Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Großherzoz Friedrich von Baden als deutscher Staatsmann belehren, aber in seinen patriotischen Bestrebungen nicht beirren. Er war des¬ Welche Stellung sollte aber uun Baden einnehmen, wenn es zu einem Großherzog Friedrich geriet also in eine geradezu verzweifelte Lage. Weder Großherzoz Friedrich von Baden als deutscher Staatsmann belehren, aber in seinen patriotischen Bestrebungen nicht beirren. Er war des¬ Welche Stellung sollte aber uun Baden einnehmen, wenn es zu einem Großherzog Friedrich geriet also in eine geradezu verzweifelte Lage. Weder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237700"/> <fw type="header" place="top"> Großherzoz Friedrich von Baden als deutscher Staatsmann</fw><lb/> <p xml:id="ID_2082" prev="#ID_2081"> belehren, aber in seinen patriotischen Bestrebungen nicht beirren. Er war des¬<lb/> halb grundsätzlich für die sogenannten Februarbedingungen, die Friedrich (VIII.)<lb/> kurzsichtig verwarf, denn er sah in ihnen eine Vorbereitung für das, was<lb/> ihm selbst als Kern jeder ernsthaften Bundesreform erschien, die Vereinigung<lb/> der diplomatischen und der militärischen Leitung ganz Deutschlands in einer<lb/> Hand; aber daß dieses Ziel auf friedlichem Wege erreicht werden könne, das<lb/> hoffte er jetzt nicht mehr. Auch Noggenbach verzweifelte daran; als der<lb/> Vertrag von Gastein im August 1865 den Konflikt nur noch notdürftig ver¬<lb/> hütet und die Ohnmacht der Mittelstaaten nochmals enthüllt hatte, nahm er<lb/> im Oktober 1865 seinen Abschied.</p><lb/> <p xml:id="ID_2083"> Welche Stellung sollte aber uun Baden einnehmen, wenn es zu einem<lb/> Wassergange kam? Mit Preußen zu gehn war schon wegen der geographischen<lb/> Lage kaum möglich und stieß auf die sich täglich verstärkende populäre Ab¬<lb/> neigung gegen die dortige „reaktionäre" Regierung, die allen Lieblingsmcinuugeu<lb/> und Wünschen des Liberalismus ins Gesicht schlug. Noch viel weniger meinte<lb/> der Großherzog sich an Osterreich anschließen zu können, obwohl Noggenbachs<lb/> Nachfolger Edelsheim, bisher Gesandter in Wien, diese Möglichkeit schon ins<lb/> Auge faßte. Auf die Triasplüne einzugehn, deren praktische Erfolglosigkeit<lb/> nunmehr vor Augen lag, hatte Friedrich von jeher verschmäht, und die<lb/> Möglichkeit, die militärische Leitung Süddeutschlands an Bayern zu über¬<lb/> tragen, die im Frühjahr 1866 unter den Kombinationen Bismarcks auftauchte,<lb/> machte ihn doppelt bedenklich. Als sich nun die Beziehungen der Großmächte<lb/> seit dem Mürz 1866 verschärften, Österreich sich den Mittelstaateu wieder<lb/> näherte und Preußen am 9. April seinen Antrag auf Berufung eines deutschen<lb/> Parlaments zur Beratung der Bundesreform einbrachte, den die Regierungen<lb/> mit Schrecken aufnahmen, die vollendete nationalpolitische Unfähigkeit des deut¬<lb/> schen Liberalismus mißtrauisch zurückwies und nur die zweite badische Kammer<lb/> warm begrüßte, so blieb nichts übrig als die bewaffnete Neutralität. Für<lb/> eine solche mit Vereinigung der badischen Division bei Rastatt trat der<lb/> Großherzog selbst entschieden ein, aber nur Mathy unterstützte ihn, die übrigen<lb/> Minister, Stahel, Lamcy und Edelsheim, hielten schon den Anschluß an Öster¬<lb/> reich für unvermeidlich. In der That wäre die Neutralität für Baden nur<lb/> dann möglich gewesen, wenn sich dazu auch die übrigen Mittelständen oder<lb/> wenigstens die süddeutschen Hütten entschließen können; aber die Besprechungen<lb/> in Augsburg (22. April) und Bamberg (14. Mai) verliefen auch in dieser<lb/> Beziehung ergebnislos; die Mittelstaaten schickten sich'an, für das elende<lb/> Bundesrecht, für ihre eigne ungeschmälerte Souveränität und für Österreichs<lb/> Oberherrschaft den Bürgerkrieg zu beginnen, und die verblendete öffentliche<lb/> Meinung, die stürmisch die Bundesreform gefordert hatte, als sie noch in<lb/> nebelhafter Ferne lag, stimmte ihnen eifrig zu. Sogar der badische Landtag<lb/> genehmigte am 28. Mai einstimmig die „für eine gemeinsame nationale Politik<lb/> der süddeutschen Staaten" geforderten Summen, ohne daß doch jemand zu<lb/> sagen gewußt hätte, worin deun eigentlich diese Politik bestehn sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2084" next="#ID_2085"> Großherzog Friedrich geriet also in eine geradezu verzweifelte Lage. Weder<lb/> seiner Minister noch seiner Stände noch seines von Mtrcmwntancn und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0414]
Großherzoz Friedrich von Baden als deutscher Staatsmann
belehren, aber in seinen patriotischen Bestrebungen nicht beirren. Er war des¬
halb grundsätzlich für die sogenannten Februarbedingungen, die Friedrich (VIII.)
