Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Latholica

Prälaten gehörten. Vielfache Mahnungen der römischen Behörden, die Kurie
mit diesen Kleinigkeiten zu verschonen, sind erfolglos geblieben, und so hat
sich die Arbeitslast dieser Behörden in den letzten fünfzig Jahren ganz gewaltig
vermehrt.

Die Bewältigung der Einkäufe geschieht fast durchgängig in kollegialer
Weise, indem sie in den Kongregationen und Kommissionen durchberaten und,
wenn nötig, das Ergebnis der Thätigkeit dem Papste zur Bestätigung vor¬
gelegt wird. Der Senat der römischen Kirche, die Kardinäle, sind in den
meisten dieser Kollegien die eigentlichen beschließenden Elemente; die andern
Beamten, von deren vorbereitender Thätigkeit allerdings auch sehr viel abhängt,
gehören der Prälatur oder dem Ordensstande an.

In jedem guten Abriß des kanonischen Rechts mag der Leser nachschlage!?,
um sich über die einzelnen Behörden und ihr Arbeitsgebiet zu unterrichten.
Hier handelt es sich nicht darum, in diese Einzelheiten einzugehn, sondern die
Mängel der römischen Arbeitsmethode kurz zu untersuchen.

An erster Stelle muß es als eine jedem Sachverständigen auffallende
Thatsache bezeichnet werden, daß die weitaus überwiegende Mehrzahl derer,
die hier die Geschäfte der katholischen Welt in gewissem Sinn und gewissem
Umfang entscheiden, eine auffüllige Lücke in ihrer Bildung aufweisen. Die
historische Theologie in ihren einzelnen Zweigen ist dort, man möchte fast
sagen, unbekannt, wenn man von wenigen Konsultoren und einzelnen Kardi¬
nälen absieht. Bei der Bedeutung, die heute der historischen Theologie zu¬
kommt, und besonders bei den römischen Behörden, deren Thätigkeit zum
großen Teile mit der Rücksicht auf historisch gewordne Verhältnisse belastet
ist, muß dieser Mangel auf das lebhafteste bedauert werden. Daraus er¬
klären sich auch Entscheidungen, die man nur von hier aus betrachtet versteh"
kann. Es ist nicht ganz unzweifelhaft, daß nicht auch eine so wichtige Frage,
wie es der Prozeß der Seligsprechung der Jeanne d'Arc ist, darunter in
grundlegender Weise gelitten hat. Hierbei muß nun noch besonders betont
werden, daß der historische Teil der Akten von einem im übrigen recht be¬
lesenen Manne zusammengestellt worden war, der vor einiger Zeit gestorben ist.
Doch der beste Kenner jener Zeit, der dazu noch in Rom lebt, ist hierfür nicht
herangezogen worden, obschon er wie kein andrer, seiner Stellung und seinen
Kenntnissen nach, dazu geeignet war. Das Verständnis für die Wichtigkeit
dieser Seite der Frage ist eben noch nicht genügend entwickelt.

Fragt man nach dem Grnnde dieser Erscheinung, so muß zuuüchst auf
die Thatsache hingewiesen werden, daß weitaus die größte Zahl aller in den
Kongregationen thätigen Geistlichen aller Grade Italiener sind. Es ist nun
eine weltbekannte Thatsache, daß in allen Bildungsanstalten für den Klerus
auf der ganzen Halbinsel -- die römischen Universitäten eingeschlossen -- sehr
wenig Liebe für die Fächer der historischen Theologie vorhanden ist. Hier
und da fehlen sie beinahe ganz. Hier Wandel zu schaffen ist eine schöne Auf¬
gabe für den Papst, der das vatikanische Archiv in so liberaler Weise geöffnet
hat. Im übrigen müssen wir auf diese Frage in einem spätern Aufsatz aus¬
führlich zurückkommen.


