Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Doktor Duttmüller und sein Freund

einiges Geld erspart und eine kleine Erbschaft gemacht hatte, hatte er das Hand¬
werk aufgegeben. An seine frühere Thätigkeit erinnerte noch jetzt manches. Erstens,
daß seine Haut nie ganz rein wurde und seine Haare aussahen wie mit Pech
pomadisiert, und dann, daß die Pfosten im Erker, der Lehnstuhl und der Glocken¬
strang mit einer schwarzen Kruste überzogen waren, endlich, daß ein Bündel
Papiermaße und die Schusterkugelu noch immer an der Wand hingen. Meister Ölmann
hatte schon von jeher ein beschauliches Gemüt gehabt, das den großen Lebens¬
problemen zugeneigt war, seit er aber die Schufterei aufgegeben hatte, wandte
er sich mit allem Ernste, sozusagen berufsmäßig, der Philosophie zu. Ein Philosoph,
der etwas auf sich hält, kommt natürlich nicht ohne eine eigne Weltanschauung und
ohne ein eignes System aus. Ölmann wußte, was er sich schuldig war, und so erklärte
er alle verborgnen und alle offenbaren Beziehungen der Dinge, indem er sie zwischen
die beiden Pole: Koppschenie und Ellbogen stellte. Hieraus ergaben sich mit
logischer Notwendigkeit die Unterkategorien: Koppschenie und kein Ellbogen, Ell¬
bogen und kein Koppschenie, und kein Ellbogen und kein Koppschenie. Dieses Ge-
dankenmaterial war geeignet, ihn auf den höhern Standpunkt zu erheben, von dem
aus er die Dinge dieser konkreten Welt mit überlegnem Geiste würdigen konnte,
^a, es gab ihm die Fähigkeit, an der Leitung der Dinge teilzunehmen. Wenn man
uur die rohen materiellen Beziehungen ins Auge faßte, so war der Direktor der
Leiter der Schule, und das Kollegium die Vereinigung der höhern Götter, und er,
Ölmann, Kastellan; wenn man aber die tiefern Beziehungen, die verborgnen
Qualitäten, in Rechnung zog, so konnte man es nicht als Anmaßung bezeichnen,
wenn Ölmann zu sagen pflegte: "Das machen wir so," und: "Wir sind der
Meinung," und: "Wir sind der Schule dastund das schuldig." Es hätte es niemand
geglaubt, und doch war es nach Ölmanns Überzeugung so, daß von dem schwarzen
Lehnstuhl im Turmerker Wohl und Wehe des Gymnasii zu nicht geringem Teile
abhing.

In dem mit dem Turme verbundnen Wohnraume war auf der einen Seite
das Wirtschaftsdepartement, auf der andern der Repräsentationsraum, hier ein Koch¬
en, Schüsselschrauk und Küchenbank, dort Sofa, Glasschrank, Kommode. An der
Wand hingen die Bilder Luthers, Jakob Böhmes und zweier stark ausgeschnittner
und mit Goldschmuck beliebter Schönheiten. Und überm Sofa sah man das Bild
eines Sergeanten mit Schwalbennestern auf den Achseln, gesträubtem, dunkelm Haar,
einem Schnurrbart, der einem Blaubart Ehre gemacht hätte, und Augen wie
Kohlen.

In diesem Raume hauste Jdchen, die nicht mehr ganz junge Tochter Ölmanns.
Auch Fräulein Jda nahm lebhaftes Interesse am Wohl und Wehe der Anstalt,
doch in mehr menschlicher Weise. Ihr Interesse richtete sich mehr auf die Schüler, be¬
sonders auf die Primaner und die sekundärer. Es soll Zeiten gegeben haben, wo
das zwischen ihr und den Schülern herrschende Freundschaftsverhältnis das in den
Schulgesetzen gestattete Maß überschritten hatte. Doch das waren jugendliche Ber¬
ufungen gewesen. Jetzt, nachdem sich Jdchen mit dem Regimentshoboisten Drill¬
hose, dessen Bild über dem Sofa hing, verlobt hatte, hatte das Verhältnis einen
wehr tantenhaften Charakter angenommen. Jdchen wußte von jedem ihrer Primaner
und sekundärer, wo er saß, und welche Chancen er bei der Osterversetzung hatte,
hatte auch ihre besondern Protegees, die, wenn sie Kirschen kauften, die Düte voller
siegten als die andern.

