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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Die wirtschaftliche Lage Rußlands

nehmen, geht ans den Einfuhrzöllen der beiden Tabellen hervor, namentlich
w ihrer prozentualen Beziehung zum Konsum. Wenn um zwar ans Spalte 5
Tabelle II der auch von Fachleuten vielfach bestätigte Schluß gezogen werden muß.
daß allmählich der Roheisenbedarf Rußlands durch das Inland gedeckt werden
wird, so war doch dieses rapide Tempo im Rückgang der Einfuhr der letzten
drei Jahre hier nicht der natürliche Lauf und muß wohl auch als em Grund
für unsre Jndustriekrisis angesehen werden.

Daß in Rußland eine Krisis überhaupt vorhanden ist. darüber durste
kein Zweifel herrschen. Sie besteht aber meiner Meinung unes nicht lediglich
auf dem Gebiet der Industrie, souderu ist mehr allgemein wirtschaftlicher Natur
und findet in der Jndustriekrisis uur zum Teil ihren Ausdruck. Daß sur
diese außerdem noch künstlich Propaganda gemacht worden ist von Interessenten¬
kreisen der Industrie, sei es wegen einer Einwirkung auf die Regierung zu
direkter Unterstützung, sei es. um ein Pressionsmittel bei den Handelsvertrags¬
verhandlungen zu haben, thut der Thatsache an sich keinen Abbruch. Be¬
sonders stark zeigt sich die Krisis auf dem Barometer wirtschaftlicher Kon¬
junktur, der Börse, sie bewertete die Aktien nachstehender Gesellschaften folgender¬
maßen:



Ferner zeigt sich die Krisis in der Produktionseinschränkung, die 1900
betrug: im Süden 4-3 Prozent, im Moskaner Gebiet 38 Prozent, in Polen
13 Prozent, im Ural 11 Prozent, und sie hat sich nach Tabelle I und II 1901
nicht gebessert. . '

^<^rUnmittelbar hervorgerufen ist sie von der Eisenindustrie, weil steh diese,
durch Hochschutzzoll und ungewöhnliche Bestellungen der Regierung auf un¬
gesunden Boden gewachsen, plötzlich durch das Ausbleiben dieser Beste lungen
gelähmt sah. lind ein Privatinnenmarkt nicht mit einem Schlage gesclMeu
werden kann Es blieb n. a. der erwartete Auftrag für die sibirische Buhu
aus. da für den schleunigst in der Mandschurei herzustellenden Bahnbau die
Regierung Schienen ans Amerika bezog. Hierbei ist die Thatsache interessant,
daß 1900 die Hütten Eisenbahnbestellungen von rund 1 Million Tonnen Roh¬
eisen hatten, dagegen für 1901 die Bestellung nur 465000 Tonnen betrug,
während die Produktionsfühigkeit der Hütten für dieses Jahr auf 1176 500 Tonnen
angegeben wird.


Grenz boten IV 1902
Die wirtschaftliche Lage Rußlands

nehmen, geht ans den Einfuhrzöllen der beiden Tabellen hervor, namentlich
w ihrer prozentualen Beziehung zum Konsum. Wenn um zwar ans Spalte 5
Tabelle II der auch von Fachleuten vielfach bestätigte Schluß gezogen werden muß.
daß allmählich der Roheisenbedarf Rußlands durch das Inland gedeckt werden
wird, so war doch dieses rapide Tempo im Rückgang der Einfuhr der letzten
drei Jahre hier nicht der natürliche Lauf und muß wohl auch als em Grund
für unsre Jndustriekrisis angesehen werden.

Daß in Rußland eine Krisis überhaupt vorhanden ist. darüber durste
kein Zweifel herrschen. Sie besteht aber meiner Meinung unes nicht lediglich
auf dem Gebiet der Industrie, souderu ist mehr allgemein wirtschaftlicher Natur
und findet in der Jndustriekrisis uur zum Teil ihren Ausdruck. Daß sur
diese außerdem noch künstlich Propaganda gemacht worden ist von Interessenten¬
kreisen der Industrie, sei es wegen einer Einwirkung auf die Regierung zu
direkter Unterstützung, sei es. um ein Pressionsmittel bei den Handelsvertrags¬
verhandlungen zu haben, thut der Thatsache an sich keinen Abbruch. Be¬
sonders stark zeigt sich die Krisis auf dem Barometer wirtschaftlicher Kon¬
junktur, der Börse, sie bewertete die Aktien nachstehender Gesellschaften folgender¬
maßen:



Ferner zeigt sich die Krisis in der Produktionseinschränkung, die 1900
betrug: im Süden 4-3 Prozent, im Moskaner Gebiet 38 Prozent, in Polen
13 Prozent, im Ural 11 Prozent, und sie hat sich nach Tabelle I und II 1901
nicht gebessert. . '

