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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Nationalitätskäinpfe

der mit aller Entschiedenheit als Träger des in ihm verkörperten nationalen
Gedankens auftritt und ohne nutzloses Liebeswerben den sich auf seinem Boden
regenden zentrifugalen Bestrebungen fremder Volksbestandteile mit planmäßiger
Bekämpfung der fremden Nationalität selber begegnet. So wird er sich bei
seinen fremden Unterthanen doch wenigstens die Achtung erzwingen, die man
einem mannhaften Gegner nicht zu versagen pflegt; während der Staat, der
solchen Bestrebungen mit schwächlich schwankender Haltung gegenübertritt, neben
der längst Verlornen und dadurch sicherlich nicht wiederzugewinnende,! Liebe
und Anhänglichkeit auch noch die Achtung der fremden Bevölkern" gsteile ver¬
scherzt und tiefe berechtigte Unzufriedenheit in der eignen -- sagen wir Staats¬
nation erregt.

Wo nun, wie in den östlichen Provinzen Preußens, die sich immer un¬
zweideutiger und kräftiger äußernde staatsfeindliche Gesinnung der Polen noch
besonders an Gefährlichkeit gewinnt durch die fortschreitende Ausbreitung dieses
Volkstums über bis dahin deutsche Gebietsteile, sie als Bestandteile des wieder
zu errichtenden polnischen Nationalstaats beanspruchend, da sollte man meinen,
die Haltung der Regierung sei ein für allemal vorgezeichnet; jedes Schwanken
sei ausgeschlossen bis zum Erreichen des Zieles, das allein hierin Wandel
schaffen kann, der Überwindung des Polentums. Wie in Wirklichkeit die
Haltung der preußischen Stnatsregierung der polnischen Gefahr gegenüber
bisher beschaffen gewesen ist, brauche ich hier nicht auszuführen. Sie ist hin¬
reichend bekannt in ihrer beklagenswerten Art, an der das Schwanken das
einzige Beständige war. Noch vor wenig Jahren haben wir wieder eine Er¬
neuerung des vergeblichen Bemühens erleben müssen, die Polen durch Ent¬
gegenkommen auf den unwiederbringlich Verlornen Boden preußischer oder gar
deutscher Staatsgesinunng zurückzuführen. Das Deutschtum unsrer Ostmarken
leidet heute und wer weiß wie lange noch uuter den Folgen dieser unglück¬
seligen Experimente. Möchte es dem neusten und hoffentlich letzten Umschwung
unsrer Negierungspolitik, der sich durch die Rede des Ministerpräsidenten
Grafen Bülow vom 13. Januar 1902 im preußischen Abgeordnetenhause an¬
gekündigt hat, beschieden sein, diese verderblichen Folgen einzudämmen. Das
wird gelingen, wenn man jetzt vom Herumdoktern an einzelnen Symptomen
übergeht zum Angreifer des Übels an der Wurzel durch ein Zusammenwirken
aller in Betracht kommenden Behörden mit der gesammelten Kraft des deutschen
Volks. Dies zu hoffen berechtigen die markigen Worte des Kanzlers. Und
auch in unserm Volke bricht sich immer mehr die Überzeugung Bahn, daß dein
Polentum gegenüber nicht mehr Versöhnung, sondern nur noch Kampf und
Sieg unsre Losung sein darf.

Wenn der erhöhte Schutzzoll und sonstige zu Gunsten der Landwirtschaft
ergriffne und zu ergreifende Maßregeln natürlich auch dem preußischen Polen-
tume zu gute kommen werden, so werden sie doch andrerseits den bedenklich
gelockerten Zusammenhang unsrer ländlichen Bevölkerung mit der heimischen
Scholle wieder befestigen, das im Schwinden begriffne Heimatsgefühl wieder
neu beleben, den Zug nach Westen und in die großen Städte eindämmen helfen.
Die so herbeigeführte Stärkung des deutschen Gegengewichts gegen das Über-


