Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
wie steht es?

fichtige haben kann, so würde er wohlthun, die beiderseitigen Leistungen auf den
zugesetzten Spiritus hin zu vergleichen. Der Beruf des ernsthaften und objektiven
Historikers stellt an die Fähigkeiten und die Charaktereigenschaften des Mannes
andre Anforderungen als der des Schreibers politischer Artikel für die Tagespresse:
deshalb kauu der ernsthafte und objektive Historiker eine sehr hohe Meinung von
sich haben, ohne deshalb in der für die Bescheidenheit des wahrhaft feinen Mannes
schmerzlichen Notwendigkeit zu sein, auf einen Mann wie Bismarcks "Büschlein"
als auf einen "ihm" untergeordneten Geist hinabzusehen.

Wogegen hier protestiert werden soll ist die Bezeichnung: "trübe und unlautere
Quelle." Wer nicht mit geistiger Blindheit geschlagen oder sonst hoffnungslos
voreingenommen ist, muß ganz im Gegenteil nach Durchsicht der Buschischen Auf¬
zeichnungen zu der Überzeugung kommen, daß er es bei Busch mit einer durchaus
klaren und lautern Quelle zu thun hat, und wenn die beiden Herren Professoren
diesen Eindruck nicht gehabt haben, so thut einem das ebensowohl ihretwillen als um
der auf ihren Namen schwörenden willen leid. Den Ruf und das Andenken Buschens
kann das uicht gefährden. Über Buschens Glaubwürdigkeit zu disputieren, würde
unter solchen Umständen zu nichts führen: man kann nur auf die Tagebuchblätter ver¬
weisen und jeden unparteiischen Leser fragen, ob er bei deren Durchsicht den Ein¬
druck gehabt hat, aus trüber und unlauterer Quelle zu trinken, und ob der Mann,
der mit naiver und geradezu kindlicher Harmlosigkeit jede Gelegenheit erwähnt, bei
der er sich durch Mangel an "Welt" in den Augen Bismarcks oder seiner Um¬
gebung eine leichte Blöße gegeben hat, ihm den Eindruck eines gewissenlosen und
nicht vielmehr eines erstaunlich zuverlässigen Berichterstatters gemacht hat. Die
Art, wie Busch in seiner Verehrung für den großen Mann sein Verhältnis zu ihm
und seinen Beruf als Berichterstatter auffaßt, braucht nicht jedem wohlthuend und
sympathisch zu sein. Als einen des Brauchs und der Vorurteile der großen Welt
etwas unkundigen und in seinem Auftreten deshalb nicht immer glücklichen Mamelucken
Bismarcks könnte man Busch zur Not schon bezeichnen hören, ohne davon so em¬
pfindlich verletzt zu werden, wie durch das aus dem dazu am wenigsten berufnen
Munde gefallue Wort "Parasit," aber an der Treue und der Zuverlässigkeit der
Buschischen Berichte über das, was ihm der große Kanzler gesagt, und was er in
dessen Umgebung gehört hat, zu zweifeln, ist einem unmöglich. Für die geradezu
goldne Glaubwürdigkeit spricht sowohl die Schärfe der Buschischen Beobachtung wie
die merkwürdig geschulte Treue seines Gedächtnisses und eine Virtuosität in der Wahl
des Ausdruckes, die auch der leisesten Schattierung gerecht wird und somit jedes
mögliche Mißverständnis auszuschließen scheint.

Und wie nun? Professor Kohl ist über die Möglichkeit, daß ihm Professor
Lorenz andeutungsweise in den unverdienten Verdacht versuchter Fälschung und er¬
sonnener Lüge gebracht haben könnte, vollkommen außer sich, und bei der Abwehr
des ihn so tief verletzenden Vorwurfs trägt er doch kein Bedenken, dem Toten
das nachzusagen, was er als Beschimpfung des Lebenden von sich abweist. Busch
giebt auf Seite 268 ff. des dritten Bandes der Tagebuchblätter auf das ausführlichste
an, an welchem Tage, zu welcher Stunde, unter welchen Umständen und zu welchem
Zwecke Bismarck ihm die auf den Kronprinzen und dessen Ansichten über die Kaiser¬
frage bezüglichen Mitteilungen gemacht habe. Ur. 8 der Grenzboten vom Jahre 1339
enthält den auf Grund der Bismarckischen Instruktionen von Busch aufgesetzten, auf
den Wunsch und unter direkter Beteiligung des Kanzlers zweimal abgeänderten
Artikel. So klar, lauter und zwingend das alles dem Unbefangnen erscheint, Pro¬
fessor Kohl, den ernsthaften und objektiven Historiker scheint es nicht zu befriedigen.
