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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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die ganze Nation hin gleichmäßig ist, so ist ihr Vorhandensein doch bei keinem
Franzosen von vornherein als ausgeschlossen zu betrachten.

Die Gegensätze der Herkunft werden ausgeglichen durch Vlutmischung.
Sobald diese geschehn ist, kann von einheitlicher Herkunft keine Rede mehr
sein, denn ihre Produkte stehn von vornherein der einen Nation so nahe wie
der andern. Welcher von beiden Nationen sie sich endgiltig zuwenden werden,
hängt von Umständen ab, die erst später erörtert werden können. Ans jeden
Fall ist die Herkunft ebenso wie die Sprache ein Merkmal nationaler Zu¬
gehörigkeit, das der Wandlung sähig ist. Durch fortgesetzte Blutmischung
kann die ursprüngliche Herkunft bis zur Bedeutung einer vielleicht mich bald
verloren gehenden Familienerinnerung abgeschwächt werden, wo sie dann einer
neuen Herkunftsbestimmung Platz macht, die sich nach dein überwiegenden
Blute richtet. Schon die Nachkommen der nach Deutschland eiugewnnderten
Hugenotten sind in diesem Sinne weit mehr deutscher als französischer
Herkunft.

Wenn dergestalt durch Blutmischung Verschiedenheiten der Abkunft aus¬
geglichen werden können, so bleiben auf der andern Seite diese Verschieden¬
heiten und Gegensätze von Bestand, wo eine Blutmischung nicht geschieht. Die
nun schon weit länger als tausend Jahre über die Länder Europas zerstreuten
Juden haben zwar allerorten durch das lange Zusammenwohnen die Sprache
der jeweils herrschenden europäischen Nation angenommen; aber eine Blut¬
mischung mit dieser ist uur in Ausnahmefällen geschehn. Der Gegensatz der
Abkunft ist darum noch heute so handgreiflich, daß er meist schon in der
äußern Erscheinung auf deu ersten Blick in die Augen fällt. Und sogar in
Familien, in denen schon mehrere Generntionen hintereinander Blutmischung
mit Ariern vorgekommen ist, treten nicht selten urplötzlich atavistische Rück¬
bildungen ein, in denen der schon nahezu verschwundne semitische Thpns
wieder mit allen seinen charakteristischen Zügen deutlich erscheint.

Solche Beobachtungen lassen sich in so auffallender Form natürlich uur
da machen, wo el" weit auseinanderklaffender Unterschied der Abkunft im
Spiel ist. Die verschiednen Völker Europas haben sich im Laufe vieler Jahr¬
hunderte durch eine im wesentlichen gemeinsame Kulturentwicklung, dnrch eine
in der Steigerung des Handels und des Verkehrs immer stärkere gegen¬
seitige Berührung einander so weit genähert, daß nnter ihnen, abgesehen von
der im Staatsleben beruhenden geschichtlichen Überlieferung, fast allein noch
die Sprache als das Trennende empfunden wird. Schon von deu ältesten
Zeiten her haben sich die ganz stammfremdeu Etrusker und Ligurer von den
benachbarten Ariern Italiens und Südfrnnkreichs assimilieren lassen, sodaß sie
heute mit diesen trotz des schärfsten Gegensatzes der Herkunft eine völlig
homogene Masse bilden. Sämtliche europäische Nationen, einschließlich der
tnrttatarischen Finnen und Magyaren, stehn uns heute so nahe, daß Ab¬
kömmlinge von ihnen allen schon nach verhältnismäßig kurzer Blutmischung
zu Angehörigen unsrer Nation werden können, deren fremden Ursprung
niemand ahnen würde, wenn nicht die fremdartigen Familiennamen ihn ver¬
rieten.


ZratioiialNätslÄmpfi:

die ganze Nation hin gleichmäßig ist, so ist ihr Vorhandensein doch bei keinem
Franzosen von vornherein als ausgeschlossen zu betrachten.

Die Gegensätze der Herkunft werden ausgeglichen durch Vlutmischung.
Sobald diese geschehn ist, kann von einheitlicher Herkunft keine Rede mehr
sein, denn ihre Produkte stehn von vornherein der einen Nation so nahe wie
der andern. Welcher von beiden Nationen sie sich endgiltig zuwenden werden,
hängt von Umständen ab, die erst später erörtert werden können. Ans jeden
Fall ist die Herkunft ebenso wie die Sprache ein Merkmal nationaler Zu¬
gehörigkeit, das der Wandlung sähig ist. Durch fortgesetzte Blutmischung
kann die ursprüngliche Herkunft bis zur Bedeutung einer vielleicht mich bald
verloren gehenden Familienerinnerung abgeschwächt werden, wo sie dann einer
neuen Herkunftsbestimmung Platz macht, die sich nach dein überwiegenden
Blute richtet. Schon die Nachkommen der nach Deutschland eiugewnnderten
Hugenotten sind in diesem Sinne weit mehr deutscher als französischer
Herkunft.

Wenn dergestalt durch Blutmischung Verschiedenheiten der Abkunft aus¬
geglichen werden können, so bleiben auf der andern Seite diese Verschieden¬
heiten und Gegensätze von Bestand, wo eine Blutmischung nicht geschieht. Die
nun schon weit länger als tausend Jahre über die Länder Europas zerstreuten
Juden haben zwar allerorten durch das lange Zusammenwohnen die Sprache
der jeweils herrschenden europäischen Nation angenommen; aber eine Blut¬
mischung mit dieser ist uur in Ausnahmefällen geschehn. Der Gegensatz der
Abkunft ist darum noch heute so handgreiflich, daß er meist schon in der
äußern Erscheinung auf deu ersten Blick in die Augen fällt. Und sogar in
Familien, in denen schon mehrere Generntionen hintereinander Blutmischung
mit Ariern vorgekommen ist, treten nicht selten urplötzlich atavistische Rück¬
bildungen ein, in denen der schon nahezu verschwundne semitische Thpns
wieder mit allen seinen charakteristischen Zügen deutlich erscheint.

