ac

von ehedem, bei ist ein Brief deines Vaters, und wenn dn ihn gelesen hast, dann
mache dich reisefertig, wir fahren um fünf zurück.

Jean lachte hellauf, dachte: Ich bin doch kein Jahrkind, das man gegen
seinen Willen einpackt. Schön, daß ich euch um fünf wieder los bin! und ging in
die Laube, um seinen Brief zu lesen.

Da stand nun so ungefähr, was er erwartet hatte, nur viel schroffer und
kräftiger — Sofort nach Hause kommen — ungesunde Bummelei — Zeit und
Gefühle wegwerfen — Zukunft gefährden — sich deutsche Sentimentalität an¬
färben — sich von den deutschen Füchsen fangen lassen. Und weshalb? Um ein
paar lustiger Bubenjahre willen, die den sogenannten Verwandten gut genug bezahlt
wordeu wären. Dieses Erfurt könne ihm doch nichts sein als linear>Ms.ß's.

Der ganze Brief erzürnte Jean, dieses Wort aber fuhr ihm wie eine scharfe
Nadel ins Herz — er hatte Erfurt selbst so genannt, gewiß, aber von andern
klang es doch recht anders — häßlich tlangs da, und als sei er selber das Hä߬
liche. Überhaupt Erfurt, Erfurt sollte niemand schelten, nicht einmal sein Vater,
der es ja gar nicht kannte. Erfurt war keine Gefahr, mochte es ihn festhalten oder
ihm nur eine liebe Erinnerung bleiben; Erfurt war ihm Jugend Frohsiunsqnelle,
Gesundheit — ihm war, als sei er schon in diesen paar Tagen ein reicherer
Mensch geworden.
''

'In incmtoncls. vsux «zus tu rsutrös tout Äo fullo et (zaliZ,diinävnuant. tondo
mu'dis snMg'so tu. eng promottos alö us xlus Miiuus remoktrs Iss xiecis clans col,t,o
vitio as malheur. Lies Z'fus-Iid, sont trop uns xour toi. L'ils vonlsnt to marier,
e'sse uni<zmömgnt, xour msttro le s'i^pin sur 1^ kortumz alö es> Al-Änämörö gri no
etoit, pss tour 6oluz.ppsr.

Auch das noch! Das galt Greten, das schwärzte seinen guten Kameraden an.
Nein nein! Das konnte er nicht dulden, durfte er gar nicht! Seine Erfurter
sollte keiner beargwöhnen. Die harmlose Grek, den ehrenhaften Vater, die gold¬
herzige Mutter! Das war Irrtum, das war Verleumdung!

Eine Stunde lang saß Jean in der kleinen Lattenlaube auf der Holzbank, die
ihm zu niedrig war, die Arme auf den klapprigen Tisch gestützt, den Blick hinaus
aus dem dämmrigen Blätterlicht in das reine Blau des Sonnenhimmels gerichtet,
das immer tiefer wurde, je länger man hineinsah. Die Bienen summten um die
Geißblnttblüten, vom Hang herüber klang das Zirpen zahlloser Grillen.

In dieser Stunde durchlebte Jean Jahre; nicht solche, die gewesen waren, in
freundlicher Erinnerung, nicht solche, die da sein würden, in goldner Hoffnung —
Gegenwart war sein Denken, aber es brachte ihn um Jahre vorwärts; nur wars
kein leichtes, lustiges Dahinstürmen, das in: Flug seine Bahn nimmt, Tasten wars
und Suchen uach Weg und Richtung, und als die gefunden waren: Kampf, heißer
Kampf mit kunstvoll geschmiedeten Plänen und den Licblingshosfnuugeu des Vaters
daheim. — Hätte er gegen den Vater nicht den Brief zu Hilfe gehabt, den Brief,
der die unschuldigen Freunde kränkte, die Abwehrenden wären noch schwerer zu be¬
siegen gewesen. So kam gegen alle Bedenken immer wieder obenauf: Sie haben
dir Unrecht gethan, Grete! wenn sie dich nur erst sehen, wenn sie dich begreifen
lernen, wird sie Scham über ihren Irrtum befallen. Die Reiche, Schöne, die
nach zehn arbeitsvollen Jahren den berühmten Gärtner belohnen sollte, verschwand
aus Jeans Träumen. Er sah Greten in Paris unter den Cousinen, neben dem
Vater, sah sie draußen in Enghteu zwischen den Rosenhecken — er konnte sich das alles
gar nicht mehr ohne Greten vorstellen. Mit einemmal? Nein, es war schon immer
so gewesen, nur hatten ihn Trägheit und Scheu vor dem Kampfe, den er eben
jetzt ausfocht, veranlaßt, daran vorbeizuseheu.