Nationalitätskäinpfe

der mit aller Entschiedenheit als Träger des in ihm verkörperten nationalen
Gedankens auftritt und ohne nutzloses Liebeswerben den sich auf seinem Boden
regenden zentrifugalen Bestrebungen fremder Volksbestandteile mit planmäßiger
Bekämpfung der fremden Nationalität selber begegnet. So wird er sich bei
seinen fremden Unterthanen doch wenigstens die Achtung erzwingen, die man
einem mannhaften Gegner nicht zu versagen pflegt; während der Staat, der
solchen Bestrebungen mit schwächlich schwankender Haltung gegenübertritt, neben
der längst Verlornen und dadurch sicherlich nicht wiederzugewinnende,! Liebe
und Anhänglichkeit auch noch die Achtung der fremden Bevölkern» gsteile ver¬
scherzt und tiefe berechtigte Unzufriedenheit in der eignen — sagen wir Staats¬
nation erregt.

Wo nun, wie in den östlichen Provinzen Preußens, die sich immer un¬
zweideutiger und kräftiger äußernde staatsfeindliche Gesinnung der Polen noch
besonders an Gefährlichkeit gewinnt durch die fortschreitende Ausbreitung dieses
Volkstums über bis dahin deutsche Gebietsteile, sie als Bestandteile des wieder
zu errichtenden polnischen Nationalstaats beanspruchend, da sollte man meinen,
die Haltung der Regierung sei ein für allemal vorgezeichnet; jedes Schwanken
sei ausgeschlossen bis zum Erreichen des Zieles, das allein hierin Wandel
schaffen kann, der Überwindung des Polentums. Wie in Wirklichkeit die
Haltung der preußischen Stnatsregierung der polnischen Gefahr gegenüber
bisher beschaffen gewesen ist, brauche ich hier nicht auszuführen. Sie ist hin¬
reichend bekannt in ihrer beklagenswerten Art, an der das Schwanken das
einzige Beständige war. Noch vor wenig Jahren haben wir wieder eine Er¬
neuerung des vergeblichen Bemühens erleben müssen, die Polen durch Ent¬
gegenkommen auf den unwiederbringlich Verlornen Boden preußischer oder gar
deutscher Staatsgesinunng zurückzuführen. Das Deutschtum unsrer Ostmarken
leidet heute und wer weiß wie lange noch uuter den Folgen dieser unglück¬
seligen Experimente. Möchte es dem neusten und hoffentlich letzten Umschwung
unsrer Negierungspolitik, der sich durch die Rede des Ministerpräsidenten
Grafen Bülow vom 13. Januar 1902 im preußischen Abgeordnetenhause an¬
gekündigt hat, beschieden sein, diese verderblichen Folgen einzudämmen. Das
wird gelingen, wenn man jetzt vom Herumdoktern an einzelnen Symptomen
übergeht zum Angreifer des Übels an der Wurzel durch ein Zusammenwirken
aller in Betracht kommenden Behörden mit der gesammelten Kraft des deutschen
Volks. Dies zu hoffen berechtigen die markigen Worte des Kanzlers. Und
auch in unserm Volke bricht sich immer mehr die Überzeugung Bahn, daß dein
Polentum gegenüber nicht mehr Versöhnung, sondern nur noch Kampf und
Sieg unsre Losung sein darf.

Wenn der erhöhte Schutzzoll und sonstige zu Gunsten der Landwirtschaft
ergriffne und zu ergreifende Maßregeln natürlich auch dem preußischen Polen-
tume zu gute kommen werden, so werden sie doch andrerseits den bedenklich
gelockerten Zusammenhang unsrer ländlichen Bevölkerung mit der heimischen
Scholle wieder befestigen, das im Schwinden begriffne Heimatsgefühl wieder
neu beleben, den Zug nach Westen und in die großen Städte eindämmen helfen.
Die so herbeigeführte Stärkung des deutschen Gegengewichts gegen das Über-


