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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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duktionsmenge braucht man in Südrußland etwa nur ein Sechstel, in Belgien etwa
ein Zwölftel an Arbeitern. Sodann entstammen die Eisenwerke einer Zeit,
Wasserwerke die einzige mechanische Triebkraft waren. Infolge dessen
liegen sie in den Tiefen der Thäler des Gebirges verstreut. Dadurch erhebt
sich für eine zu erbauende Verbindungsbahn die Schwierigkeit, die Mehrzahl
der Werke mit einer einheitlichen Träne zu berühren, während zur Anlegung
eigner Sciteubcchuen den Werken vielfach das Kapital mangeln wird. Endlich
ist, da der Ural keine zu Verhttttuugszwecken geeignete Kohle hat, die Eisen¬
industrie auf Holzkvhlenfeuerung angewiesen, wodurch ihrer Ausdehnung ein
enges Ziel gesetzt ist. Es ist also wahrscheinlich, daß der Ural vorerst mehr
"is Erzversorger für andre Bezirke eine Rolle spielen wird, als in der Selbst-
Erarbeitung.

Wir kommen nun zu den weitaus wichtigsten Montangebieten, die auch
gegenwärtig auf der höchsten Entwicklungsstufe in Nußland stehn und aus¬
schlaggebend für die Gesamtproduktion sind, dem südrussischen Montan-
ezirk und der Industrie Polens. Das erste, das sogenannte Donjez-
"jeprbeckcn, weist eine völlig koloniale Industrie neusten Datums aus,
vo mit einem Schlage Großbetriebe ersten Ranges mit allen Errungenschaften
er neusten Technik hingepflanzt worden sind, meist durch ausländisches
^iprtal. Ziemlich direkt nördlich vom Asowscheu Meere liegend, östlich vom
^°njez begrenzt, westlich über den Dujepr hinausreichend umfaßt das Becken
Moa 2730000 Hektar; die östlichen zwei Drittel enthalten Anthracit, das
cherche Drittel dagegen führt in reichlicher Menge qualitativ hervorragende
otsbare Backkohlen^ die die Grundlage des Hochofenprozesses sind. Eisenerze
senden sich verstreut im ganzen Kohlenbecken; sie sind jedoch nur vierzig bis
N ^ Prozent eisenhaltig und bisher wenig abgebaut, die Zufuhr fremder'rze rst praktischer. Dagegen verfügt die Eisenindustrie hier noch über die
^errluhen Magneteisensteinlagcr von Kriwoj Rog, die eine Fläche von neun-
misend Hektaren einnehmen und etwa 450 Kilometer westlich von den west-
)sten Kohlengruben liegen, mit denen sie hente durch einen Schienenweg
verbunden sind; die Erze sind äußerst rein und sehr reich an Metall (60 bis
Prozent). Auch dieser Industriellezirk leidet aber unter dem Mangel ge-
'chulter Arbeiter.

Es bleibt noch übrig, des uns zunächst benachbarten Montangebiets in
Holen zu gedenken, dessen Eisenindustrie seine Bedeutung in der russischen
vlkswirtschaft weniger ihrer natürlichen Grundlage als ihren wirtschaftlichen
Vorzügen an Arbeit und Kapital verdankt; der polnische Arbeiter ähnelt eben
^ seiner Verwendbarkeit dein Westeuropäer. Polen hat zwar reiche Kohlen-
l)"ezc, aber sie sind zur Verkokung wenig tauglich und dienen nur als
^rennmnterial für die Fabriken und Eisenbahnen. ' Polen ist auf die Zufuhr
von Erz und Koth angewiesen und bezieht sie teils aus Südrußland, teils
"us Deutschland.

