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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

Da hörte man auf der Flur die Stimme von Larisch: Ho! ho! Doktor Salix!
Hiergeblieben! Man drückt sich nicht um die Ecke, wenn alte Freunde da sind.
Und bald darauf brachte er Doktor Duttmüller herein, der nur ungern folgte.
Doktor Duttmüller war vornehm geworden. Er liebte keine Volksversammlungen
und Volksbelustigungen; auch war er in Trinkangelegenheiten von jeher ein Stümper
gewesen. Als er Wandrer erblickte, ließ er sich einen Stuhl bringen und feste
sich ueben ihn.

Die alten Freunde hatten sich seit der Hochzeit nicht wieder gesehen und
schüttelten sich die Hände, und Duttmüller brachte etwas verlegen seinen Dank an,
daß ihm Wandrer am Hochzeitstage in der peinlichen Angelegenheit geholfen hatte.
Hat nichts zu sagen, erwiderte Wandrer, ich habe den Alten mit seinen eignen
Waffen geschlagen. Ich ließ ihn soviel trinken, als er wollte, da war er schnell
unschädlich. Nun aber, Louis, sieh zu, daß du ihn über die Grenze bringst. Der
macht dir sicher noch Not, und sein Pseudonym wird auch nicht lange vorhalten.

Doktor Duttmüller rieb sich die Nase und sah sehr unglücklich aus. In der
That, sagte er, eine fatale, fatale Lage. Man kann doch, fügte er hinzu, indem
er versuchte, einen Witz zu machen, nicht vorsichtig genug in der Wahl seiner
Eltern sein.

Über deine Mutter sage nichts, Louis, erwiderte Wandrer, der hast du viel
zu verdanken, aber dein Herr Vater freilich, mit dem kamist du keinen Staat machen
Immerhin ists dein Vater. Aber schaffe ihn fort.

Er will ja nicht! Er droht mit Skandal und weiß ganz genau, daß ich
Skandal fürchten muß. Mit Mühe und Not habe ich ihm bei euch eine kleine
Stelle verschafft, daß er nicht auf der Straße liegt. Aber ich fürchte selbst, es
wird nicht lange dauern.

Hierzu spielte die Musik im großen Saale: Du bist verrückt mein Kind, dn
mußt nach Berlin. Als sie geendet hatte, konnte sich der kleine Bolze nicht länger
halten. Trotz der Menschenmenge und dem bergmännischen Getöse erhob er sich
und klopfte mit dem Ende seines Bleistifts auf den Tisch. -- Meine Herren, begann
er, meine sehr werten Freunde und Sozietätsgenossen. Ich sehe mich im Kreise
hervorragender Mitglieder der Gesellschaft zur merkantilen Ausbeutung der toten
Asse -- und wer möchte einen solchen günstigen Augenblick vorübergehn lassen, ohne
an das Wohl dieser Gesellschaft zu denken --, ich sehe mich an demselben Tische,
an dem schon wiederholt wichtige Beschlüsse gefaßt worden sind, nnter demselben
Dache, das uns bei unsern geselligen Freuden beschützt hat. Meine Herren, es gilt
auch heute eiuen Beschluß von eminenter Bedeutung zu fassen. -- Der Herr Kantor
zog sein Notizbuch aus der Tasche und rückte heran, gespannte Aufmerksamkeit in
den Mienen. -- Meine Herren, fuhr Bolze fort, im ersten Buche Samuelis ist die
Rede von drei Pfeilen, die Jonathan verschoß.

O du nllbarmherziger Strohsack, rief Larisch, Bolze, Mensch, Leimsieder! wollen
Sie nicht lieber noch etwas aus der assyrischen Mythologie mitteilen?

Schweigen Sie, Larisch, erwiderte Bolze mit Haltung; Sie sind nicht im¬
stande, einen folgerecht ausgesponnenen Gedanken zu würdigen. Eine ähnliche
Bewandtnis, meine Herren, hat es mit dem Pfeil, den in der Äsopischen Fabel
der Herr Kantor malte in sein Notizbuch einen Pfeil -- ein Schütz verschießt.
Um nun diesen Verlornen Pfeil wiederzufinden, riskiert er einen zweiten Pfeil, den
er in der Richtung des ersten schießt, ein Gedanke, der neuerdings seine Verwendung
in dem Schauspiele: Der Probepfeil von -- von --

Von Sudermann, sagte der Herr Kantor.

Ach was -- Sudermann -- von -- von -- ich komme eben nicht darauf.