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[0652] Nationalitätskäinpfe der mit aller Entschiedenheit als Träger des in ihm verkörperten nationalen Gedankens auftritt und ohne nutzloses Liebeswerben den sich auf seinem Boden regenden zentrifugalen Bestrebungen fremder Volksbestandteile mit planmäßiger Bekämpfung der fremden Nationalität selber begegnet. So wird er sich bei seinen fremden Unterthanen doch wenigstens die Achtung erzwingen, die man einem mannhaften Gegner nicht zu versagen pflegt; während der Staat, der solchen Bestrebungen mit schwächlich schwankender Haltung gegenübertritt, neben der längst Verlornen und dadurch sicherlich nicht wiederzugewinnende,! Liebe und Anhänglichkeit auch noch die Achtung der fremden Bevölkern» gsteile ver¬ scherzt und tiefe berechtigte Unzufriedenheit in der eignen — sagen wir Staats¬ nation erregt. Wo nun, wie in den östlichen Provinzen Preußens, die sich immer un¬ zweideutiger und kräftiger äußernde staatsfeindliche Gesinnung der Polen noch besonders an Gefährlichkeit gewinnt durch die fortschreitende Ausbreitung dieses Volkstums über bis dahin deutsche Gebietsteile, sie als Bestandteile des wieder zu errichtenden polnischen Nationalstaats beanspruchend, da sollte man meinen, die Haltung der Regierung sei ein für allemal vorgezeichnet; jedes Schwanken sei ausgeschlossen bis zum Erreichen des Zieles, das allein hierin Wandel schaffen kann, der Überwindung des Polentums. Wie in Wirklichkeit die Haltung der preußischen Stnatsregierung der polnischen Gefahr gegenüber bisher beschaffen gewesen ist, brauche ich hier nicht auszuführen. Sie ist hin¬ reichend bekannt in ihrer beklagenswerten Art, an der das Schwanken das einzige Beständige war. Noch vor wenig Jahren haben wir wieder eine Er¬ neuerung des vergeblichen Bemühens erleben müssen, die Polen durch Ent¬ gegenkommen auf den unwiederbringlich Verlornen Boden preußischer oder gar deutscher Staatsgesinunng zurückzuführen. Das Deutschtum unsrer Ostmarken leidet heute und wer weiß wie lange noch uuter den Folgen dieser unglück¬ seligen Experimente. Möchte es dem neusten und hoffentlich letzten Umschwung unsrer Negierungspolitik, der sich durch die Rede des Ministerpräsidenten Grafen Bülow vom 13. Januar 1902 im preußischen Abgeordnetenhause an¬ gekündigt hat, beschieden sein, diese verderblichen Folgen einzudämmen. Das wird gelingen, wenn man jetzt vom Herumdoktern an einzelnen Symptomen übergeht zum Angreifer des Übels an der Wurzel durch ein Zusammenwirken aller in Betracht kommenden Behörden mit der gesammelten Kraft des deutschen Volks. Dies zu hoffen berechtigen die markigen Worte des Kanzlers. Und auch in unserm Volke bricht sich immer mehr die Überzeugung Bahn, daß dein Polentum gegenüber nicht mehr Versöhnung, sondern nur noch Kampf und Sieg unsre Losung sein darf. Wenn der erhöhte Schutzzoll und sonstige zu Gunsten der Landwirtschaft ergriffne und zu ergreifende Maßregeln natürlich auch dem preußischen Polen- tume zu gute kommen werden, so werden sie doch andrerseits den bedenklich gelockerten Zusammenhang unsrer ländlichen Bevölkerung mit der heimischen Scholle wieder befestigen, das im Schwinden begriffne Heimatsgefühl wieder neu beleben, den Zug nach Westen und in die großen Städte eindämmen helfen. Die so herbeigeführte Stärkung des deutschen Gegengewichts gegen das Über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/652>, abgerufen am 06.02.2025.