5w" ^ ^ Oeil, daß Frau Professor Wandrer beim Direktor war, saß in der
^"ete des Nepräsentcitionsranms auf der Kante eines Stuhls Frau Duttmüller,
wahrend Meister Ölmann in seinem Lehnstuhl ruhte, und Fräulein Jdchen, auf
^rer Küchenbank sitzend, Rüben putzte.

Frau Duttmüller war die Mutter von Louis Duttmüller und Inhaberin eiues
Aaschgeschäfts. Das heißt, sie bewohnte eine Kellerwohnung und beschäftigte mehrere
Wäscherinnen, mit deren Hilfe sie feine Wäsche für die noble Kundschaft der Stadt


Doktor Duttmüller und sein Freund

einiges Geld erspart und eine kleine Erbschaft gemacht hatte, hatte er das Hand¬
werk aufgegeben. An seine frühere Thätigkeit erinnerte noch jetzt manches. Erstens,
daß seine Haut nie ganz rein wurde und seine Haare aussahen wie mit Pech
pomadisiert, und dann, daß die Pfosten im Erker, der Lehnstuhl und der Glocken¬
strang mit einer schwarzen Kruste überzogen waren, endlich, daß ein Bündel
Papiermaße und die Schusterkugelu noch immer an der Wand hingen. Meister Ölmann
hatte schon von jeher ein beschauliches Gemüt gehabt, das den großen Lebens¬
problemen zugeneigt war, seit er aber die Schufterei aufgegeben hatte, wandte
er sich mit allem Ernste, sozusagen berufsmäßig, der Philosophie zu. Ein Philosoph,
der etwas auf sich hält, kommt natürlich nicht ohne eine eigne Weltanschauung und
ohne ein eignes System aus. Ölmann wußte, was er sich schuldig war, und so erklärte
er alle verborgnen und alle offenbaren Beziehungen der Dinge, indem er sie zwischen
die beiden Pole: Koppschenie und Ellbogen stellte. Hieraus ergaben sich mit
logischer Notwendigkeit die Unterkategorien: Koppschenie und kein Ellbogen, Ell¬
bogen und kein Koppschenie, und kein Ellbogen und kein Koppschenie. Dieses Ge-
dankenmaterial war geeignet, ihn auf den höhern Standpunkt zu erheben, von dem
aus er die Dinge dieser konkreten Welt mit überlegnem Geiste würdigen konnte,
^a, es gab ihm die Fähigkeit, an der Leitung der Dinge teilzunehmen. Wenn man
uur die rohen materiellen Beziehungen ins Auge faßte, so war der Direktor der
Leiter der Schule, und das Kollegium die Vereinigung der höhern Götter, und er,
Ölmann, Kastellan; wenn man aber die tiefern Beziehungen, die verborgnen
Qualitäten, in Rechnung zog, so konnte man es nicht als Anmaßung bezeichnen,
wenn Ölmann zu sagen pflegte: „Das machen wir so," und: „Wir sind der
Meinung," und: „Wir sind der Schule dastund das schuldig." Es hätte es niemand
geglaubt, und doch war es nach Ölmanns Überzeugung so, daß von dem schwarzen
Lehnstuhl im Turmerker Wohl und Wehe des Gymnasii zu nicht geringem Teile
abhing.

In dem mit dem Turme verbundnen Wohnraume war auf der einen Seite
das Wirtschaftsdepartement, auf der andern der Repräsentationsraum, hier ein Koch¬
en, Schüsselschrauk und Küchenbank, dort Sofa, Glasschrank, Kommode. An der
Wand hingen die Bilder Luthers, Jakob Böhmes und zweier stark ausgeschnittner
und mit Goldschmuck beliebter Schönheiten. Und überm Sofa sah man das Bild
eines Sergeanten mit Schwalbennestern auf den Achseln, gesträubtem, dunkelm Haar,
einem Schnurrbart, der einem Blaubart Ehre gemacht hätte, und Augen wie
Kohlen.