Mir wcirs aber besouders lieb, wenn Sie nun endlich auf ihren Hammel kommen
wollten, unterbrach ihn Larisch. Bolze ignorierte die Unterbrechung und fuhr fort:
In dieser Lage, meine Herren, befinden wir uns eben jetzt. Unser erster Pfeil ist
verschossen und -- wer möchte das nicht mit Betrübnis konstatieren -- vergeblich


Doktor Duttmüller und sein Freund

Da hörte man auf der Flur die Stimme von Larisch: Ho! ho! Doktor Salix!
Hiergeblieben! Man drückt sich nicht um die Ecke, wenn alte Freunde da sind.
Und bald darauf brachte er Doktor Duttmüller herein, der nur ungern folgte.
Doktor Duttmüller war vornehm geworden. Er liebte keine Volksversammlungen
und Volksbelustigungen; auch war er in Trinkangelegenheiten von jeher ein Stümper
gewesen. Als er Wandrer erblickte, ließ er sich einen Stuhl bringen und feste
sich ueben ihn.

Die alten Freunde hatten sich seit der Hochzeit nicht wieder gesehen und
schüttelten sich die Hände, und Duttmüller brachte etwas verlegen seinen Dank an,
daß ihm Wandrer am Hochzeitstage in der peinlichen Angelegenheit geholfen hatte.
Hat nichts zu sagen, erwiderte Wandrer, ich habe den Alten mit seinen eignen
Waffen geschlagen. Ich ließ ihn soviel trinken, als er wollte, da war er schnell
unschädlich. Nun aber, Louis, sieh zu, daß du ihn über die Grenze bringst. Der
macht dir sicher noch Not, und sein Pseudonym wird auch nicht lange vorhalten.

Doktor Duttmüller rieb sich die Nase und sah sehr unglücklich aus. In der
That, sagte er, eine fatale, fatale Lage. Man kann doch, fügte er hinzu, indem
er versuchte, einen Witz zu machen, nicht vorsichtig genug in der Wahl seiner
Eltern sein.

Über deine Mutter sage nichts, Louis, erwiderte Wandrer, der hast du viel
zu verdanken, aber dein Herr Vater freilich, mit dem kamist du keinen Staat machen
Immerhin ists dein Vater. Aber schaffe ihn fort.

Er will ja nicht! Er droht mit Skandal und weiß ganz genau, daß ich
Skandal fürchten muß. Mit Mühe und Not habe ich ihm bei euch eine kleine
Stelle verschafft, daß er nicht auf der Straße liegt. Aber ich fürchte selbst, es
wird nicht lange dauern.

Hierzu spielte die Musik im großen Saale: Du bist verrückt mein Kind, dn
mußt nach Berlin. Als sie geendet hatte, konnte sich der kleine Bolze nicht länger
halten. Trotz der Menschenmenge und dem bergmännischen Getöse erhob er sich
und klopfte mit dem Ende seines Bleistifts auf den Tisch. — Meine Herren, begann
er, meine sehr werten Freunde und Sozietätsgenossen. Ich sehe mich im Kreise
hervorragender Mitglieder der Gesellschaft zur merkantilen Ausbeutung der toten
Asse — und wer möchte einen solchen günstigen Augenblick vorübergehn lassen, ohne
an das Wohl dieser Gesellschaft zu denken —, ich sehe mich an demselben Tische,
an dem schon wiederholt wichtige Beschlüsse gefaßt worden sind, nnter demselben
Dache, das uns bei unsern geselligen Freuden beschützt hat. Meine Herren, es gilt
auch heute eiuen Beschluß von eminenter Bedeutung zu fassen. — Der Herr Kantor
zog sein Notizbuch aus der Tasche und rückte heran, gespannte Aufmerksamkeit in
den Mienen. — Meine Herren, fuhr Bolze fort, im ersten Buche Samuelis ist die
Rede von drei Pfeilen, die Jonathan verschoß.

O du nllbarmherziger Strohsack, rief Larisch, Bolze, Mensch, Leimsieder! wollen
Sie nicht lieber noch etwas aus der assyrischen Mythologie mitteilen?

Schweigen Sie, Larisch, erwiderte Bolze mit Haltung; Sie sind nicht im¬
stande, einen folgerecht ausgesponnenen Gedanken zu würdigen. Eine ähnliche
Bewandtnis, meine Herren, hat es mit dem Pfeil, den in der Äsopischen Fabel
der Herr Kantor malte in sein Notizbuch einen Pfeil — ein Schütz verschießt.
Um nun diesen Verlornen Pfeil wiederzufinden, riskiert er einen zweiten Pfeil, den
er in der Richtung des ersten schießt, ein Gedanke, der neuerdings seine Verwendung
in dem Schauspiele: Der Probepfeil von — von —

Von Sudermann, sagte der Herr Kantor.

Ach was — Sudermann — von — von — ich komme eben nicht darauf.