Alle, die mit der Vorbereitung und der Aufzeichnung der Bismarckischen Denkwürdig¬
keiten zu thun gehabt haben, unter ihnen in erster Reihe Lothar Bucher, bestätigen
die bei einem Manne von Bismarcks Lebhaftigkeit überaus begreifliche Thatsache, daß
sich der Vergangenheit angehörende Einzelheiten nach Ort und Zeit, mitunter auch
in sonstiger Beziehung in seiner Erinnerung heute so, morgen etwas anders zeigten


wie steht es?

fichtige haben kann, so würde er wohlthun, die beiderseitigen Leistungen auf den
zugesetzten Spiritus hin zu vergleichen. Der Beruf des ernsthaften und objektiven
Historikers stellt an die Fähigkeiten und die Charaktereigenschaften des Mannes
andre Anforderungen als der des Schreibers politischer Artikel für die Tagespresse:
deshalb kauu der ernsthafte und objektive Historiker eine sehr hohe Meinung von
sich haben, ohne deshalb in der für die Bescheidenheit des wahrhaft feinen Mannes
schmerzlichen Notwendigkeit zu sein, auf einen Mann wie Bismarcks „Büschlein"
als auf einen „ihm" untergeordneten Geist hinabzusehen.

Wogegen hier protestiert werden soll ist die Bezeichnung: „trübe und unlautere
Quelle." Wer nicht mit geistiger Blindheit geschlagen oder sonst hoffnungslos
voreingenommen ist, muß ganz im Gegenteil nach Durchsicht der Buschischen Auf¬
zeichnungen zu der Überzeugung kommen, daß er es bei Busch mit einer durchaus
klaren und lautern Quelle zu thun hat, und wenn die beiden Herren Professoren
diesen Eindruck nicht gehabt haben, so thut einem das ebensowohl ihretwillen als um
der auf ihren Namen schwörenden willen leid. Den Ruf und das Andenken Buschens
kann das uicht gefährden. Über Buschens Glaubwürdigkeit zu disputieren, würde
unter solchen Umständen zu nichts führen: man kann nur auf die Tagebuchblätter ver¬
weisen und jeden unparteiischen Leser fragen, ob er bei deren Durchsicht den Ein¬
druck gehabt hat, aus trüber und unlauterer Quelle zu trinken, und ob der Mann,
der mit naiver und geradezu kindlicher Harmlosigkeit jede Gelegenheit erwähnt, bei
der er sich durch Mangel an „Welt" in den Augen Bismarcks oder seiner Um¬
gebung eine leichte Blöße gegeben hat, ihm den Eindruck eines gewissenlosen und
nicht vielmehr eines erstaunlich zuverlässigen Berichterstatters gemacht hat. Die
Art, wie Busch in seiner Verehrung für den großen Mann sein Verhältnis zu ihm
und seinen Beruf als Berichterstatter auffaßt, braucht nicht jedem wohlthuend und
sympathisch zu sein. Als einen des Brauchs und der Vorurteile der großen Welt
etwas unkundigen und in seinem Auftreten deshalb nicht immer glücklichen Mamelucken
Bismarcks könnte man Busch zur Not schon bezeichnen hören, ohne davon so em¬
pfindlich verletzt zu werden, wie durch das aus dem dazu am wenigsten berufnen
Munde gefallue Wort „Parasit," aber an der Treue und der Zuverlässigkeit der
Buschischen Berichte über das, was ihm der große Kanzler gesagt, und was er in
dessen Umgebung gehört hat, zu zweifeln, ist einem unmöglich. Für die geradezu
goldne Glaubwürdigkeit spricht sowohl die Schärfe der Buschischen Beobachtung wie
die merkwürdig geschulte Treue seines Gedächtnisses und eine Virtuosität in der Wahl
des Ausdruckes, die auch der leisesten Schattierung gerecht wird und somit jedes
mögliche Mißverständnis auszuschließen scheint.

