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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Die Schleppe

aufgezeichnet und veröffentlicht würde, kläglich gemig aufnehmen. Bei der gewöhn¬
lichen Wald- und Wiesenhofschleppe ist der Gedanke des reichen prächtigen Überkleids
im Laufe der Jahre verloren gegangen, und es giebt viel hundert, ja vielleicht
viel tausend Schleppen, die ihrem stattlichen Prototyp kaum mehr entsprechen als
der Mensch seinem göttlichen Urbilds.

Es giebt eine Zwischensorte von Galakleidung, die von vorsichtigen und in
die Zukunft schauenden Hausfrauen gern gewählt wird, und gegen die auch die
strengste Kritik nichts andres einwenden kann, als daß sie etwas eintönig ist und
der ursprünglichen Idee des reichen Überkleids nicht entspricht. Das sind die so¬
genannten All "vors. Man läßt sich, wenn man sich für den "II over entscheidet,
Kleiderleib, Rock und Schleppe aus demselben Stoffe machen, was für spätere
Variationen sehr praktisch ist, einem namentlich aber beim Schlußakt sehr zu statten
kommt, wenn Rock und Schleppe, nach langer Dienstzeit dunkelgrün oder dunkelrot
gefärbt, ihre reichen Metergehalte zu ein paar stattlichen -- Bettdecken vereinen.

Wir habe" bisher nur von der Blüte, dem Hub der Schleppen gesprochen;
es giebt unter ihnen aber auch problematische Existenzen, deren Hauptzüge man
kennen muß, wenn man sich von der Institution als Ganzem ein rechtes Bild
machen will. Auch in diesem Bilde fehlt es neben dein Lichte nicht an vielfältigem
Schatten.

In erster Reihe rangiert hier "meine Schleppe" dann, wenn es allen Freunden
und Verwandten bekannt ist, daß in dem betreffenden Falle diese notwendige deko¬
rative Ergänzung einer jeden bei Hof vorgestellten Dame nichts ist als eine --
Fiktion. "Meine Schleppe" hat in solchen Fällen sogar gewöhnlich eine Farbe,
nämlich die der toten Schleppe, wir waren im Begriff zu sagen der verblichnen,
während bei der Schleppe ein neues Avatar eintritt, das Aufgefärbte, Zerlegte
und Umgearbeitet sein. Pietät giebt es einer gewesenen Schleppe gegenüber nicht:
wenn man sie schwarz gefärbt als Kleid auf dem Leibe trägt, spricht man doch
"och geläufig von seiner rosa Schleppe, die man neu ausputzen lassen will. Es
ist für Freunde und Verwandte nicht Sitte, hier der Wahrheit mit rauher Hand
'ins den Grund zu gehn. Wenn wir sagen, nur haben eine rosa Schleppe, so ge¬
hört es zum guten Ton, daß uns das geglaubt wird, und daß niemand, wie der
ungläubige Thomas, sehen und fühlen will. Jedermann begreift anch leicht, daß
in den Regionen, wo dergleichen öfter vorkommt, Schleppen ans glattem und nicht
aus gemusterten Stoff hergestellt werden; das Muster könnte, wenn etwas auf¬
fällig, wie z. B. wenn es eine Löwenjagd oder eine Sauhatz vorstellte, leicht zum
Verräter werden. Die Eigentümerin einer fiktiven Schleppe schmückt den Hofkreis
nur in Fällen, wo die Damen nicht ein wimtöÄU erscheinen; in allen andern Fällen
hat sie chronisches Schleppenfieber.

Der fiktiven Schleppe kommt das sogenannte Handtuch am nächsten. Es gehört
zu der weitverbreiteten Kategorie der Schleppen, die dem Herkommen und jeder
künstlerischen Auffassung zuwider in Farbe und Stoff uicht zum Kleiderleibe passen
und nach Art von Schürzen, nnr vxxosit" "umgebunden" werden. Das "Hand¬
tuch" entspricht dem Buchstaben des Gesetzes, nicht dessen Geist; es kann -- solche
Fälle sollen dagewesen sein -- aus einer einzigen schmalen "Bahn" bestehn, und
es erinnert dann an die Damen der Höfe von Hampton Court, Aranjuez und
Ferrara, wie sie uus auf kleinen Provinzialbühnen vorgeführt werden. Das
"Handtuch" ist von beliebiger Farbe und hat, wie historische Karpfen, kein nachweis¬
liches Alter: es wird als Passierzeichen behandelt, und einige Exemplare davon
stehn in dem Rufe, schönere Tage als Vorhänge in bemittelten Häusern gesehen
zu haben.