Mir wcirs aber besouders lieb, wenn Sie nun endlich auf ihren Hammel kommen
wollten, unterbrach ihn Larisch. Bolze ignorierte die Unterbrechung und fuhr fort:
In dieser Lage, meine Herren, befinden wir uns eben jetzt. Unser erster Pfeil ist
verschossen und — wer möchte das nicht mit Betrübnis konstatieren — vergeblich


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[0109] Doktor Duttmüller und sein Freund Da hörte man auf der Flur die Stimme von Larisch: Ho! ho! Doktor Salix! Hiergeblieben! Man drückt sich nicht um die Ecke, wenn alte Freunde da sind. Und bald darauf brachte er Doktor Duttmüller herein, der nur ungern folgte. Doktor Duttmüller war vornehm geworden. Er liebte keine Volksversammlungen und Volksbelustigungen; auch war er in Trinkangelegenheiten von jeher ein Stümper gewesen. Als er Wandrer erblickte, ließ er sich einen Stuhl bringen und feste sich ueben ihn. Die alten Freunde hatten sich seit der Hochzeit nicht wieder gesehen und schüttelten sich die Hände, und Duttmüller brachte etwas verlegen seinen Dank an, daß ihm Wandrer am Hochzeitstage in der peinlichen Angelegenheit geholfen hatte. Hat nichts zu sagen, erwiderte Wandrer, ich habe den Alten mit seinen eignen Waffen geschlagen. Ich ließ ihn soviel trinken, als er wollte, da war er schnell unschädlich. Nun aber, Louis, sieh zu, daß du ihn über die Grenze bringst. Der macht dir sicher noch Not, und sein Pseudonym wird auch nicht lange vorhalten. Doktor Duttmüller rieb sich die Nase und sah sehr unglücklich aus. In der That, sagte er, eine fatale, fatale Lage. Man kann doch, fügte er hinzu, indem er versuchte, einen Witz zu machen, nicht vorsichtig genug in der Wahl seiner Eltern sein. Über deine Mutter sage nichts, Louis, erwiderte Wandrer, der hast du viel zu verdanken, aber dein Herr Vater freilich, mit dem kamist du keinen Staat machen Immerhin ists dein Vater. Aber schaffe ihn fort. Er will ja nicht! Er droht mit Skandal und weiß ganz genau, daß ich Skandal fürchten muß. Mit Mühe und Not habe ich ihm bei euch eine kleine Stelle verschafft, daß er nicht auf der Straße liegt. Aber ich fürchte selbst, es wird nicht lange dauern. Hierzu spielte die Musik im großen Saale: Du bist verrückt mein Kind, dn mußt nach Berlin. Als sie geendet hatte, konnte sich der kleine Bolze nicht länger halten. Trotz der Menschenmenge und dem bergmännischen Getöse erhob er sich und klopfte mit dem Ende seines Bleistifts auf den Tisch. — Meine Herren, begann er, meine sehr werten Freunde und Sozietätsgenossen. Ich sehe mich im Kreise hervorragender Mitglieder der Gesellschaft zur merkantilen Ausbeutung der toten Asse — und wer möchte einen solchen günstigen Augenblick vorübergehn lassen, ohne an das Wohl dieser Gesellschaft zu denken —, ich sehe mich an demselben Tische, an dem schon wiederholt wichtige Beschlüsse gefaßt worden sind, nnter demselben Dache, das uns bei unsern geselligen Freuden beschützt hat. Meine Herren, es gilt auch heute eiuen Beschluß von eminenter Bedeutung zu fassen. — Der Herr Kantor zog sein Notizbuch aus der Tasche und rückte heran, gespannte Aufmerksamkeit in den Mienen. — Meine Herren, fuhr Bolze fort, im ersten Buche Samuelis ist die Rede von drei Pfeilen, die Jonathan verschoß. O du nllbarmherziger Strohsack, rief Larisch, Bolze, Mensch, Leimsieder! wollen Sie nicht lieber noch etwas aus der assyrischen Mythologie mitteilen? Schweigen Sie, Larisch, erwiderte Bolze mit Haltung; Sie sind nicht im¬ stande, einen folgerecht ausgesponnenen Gedanken zu würdigen. Eine ähnliche Bewandtnis, meine Herren, hat es mit dem Pfeil, den in der Äsopischen Fabel der Herr Kantor malte in sein Notizbuch einen Pfeil — ein Schütz verschießt. Um nun diesen Verlornen Pfeil wiederzufinden, riskiert er einen zweiten Pfeil, den er in der Richtung des ersten schießt, ein Gedanke, der neuerdings seine Verwendung in dem Schauspiele: Der Probepfeil von — von — Von Sudermann, sagte der Herr Kantor. Ach was — Sudermann — von — von — ich komme eben nicht darauf. Mir wcirs aber besouders lieb, wenn Sie nun endlich auf ihren Hammel kommen wollten, unterbrach ihn Larisch. Bolze ignorierte die Unterbrechung und fuhr fort: In dieser Lage, meine Herren, befinden wir uns eben jetzt. Unser erster Pfeil ist verschossen und — wer möchte das nicht mit Betrübnis konstatieren — vergeblich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/109>, abgerufen am 25.08.2024.