Und wie nun? Professor Kohl ist über die Möglichkeit, daß ihm Professor
Lorenz andeutungsweise in den unverdienten Verdacht versuchter Fälschung und er¬
sonnener Lüge gebracht haben könnte, vollkommen außer sich, und bei der Abwehr
des ihn so tief verletzenden Vorwurfs trägt er doch kein Bedenken, dem Toten
das nachzusagen, was er als Beschimpfung des Lebenden von sich abweist. Busch
giebt auf Seite 268 ff. des dritten Bandes der Tagebuchblätter auf das ausführlichste
an, an welchem Tage, zu welcher Stunde, unter welchen Umständen und zu welchem
Zwecke Bismarck ihm die auf den Kronprinzen und dessen Ansichten über die Kaiser¬
frage bezüglichen Mitteilungen gemacht habe. Ur. 8 der Grenzboten vom Jahre 1339
enthält den auf Grund der Bismarckischen Instruktionen von Busch aufgesetzten, auf
den Wunsch und unter direkter Beteiligung des Kanzlers zweimal abgeänderten
Artikel. So klar, lauter und zwingend das alles dem Unbefangnen erscheint, Pro¬
fessor Kohl, den ernsthaften und objektiven Historiker scheint es nicht zu befriedigen.
Alle, die mit der Vorbereitung und der Aufzeichnung der Bismarckischen Denkwürdig¬
keiten zu thun gehabt haben, unter ihnen in erster Reihe Lothar Bucher, bestätigen
die bei einem Manne von Bismarcks Lebhaftigkeit überaus begreifliche Thatsache, daß
sich der Vergangenheit angehörende Einzelheiten nach Ort und Zeit, mitunter auch
in sonstiger Beziehung in seiner Erinnerung heute so, morgen etwas anders zeigten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0328" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239116"/>
          <fw type="header" place="top"> wie steht es?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1533" prev="#ID_1532"> fichtige haben kann, so würde er wohlthun, die beiderseitigen Leistungen auf den<lb/>
zugesetzten Spiritus hin zu vergleichen. Der Beruf des ernsthaften und objektiven<lb/>
Historikers stellt an die Fähigkeiten und die Charaktereigenschaften des Mannes<lb/>
andre Anforderungen als der des Schreibers politischer Artikel für die Tagespresse:<lb/>
deshalb kauu der ernsthafte und objektive Historiker eine sehr hohe Meinung von<lb/>
sich haben, ohne deshalb in der für die Bescheidenheit des wahrhaft feinen Mannes<lb/>
schmerzlichen Notwendigkeit zu sein, auf einen Mann wie Bismarcks &#x201E;Büschlein"<lb/>
als auf einen &#x201E;ihm" untergeordneten Geist hinabzusehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1534"> Wogegen hier protestiert werden soll ist die Bezeichnung: &#x201E;trübe und unlautere<lb/>
Quelle." Wer nicht mit geistiger Blindheit geschlagen oder sonst hoffnungslos<lb/>
voreingenommen ist, muß ganz im Gegenteil nach Durchsicht der Buschischen Auf¬<lb/>
zeichnungen zu der Überzeugung kommen, daß er es bei Busch mit einer durchaus<lb/>
klaren und lautern Quelle zu thun hat, und wenn die beiden Herren Professoren<lb/>
diesen Eindruck nicht gehabt haben, so thut einem das ebensowohl ihretwillen als um<lb/>
der auf ihren Namen schwörenden willen leid. Den Ruf und das Andenken Buschens<lb/>
kann das uicht gefährden. Über Buschens Glaubwürdigkeit zu disputieren, würde<lb/>
unter solchen Umständen zu nichts führen: man kann nur auf die Tagebuchblätter ver¬<lb/>
weisen und jeden unparteiischen Leser fragen, ob er bei deren Durchsicht den Ein¬<lb/>
druck gehabt hat, aus trüber und unlauterer Quelle zu trinken, und ob der Mann,<lb/>
der mit naiver und geradezu kindlicher Harmlosigkeit jede Gelegenheit erwähnt, bei<lb/>
der er sich durch Mangel an &#x201E;Welt" in den Augen Bismarcks oder seiner Um¬<lb/>
gebung eine leichte Blöße gegeben hat, ihm den Eindruck eines gewissenlosen und<lb/>
