Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.AnrsÄchsische Streifzüge hergestellt aus der Einbeere und Steinwurzel, das besonders gegen ansteckende Das Geheimnis der Bereitung des Aquavits wurde ängstlich gehütet; sogar Die Ingredienzen dieses kostbaren Lebenselixirs wurden hauptsächlich Unter den herrlichen Sammlungen des Germanischen Museums in Nürn¬ AnrsÄchsische Streifzüge hergestellt aus der Einbeere und Steinwurzel, das besonders gegen ansteckende Das Geheimnis der Bereitung des Aquavits wurde ängstlich gehütet; sogar Die Ingredienzen dieses kostbaren Lebenselixirs wurden hauptsächlich Unter den herrlichen Sammlungen des Germanischen Museums in Nürn¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236959"/> <fw type="header" place="top"> AnrsÄchsische Streifzüge</fw><lb/> <p xml:id="ID_1651" prev="#ID_1650"> hergestellt aus der Einbeere und Steinwurzel, das besonders gegen ansteckende<lb/> Krankheiten wirksam sein sollte, der Aquavit (-»qM viwe), ern veredelter<lb/> Branntwein, von dein man wieder den gelben und den weißen unterschied,<lb/> ..Der gelbe Aquavit bestand aus Branntewein mit Malvaster, der wohl ver-<lb/> schäumt ward mit einem El, Zucker und allerhand guten Kräutern und auch<lb/> gelben Veilchen und andern Spezies." Dieses als Einreibung, namentlich<lb/> aber als innere Medizin gebrauchte Universalmittel, das „um Geld nicht zu<lb/> haben war." war in allen Ländern und allen Ständen sehr begehrt, Wenn<lb/> die Kurfürstin zum Neujahr ihre Vorratskeller öffnete, so wurden viele Hunderte<lb/> viereckiger Flaschen weißen und gelben Aquavits um fast alle deutschen und<lb/> außerdeutschen 5sse. aber auch an Gelehrte. Pfarrer und geringere Besteller<lb/> verschickt. Die Bewegung gegen den Alkohol hatte damals noch nicht begonnen,<lb/> und so war man denn des guten Glaubens, man könne den Teufel durch<lb/> Beelzebub austreiben. man könne den durch übermäßigen Weingenuß und andre<lb/> Völlerei ruinierten Körper durch einen so edeln Schnaps wieder auf den Damm<lb/> bringen, gerade wie in unsrer Zeit manchen der Cognac als dre wichtigste<lb/> Medizin erscheint. Eine Herzogin braucht den Aquavit durchaus ..zur ^cot-<lb/> dürftigkeit ihres schwachen Magens," eine andre gegen den Schlagfluß. am<lb/> weitesten in seiner Schwärmerei aber ging doch der kaiserliche Vizekanzler Zahns<lb/> in Wien, dem der Aquavit der beste Trost war „in dem unaussprechlichen Kummer<lb/> und Herzeleid," in das ihn der vorzeitige Tod seiner Frau versetzt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1652"> Das Geheimnis der Bereitung des Aquavits wurde ängstlich gehütet; sogar<lb/> Frau Apollonia Reese. die Gattin des Arztes or. Reese und Vorsteherin des<lb/> Destillierhnuses und Probierhanses, war wohl nicht in alle Feinheiten einge¬<lb/> weiht, da die Kurfürstin. solange es ihre Gesundheit erlaubte, bei den wich¬<lb/> tigsten Geschäften selbst zugegen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1653"> Die Ingredienzen dieses kostbaren Lebenselixirs wurden hauptsächlich<lb/> in dem Annaburger Destillierhnus bereitet und darauf in dem Probierhaus<lb/> zusammengemischt. Dazu wurden ans allen Ämtern Veilchen und Mcnblumchen<lb/> in großen Mengen nach Annaburg geliefert, auch Wacholderbeeren. Einbeeren.<lb/> Steinwurzeln und was sonst die georgischen „Kräuterweiblcin" sammelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1654"> Unter den herrlichen Sammlungen des Germanischen Museums in Nürn¬<lb/> berg erregt eine vollständig ausgestattete alte Apotheke mit ihren bunt bemittelt.<lb/> teilweise abenteuerlich gestalteten Flaschen und Gläsern unser besondres Wohl¬<lb/> gefallen. Um wieviel'größern Eindruck aber müßte Mutter Annas Protuer-<lb/> hcms. wenn es samt der Einrichtung erhalten wäre, aus uns machen, für das<lb/> doch die geschicktesten Nürnberger Mechaniker, die besten Kunsttöpfer und die<lb/> leistungsfähigsten hessischen und braunschweigischen Glasbläser in Bewegung<lb/> gesetzt worden waren. Die großen Destillierblasen waren aus Kupfer gearbeitet,<lb/> sie waren aber wieder von thönernen Öfen in Tiergestalt umhüllt: da sah man<lb/> einen gelben Löwen, einen dunkel gefiederten Adler, einen am Baume kletternden<lb/> Affen, einen greulichen Lindwurm, ja sogar einen Mönch als Ofen. Die fertig<lb/> destillierte Flüssigkeit wurde aus dem Munde der Figur abgelassen und dann,<lb/> auf bunte Flaschen oder schön geschnitzte Fässer gestillt, in dem geräumigen<lb/> Keller verwahrt, der mit vergoldeter Thür verschlossen war.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0435]