Solche Beobachtungen lassen sich in so auffallender Form natürlich uur
da machen, wo el» weit auseinanderklaffender Unterschied der Abkunft im
Spiel ist. Die verschiednen Völker Europas haben sich im Laufe vieler Jahr¬
hunderte durch eine im wesentlichen gemeinsame Kulturentwicklung, dnrch eine
in der Steigerung des Handels und des Verkehrs immer stärkere gegen¬
seitige Berührung einander so weit genähert, daß nnter ihnen, abgesehen von
der im Staatsleben beruhenden geschichtlichen Überlieferung, fast allein noch
die Sprache als das Trennende empfunden wird. Schon von deu ältesten
Zeiten her haben sich die ganz stammfremdeu Etrusker und Ligurer von den
benachbarten Ariern Italiens und Südfrnnkreichs assimilieren lassen, sodaß sie
heute mit diesen trotz des schärfsten Gegensatzes der Herkunft eine völlig
homogene Masse bilden. Sämtliche europäische Nationen, einschließlich der
tnrttatarischen Finnen und Magyaren, stehn uns heute so nahe, daß Ab¬
kömmlinge von ihnen allen schon nach verhältnismäßig kurzer Blutmischung
zu Angehörigen unsrer Nation werden können, deren fremden Ursprung
niemand ahnen würde, wenn nicht die fremdartigen Familiennamen ihn ver¬
rieten.


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[0068] ZratioiialNätslÄmpfi: die ganze Nation hin gleichmäßig ist, so ist ihr Vorhandensein doch bei keinem Franzosen von vornherein als ausgeschlossen zu betrachten. Die Gegensätze der Herkunft werden ausgeglichen durch Vlutmischung. Sobald diese geschehn ist, kann von einheitlicher Herkunft keine Rede mehr sein, denn ihre Produkte stehn von vornherein der einen Nation so nahe wie der andern. Welcher von beiden Nationen sie sich endgiltig zuwenden werden, hängt von Umständen ab, die erst später erörtert werden können. Ans jeden Fall ist die Herkunft ebenso wie die Sprache ein Merkmal nationaler Zu¬ gehörigkeit, das der Wandlung sähig ist. Durch fortgesetzte Blutmischung kann die ursprüngliche Herkunft bis zur Bedeutung einer vielleicht mich bald verloren gehenden Familienerinnerung abgeschwächt werden, wo sie dann einer neuen Herkunftsbestimmung Platz macht, die sich nach dein überwiegenden Blute richtet. Schon die Nachkommen der nach Deutschland eiugewnnderten Hugenotten sind in diesem Sinne weit mehr deutscher als französischer Herkunft. Wenn dergestalt durch Blutmischung Verschiedenheiten der Abkunft aus¬ geglichen werden können, so bleiben auf der andern Seite diese Verschieden¬ heiten und Gegensätze von Bestand, wo eine Blutmischung nicht geschieht. Die nun schon weit länger als tausend Jahre über die Länder Europas zerstreuten Juden haben zwar allerorten durch das lange Zusammenwohnen die Sprache der jeweils herrschenden europäischen Nation angenommen; aber eine Blut¬ mischung mit dieser ist uur in Ausnahmefällen geschehn. Der Gegensatz der Abkunft ist darum noch heute so handgreiflich, daß er meist schon in der äußern Erscheinung auf deu ersten Blick in die Augen fällt. Und sogar in Familien, in denen schon mehrere Generntionen hintereinander Blutmischung mit Ariern vorgekommen ist, treten nicht selten urplötzlich atavistische Rück¬ bildungen ein, in denen der schon nahezu verschwundne semitische Thpns wieder mit allen seinen charakteristischen Zügen deutlich erscheint. Solche Beobachtungen lassen sich in so auffallender Form natürlich uur da machen, wo el» weit auseinanderklaffender Unterschied der Abkunft im Spiel ist. Die verschiednen Völker Europas haben sich im Laufe vieler Jahr¬ hunderte durch eine im wesentlichen gemeinsame Kulturentwicklung, dnrch eine in der Steigerung des Handels und des Verkehrs immer stärkere gegen¬ seitige Berührung einander so weit genähert, daß nnter ihnen, abgesehen von der im Staatsleben beruhenden geschichtlichen Überlieferung, fast allein noch die Sprache als das Trennende empfunden wird. Schon von deu ältesten Zeiten her haben sich die ganz stammfremdeu Etrusker und Ligurer von den benachbarten Ariern Italiens und Südfrnnkreichs assimilieren lassen, sodaß sie heute mit diesen trotz des schärfsten Gegensatzes der Herkunft eine völlig homogene Masse bilden. Sämtliche europäische Nationen, einschließlich der tnrttatarischen Finnen und Magyaren, stehn uns heute so nahe, daß Ab¬ kömmlinge von ihnen allen schon nach verhältnismäßig kurzer Blutmischung zu Angehörigen unsrer Nation werden können, deren fremden Ursprung niemand ahnen würde, wenn nicht die fremdartigen Familiennamen ihn ver¬ rieten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/68>, abgerufen am 28.09.2024.