In diesem Raume hauste Jdchen, die nicht mehr ganz junge Tochter Ölmanns.
Auch Fräulein Jda nahm lebhaftes Interesse am Wohl und Wehe der Anstalt,
doch in mehr menschlicher Weise. Ihr Interesse richtete sich mehr auf die Schüler, be¬
sonders auf die Primaner und die sekundärer. Es soll Zeiten gegeben haben, wo
das zwischen ihr und den Schülern herrschende Freundschaftsverhältnis das in den
Schulgesetzen gestattete Maß überschritten hatte. Doch das waren jugendliche Ber¬
ufungen gewesen. Jetzt, nachdem sich Jdchen mit dem Regimentshoboisten Drill¬
hose, dessen Bild über dem Sofa hing, verlobt hatte, hatte das Verhältnis einen
wehr tantenhaften Charakter angenommen. Jdchen wußte von jedem ihrer Primaner
und sekundärer, wo er saß, und welche Chancen er bei der Osterversetzung hatte,
hatte auch ihre besondern Protegees, die, wenn sie Kirschen kauften, die Düte voller
siegten als die andern.

5w« ^ ^ Oeil, daß Frau Professor Wandrer beim Direktor war, saß in der
^«ete des Nepräsentcitionsranms auf der Kante eines Stuhls Frau Duttmüller,
wahrend Meister Ölmann in seinem Lehnstuhl ruhte, und Fräulein Jdchen, auf
^rer Küchenbank sitzend, Rüben putzte.