Latholica

Prälaten gehörten. Vielfache Mahnungen der römischen Behörden, die Kurie
mit diesen Kleinigkeiten zu verschonen, sind erfolglos geblieben, und so hat
sich die Arbeitslast dieser Behörden in den letzten fünfzig Jahren ganz gewaltig
vermehrt.

Die Bewältigung der Einkäufe geschieht fast durchgängig in kollegialer
Weise, indem sie in den Kongregationen und Kommissionen durchberaten und,
wenn nötig, das Ergebnis der Thätigkeit dem Papste zur Bestätigung vor¬
gelegt wird. Der Senat der römischen Kirche, die Kardinäle, sind in den
meisten dieser Kollegien die eigentlichen beschließenden Elemente; die andern
Beamten, von deren vorbereitender Thätigkeit allerdings auch sehr viel abhängt,
gehören der Prälatur oder dem Ordensstande an.

In jedem guten Abriß des kanonischen Rechts mag der Leser nachschlage!?,
um sich über die einzelnen Behörden und ihr Arbeitsgebiet zu unterrichten.
Hier handelt es sich nicht darum, in diese Einzelheiten einzugehn, sondern die
Mängel der römischen Arbeitsmethode kurz zu untersuchen.

An erster Stelle muß es als eine jedem Sachverständigen auffallende
Thatsache bezeichnet werden, daß die weitaus überwiegende Mehrzahl derer,
die hier die Geschäfte der katholischen Welt in gewissem Sinn und gewissem
Umfang entscheiden, eine auffüllige Lücke in ihrer Bildung aufweisen. Die
historische Theologie in ihren einzelnen Zweigen ist dort, man möchte fast
sagen, unbekannt, wenn man von wenigen Konsultoren und einzelnen Kardi¬
nälen absieht. Bei der Bedeutung, die heute der historischen Theologie zu¬
kommt, und besonders bei den römischen Behörden, deren Thätigkeit zum
großen Teile mit der Rücksicht auf historisch gewordne Verhältnisse belastet
ist, muß dieser Mangel auf das lebhafteste bedauert werden. Daraus er¬
klären sich auch Entscheidungen, die man nur von hier aus betrachtet versteh«
kann. Es ist nicht ganz unzweifelhaft, daß nicht auch eine so wichtige Frage,
wie es der Prozeß der Seligsprechung der Jeanne d'Arc ist, darunter in
grundlegender Weise gelitten hat. Hierbei muß nun noch besonders betont
werden, daß der historische Teil der Akten von einem im übrigen recht be¬
lesenen Manne zusammengestellt worden war, der vor einiger Zeit gestorben ist.
Doch der beste Kenner jener Zeit, der dazu noch in Rom lebt, ist hierfür nicht
herangezogen worden, obschon er wie kein andrer, seiner Stellung und seinen
Kenntnissen nach, dazu geeignet war. Das Verständnis für die Wichtigkeit
dieser Seite der Frage ist eben noch nicht genügend entwickelt.

