Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.Heimkehr Jahr fragte seinen Nachbar und wies auf das Fuchsgesicht: Wer is denn der? Die Antwort lautete: Das is der alte Scheckg, So, sagte Jahr, so -- Der alte Scheckg trieb dann seine Leute zusammen. Mir müsse" han. Mir Er schüttelte rund herum die Hand, Mit schmunzelndem Gesicht schoß er Dann legte der alte Schelm auch ihm die Hand auf die Schulter: Na -- Seine Frau aber stand noch hinten im Saal, hatte ein zusammengelegtes, So stand sie ein wenig vorgebückt vor ?ldam Jahr und fragte deu, ein Lächeln Jahr antwortete: Ja; aber um will ich mal sieh, wie es hier geht. Willkommen auch! sagte sie. Schönen Dank. -- Na -- sagte er, und ein wenig von der Schalkheit des Ach, das ha ich nicht! sagte sie und legte verlege" die Hände an ihre Wangen, Dn schoß der alte Scheckg heran und schrie: Das muß ich sage! Der Zug Auch das Enkeltöchterche" stob Hera": Großemutter! Großemutter! wie solln mir So verschwanden sie -- der alte Scheckg voran, turzschrittig, mit den Gebärden ^ Und uuter der Thür drehte der alte Scheckg sich zurück und schrie über deu Und zurück rief es von allen Ecken: Gubben Abend, Wiedersehen! Der Nachbar erläuterte dem alten Jahr: Sie heißen ihn Wiedersehen, weil er ^ Der Hofbesitzer aus Rüsch saß wieder da, nun völlig betrunken und zum Grenzboten IV 1902
Heimkehr Jahr fragte seinen Nachbar und wies auf das Fuchsgesicht: Wer is denn der? Die Antwort lautete: Das is der alte Scheckg, So, sagte Jahr, so — Der alte Scheckg trieb dann seine Leute zusammen. Mir müsse» han. Mir Er schüttelte rund herum die Hand, Mit schmunzelndem Gesicht schoß er Dann legte der alte Schelm auch ihm die Hand auf die Schulter: Na — Seine Frau aber stand noch hinten im Saal, hatte ein zusammengelegtes, So stand sie ein wenig vorgebückt vor ?ldam Jahr und fragte deu, ein Lächeln Jahr antwortete: Ja; aber um will ich mal sieh, wie es hier geht. Willkommen auch! sagte sie. Schönen Dank. — Na — sagte er, und ein wenig von der Schalkheit des Ach, das ha ich nicht! sagte sie und legte verlege» die Hände an ihre Wangen, Dn schoß der alte Scheckg heran und schrie: Das muß ich sage! Der Zug Auch das Enkeltöchterche» stob Hera«: Großemutter! Großemutter! wie solln mir So verschwanden sie — der alte Scheckg voran, turzschrittig, mit den Gebärden ^ Und uuter der Thür drehte der alte Scheckg sich zurück und schrie über deu Und zurück rief es von allen Ecken: Gubben Abend, Wiedersehen! Der Nachbar erläuterte dem alten Jahr: Sie heißen ihn Wiedersehen, weil er ^ Der Hofbesitzer aus Rüsch saß wieder da, nun völlig betrunken und zum Grenzboten IV 1902
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/238895"/> <fw type="header" place="top"> Heimkehr</fw><lb/> <p xml:id="ID_440"> Jahr fragte seinen Nachbar und wies auf das Fuchsgesicht: Wer is denn der?</p><lb/> <p xml:id="ID_441"> Die Antwort lautete: Das is der alte Scheckg,</p><lb/> <p xml:id="ID_442"> So, sagte Jahr, so —</p><lb/> <p xml:id="ID_443"> Der alte Scheckg trieb dann seine Leute zusammen. Mir müsse» han. Mir<lb/> erreichen uicht merre den Zug. Macht!</p><lb/> <p xml:id="ID_444"> Er schüttelte rund herum die Hand, Mit schmunzelndem Gesicht schoß er<lb/> umher, als ob ihn? immerwährend der Himmel voll Geigen hinge. Der hatte etwas<lb/> im Leben genossen, was Jahr vorübergegangen war. Jahr empfand es aber mehr,<lb/> >ils daß er es dachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_445"> Dann legte der alte Schelm auch ihm die Hand auf die Schulter: Na —<lb/> wen dünn mir dem, hier? — Na — das is schöne! Na — hatjeh auch! und<lb/> er rief: Arno! Emma! Nu mal keine Winkelzüge weiter! Der Zug wart nicht,<lb/> bis mir hinkomm! So trieb er die beiden jungen, schonen Menschen, die freundlich<lb/> und lachend gehorchten, vor sich her.