Frau Duttmüller war die Mutter von Louis Duttmüller und Inhaberin eiues
Aaschgeschäfts. Das heißt, sie bewohnte eine Kellerwohnung und beschäftigte mehrere
Wäscherinnen, mit deren Hilfe sie feine Wäsche für die noble Kundschaft der Stadt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236577"/>
          <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_141" prev="#ID_140"> einiges Geld erspart und eine kleine Erbschaft gemacht hatte, hatte er das Hand¬<lb/>
werk aufgegeben. An seine frühere Thätigkeit erinnerte noch jetzt manches. Erstens,<lb/>
daß seine Haut nie ganz rein wurde und seine Haare aussahen wie mit Pech<lb/>
pomadisiert, und dann, daß die Pfosten im Erker, der Lehnstuhl und der Glocken¬<lb/>
strang mit einer schwarzen Kruste überzogen waren, endlich, daß ein Bündel<lb/>
Papiermaße und die Schusterkugelu noch immer an der Wand hingen. Meister Ölmann<lb/>
hatte schon von jeher ein beschauliches Gemüt gehabt, das den großen Lebens¬<lb/>
problemen zugeneigt war, seit er aber die Schufterei aufgegeben hatte, wandte<lb/>
er sich mit allem Ernste, sozusagen berufsmäßig, der Philosophie zu. Ein Philosoph,<lb/>
der etwas auf sich hält, kommt natürlich nicht ohne eine eigne Weltanschauung und<lb/>
ohne ein eignes System aus. Ölmann wußte, was er sich schuldig war, und so erklärte<lb/>
er alle verborgnen und alle offenbaren Beziehungen der Dinge, indem er sie zwischen<lb/>
die beiden Pole: Koppschenie und Ellbogen stellte. Hieraus ergaben sich mit<lb/>
logischer Notwendigkeit die Unterkategorien: Koppschenie und kein Ellbogen, Ell¬<lb/>
bogen und kein Koppschenie, und kein Ellbogen und kein Koppschenie. Dieses Ge-<lb/>
dankenmaterial war geeignet, ihn auf den höhern Standpunkt zu erheben, von dem<lb/>
aus er die Dinge dieser konkreten Welt mit überlegnem Geiste würdigen konnte,<lb/>
^a, es gab ihm die Fähigkeit, an der Leitung der Dinge teilzunehmen. Wenn man<lb/>
uur die rohen materiellen Beziehungen ins Auge faßte, so war der Direktor der<lb/>
Leiter der Schule, und das Kollegium die Vereinigung der höhern Götter, und er,<lb/>
Ölmann, Kastellan; wenn man aber die tiefern Beziehungen, die verborgnen<lb/>
Qualitäten, in Rechnung zog, so konnte man es nicht als Anmaßung bezeichnen,<lb/>
wenn Ölmann zu sagen pflegte: &#x201E;Das machen wir so," und: &#x201E;Wir sind der<lb/>
Meinung," und: &#x201E;Wir sind der Schule dastund das schuldig." Es hätte es niemand<lb/>
geglaubt, und doch war es nach Ölmanns Überzeugung so, daß von dem schwarzen<lb/>
Lehnstuhl im Turmerker Wohl und Wehe des Gymnasii zu nicht geringem Teile<lb/>
abhing.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_142"> In dem mit dem Turme verbundnen Wohnraume war auf der einen Seite<lb/>
das Wirtschaftsdepartement, auf der andern der Repräsentationsraum, hier ein Koch¬<lb/>
en, Schüsselschrauk und Küchenbank, dort Sofa, Glasschrank, Kommode. An der<lb/>
Wand hingen die Bilder Luthers, Jakob Böhmes und zweier stark ausgeschnittner<lb/>
und mit Goldschmuck beliebter Schönheiten. Und überm Sofa sah man das Bild<lb/>
eines Sergeanten mit Schwalbennestern auf den Achseln, gesträubtem, dunkelm Haar,<lb/>
einem Schnurrbart, der einem Blaubart Ehre gemacht hätte, und Augen wie<lb/>
Kohlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_143"> In diesem Raume hauste Jdchen, die nicht mehr ganz junge Tochter Ölmanns.<lb/>
Auch Fräulein Jda nahm lebhaftes Interesse am Wohl und Wehe der Anstalt,<lb/>
doch in mehr menschlicher Weise. Ihr Interesse richtete sich mehr auf die Schüler, be¬<lb/>
sonders auf die Primaner und die sekundärer. Es soll Zeiten gegeben haben, wo<lb/>
das zwischen ihr und den Schülern herrschende Freundschaftsverhältnis das in den<lb/>
Schulgesetzen gestattete Maß überschritten hatte. Doch das waren jugendliche Ber¬<lb/>
ufungen gewesen. Jetzt, nachdem sich Jdchen mit dem Regimentshoboisten Drill¬<lb/>
hose, dessen Bild über dem Sofa hing, verlobt hatte, hatte das Verhältnis einen<lb/>
wehr tantenhaften Charakter angenommen. Jdchen wußte von jedem ihrer Primaner<lb/>
und sekundärer, wo er saß, und welche Chancen er bei der Osterversetzung hatte,<lb/>
hatte auch ihre besondern Protegees, die, wenn sie Kirschen kauften, die Düte voller<lb/>
siegten als die andern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_144"> 5w« ^ ^ Oeil, daß Frau Professor Wandrer beim Direktor war, saß in der<lb/>
^«ete des Nepräsentcitionsranms auf der Kante eines Stuhls Frau Duttmüller,<lb/>
wahrend Meister Ölmann in seinem Lehnstuhl ruhte, und Fräulein Jdchen, auf<lb/>