Die Kohlen- und Eisenindustrie zeigen am deutlichsten, daß auf die
auer der Hochschutzzoll in seiner Wirkung versagt. Umstehende Tabellen
>°lieu zunächst einen Überblick über Produktion und Konsum geben :


duktionsmenge braucht man in Südrußland etwa nur ein Sechstel, in Belgien etwa
ein Zwölftel an Arbeitern. Sodann entstammen die Eisenwerke einer Zeit,
Wasserwerke die einzige mechanische Triebkraft waren. Infolge dessen
liegen sie in den Tiefen der Thäler des Gebirges verstreut. Dadurch erhebt
sich für eine zu erbauende Verbindungsbahn die Schwierigkeit, die Mehrzahl
der Werke mit einer einheitlichen Träne zu berühren, während zur Anlegung
eigner Sciteubcchuen den Werken vielfach das Kapital mangeln wird. Endlich
ist, da der Ural keine zu Verhttttuugszwecken geeignete Kohle hat, die Eisen¬
industrie auf Holzkvhlenfeuerung angewiesen, wodurch ihrer Ausdehnung ein
enges Ziel gesetzt ist. Es ist also wahrscheinlich, daß der Ural vorerst mehr
"is Erzversorger für andre Bezirke eine Rolle spielen wird, als in der Selbst-
Erarbeitung.

Wir kommen nun zu den weitaus wichtigsten Montangebieten, die auch
gegenwärtig auf der höchsten Entwicklungsstufe in Nußland stehn und aus¬
schlaggebend für die Gesamtproduktion sind, dem südrussischen Montan-
ezirk und der Industrie Polens. Das erste, das sogenannte Donjez-
"jeprbeckcn, weist eine völlig koloniale Industrie neusten Datums aus,
vo mit einem Schlage Großbetriebe ersten Ranges mit allen Errungenschaften
er neusten Technik hingepflanzt worden sind, meist durch ausländisches
^iprtal. Ziemlich direkt nördlich vom Asowscheu Meere liegend, östlich vom
^°njez begrenzt, westlich über den Dujepr hinausreichend umfaßt das Becken
Moa 2730000 Hektar; die östlichen zwei Drittel enthalten Anthracit, das
cherche Drittel dagegen führt in reichlicher Menge qualitativ hervorragende
otsbare Backkohlen^ die die Grundlage des Hochofenprozesses sind. Eisenerze
senden sich verstreut im ganzen Kohlenbecken; sie sind jedoch nur vierzig bis
N ^ Prozent eisenhaltig und bisher wenig abgebaut, die Zufuhr fremder'rze rst praktischer. Dagegen verfügt die Eisenindustrie hier noch über die
^errluhen Magneteisensteinlagcr von Kriwoj Rog, die eine Fläche von neun-
misend Hektaren einnehmen und etwa 450 Kilometer westlich von den west-
)sten Kohlengruben liegen, mit denen sie hente durch einen Schienenweg
verbunden sind; die Erze sind äußerst rein und sehr reich an Metall (60 bis
Prozent). Auch dieser Industriellezirk leidet aber unter dem Mangel ge-
'chulter Arbeiter.

Es bleibt noch übrig, des uns zunächst benachbarten Montangebiets in
Holen zu gedenken, dessen Eisenindustrie seine Bedeutung in der russischen
vlkswirtschaft weniger ihrer natürlichen Grundlage als ihren wirtschaftlichen
Vorzügen an Arbeit und Kapital verdankt; der polnische Arbeiter ähnelt eben
^ seiner Verwendbarkeit dein Westeuropäer. Polen hat zwar reiche Kohlen-
l)"ezc, aber sie sind zur Verkokung wenig tauglich und dienen nur als
^rennmnterial für die Fabriken und Eisenbahnen. ' Polen ist auf die Zufuhr
von Erz und Koth angewiesen und bezieht sie teils aus Südrußland, teils
"us Deutschland.

Die Kohlen- und Eisenindustrie zeigen am deutlichsten, daß auf die
auer der Hochschutzzoll in seiner Wirkung versagt. Umstehende Tabellen
>°lieu zunächst einen Überblick über Produktion und Konsum geben :


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/137>, abgerufen am 01.09.2024.