Wer bei Hofe alles mitmachen will, Lust und Schmerz, muß ein buntes und
ein schwarzes "Handtuch" haben; aber die schwarze Gattung ist selten; der Hof
schwindet bei Gelegenheiten, wo das schwarze Handtuch die Signatur ist, zu einem
kleinen festen verhuzelten Kern zusammen, res act rriarios recule. Was mögen diese


Die Schleppe

aufgezeichnet und veröffentlicht würde, kläglich gemig aufnehmen. Bei der gewöhn¬
lichen Wald- und Wiesenhofschleppe ist der Gedanke des reichen prächtigen Überkleids
im Laufe der Jahre verloren gegangen, und es giebt viel hundert, ja vielleicht
viel tausend Schleppen, die ihrem stattlichen Prototyp kaum mehr entsprechen als
der Mensch seinem göttlichen Urbilds.

Es giebt eine Zwischensorte von Galakleidung, die von vorsichtigen und in
die Zukunft schauenden Hausfrauen gern gewählt wird, und gegen die auch die
strengste Kritik nichts andres einwenden kann, als daß sie etwas eintönig ist und
der ursprünglichen Idee des reichen Überkleids nicht entspricht. Das sind die so¬
genannten All «vors. Man läßt sich, wenn man sich für den »II over entscheidet,
Kleiderleib, Rock und Schleppe aus demselben Stoffe machen, was für spätere
Variationen sehr praktisch ist, einem namentlich aber beim Schlußakt sehr zu statten
kommt, wenn Rock und Schleppe, nach langer Dienstzeit dunkelgrün oder dunkelrot
gefärbt, ihre reichen Metergehalte zu ein paar stattlichen — Bettdecken vereinen.

Wir habe» bisher nur von der Blüte, dem Hub der Schleppen gesprochen;
es giebt unter ihnen aber auch problematische Existenzen, deren Hauptzüge man
kennen muß, wenn man sich von der Institution als Ganzem ein rechtes Bild
machen will. Auch in diesem Bilde fehlt es neben dein Lichte nicht an vielfältigem
Schatten.

In erster Reihe rangiert hier „meine Schleppe" dann, wenn es allen Freunden
und Verwandten bekannt ist, daß in dem betreffenden Falle diese notwendige deko¬
rative Ergänzung einer jeden bei Hof vorgestellten Dame nichts ist als eine —
Fiktion. „Meine Schleppe" hat in solchen Fällen sogar gewöhnlich eine Farbe,
nämlich die der toten Schleppe, wir waren im Begriff zu sagen der verblichnen,
während bei der Schleppe ein neues Avatar eintritt, das Aufgefärbte, Zerlegte
und Umgearbeitet sein. Pietät giebt es einer gewesenen Schleppe gegenüber nicht:
wenn man sie schwarz gefärbt als Kleid auf dem Leibe trägt, spricht man doch
»och geläufig von seiner rosa Schleppe, die man neu ausputzen lassen will. Es
ist für Freunde und Verwandte nicht Sitte, hier der Wahrheit mit rauher Hand
'ins den Grund zu gehn. Wenn wir sagen, nur haben eine rosa Schleppe, so ge¬
hört es zum guten Ton, daß uns das geglaubt wird, und daß niemand, wie der
ungläubige Thomas, sehen und fühlen will. Jedermann begreift anch leicht, daß
in den Regionen, wo dergleichen öfter vorkommt, Schleppen ans glattem und nicht
aus gemusterten Stoff hergestellt werden; das Muster könnte, wenn etwas auf¬
fällig, wie z. B. wenn es eine Löwenjagd oder eine Sauhatz vorstellte, leicht zum
Verräter werden. Die Eigentümerin einer fiktiven Schleppe schmückt den Hofkreis
nur in Fällen, wo die Damen nicht ein wimtöÄU erscheinen; in allen andern Fällen
hat sie chronisches Schleppenfieber.

Der fiktiven Schleppe kommt das sogenannte Handtuch am nächsten. Es gehört
zu der weitverbreiteten Kategorie der Schleppen, die dem Herkommen und jeder
künstlerischen Auffassung zuwider in Farbe und Stoff uicht zum Kleiderleibe passen
und nach Art von Schürzen, nnr vxxosit« „umgebunden" werden. Das „Hand¬
tuch" entspricht dem Buchstaben des Gesetzes, nicht dessen Geist; es kann — solche
Fälle sollen dagewesen sein — aus einer einzigen schmalen „Bahn" bestehn, und
es erinnert dann an die Damen der Höfe von Hampton Court, Aranjuez und
Ferrara, wie sie uus auf kleinen Provinzialbühnen vorgeführt werden. Das
„Handtuch" ist von beliebiger Farbe und hat, wie historische Karpfen, kein nachweis¬
liches Alter: es wird als Passierzeichen behandelt, und einige Exemplare davon
stehn in dem Rufe, schönere Tage als Vorhänge in bemittelten Häusern gesehen
zu haben.