</p><lb/> <p xml:id="ID_446"> Seine Frau aber stand noch hinten im Saal, hatte ein zusammengelegtes,<lb/> weißes Taschentuch in ihren Hände», das sie abwechselnd von der Linken in die<lb/> Rechte und vou der Rechten in die Linke legte.</p><lb/> <p xml:id="ID_447"> So stand sie ein wenig vorgebückt vor ?ldam Jahr und fragte deu, ein Lächeln<lb/> der Scham und der Bescheidenheit um deu Mund: Ich ha gehört, Ihr seid bei<lb/> uns derhäme, aber Ihr seid lange fort gewasen — haußen . . . Sie schwieg, es<lb/> war beinah, als könne sie nicht weiter sprechen vor Verlegenheit, daß sie so auf¬<lb/> dringlich sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_448"> Jahr antwortete: Ja; aber um will ich mal sieh, wie es hier geht.</p><lb/> <p xml:id="ID_449"> Willkommen auch! sagte sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_450"> Schönen Dank. — Na — sagte er, und ein wenig von der Schalkheit des<lb/> Alte» war auf ihn übergegangen: wie ist denn Euch das Tanzen bekommen? Ging<lb/> uoch ganz schöne! Da habt Ihr wohl so lange torbiert, bis der Alte ran gemußt hat?</p><lb/> <p xml:id="ID_451"> Ach, das ha ich nicht! sagte sie und legte verlege» die Hände an ihre Wangen,<lb/> aber der hats hintern Ohren, der hat ein Temperment, das hat der liebe Gott<lb/> gesegnet. Ist ein guter Mann. Ja. Der hat mir nie zuviel gethan, do kann ich<lb/> uicht klage. — Und das alles mit dem Lächeln um die eiugefallnen Lippen und<lb/> wie einem erwartenden und fragenden Zug in dem lieben alten Gesicht, das nun<lb/> W ein wenig neugierig aussah. Sie trug ein hübsches wollnes brnuues Kleid<lb/> wie seidnem Knüpstnch. '</p><lb/> <p xml:id="ID_452"> Dn schoß der alte Scheckg heran und schrie: Das muß ich sage! Der Zug<lb/> thut uicht warten! Muß ich mir meine Frau Gemvhlin schon mit der Gewalt<lb/> hole! — packte sie mit einem gefährlichen Diener beim Arm und zog mit ihr ub,<lb/> während sie verlege» »ach ihm schlug und sich zu wehren suchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_453"> Auch das Enkeltöchterche» stob Hera«: Großemutter! Großemutter! wie solln mir<lb/> denn denn komme? und breitete einen großen, rötlichen Kattunmantel um deu Nacken<lb/> der alten Frau.</p><lb/> <p xml:id="ID_454"> So verschwanden sie — der alte Scheckg voran, turzschrittig, mit den Gebärden<lb/> eines, der eine Last vom Platze zieht, und die Frau wehrend und sich ein wenig<lb/> sträubend, mit einer verschämten Würde, die ihr gar wohl stand. Hinterher die<lb/> schöne Enkeltochter in ihrem weißen Piqneekleid und Spitzensattel. In der Thür<lb/> Jout Rippe und lachte, der ernste Mensch.</p><lb/> <p xml:id="ID_455"> ^ Und uuter der Thür drehte der alte Scheckg sich zurück und schrie über deu<lb/> Saal: Na — denn auf Wiedersehe» a»es! Wiedersehe», das macht Freude!</p><lb/> <p xml:id="ID_456"> Und zurück rief es von allen Ecken: Gubben Abend, Wiedersehen!</p><lb/> <p xml:id="ID_457"> Der Nachbar erläuterte dem alten Jahr: Sie heißen ihn Wiedersehen, weil er<lb/> innrer die Redensart in Gange hat: Wiedersehen macht Freude!</p><lb/> <p xml:id="ID_458"> ^ Der Hofbesitzer aus Rüsch saß wieder da, nun völlig betrunken und zum<lb/> streiten aufgelegt Als er Jahr ins Ange faßte, fing er aufs neue um auf seine<lb/> Mutter zu schelten.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1902</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Heimkehr
Jahr fragte seinen Nachbar und wies auf das Fuchsgesicht: Wer is denn der?