Die Jungen kamen in den Garten gerannt, guckten in die Laube und schrieen:
Da sitzt er ganz einschichtig! Lauf lieber mit uns an den Teich! Da ists fein!

Jean stand langsam auf; er kehrte aus der andern Welt in die kleine Laube
zurück. Die Bienen summten, die Grillen zirpten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239174"/>
          <fw type="header" place="top"> Riit^ritiU^Ac</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1897" prev="#ID_1896"> von ehedem, bei ist ein Brief deines Vaters, und wenn dn ihn gelesen hast, dann<lb/>
mache dich reisefertig, wir fahren um fünf zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1898"> Jean lachte hellauf, dachte: Ich bin doch kein Jahrkind, das man gegen<lb/>
seinen Willen einpackt. Schön, daß ich euch um fünf wieder los bin! und ging in<lb/>
die Laube, um seinen Brief zu lesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1899"> Da stand nun so ungefähr, was er erwartet hatte, nur viel schroffer und<lb/>
kräftiger &#x2014; Sofort nach Hause kommen &#x2014; ungesunde Bummelei &#x2014; Zeit und<lb/>
Gefühle wegwerfen &#x2014; Zukunft gefährden &#x2014; sich deutsche Sentimentalität an¬<lb/>
färben &#x2014; sich von den deutschen Füchsen fangen lassen. Und weshalb? Um ein<lb/>
paar lustiger Bubenjahre willen, die den sogenannten Verwandten gut genug bezahlt<lb/>
wordeu wären.  Dieses Erfurt könne ihm doch nichts sein als linear&gt;Ms.ß's.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1900"> Der ganze Brief erzürnte Jean, dieses Wort aber fuhr ihm wie eine scharfe<lb/>
Nadel ins Herz &#x2014; er hatte Erfurt selbst so genannt, gewiß, aber von andern<lb/>
klang es doch recht anders &#x2014; häßlich tlangs da, und als sei er selber das Hä߬<lb/>
liche. Überhaupt Erfurt, Erfurt sollte niemand schelten, nicht einmal sein Vater,<lb/>
der es ja gar nicht kannte. Erfurt war keine Gefahr, mochte es ihn festhalten oder<lb/>
ihm nur eine liebe Erinnerung bleiben; Erfurt war ihm Jugend Frohsiunsqnelle,<lb/>
Gesundheit &#x2014; ihm war, als sei er schon in diesen paar Tagen ein reicherer<lb/>
Mensch geworden.<lb/>
''</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1901"> 'In incmtoncls. vsux «zus tu rsutrös tout Äo fullo et (zaliZ,diinävnuant. tondo<lb/>
mu'dis snMg'so tu. eng promottos alö us xlus Miiuus remoktrs Iss xiecis clans col,t,o<lb/>
vitio as malheur. Lies Z'fus-Iid, sont trop uns xour toi. L'ils vonlsnt to marier,<lb/>
e'sse uni&lt;zmömgnt, xour msttro le s'i^pin sur 1^ kortumz alö es&gt; Al-Änämörö gri no<lb/>
etoit, pss tour 6oluz.ppsr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1902"> Auch das noch! Das galt Greten, das schwärzte seinen guten Kameraden an.<lb/>
Nein nein! Das konnte er nicht dulden, durfte er gar nicht! Seine Erfurter<lb/>
sollte keiner beargwöhnen. Die harmlose Grek, den ehrenhaften Vater, die gold¬<lb/>
herzige Mutter! Das war Irrtum, das war Verleumdung!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1903"> Eine Stunde lang saß Jean in der kleinen Lattenlaube auf der Holzbank, die<lb/>
ihm zu niedrig war, die Arme auf den klapprigen Tisch gestützt, den Blick hinaus<lb/>