AnrsÄchsische Streifzüge
hergestellt aus der Einbeere und Steinwurzel, das besonders gegen ansteckende
Krankheiten wirksam sein sollte, der Aquavit (-»qM viwe), ern veredelter
Branntwein, von dein man wieder den gelben und den weißen unterschied,
..Der gelbe Aquavit bestand aus Branntewein mit Malvaster, der wohl ver-
schäumt ward mit einem El, Zucker und allerhand guten Kräutern und auch
gelben Veilchen und andern Spezies." Dieses als Einreibung, namentlich
aber als innere Medizin gebrauchte Universalmittel, das „um Geld nicht zu
haben war." war in allen Ländern und allen Ständen sehr begehrt, Wenn
die Kurfürstin zum Neujahr ihre Vorratskeller öffnete, so wurden viele Hunderte
viereckiger Flaschen weißen und gelben Aquavits um fast alle deutschen und
außerdeutschen 5sse. aber auch an Gelehrte. Pfarrer und geringere Besteller
verschickt. Die Bewegung gegen den Alkohol hatte damals noch nicht begonnen,
und so war man denn des guten Glaubens, man könne den Teufel durch
Beelzebub austreiben. man könne den durch übermäßigen Weingenuß und andre
Völlerei ruinierten Körper durch einen so edeln Schnaps wieder auf den Damm
bringen, gerade wie in unsrer Zeit manchen der Cognac als dre wichtigste
Medizin erscheint. Eine Herzogin braucht den Aquavit durchaus ..zur ^cot-
dürftigkeit ihres schwachen Magens," eine andre gegen den Schlagfluß. am
weitesten in seiner Schwärmerei aber ging doch der kaiserliche Vizekanzler Zahns
in Wien, dem der Aquavit der beste Trost war „in dem unaussprechlichen Kummer
und Herzeleid," in das ihn der vorzeitige Tod seiner Frau versetzt hatte.
Das Geheimnis der Bereitung des Aquavits wurde ängstlich gehütet; sogar
Frau Apollonia Reese. die Gattin des Arztes or. Reese und Vorsteherin des
Destillierhnuses und Probierhanses, war wohl nicht in alle Feinheiten einge¬
weiht, da die Kurfürstin. solange es ihre Gesundheit erlaubte, bei den wich¬
tigsten Geschäften selbst zugegen war.
Die Ingredienzen dieses kostbaren Lebenselixirs wurden hauptsächlich
in dem Annaburger Destillierhnus bereitet und darauf in dem Probierhaus
zusammengemischt. Dazu wurden ans allen Ämtern Veilchen und Mcnblumchen
in großen Mengen nach Annaburg geliefert, auch Wacholderbeeren. Einbeeren.
Steinwurzeln und was sonst die georgischen „Kräuterweiblcin" sammelten.
Unter den herrlichen Sammlungen des Germanischen Museums in Nürn¬
berg erregt eine vollständig ausgestattete alte Apotheke mit ihren bunt bemittelt.
teilweise abenteuerlich gestalteten Flaschen und Gläsern unser besondres Wohl¬
gefallen. Um wieviel'größern Eindruck aber müßte Mutter Annas Protuer-
hcms. wenn es samt der Einrichtung erhalten wäre, aus uns machen, für das
doch die geschicktesten Nürnberger Mechaniker, die besten Kunsttöpfer und die
leistungsfähigsten hessischen und braunschweigischen Glasbläser in Bewegung
gesetzt worden waren. Die großen Destillierblasen waren aus Kupfer gearbeitet,
sie waren aber wieder von thönernen Öfen in Tiergestalt umhüllt: da sah man
einen gelben Löwen, einen dunkel gefiederten Adler, einen am Baume kletternden
Affen, einen greulichen Lindwurm, ja sogar einen Mönch als Ofen. Die fertig
destillierte Flüssigkeit wurde aus dem Munde der Figur abgelassen und dann,
auf bunte Flaschen oder schön geschnitzte Fässer gestillt, in dem geräumigen
Keller verwahrt, der mit vergoldeter Thür verschlossen war.
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