kurzsichtig verwarf, denn er sah in ihnen eine Vorbereitung für das, was
ihm selbst als Kern jeder ernsthaften Bundesreform erschien, die Vereinigung
der diplomatischen und der militärischen Leitung ganz Deutschlands in einer
Hand; aber daß dieses Ziel auf friedlichem Wege erreicht werden könne, das
hoffte er jetzt nicht mehr. Auch Noggenbach verzweifelte daran; als der
Vertrag von Gastein im August 1865 den Konflikt nur noch notdürftig ver¬
hütet und die Ohnmacht der Mittelstaaten nochmals enthüllt hatte, nahm er
im Oktober 1865 seinen Abschied.
Welche Stellung sollte aber uun Baden einnehmen, wenn es zu einem
Wassergange kam? Mit Preußen zu gehn war schon wegen der geographischen
Lage kaum möglich und stieß auf die sich täglich verstärkende populäre Ab¬
neigung gegen die dortige „reaktionäre" Regierung, die allen Lieblingsmcinuugeu
und Wünschen des Liberalismus ins Gesicht schlug. Noch viel weniger meinte
der Großherzog sich an Osterreich anschließen zu können, obwohl Noggenbachs
Nachfolger Edelsheim, bisher Gesandter in Wien, diese Möglichkeit schon ins
Auge faßte. Auf die Triasplüne einzugehn, deren praktische Erfolglosigkeit
nunmehr vor Augen lag, hatte Friedrich von jeher verschmäht, und die
Möglichkeit, die militärische Leitung Süddeutschlands an Bayern zu über¬
tragen, die im Frühjahr 1866 unter den Kombinationen Bismarcks auftauchte,
machte ihn doppelt bedenklich. Als sich nun die Beziehungen der Großmächte
seit dem Mürz 1866 verschärften, Österreich sich den Mittelstaateu wieder
näherte und Preußen am 9. April seinen Antrag auf Berufung eines deutschen
Parlaments zur Beratung der Bundesreform einbrachte, den die Regierungen
mit Schrecken aufnahmen, die vollendete nationalpolitische Unfähigkeit des deut¬
schen Liberalismus mißtrauisch zurückwies und nur die zweite badische Kammer
warm begrüßte, so blieb nichts übrig als die bewaffnete Neutralität. Für
eine solche mit Vereinigung der badischen Division bei Rastatt trat der
Großherzog selbst entschieden ein, aber nur Mathy unterstützte ihn, die übrigen
Minister, Stahel, Lamcy und Edelsheim, hielten schon den Anschluß an Öster¬
reich für unvermeidlich. In der That wäre die Neutralität für Baden nur
dann möglich gewesen, wenn sich dazu auch die übrigen Mittelständen oder
wenigstens die süddeutschen Hütten entschließen können; aber die Besprechungen
in Augsburg (22. April) und Bamberg (14. Mai) verliefen auch in dieser
Beziehung ergebnislos; die Mittelstaaten schickten sich'an, für das elende
Bundesrecht, für ihre eigne ungeschmälerte Souveränität und für Österreichs
Oberherrschaft den Bürgerkrieg zu beginnen, und die verblendete öffentliche
Meinung, die stürmisch die Bundesreform gefordert hatte, als sie noch in
nebelhafter Ferne lag, stimmte ihnen eifrig zu. Sogar der badische Landtag
genehmigte am 28. Mai einstimmig die „für eine gemeinsame nationale Politik
der süddeutschen Staaten" geforderten Summen, ohne daß doch jemand zu
sagen gewußt hätte, worin deun eigentlich diese Politik bestehn sollte.
Großherzog Friedrich geriet also in eine geradezu verzweifelte Lage. Weder
seiner Minister noch seiner Stände noch seines von Mtrcmwntancn und
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