aus dem dämmrigen Blätterlicht in das reine Blau des Sonnenhimmels gerichtet,<lb/>
das immer tiefer wurde, je länger man hineinsah. Die Bienen summten um die<lb/>
Geißblnttblüten, vom Hang herüber klang das Zirpen zahlloser Grillen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1904"> In dieser Stunde durchlebte Jean Jahre; nicht solche, die gewesen waren, in<lb/>
freundlicher Erinnerung, nicht solche, die da sein würden, in goldner Hoffnung &#x2014;<lb/>
Gegenwart war sein Denken, aber es brachte ihn um Jahre vorwärts; nur wars<lb/>
kein leichtes, lustiges Dahinstürmen, das in: Flug seine Bahn nimmt, Tasten wars<lb/>
und Suchen uach Weg und Richtung, und als die gefunden waren: Kampf, heißer<lb/>
Kampf mit kunstvoll geschmiedeten Plänen und den Licblingshosfnuugeu des Vaters<lb/>
daheim. &#x2014; Hätte er gegen den Vater nicht den Brief zu Hilfe gehabt, den Brief,<lb/>
der die unschuldigen Freunde kränkte, die Abwehrenden wären noch schwerer zu be¬<lb/>
siegen gewesen. So kam gegen alle Bedenken immer wieder obenauf: Sie haben<lb/>
dir Unrecht gethan, Grete! wenn sie dich nur erst sehen, wenn sie dich begreifen<lb/>
lernen, wird sie Scham über ihren Irrtum befallen. Die Reiche, Schöne, die<lb/>
nach zehn arbeitsvollen Jahren den berühmten Gärtner belohnen sollte, verschwand<lb/>
aus Jeans Träumen. Er sah Greten in Paris unter den Cousinen, neben dem<lb/>
Vater, sah sie draußen in Enghteu zwischen den Rosenhecken &#x2014; er konnte sich das alles<lb/>
gar nicht mehr ohne Greten vorstellen. Mit einemmal? Nein, es war schon immer<lb/>
so gewesen, nur hatten ihn Trägheit und Scheu vor dem Kampfe, den er eben<lb/>
jetzt ausfocht, veranlaßt, daran vorbeizuseheu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1905"> Die Jungen kamen in den Garten gerannt, guckten in die Laube und schrieen:<lb/>
Da sitzt er ganz einschichtig! Lauf lieber mit uns an den Teich! Da ists fein!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1906"> Jean stand langsam auf; er kehrte aus der andern Welt in die kleine Laube<lb/>
zurück.  Die Bienen summten, die Grillen zirpten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0386] Riit^ritiU^Ac von ehedem, bei ist ein Brief deines Vaters, und wenn dn ihn gelesen hast, dann mache dich reisefertig, wir fahren um fünf zurück. Jean lachte hellauf, dachte: Ich bin doch kein Jahrkind, das man gegen seinen Willen einpackt. Schön, daß ich euch um fünf wieder los bin! und ging in die Laube, um seinen Brief zu lesen. Da stand nun so ungefähr, was er erwartet hatte, nur viel schroffer und kräftiger — Sofort nach Hause kommen — ungesunde Bummelei — Zeit und Gefühle wegwerfen — Zukunft gefährden — sich deutsche Sentimentalität an¬ färben — sich von den deutschen Füchsen fangen lassen. Und weshalb? Um ein paar lustiger Bubenjahre willen, die den sogenannten Verwandten gut genug bezahlt wordeu wären. Dieses Erfurt könne ihm doch nichts sein als linear>Ms.