Fragt man nach dem Grnnde dieser Erscheinung, so muß zuuüchst auf
die Thatsache hingewiesen werden, daß weitaus die größte Zahl aller in den
Kongregationen thätigen Geistlichen aller Grade Italiener sind. Es ist nun
eine weltbekannte Thatsache, daß in allen Bildungsanstalten für den Klerus
auf der ganzen Halbinsel — die römischen Universitäten eingeschlossen — sehr
wenig Liebe für die Fächer der historischen Theologie vorhanden ist. Hier
und da fehlen sie beinahe ganz. Hier Wandel zu schaffen ist eine schöne Auf¬
gabe für den Papst, der das vatikanische Archiv in so liberaler Weise geöffnet
hat. Im übrigen müssen wir auf diese Frage in einem spätern Aufsatz aus¬
führlich zurückkommen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236934"/>
            <fw type="header" place="top"> Latholica</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1586" prev="#ID_1585"> Prälaten gehörten. Vielfache Mahnungen der römischen Behörden, die Kurie<lb/>
mit diesen Kleinigkeiten zu verschonen, sind erfolglos geblieben, und so hat<lb/>
sich die Arbeitslast dieser Behörden in den letzten fünfzig Jahren ganz gewaltig<lb/>
vermehrt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1587"> Die Bewältigung der Einkäufe geschieht fast durchgängig in kollegialer<lb/>
Weise, indem sie in den Kongregationen und Kommissionen durchberaten und,<lb/>
wenn nötig, das Ergebnis der Thätigkeit dem Papste zur Bestätigung vor¬<lb/>
gelegt wird. Der Senat der römischen Kirche, die Kardinäle, sind in den<lb/>
meisten dieser Kollegien die eigentlichen beschließenden Elemente; die andern<lb/>
Beamten, von deren vorbereitender Thätigkeit allerdings auch sehr viel abhängt,<lb/>
gehören der Prälatur oder dem Ordensstande an.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1588"> In jedem guten Abriß des kanonischen Rechts mag der Leser nachschlage!?,<lb/>
um sich über die einzelnen Behörden und ihr Arbeitsgebiet zu unterrichten.<lb/>
Hier handelt es sich nicht darum, in diese Einzelheiten einzugehn, sondern die<lb/>
Mängel der römischen Arbeitsmethode kurz zu untersuchen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1589"> An erster Stelle muß es als eine jedem Sachverständigen auffallende<lb/>
Thatsache bezeichnet werden, daß die weitaus überwiegende Mehrzahl derer,<lb/>
die hier die Geschäfte der katholischen Welt in gewissem Sinn und gewissem<lb/>
Umfang entscheiden, eine auffüllige Lücke in ihrer Bildung aufweisen. Die<lb/>
historische Theologie in ihren einzelnen Zweigen ist dort, man möchte fast<lb/>
sagen, unbekannt, wenn man von wenigen Konsultoren und einzelnen Kardi¬<lb/>
nälen absieht. Bei der Bedeutung, die heute der historischen Theologie zu¬<lb/>
kommt, und besonders bei den römischen Behörden, deren Thätigkeit zum<lb/>
großen Teile mit der Rücksicht auf historisch gewordne Verhältnisse belastet<lb/>
ist, muß dieser Mangel auf das lebhafteste bedauert werden. Daraus er¬<lb/>
klären sich auch Entscheidungen, die man nur von hier aus betrachtet versteh«<lb/>
kann. Es ist nicht ganz unzweifelhaft, daß nicht auch eine so wichtige Frage,<lb/>
wie es der Prozeß der Seligsprechung der Jeanne d'Arc ist, darunter in<lb/>
grundlegender Weise gelitten hat. Hierbei muß nun noch besonders betont<lb/>
werden, daß der historische Teil der Akten von einem im übrigen recht be¬<lb/>
lesenen Manne zusammengestellt worden war, der vor einiger Zeit gestorben ist.<lb/>
Doch der beste Kenner jener Zeit, der dazu noch in Rom lebt, ist hierfür nicht<lb/>
herangezogen worden, obschon er wie kein andrer, seiner Stellung und seinen<lb/>
Kenntnissen nach, dazu geeignet war. Das Verständnis für die Wichtigkeit<lb/>
dieser Seite der Frage ist eben noch nicht genügend entwickelt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1590"> Fragt man nach dem Grnnde dieser Erscheinung, so muß zuuüchst auf<lb/>
die Thatsache hingewiesen werden, daß weitaus die größte Zahl aller in den<lb/>