Wer bei Hofe alles mitmachen will, Lust und Schmerz, muß ein buntes und
ein schwarzes „Handtuch" haben; aber die schwarze Gattung ist selten; der Hof
schwindet bei Gelegenheiten, wo das schwarze Handtuch die Signatur ist, zu einem
kleinen festen verhuzelten Kern zusammen, res act rriarios recule. Was mögen diese


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[0101] Die Schleppe aufgezeichnet und veröffentlicht würde, kläglich gemig aufnehmen. Bei der gewöhn¬ lichen Wald- und Wiesenhofschleppe ist der Gedanke des reichen prächtigen Überkleids im Laufe der Jahre verloren gegangen, und es giebt viel hundert, ja vielleicht viel tausend Schleppen, die ihrem stattlichen Prototyp kaum mehr entsprechen als der Mensch seinem göttlichen Urbilds. Es giebt eine Zwischensorte von Galakleidung, die von vorsichtigen und in die Zukunft schauenden Hausfrauen gern gewählt wird, und gegen die auch die strengste Kritik nichts andres einwenden kann, als daß sie etwas eintönig ist und der ursprünglichen Idee des reichen Überkleids nicht entspricht. Das sind die so¬ genannten All «vors. Man läßt sich, wenn man sich für den »II over entscheidet, Kleiderleib, Rock und Schleppe aus demselben Stoffe machen, was für spätere Variationen sehr praktisch ist, einem namentlich aber beim Schlußakt sehr zu statten kommt, wenn Rock und Schleppe, nach langer Dienstzeit dunkelgrün oder dunkelrot gefärbt, ihre reichen Metergehalte zu ein paar stattlichen — Bettdecken vereinen. Wir habe» bisher nur von der Blüte, dem Hub der Schleppen gesprochen; es giebt unter ihnen aber auch problematische Existenzen, deren Hauptzüge man kennen muß, wenn man sich von der Institution als Ganzem ein rechtes Bild machen will. Auch in diesem Bilde fehlt es neben dein Lichte nicht an vielfältigem Schatten. In erster Reihe rangiert hier „meine Schleppe" dann, wenn es allen Freunden und Verwandten bekannt ist, daß in dem betreffenden Falle diese notwendige deko¬ rative Ergänzung einer jeden bei Hof vorgestellten Dame nichts ist als eine — Fiktion. „Meine Schleppe" hat in solchen Fällen sogar gewöhnlich eine Farbe, nämlich die der toten Schleppe, wir waren im Begriff zu sagen der verblichnen, während bei der Schleppe ein neues Avatar eintritt, das Aufgefärbte, Zerlegte und Umgearbeitet sein. Pietät giebt es einer gewesenen Schleppe gegenüber nicht: wenn man sie schwarz gefärbt als Kleid auf dem Leibe trägt, spricht man doch »och geläufig von seiner rosa Schleppe, die man neu ausputzen lassen will. Es ist für Freunde und Verwandte nicht Sitte, hier der Wahrheit mit rauher Hand 'ins den Grund zu gehn. Wenn wir sagen, nur haben eine rosa Schleppe, so ge¬ hört es zum guten Ton, daß uns das geglaubt wird, und daß niemand, wie der ungläubige Thomas, sehen und fühlen will. Jedermann begreift anch leicht, daß in den Regionen, wo dergleichen öfter vorkommt, Schleppen ans glattem und nicht aus gemusterten Stoff hergestellt werden; das Muster könnte, wenn etwas auf¬ fällig, wie z. B. wenn es eine Löwenjagd oder eine Sauhatz vorstellte, leicht zum Verräter werden. Die Eigentümerin einer fiktiven Schleppe schmückt den Hofkreis nur in Fällen, wo die Damen nicht ein wimtöÄU erscheinen; in allen andern Fällen hat sie chronisches Schleppenfieber. Der fiktiven Schleppe kommt das sogenannte Handtuch am nächsten. Es gehört zu der weitverbreiteten Kategorie der Schleppen, die dem Herkommen und jeder künstlerischen Auffassung zuwider in Farbe und Stoff uicht zum Kleiderleibe passen und nach Art von Schürzen, nnr vxxosit« „umgebunden" werden. Das „Hand¬ tuch" entspricht dem Buchstaben des Gesetzes, nicht dessen Geist; es kann — solche Fälle sollen dagewesen sein — aus einer einzigen schmalen „Bahn" bestehn, und es erinnert dann an die Damen der Höfe von Hampton Court, Aranjuez und Ferrara, wie sie uus auf kleinen Provinzialbühnen vorgeführt werden. Das „Handtuch" ist von beliebiger Farbe und hat, wie historische Karpfen, kein nachweis¬ liches Alter: es wird als Passierzeichen behandelt, und einige Exemplare davon stehn in dem Rufe, schönere Tage als Vorhänge in bemittelten Häusern gesehen zu haben. Wer bei Hofe alles mitmachen will, Lust und Schmerz, muß ein buntes und ein schwarzes „Handtuch" haben; aber die schwarze Gattung ist selten; der Hof schwindet bei Gelegenheiten, wo das schwarze Handtuch die Signatur ist, zu einem kleinen festen verhuzelten Kern zusammen, res act rriarios recule. Was mögen diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/101>, abgerufen am 23.07.2024.