ß's. Der ganze Brief erzürnte Jean, dieses Wort aber fuhr ihm wie eine scharfe Nadel ins Herz — er hatte Erfurt selbst so genannt, gewiß, aber von andern klang es doch recht anders — häßlich tlangs da, und als sei er selber das Hä߬ liche. Überhaupt Erfurt, Erfurt sollte niemand schelten, nicht einmal sein Vater, der es ja gar nicht kannte. Erfurt war keine Gefahr, mochte es ihn festhalten oder ihm nur eine liebe Erinnerung bleiben; Erfurt war ihm Jugend Frohsiunsqnelle, Gesundheit — ihm war, als sei er schon in diesen paar Tagen ein reicherer Mensch geworden. '' 'In incmtoncls. vsux «zus tu rsutrös tout Äo fullo et (zaliZ,diinävnuant. tondo mu'dis snMg'so tu. eng promottos alö us xlus Miiuus remoktrs Iss xiecis clans col,t,o vitio as malheur. Lies Z'fus-Iid, sont trop uns xour toi. L'ils vonlsnt to marier, e'sse uni<zmömgnt, xour msttro le s'i^pin sur 1^ kortumz alö es> Al-Änämörö gri no etoit, pss tour 6oluz.ppsr. Auch das noch! Das galt Greten, das schwärzte seinen guten Kameraden an. Nein nein! Das konnte er nicht dulden, durfte er gar nicht! Seine Erfurter sollte keiner beargwöhnen. Die harmlose Grek, den ehrenhaften Vater, die gold¬ herzige Mutter! Das war Irrtum, das war Verleumdung! Eine Stunde lang saß Jean in der kleinen Lattenlaube auf der Holzbank, die ihm zu niedrig war, die Arme auf den klapprigen Tisch gestützt, den Blick hinaus aus dem dämmrigen Blätterlicht in das reine Blau des Sonnenhimmels gerichtet, das immer tiefer wurde, je länger man hineinsah. Die Bienen summten um die Geißblnttblüten, vom Hang herüber klang das Zirpen zahlloser Grillen. In dieser Stunde durchlebte Jean Jahre; nicht solche, die gewesen waren, in freundlicher Erinnerung, nicht solche, die da sein würden, in goldner Hoffnung — Gegenwart war sein Denken, aber es brachte ihn um Jahre vorwärts; nur wars kein leichtes, lustiges Dahinstürmen, das in: Flug seine Bahn nimmt, Tasten wars und Suchen uach Weg und Richtung, und als die gefunden waren: Kampf, heißer Kampf mit kunstvoll geschmiedeten Plänen und den Licblingshosfnuugeu des Vaters daheim. — Hätte er gegen den Vater nicht den Brief zu Hilfe gehabt, den Brief, der die unschuldigen Freunde kränkte, die Abwehrenden wären noch schwerer zu be¬ siegen gewesen. So kam gegen alle Bedenken immer wieder obenauf: Sie haben dir Unrecht gethan, Grete! wenn sie dich nur erst sehen, wenn sie dich begreifen lernen, wird sie Scham über ihren Irrtum befallen. Die Reiche, Schöne, die nach zehn arbeitsvollen Jahren den berühmten Gärtner belohnen sollte, verschwand aus Jeans Träumen. Er sah Greten in Paris unter den Cousinen, neben dem Vater, sah sie draußen in Enghteu zwischen den Rosenhecken — er konnte sich das alles gar nicht mehr ohne Greten vorstellen. Mit einemmal? Nein, es war schon immer so gewesen, nur hatten ihn Trägheit und Scheu vor dem Kampfe, den er eben jetzt ausfocht, veranlaßt, daran vorbeizuseheu. Die Jungen kamen in den Garten gerannt, guckten in die Laube und schrieen: Da sitzt er ganz einschichtig! Lauf lieber mit uns an den Teich! Da ists fein! Jean stand langsam auf; er kehrte aus der andern Welt in die kleine Laube zurück. Die Bienen summten, die Grillen zirpten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/386
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/386>, abgerufen am 01.09.2024.