Die Antwort lautete: Das is der alte Scheckg,
So, sagte Jahr, so —
Der alte Scheckg trieb dann seine Leute zusammen. Mir müsse» han. Mir
erreichen uicht merre den Zug. Macht!
Er schüttelte rund herum die Hand, Mit schmunzelndem Gesicht schoß er
umher, als ob ihn? immerwährend der Himmel voll Geigen hinge. Der hatte etwas
im Leben genossen, was Jahr vorübergegangen war. Jahr empfand es aber mehr,
>ils daß er es dachte.
Dann legte der alte Schelm auch ihm die Hand auf die Schulter: Na —
wen dünn mir dem, hier? — Na — das is schöne! Na — hatjeh auch! und
er rief: Arno! Emma! Nu mal keine Winkelzüge weiter! Der Zug wart nicht,
bis mir hinkomm! So trieb er die beiden jungen, schonen Menschen, die freundlich
und lachend gehorchten, vor sich her.
Seine Frau aber stand noch hinten im Saal, hatte ein zusammengelegtes,
weißes Taschentuch in ihren Hände», das sie abwechselnd von der Linken in die
Rechte und vou der Rechten in die Linke legte.
So stand sie ein wenig vorgebückt vor ?ldam Jahr und fragte deu, ein Lächeln
der Scham und der Bescheidenheit um deu Mund: Ich ha gehört, Ihr seid bei
uns derhäme, aber Ihr seid lange fort gewasen — haußen . . . Sie schwieg, es
war beinah, als könne sie nicht weiter sprechen vor Verlegenheit, daß sie so auf¬
dringlich sei.
Jahr antwortete: Ja; aber um will ich mal sieh, wie es hier geht.
Willkommen auch! sagte sie.
Schönen Dank. — Na — sagte er, und ein wenig von der Schalkheit des
Alte» war auf ihn übergegangen: wie ist denn Euch das Tanzen bekommen? Ging
uoch ganz schöne! Da habt Ihr wohl so lange torbiert, bis der Alte ran gemußt hat?
Ach, das ha ich nicht! sagte sie und legte verlege» die Hände an ihre Wangen,
aber der hats hintern Ohren, der hat ein Temperment, das hat der liebe Gott
gesegnet. Ist ein guter Mann. Ja. Der hat mir nie zuviel gethan, do kann ich
uicht klage. — Und das alles mit dem Lächeln um die eiugefallnen Lippen und
wie einem erwartenden und fragenden Zug in dem lieben alten Gesicht, das nun
W ein wenig neugierig aussah. Sie trug ein hübsches wollnes brnuues Kleid
wie seidnem Knüpstnch. '
Dn schoß der alte Scheckg heran und schrie: Das muß ich sage! Der Zug
thut uicht warten! Muß ich mir meine Frau Gemvhlin schon mit der Gewalt
hole! — packte sie mit einem gefährlichen Diener beim Arm und zog mit ihr ub,
während sie verlege» »ach ihm schlug und sich zu wehren suchte.
Auch das Enkeltöchterche» stob Hera«: Großemutter! Großemutter! wie solln mir
denn denn komme? und breitete einen großen, rötlichen Kattunmantel um deu Nacken
der alten Frau.
So verschwanden sie — der alte Scheckg voran, turzschrittig, mit den Gebärden
eines, der eine Last vom Platze zieht, und die Frau wehrend und sich ein wenig
sträubend, mit einer verschämten Würde, die ihr gar wohl stand. Hinterher die
schöne Enkeltochter in ihrem weißen Piqneekleid und Spitzensattel. In der Thür
Jout Rippe und lachte, der ernste Mensch.
^ Und uuter der Thür drehte der alte Scheckg sich zurück und schrie über deu
Saal: Na — denn auf Wiedersehe» a»es! Wiedersehe», das macht Freude!
Und zurück rief es von allen Ecken: Gubben Abend, Wiedersehen!
Der Nachbar erläuterte dem alten Jahr: Sie heißen ihn Wiedersehen, weil er
innrer die Redensart in Gange hat: Wiedersehen macht Freude!
^ Der Hofbesitzer aus Rüsch saß wieder da, nun völlig betrunken und zum
streiten aufgelegt Als er Jahr ins Ange faßte, fing er aufs neue um auf seine
Mutter zu schelten.
Grenzboten IV 1902
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |