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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Man wird -- und die Münchner Allgemeine Zeitung hat das in wohlwollendster
Weise gethan -- meine Absicht und meine Anschauung am besten verstehn, wenn
man davon ausgeht, daß ich mit Leib und Seele Deutscher bin, daß ich wirklich
erlebt und wahrgenommen habe, was ich erlebt und wahrgenommen zu haben
behaupte, und daß ich mich ohne die Absicht, irgend jemand zu lehrmeistern, aus
Vaterlandsliebe und heimatlicher Anhänglichkeit gefragt habe, wie wir Deutschen,
die wir doch ganz gutmütige Menschen und in unserm Innern gar nicht unbe¬
scheiden siud, dazu kommen, an vielen Orten so wenig beliebt zu sein; ich hatte
gesagt, mehr geachtet als geliebt zu sein, was doch im wesentlichen auch auf das
wenig beliebt sein hinauskommt. Wer den Artikel ohne vorcingenommne Absicht
gelesen hat, wird nicht den Eindruck gehabt habe", daß mich die in Frankreich ge¬
machten unerfreulichen Wahrnehmungen über Gebühr trostlos und nervös gemacht
hätten, und wenn meine Erklärung des Wahrgenvmmnen unvollständig oder ein¬
seitig sein sollte, so wäre ein solches Vorkommnis ans derartigen, Gebiet keine un¬
erhörte Seltenheit oder Ausnahme, und sie würde sich namentlich dadurch erkläre",
daß es mir weniger um eine erschöpfende Behandlung der Frage als um einige
Gesichtspunkte zu thun war, von denen aus ich nach meinem Dafürhalten die
Unterlassung der beabsichtigten Tour für das Klügere ansah.

Der von der Münchner Allgemeinen Zeitung gebrauchte Ausdruck Selbstkritik
bezeichnet das unbehagliche Gefühl, das mir gewisse deutsche Prcßerzeugnisse verur¬
sachen, ziemlich genau. Wenn ausländische Zeitungen einen ähnlichen Ton an¬
schlagen, so bin ich dafür weniger empfindlich, weil es nicht meine Landsleute sind
für die ich zwar nicht einzustehn habe, die mir aber doch weit mehr am Herzen
liegen als Fremde. Was die ausländische Presse sagt, läßt mich aus diesem Grunde,
ziemlich kalt: wenn nur alles, was in Deutschland gedruckt wird, korrekt, maßvoll
und darauf berechnet ist, nicht ohne Not anzustoßen. Streng genommen ist es
ja eine Ungerechtigkeit, einen solchen Unterschied zu macheu: aber beleidigen oder
verletzen kann er schon um des Motivs willen niemand. Wenn man sich hütet,
ohne Not anzustoßen, so braucht man deswegen noch vor niemand ins Mauseloch
zu kriechen: uur das bisweilen unnötig absprechende, unerfreuliche Motive unter¬
legende Urteil möchte ich vermieden sehen, nicht weil ich zum Richter oder zum
Lehrmeister irgend jemands berufen zu sein glaube, sondern weil Urteile der deutschen
Presse mein Gefühl oft in dem Sinne verletzt haben, daß ich dachte: was würden
wir Deutschen sage", wenn uns in Sachen, die nur uns etwas angehn, in ähn¬
licher Weise der Text gelesen würde. In dem Sinne habe ich aus Überzeugung
von einer in andern Ländern unerreichten Neid- und Giftpilzkultur gesprochen, eine
Redewendung, die ich nicht als eine unentbehrliche Trope ansehe, und die ich mit
Freuden fallen lasse, wenn nur das, was ich dabei gemeint habe, nicht übersehen
wird, nämlich daß ein Teil der deutschen Presse die Gewohnheit hat, nicht bloß
wie z. B. die dänische und die polnische über die Feinde des eignen Landes
oder der eignen Sache, sondern über jeden herzufallen, der ihr gerade in den Wurf
kommt. Keine Rücksicht der Klugheit oder des Wohlwollens vermag sie in solchen
Fällen abzuhalten, das Schlimmste zu argwöhnen und das Derbste, Unfreundlichste
zu sagen. Es ist mir vorgekommen -- und andre scheinen denselben Eindruck ge¬
habt zu habe" --, als wenn diese lehrmeisterliche Richtung für eiuen Teil der
deutschen Presse geradezu typisch wäre: selbstverständlich muß die Qualität der mir
täglich zu Gesicht kommenden, vielleicht nicht glücklich gewählten Blätter ans mein
Urteil einwirken und kann es möglichenfalls einseitig beeinflussen. Thatsache ist,
daß mir nichts ferner gelegen hat, als der deutschen Presse, zu der ich doch auch
gehöre, etwas Unverdientes anhängen zu wollen, und daß ich in gutem Glauben
gehandelt habe, wenn ich sagte, ein großer Teil der notorischen Unbeliebtheit des
deutschen Volks in vielen Ländern sei dem unfreundlichen Tone eines Teils seiner
Presse zuzuschreiben. Wenn ich hierbei meine innersten Gedanken aussprechen soll,
so war es der -- Kino no^s werimM --, daß man in Bezug auf unfreundliches


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Man wird — und die Münchner Allgemeine Zeitung hat das in wohlwollendster
Weise gethan — meine Absicht und meine Anschauung am besten verstehn, wenn
man davon ausgeht, daß ich mit Leib und Seele Deutscher bin, daß ich wirklich
erlebt und wahrgenommen habe, was ich erlebt und wahrgenommen zu haben
behaupte, und daß ich mich ohne die Absicht, irgend jemand zu lehrmeistern, aus
Vaterlandsliebe und heimatlicher Anhänglichkeit gefragt habe, wie wir Deutschen,
die wir doch ganz gutmütige Menschen und in unserm Innern gar nicht unbe¬
scheiden siud, dazu kommen, an vielen Orten so wenig beliebt zu sein; ich hatte
gesagt, mehr geachtet als geliebt zu sein, was doch im wesentlichen auch auf das
wenig beliebt sein hinauskommt. Wer den Artikel ohne vorcingenommne Absicht
gelesen hat, wird nicht den Eindruck gehabt habe», daß mich die in Frankreich ge¬
machten unerfreulichen Wahrnehmungen über Gebühr trostlos und nervös gemacht
hätten, und wenn meine Erklärung des Wahrgenvmmnen unvollständig oder ein¬
seitig sein sollte, so wäre ein solches Vorkommnis ans derartigen, Gebiet keine un¬
erhörte Seltenheit oder Ausnahme, und sie würde sich namentlich dadurch erkläre»,
daß es mir weniger um eine erschöpfende Behandlung der Frage als um einige
Gesichtspunkte zu thun war, von denen aus ich nach meinem Dafürhalten die
Unterlassung der beabsichtigten Tour für das Klügere ansah.

Der von der Münchner Allgemeinen Zeitung gebrauchte Ausdruck Selbstkritik
bezeichnet das unbehagliche Gefühl, das mir gewisse deutsche Prcßerzeugnisse verur¬
sachen, ziemlich genau. Wenn ausländische Zeitungen einen ähnlichen Ton an¬
schlagen, so bin ich dafür weniger empfindlich, weil es nicht meine Landsleute sind
für die ich zwar nicht einzustehn habe, die mir aber doch weit mehr am Herzen
liegen als Fremde. Was die ausländische Presse sagt, läßt mich aus diesem Grunde,
ziemlich kalt: wenn nur alles, was in Deutschland gedruckt wird, korrekt, maßvoll
und darauf berechnet ist, nicht ohne Not anzustoßen. Streng genommen ist es
ja eine Ungerechtigkeit, einen solchen Unterschied zu macheu: aber beleidigen oder
verletzen kann er schon um des Motivs willen niemand. Wenn man sich hütet,
ohne Not anzustoßen, so braucht man deswegen noch vor niemand ins Mauseloch
zu kriechen: uur das bisweilen unnötig absprechende, unerfreuliche Motive unter¬
legende Urteil möchte ich vermieden sehen, nicht weil ich zum Richter oder zum
Lehrmeister irgend jemands berufen zu sein glaube, sondern weil Urteile der deutschen
Presse mein Gefühl oft in dem Sinne verletzt haben, daß ich dachte: was würden
wir Deutschen sage», wenn uns in Sachen, die nur uns etwas angehn, in ähn¬
licher Weise der Text gelesen würde. In dem Sinne habe ich aus Überzeugung
von einer in andern Ländern unerreichten Neid- und Giftpilzkultur gesprochen, eine
Redewendung, die ich nicht als eine unentbehrliche Trope ansehe, und die ich mit
Freuden fallen lasse, wenn nur das, was ich dabei gemeint habe, nicht übersehen
wird, nämlich daß ein Teil der deutschen Presse die Gewohnheit hat, nicht bloß
wie z. B. die dänische und die polnische über die Feinde des eignen Landes
oder der eignen Sache, sondern über jeden herzufallen, der ihr gerade in den Wurf
kommt. Keine Rücksicht der Klugheit oder des Wohlwollens vermag sie in solchen
Fällen abzuhalten, das Schlimmste zu argwöhnen und das Derbste, Unfreundlichste
zu sagen. Es ist mir vorgekommen — und andre scheinen denselben Eindruck ge¬
habt zu habe« —, als wenn diese lehrmeisterliche Richtung für eiuen Teil der
deutschen Presse geradezu typisch wäre: selbstverständlich muß die Qualität der mir
täglich zu Gesicht kommenden, vielleicht nicht glücklich gewählten Blätter ans mein
Urteil einwirken und kann es möglichenfalls einseitig beeinflussen. Thatsache ist,
daß mir nichts ferner gelegen hat, als der deutschen Presse, zu der ich doch auch
gehöre, etwas Unverdientes anhängen zu wollen, und daß ich in gutem Glauben
gehandelt habe, wenn ich sagte, ein großer Teil der notorischen Unbeliebtheit des
deutschen Volks in vielen Ländern sei dem unfreundlichen Tone eines Teils seiner
Presse zuzuschreiben. Wenn ich hierbei meine innersten Gedanken aussprechen soll,
so war es der — Kino no^s werimM —, daß man in Bezug auf unfreundliches


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[0294] Maßgebliches und Unmaßgebliches Man wird — und die Münchner Allgemeine Zeitung hat das in wohlwollendster Weise gethan — meine Absicht und meine Anschauung am besten verstehn, wenn man davon ausgeht, daß ich mit Leib und Seele Deutscher bin, daß ich wirklich erlebt und wahrgenommen habe, was ich erlebt und wahrgenommen zu haben behaupte, und daß ich mich ohne die Absicht, irgend jemand zu lehrmeistern, aus Vaterlandsliebe und heimatlicher Anhänglichkeit gefragt habe, wie wir Deutschen, die wir doch ganz gutmütige Menschen und in unserm Innern gar nicht unbe¬ scheiden siud, dazu kommen, an vielen Orten so wenig beliebt zu sein; ich hatte gesagt, mehr geachtet als geliebt zu sein, was doch im wesentlichen auch auf das wenig beliebt sein hinauskommt. Wer den Artikel ohne vorcingenommne Absicht gelesen hat, wird nicht den Eindruck gehabt habe», daß mich die in Frankreich ge¬ machten unerfreulichen Wahrnehmungen über Gebühr trostlos und nervös gemacht hätten, und wenn meine Erklärung des Wahrgenvmmnen unvollständig oder ein¬ seitig sein sollte, so wäre ein solches Vorkommnis ans derartigen, Gebiet keine un¬ erhörte Seltenheit oder Ausnahme, und sie würde sich namentlich dadurch erkläre», daß es mir weniger um eine erschöpfende Behandlung der Frage als um einige Gesichtspunkte zu thun war, von denen aus ich nach meinem Dafürhalten die Unterlassung der beabsichtigten Tour für das Klügere ansah. Der von der Münchner Allgemeinen Zeitung gebrauchte Ausdruck Selbstkritik bezeichnet das unbehagliche Gefühl, das mir gewisse deutsche Prcßerzeugnisse verur¬ sachen, ziemlich genau. Wenn ausländische Zeitungen einen ähnlichen Ton an¬ schlagen, so bin ich dafür weniger empfindlich, weil es nicht meine Landsleute sind für die ich zwar nicht einzustehn habe, die mir aber doch weit mehr am Herzen liegen als Fremde. Was die ausländische Presse sagt, läßt mich aus diesem Grunde, ziemlich kalt: wenn nur alles, was in Deutschland gedruckt wird, korrekt, maßvoll und darauf berechnet ist, nicht ohne Not anzustoßen. Streng genommen ist es ja eine Ungerechtigkeit, einen solchen Unterschied zu macheu: aber beleidigen oder verletzen kann er schon um des Motivs willen niemand. Wenn man sich hütet, ohne Not anzustoßen, so braucht man deswegen noch vor niemand ins Mauseloch zu kriechen: uur das bisweilen unnötig absprechende, unerfreuliche Motive unter¬ legende Urteil möchte ich vermieden sehen, nicht weil ich zum Richter oder zum Lehrmeister irgend jemands berufen zu sein glaube, sondern weil Urteile der deutschen Presse mein Gefühl oft in dem Sinne verletzt haben, daß ich dachte: was würden wir Deutschen sage», wenn uns in Sachen, die nur uns etwas angehn, in ähn¬ licher Weise der Text gelesen würde. In dem Sinne habe ich aus Überzeugung von einer in andern Ländern unerreichten Neid- und Giftpilzkultur gesprochen, eine Redewendung, die ich nicht als eine unentbehrliche Trope ansehe, und die ich mit Freuden fallen lasse, wenn nur das, was ich dabei gemeint habe, nicht übersehen wird, nämlich daß ein Teil der deutschen Presse die Gewohnheit hat, nicht bloß wie z. B. die dänische und die polnische über die Feinde des eignen Landes oder der eignen Sache, sondern über jeden herzufallen, der ihr gerade in den Wurf kommt. Keine Rücksicht der Klugheit oder des Wohlwollens vermag sie in solchen Fällen abzuhalten, das Schlimmste zu argwöhnen und das Derbste, Unfreundlichste zu sagen. Es ist mir vorgekommen — und andre scheinen denselben Eindruck ge¬ habt zu habe« —, als wenn diese lehrmeisterliche Richtung für eiuen Teil der deutschen Presse geradezu typisch wäre: selbstverständlich muß die Qualität der mir täglich zu Gesicht kommenden, vielleicht nicht glücklich gewählten Blätter ans mein Urteil einwirken und kann es möglichenfalls einseitig beeinflussen. Thatsache ist, daß mir nichts ferner gelegen hat, als der deutschen Presse, zu der ich doch auch gehöre, etwas Unverdientes anhängen zu wollen, und daß ich in gutem Glauben gehandelt habe, wenn ich sagte, ein großer Teil der notorischen Unbeliebtheit des deutschen Volks in vielen Ländern sei dem unfreundlichen Tone eines Teils seiner Presse zuzuschreiben. Wenn ich hierbei meine innersten Gedanken aussprechen soll, so war es der — Kino no^s werimM —, daß man in Bezug auf unfreundliches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/294>, abgerufen am 22.07.2024.