Kongregationen thätigen Geistlichen aller Grade Italiener sind. Es ist nun<lb/>
eine weltbekannte Thatsache, daß in allen Bildungsanstalten für den Klerus<lb/>
auf der ganzen Halbinsel &#x2014; die römischen Universitäten eingeschlossen &#x2014; sehr<lb/>
wenig Liebe für die Fächer der historischen Theologie vorhanden ist. Hier<lb/>
und da fehlen sie beinahe ganz. Hier Wandel zu schaffen ist eine schöne Auf¬<lb/>
gabe für den Papst, der das vatikanische Archiv in so liberaler Weise geöffnet<lb/>
hat. Im übrigen müssen wir auf diese Frage in einem spätern Aufsatz aus¬<lb/>
führlich zurückkommen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0410] Latholica Prälaten gehörten. Vielfache Mahnungen der römischen Behörden, die Kurie mit diesen Kleinigkeiten zu verschonen, sind erfolglos geblieben, und so hat sich die Arbeitslast dieser Behörden in den letzten fünfzig Jahren ganz gewaltig vermehrt. Die Bewältigung der Einkäufe geschieht fast durchgängig in kollegialer Weise, indem sie in den Kongregationen und Kommissionen durchberaten und, wenn nötig, das Ergebnis der Thätigkeit dem Papste zur Bestätigung vor¬ gelegt wird. Der Senat der römischen Kirche, die Kardinäle, sind in den meisten dieser Kollegien die eigentlichen beschließenden Elemente; die andern Beamten, von deren vorbereitender Thätigkeit allerdings auch sehr viel abhängt, gehören der Prälatur oder dem Ordensstande an. In jedem guten Abriß des kanonischen Rechts mag der Leser nachschlage!?, um sich über die einzelnen Behörden und ihr Arbeitsgebiet zu unterrichten. Hier handelt es sich nicht darum, in diese Einzelheiten einzugehn, sondern die Mängel der römischen Arbeitsmethode kurz zu untersuchen. An erster Stelle muß es als eine jedem Sachverständigen auffallende Thatsache bezeichnet werden, daß die weitaus überwiegende Mehrzahl derer, die hier die Geschäfte der katholischen Welt in gewissem Sinn und gewissem Umfang entscheiden, eine auffüllige Lücke in ihrer Bildung aufweisen. Die historische Theologie in ihren einzelnen Zweigen ist dort, man möchte fast sagen, unbekannt, wenn man von wenigen Konsultoren und einzelnen Kardi¬ nälen absieht. Bei der Bedeutung, die heute der historischen Theologie zu¬ kommt, und besonders bei den römischen Behörden, deren Thätigkeit zum großen Teile mit der Rücksicht auf historisch gewordne Verhältnisse belastet ist, muß dieser Mangel auf das lebhafteste bedauert werden. Daraus er¬ klären sich auch Entscheidungen, die man nur von hier aus betrachtet versteh« kann. Es ist nicht ganz unzweifelhaft, daß nicht auch eine so wichtige Frage, wie es der Prozeß der Seligsprechung der Jeanne d'Arc ist, darunter in grundlegender Weise gelitten hat. Hierbei muß nun noch besonders betont werden, daß der historische Teil der Akten von einem im übrigen recht be¬ lesenen Manne zusammengestellt worden war, der vor einiger Zeit gestorben ist. Doch der beste Kenner jener Zeit, der dazu noch in Rom lebt, ist hierfür nicht herangezogen worden, obschon er wie kein andrer, seiner Stellung und seinen Kenntnissen nach, dazu geeignet war. Das Verständnis für die Wichtigkeit dieser Seite der Frage ist eben noch nicht genügend entwickelt. Fragt man nach dem Grnnde dieser Erscheinung, so muß zuuüchst auf die Thatsache hingewiesen werden, daß weitaus die größte Zahl aller in den Kongregationen thätigen Geistlichen aller Grade Italiener sind. Es ist nun eine weltbekannte Thatsache, daß in allen Bildungsanstalten für den Klerus auf der ganzen Halbinsel — die römischen Universitäten eingeschlossen — sehr wenig Liebe für die Fächer der historischen Theologie vorhanden ist. Hier und da fehlen sie beinahe ganz. Hier Wandel zu schaffen ist eine schöne Auf¬ gabe für den Papst, der das vatikanische Archiv in so liberaler Weise geöffnet hat. Im übrigen müssen wir auf diese Frage in einem spätern Aufsatz aus¬ führlich zurückkommen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/410
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/410>, abgerufen am 27.09.2024.