nicht vielmehr eines erstaunlich zuverlässigen Berichterstatters gemacht hat. Die<lb/>
Art, wie Busch in seiner Verehrung für den großen Mann sein Verhältnis zu ihm<lb/>
und seinen Beruf als Berichterstatter auffaßt, braucht nicht jedem wohlthuend und<lb/>
sympathisch zu sein. Als einen des Brauchs und der Vorurteile der großen Welt<lb/>
etwas unkundigen und in seinem Auftreten deshalb nicht immer glücklichen Mamelucken<lb/>
Bismarcks könnte man Busch zur Not schon bezeichnen hören, ohne davon so em¬<lb/>
pfindlich verletzt zu werden, wie durch das aus dem dazu am wenigsten berufnen<lb/>
Munde gefallue Wort &#x201E;Parasit," aber an der Treue und der Zuverlässigkeit der<lb/>
Buschischen Berichte über das, was ihm der große Kanzler gesagt, und was er in<lb/>
dessen Umgebung gehört hat, zu zweifeln, ist einem unmöglich. Für die geradezu<lb/>
goldne Glaubwürdigkeit spricht sowohl die Schärfe der Buschischen Beobachtung wie<lb/>
die merkwürdig geschulte Treue seines Gedächtnisses und eine Virtuosität in der Wahl<lb/>
des Ausdruckes, die auch der leisesten Schattierung gerecht wird und somit jedes<lb/>
mögliche Mißverständnis auszuschließen scheint.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1535" next="#ID_1536"> Und wie nun? Professor Kohl ist über die Möglichkeit, daß ihm Professor<lb/>
Lorenz andeutungsweise in den unverdienten Verdacht versuchter Fälschung und er¬<lb/>
sonnener Lüge gebracht haben könnte, vollkommen außer sich, und bei der Abwehr<lb/>
des ihn so tief verletzenden Vorwurfs trägt er doch kein Bedenken, dem Toten<lb/>
das nachzusagen, was er als Beschimpfung des Lebenden von sich abweist. Busch<lb/>
giebt auf Seite 268 ff. des dritten Bandes der Tagebuchblätter auf das ausführlichste<lb/>
an, an welchem Tage, zu welcher Stunde, unter welchen Umständen und zu welchem<lb/>
Zwecke Bismarck ihm die auf den Kronprinzen und dessen Ansichten über die Kaiser¬<lb/>
frage bezüglichen Mitteilungen gemacht habe. Ur. 8 der Grenzboten vom Jahre 1339<lb/>
enthält den auf Grund der Bismarckischen Instruktionen von Busch aufgesetzten, auf<lb/>
den Wunsch und unter direkter Beteiligung des Kanzlers zweimal abgeänderten<lb/>
Artikel. So klar, lauter und zwingend das alles dem Unbefangnen erscheint, Pro¬<lb/>
fessor Kohl, den ernsthaften und objektiven Historiker scheint es nicht zu befriedigen.<lb/>
Alle, die mit der Vorbereitung und der Aufzeichnung der Bismarckischen Denkwürdig¬<lb/>
keiten zu thun gehabt haben, unter ihnen in erster Reihe Lothar Bucher, bestätigen<lb/>
die bei einem Manne von Bismarcks Lebhaftigkeit überaus begreifliche Thatsache, daß<lb/>
sich der Vergangenheit angehörende Einzelheiten nach Ort und Zeit, mitunter auch<lb/>
in sonstiger Beziehung in seiner Erinnerung heute so, morgen etwas anders zeigten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0328] wie steht es? fichtige haben kann, so würde er wohlthun, die beiderseitigen Leistungen auf den zugesetzten Spiritus hin zu vergleichen. Der Beruf des ernsthaften und objektiven Historikers stellt an die Fähigkeiten und die Charaktereigenschaften des Mannes andre Anforderungen als der des Schreibers politischer Artikel für die Tagespresse: deshalb kauu der ernsthafte und objektive Historiker eine sehr hohe Meinung von sich haben, ohne deshalb in der für die Bescheidenheit des wahrhaft feinen Mannes schmerzlichen Notwendigkeit zu sein, auf einen Mann wie Bismarcks „Büschlein" als auf einen „ihm" untergeordneten Geist hinabzusehen. Wogegen hier protestiert werden soll ist die Bezeichnung: „trübe und unlautere Quelle." Wer nicht mit geistiger Blindheit geschlagen oder sonst hoffnungslos voreingenommen