Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Doktor Duttmüller und sein Freund halten, wenn nicht die Thatsache von der beteiligten Person in unanfechtbarer Frau Duttmüller versetzte sich in die sittliche Entrüstung, die man bei der Louis las, wurde blaß vor Ärger, nagte an seiner Lippe und sah nicht gut Hätte ers uur schon vor zehn Jahren gethan! rief die Duttmüllern. Na Hinaus! schrie Louis Duttmüller. Nanu! antwortete der Alte, indem er sich auf einen Stuhl neben der Thür Hinaus, du Lump! Wat? rausschmeiszeu? Mich? Hier? Wo ick der Vater vont Janze bin? Nee, Wenn du dich nicht augenblicklich entfernst, so vergesse ich mich. Nee, giebts nich. Erst Asche. Und wenn ick nichts kriege, verklage ick Und ich werde es unter die Leute bringen, schrie die Duttmüllern, daß du Und ick werde unter die Leute bringen, daß du eine Karnallje bist und immer Louis, schmeiß deu Hund die Treppe hinunter. Ich, eine Karnallje? na warte, Louis griff nach der Hundepeitsche. Louis/es ist dem Vater! Alice hatte es mit dem Ausdruck des Entsetzens Und Louis redete mit seiner Frau kein freundliches Wort. Was hatte ihm Grenzboten It 1902 60
Doktor Duttmüller und sein Freund halten, wenn nicht die Thatsache von der beteiligten Person in unanfechtbarer Frau Duttmüller versetzte sich in die sittliche Entrüstung, die man bei der Louis las, wurde blaß vor Ärger, nagte an seiner Lippe und sah nicht gut Hätte ers uur schon vor zehn Jahren gethan! rief die Duttmüllern. Na Hinaus! schrie Louis Duttmüller. Nanu! antwortete der Alte, indem er sich auf einen Stuhl neben der Thür Hinaus, du Lump! Wat? rausschmeiszeu? Mich? Hier? Wo ick der Vater vont Janze bin? Nee, Wenn du dich nicht augenblicklich entfernst, so vergesse ich mich. Nee, giebts nich. Erst Asche. Und wenn ick nichts kriege, verklage ick Und ich werde es unter die Leute bringen, schrie die Duttmüllern, daß du Und ick werde unter die Leute bringen, daß du eine Karnallje bist und immer Louis, schmeiß deu Hund die Treppe hinunter. Ich, eine Karnallje? na warte, Louis griff nach der Hundepeitsche. Louis/es ist dem Vater! Alice hatte es mit dem Ausdruck des Entsetzens Und Louis redete mit seiner Frau kein freundliches Wort. Was hatte ihm Grenzboten It 1902 60
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Doktor Duttmüller und sein Freund
halten, wenn nicht die Thatsache von der beteiligten Person in unanfechtbarer
Weise bezeugt würde.
Frau Duttmüller versetzte sich in die sittliche Entrüstung, die man bei der
Lektüre solcher Schandthaten zu empfinde« verpflichtet ist. Darauf kam ihr die
unangenehme Empfindung, als sei sie selbst bei der Sache nicht unbeteiligt.
Darauf begann es furchtbar zu tage». Der brave Sohn war ja ihr Louis, und
der verleugnete, schnöde behandelte Ehrenmann war ja der Luribams, sein Vater!
Und das stand alles in der Zeitung und konnte von jedermann gelesen und ver¬
standen werden. Wo war Louis? Eben trat er ins Zimmer. — Louis, rief
die Duttmüllern im Eifer erhabnen Zorns und ohne zu bedenken, daß die Thür
zum Nebenzimmer offen stand, hier lies, was der Lump, dein Vater wieder an¬
gerichtet hat.
Louis las, wurde blaß vor Ärger, nagte an seiner Lippe und sah nicht gut
ans. — Hol der Teufel den Lump, sagte er.
Hätte ers uur schon vor zehn Jahren gethan! rief die Duttmüllern. Na
warte! Komm du mir nur unter die Finger! Erst davon gehn und nicht nach
Frau und Kind fragen, und dann wiederkommen als Vagabund und sich füttern
lassen und Lügen in die Zeitungen bringen, daß sie mit Fingern auf einen
weisen — da möchte einen ja der Schlag rühren! — Frau Duttmüller sah
wirklich ans, als wollte sie der Schlag rühren, und Louis ballte die Zeitung zu¬
sammen und sah in alle Winkel seines Zimmers, als suchte er den, dem er sie an
den Kopf werfen wollte. Da that sich die Thür auf, und herein schob sich Alois
Dnttmüller, schmutzig und betrunken wie immer.
Hinaus! schrie Louis Duttmüller.
Nanu! antwortete der Alte, indem er sich auf einen Stuhl neben der Thür
fallen ließ.
Hinaus, du Lump!
Wat? rausschmeiszeu? Mich? Hier? Wo ick der Vater vont Janze bin? Nee,
Louis, rausschmeiszen is nicht.
Wenn du dich nicht augenblicklich entfernst, so vergesse ich mich.
Nee, giebts nich. Erst Asche. Und wenn ick nichts kriege, verklage ick
dich bei Lautschen und bring et unter die Leute, was Ihr Burschcwa für Gold¬
sohne seid.
Und ich werde es unter die Leute bringen, schrie die Duttmüllern, daß du
Frau und Kind bei Nacht und Nebel verlassen hast und hast dich um gar nichts
gekümmert, bist nach zwanzig Jahren als Schnapsbruder wieder gekommen und
willst nun den Vater spielen.
Und ick werde unter die Leute bringen, daß du eine Karnallje bist und immer
eine gewesen bist, erwiderte der Alte.
Louis, schmeiß deu Hund die Treppe hinunter. Ich, eine Karnallje? na warte,
du Strömer.
Louis griff nach der Hundepeitsche.
Louis/es ist dem Vater! Alice hatte es mit dem Ausdruck des Entsetzens
gerufen. Sie stand in der Thür, leichenblaß, mit weit geöffneten Augen. Louis
s"h, wie sie halb ohnmächtig zusammen sinken wollte, warf die Peitsche weg, fing
Alice auf und führte sie hinnus. Die Ohnmacht wich bald, aber deu ganzen Tag
über blieb große Schwäche und Zittern zurück. Die alte Duttmüllern Pflegte ihre
Schwiegertochter, aber sie that es mit einer Miene, als wollte sie sagen: Das
will nun die Frau von meinem Louis sein und kann nicht einmal einen gerechten
ehelichen Zwist vertragen. Und klappt alle Nasen lang zusammen und kriegt Ohu-
wnchten und das Zittern. Ein komplettes Frauenzimmer ist die nicht. Du lieber
Gott, was sollte Louis anfangen, wenn er mich nicht hätte?
Und Louis redete mit seiner Frau kein freundliches Wort. Was hatte ihm
denn Alice gethan? Louis fühlte sich beschämt, und das giebt gewissen Geistern
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