^rer Küchenbank sitzend, Rüben putzte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_145" next="#ID_146"> Frau Duttmüller war die Mutter von Louis Duttmüller und Inhaberin eiues<lb/>
Aaschgeschäfts. Das heißt, sie bewohnte eine Kellerwohnung und beschäftigte mehrere<lb/>
Wäscherinnen, mit deren Hilfe sie feine Wäsche für die noble Kundschaft der Stadt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Doktor Duttmüller und sein Freund einiges Geld erspart und eine kleine Erbschaft gemacht hatte, hatte er das Hand¬ werk aufgegeben. An seine frühere Thätigkeit erinnerte noch jetzt manches. Erstens, daß seine Haut nie ganz rein wurde und seine Haare aussahen wie mit Pech pomadisiert, und dann, daß die Pfosten im Erker, der Lehnstuhl und der Glocken¬ strang mit einer schwarzen Kruste überzogen waren, endlich, daß ein Bündel Papiermaße und die Schusterkugelu noch immer an der Wand hingen. Meister Ölmann hatte schon von jeher ein beschauliches Gemüt gehabt, das den großen Lebens¬ problemen zugeneigt war, seit er aber die Schufterei aufgegeben hatte, wandte er sich mit allem Ernste, sozusagen berufsmäßig, der Philosophie zu. Ein Philosoph, der etwas auf sich hält, kommt natürlich nicht ohne eine eigne Weltanschauung und ohne ein eignes System aus. Ölmann wußte, was er sich schuldig war, und so erklärte er alle verborgnen und alle offenbaren Beziehungen der Dinge, indem er sie zwischen die beiden Pole: Koppschenie und Ellbogen stellte. Hieraus ergaben sich mit logischer Notwendigkeit die Unterkategorien: Koppschenie und kein Ellbogen, Ell¬ bogen und kein Koppschenie, und kein Ellbogen und kein Koppschenie. Dieses Ge- dankenmaterial war geeignet, ihn auf den höhern Standpunkt zu erheben, von dem aus er die Dinge dieser konkreten Welt mit überlegnem Geiste würdigen konnte, ^a, es gab ihm die Fähigkeit, an der Leitung der Dinge teilzunehmen. Wenn man uur die rohen materiellen Beziehungen ins Auge faßte, so war der Direktor der Leiter der Schule, und das Kollegium die Vereinigung der höhern Götter, und er, Ölmann, Kastellan; wenn man aber die tiefern Beziehungen, die verborgnen Qualitäten, in Rechnung zog, so konnte man es nicht als Anmaßung bezeichnen, wenn Ölmann zu sagen pflegte: „Das machen wir so," und: „Wir sind der Meinung," und: „Wir sind der Schule dastund das schuldig." Es hätte es niemand geglaubt, und doch war es nach Ölmanns Überzeugung so, daß von dem schwarzen Lehnstuhl im Turmerker Wohl und Wehe des Gymnasii zu nicht geringem Teile abhing. In dem mit dem Turme verbundnen Wohnraume war auf der einen Seite das Wirtschaftsdepartement, auf der andern der Repräsentationsraum, hier ein Koch¬ en, Schüsselschrauk und Küchenbank, dort Sofa, Glasschrank, Kommode. An der Wand hingen die Bilder Luthers, Jakob Böhmes und zweier stark ausgeschnittner und mit Goldschmuck beliebter Schönheiten. Und überm Sofa sah man das Bild eines Sergeanten mit Schwalbennestern auf den Achseln, gesträubtem, dunkelm Haar, einem Schnurrbart, der einem Blaubart Ehre gemacht hätte, und Augen wie Kohlen. In diesem Raume hauste Jdchen, die nicht mehr ganz junge Tochter Ölmanns. Auch Fräulein Jda nahm lebhaftes Interesse am Wohl und Wehe der Anstalt, doch in mehr menschlicher Weise. Ihr Interesse richtete sich mehr auf die Schüler, be¬ sonders auf die Primaner und die sekundärer. Es soll Zeiten gegeben haben, wo das zwischen ihr und den Schülern herrschende Freundschaftsverhältnis das in den Schulgesetzen gestattete Maß überschritten hatte. Doch das waren jugendliche Ber¬ ufungen gewesen. Jetzt, nachdem sich Jdchen mit dem Regimentshoboisten Drill¬ hose, dessen Bild über dem Sofa hing, verlobt hatte, hatte das Verhältnis einen wehr tantenhaften Charakter angenommen. Jdchen wußte von jedem ihrer Primaner und sekundärer, wo er saß, und welche Chancen er bei der Osterversetzung hatte, hatte auch ihre besondern Protegees, die, wenn sie Kirschen kauften, die Düte voller siegten als die andern. 5w« ^ ^ Oeil, daß Frau Professor Wandrer beim Direktor war, saß in der ^«ete des Nepräsentcitionsranms auf der Kante eines Stuhls Frau Duttmüller, wahrend Meister Ölmann in seinem Lehnstuhl ruhte, und Fräulein Jdchen, auf ^rer Küchenbank sitzend, Rüben putzte. Frau Duttmüller war die Mutter von Louis Duttmüller und Inhaberin eiues Aaschgeschäfts. Das heißt, sie bewohnte eine Kellerwohnung und beschäftigte mehrere Wäscherinnen, mit deren Hilfe sie feine Wäsche für die noble Kundschaft der Stadt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/53
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/53>, abgerufen am 27.09.2024.