^<^rUnmittelbar hervorgerufen ist sie von der Eisenindustrie, weil steh diese,
durch Hochschutzzoll und ungewöhnliche Bestellungen der Regierung auf un¬
gesunden Boden gewachsen, plötzlich durch das Ausbleiben dieser Beste lungen
gelähmt sah. lind ein Privatinnenmarkt nicht mit einem Schlage gesclMeu
werden kann Es blieb n. a. der erwartete Auftrag für die sibirische Buhu
aus. da für den schleunigst in der Mandschurei herzustellenden Bahnbau die
Regierung Schienen ans Amerika bezog. Hierbei ist die Thatsache interessant,
daß 1900 die Hütten Eisenbahnbestellungen von rund 1 Million Tonnen Roh¬
eisen hatten, dagegen für 1901 die Bestellung nur 465000 Tonnen betrug,
während die Produktionsfühigkeit der Hütten für dieses Jahr auf 1176 500 Tonnen
angegeben wird.


Grenz boten IV 1902
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[0139] Die wirtschaftliche Lage Rußlands nehmen, geht ans den Einfuhrzöllen der beiden Tabellen hervor, namentlich w ihrer prozentualen Beziehung zum Konsum. Wenn um zwar ans Spalte 5 Tabelle II der auch von Fachleuten vielfach bestätigte Schluß gezogen werden muß. daß allmählich der Roheisenbedarf Rußlands durch das Inland gedeckt werden wird, so war doch dieses rapide Tempo im Rückgang der Einfuhr der letzten drei Jahre hier nicht der natürliche Lauf und muß wohl auch als em Grund für unsre Jndustriekrisis angesehen werden. Daß in Rußland eine Krisis überhaupt vorhanden ist. darüber durste kein Zweifel herrschen. Sie besteht aber meiner Meinung unes nicht lediglich auf dem Gebiet der Industrie, souderu ist mehr allgemein wirtschaftlicher Natur und findet in der Jndustriekrisis uur zum Teil ihren Ausdruck. Daß sur diese außerdem noch künstlich Propaganda gemacht worden ist von Interessenten¬ kreisen der Industrie, sei es wegen einer Einwirkung auf die Regierung zu direkter Unterstützung, sei es. um ein Pressionsmittel bei den Handelsvertrags¬ verhandlungen zu haben, thut der Thatsache an sich keinen Abbruch. Be¬ sonders stark zeigt sich die Krisis auf dem Barometer wirtschaftlicher Kon¬ junktur, der Börse, sie bewertete die Aktien nachstehender Gesellschaften folgender¬ maßen: Benennung der Effekten Januar 1899 Dezember 1900 Juli 1901 Kurs in Franken Donezkohlenwerke......1475 735 708 Manko-russische Fabrik .... 85 1b » Br,ansk ... . , . 1485 630 südrussische uiechanische Werkstatt . 1025 492 41-> Nüolajewsche Werft ...... 1320 3->0 21.. D'yeprowsche Werft...... 4450 1800 2190 Doncz-Makejewka...... 642 300 220 südrussische Steinkohlen .... 910 670 ->1'> WerchneWolAi . ..... 695 55 60 Änwoj Nog...... 2785 1950 1^0 Kertsch . " 8«0 460 380 Ural-Wolga', . 700 28 ^ . .südrussische ^ . 1290 680 570 u. f. f. Ferner zeigt sich die Krisis in der Produktionseinschränkung, die 1900 betrug: im Süden 4-3 Prozent, im Moskaner Gebiet 38 Prozent, in Polen 13 Prozent, im Ural 11 Prozent, und sie hat sich nach Tabelle I und II 1901 nicht gebessert. . ' ^<^rUnmittelbar hervorgerufen ist sie von der Eisenindustrie, weil steh diese, durch Hochschutzzoll und ungewöhnliche Bestellungen der Regierung auf un¬ gesunden Boden gewachsen, plötzlich durch das Ausbleiben dieser Beste lungen gelähmt sah. lind ein Privatinnenmarkt nicht mit einem Schlage gesclMeu werden kann Es blieb n. a. der erwartete Auftrag für die sibirische Buhu aus. da für den schleunigst in der Mandschurei herzustellenden Bahnbau die Regierung Schienen ans Amerika bezog. Hierbei ist die Thatsache interessant, daß 1900 die Hütten Eisenbahnbestellungen von rund 1 Million Tonnen Roh¬ eisen hatten, dagegen für 1901 die Bestellung nur 465000 Tonnen betrug, während die Produktionsfühigkeit der Hütten für dieses Jahr auf 1176 500 Tonnen angegeben wird. Grenz boten IV 1902

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/139>, abgerufen am 01.09.2024.