ist, muß ganz im Gegenteil nach Durchsicht der Buschischen Auf¬ zeichnungen zu der Überzeugung kommen, daß er es bei Busch mit einer durchaus klaren und lautern Quelle zu thun hat, und wenn die beiden Herren Professoren diesen Eindruck nicht gehabt haben, so thut einem das ebensowohl ihretwillen als um der auf ihren Namen schwörenden willen leid. Den Ruf und das Andenken Buschens kann das uicht gefährden. Über Buschens Glaubwürdigkeit zu disputieren, würde unter solchen Umständen zu nichts führen: man kann nur auf die Tagebuchblätter ver¬ weisen und jeden unparteiischen Leser fragen, ob er bei deren Durchsicht den Ein¬ druck gehabt hat, aus trüber und unlauterer Quelle zu trinken, und ob der Mann, der mit naiver und geradezu kindlicher Harmlosigkeit jede Gelegenheit erwähnt, bei der er sich durch Mangel an „Welt" in den Augen Bismarcks oder seiner Um¬ gebung eine leichte Blöße gegeben hat, ihm den Eindruck eines gewissenlosen und nicht vielmehr eines erstaunlich zuverlässigen Berichterstatters gemacht hat. Die Art, wie Busch in seiner Verehrung für den großen Mann sein Verhältnis zu ihm und seinen Beruf als Berichterstatter auffaßt, braucht nicht jedem wohlthuend und sympathisch zu sein. Als einen des Brauchs und der Vorurteile der großen Welt etwas unkundigen und in seinem Auftreten deshalb nicht immer glücklichen Mamelucken Bismarcks könnte man Busch zur Not schon bezeichnen hören, ohne davon so em¬ pfindlich verletzt zu werden, wie durch das aus dem dazu am wenigsten berufnen Munde gefallue Wort „Parasit," aber an der Treue und der Zuverlässigkeit der Buschischen Berichte über das, was ihm der große Kanzler gesagt, und was er in dessen Umgebung gehört hat, zu zweifeln, ist einem unmöglich. Für die geradezu goldne Glaubwürdigkeit spricht sowohl die Schärfe der Buschischen Beobachtung wie die merkwürdig geschulte Treue seines Gedächtnisses und eine Virtuosität in der Wahl des Ausdruckes, die auch der leisesten Schattierung gerecht wird und somit jedes mögliche Mißverständnis auszuschließen scheint. Und wie nun? Professor Kohl ist über die Möglichkeit, daß ihm Professor Lorenz andeutungsweise in den unverdienten Verdacht versuchter Fälschung und er¬ sonnener Lüge gebracht haben könnte, vollkommen außer sich, und bei der Abwehr des ihn so tief verletzenden Vorwurfs trägt er doch kein Bedenken, dem Toten das nachzusagen, was er als Beschimpfung des Lebenden von sich abweist. Busch giebt auf Seite 268 ff. des dritten Bandes der Tagebuchblätter auf das ausführlichste an, an welchem Tage, zu welcher Stunde, unter welchen Umständen und zu welchem Zwecke Bismarck ihm die auf den Kronprinzen und dessen Ansichten über die Kaiser¬ frage bezüglichen Mitteilungen gemacht habe. Ur. 8 der Grenzboten vom Jahre 1339 enthält den auf Grund der Bismarckischen Instruktionen von Busch aufgesetzten, auf den Wunsch und unter direkter Beteiligung des Kanzlers zweimal abgeänderten Artikel. So klar, lauter und zwingend das alles dem Unbefangnen erscheint, Pro¬ fessor Kohl, den ernsthaften und objektiven Historiker scheint es nicht zu befriedigen. Alle, die mit der Vorbereitung und der Aufzeichnung der Bismarckischen Denkwürdig¬ keiten zu thun gehabt haben, unter ihnen in erster Reihe Lothar Bucher, bestätigen die bei einem Manne von Bismarcks Lebhaftigkeit überaus begreifliche Thatsache, daß sich der Vergangenheit angehörende Einzelheiten nach Ort und Zeit, mitunter auch in sonstiger Beziehung in seiner Erinnerung heute so, morgen etwas anders zeigten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/328
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/328>, abgerufen am 01.09.2024.