Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Doktor Duttmüller und sein Freund entgegen, der von der andern Seite mit schönster Bügelfalte, weitesten Beinkleidern, Großpapa, sagte der kleine Paul, warum macht es denn der Mann immer Du hältst den Mund, Paul, sagte Großvater streng, sonst giebt es Kloppe. Der alte Herr machte alles Ernstes Anstalt, in der Veranda zwischen der Doktor Blume stand dabei in Hemdärmeln und der blauen Küchenschürze, Aber Gustav, fuhr sie fort, so spuke dich doch und zieh deinen guten Rock an, Gustav, der manchmal schon in seinem Leben mit dem Kollegen zusammen in Die leibliche Pflege war damit in befriedigender Weise geregelt. Louis Dult- Doktor Duttmüller und sein Freund entgegen, der von der andern Seite mit schönster Bügelfalte, weitesten Beinkleidern, Großpapa, sagte der kleine Paul, warum macht es denn der Mann immer Du hältst den Mund, Paul, sagte Großvater streng, sonst giebt es Kloppe. Der alte Herr machte alles Ernstes Anstalt, in der Veranda zwischen der Doktor Blume stand dabei in Hemdärmeln und der blauen Küchenschürze, Aber Gustav, fuhr sie fort, so spuke dich doch und zieh deinen guten Rock an, Gustav, der manchmal schon in seinem Leben mit dem Kollegen zusammen in Die leibliche Pflege war damit in befriedigender Weise geregelt. Louis Dult- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236799"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_1014" prev="#ID_1013"> entgegen, der von der andern Seite mit schönster Bügelfalte, weitesten Beinkleidern,<lb/> Cylinder und brandroten Handschuhen seinen Einzug hielt, Doktor Louis Dutt¬<lb/> müller machte seine elegantesten Verbeugungen und hatte sich eine besonders elegante<lb/> Begrüßungsphrase zurecht gelegt, er kam aber nicht dazu, sie an den Mann zu<lb/> bringen, denn der alte Herr rief schon von fern mit herzlichem Tone: Sein Sie<lb/> mir schön willkommen, Herr Kollege. Eine Hand kann ich Ihnen nicht geben,<lb/> denn wir stecken bis über die Ellenbogen im Beerensafte. Bitte, Sie brauchen<lb/> sich nicht zu entschuldigen. Es macht nichts, und es ist Ihnen vielleicht lieb zu<lb/> sehen, wie es in einem Doktorhause auf dem Lande zugeht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1015"> Großpapa, sagte der kleine Paul, warum macht es denn der Mann immer<lb/> so? — und damit ahmte er Doktor Duttmüllers modernsteife Verbeugungen in<lb/> uicht gerade beschönigender Weise nach.</p><lb/> <p xml:id="ID_1016"> Du hältst den Mund, Paul, sagte Großvater streng, sonst giebt es Kloppe.<lb/> Aber treten Sie doch ein, Herr Doktor.</p><lb/> <p xml:id="ID_1017"> Der alte Herr machte alles Ernstes Anstalt, in der Veranda zwischen der<lb/> Fruchtpresse, den Töpfen, Schüsseln und Saftpfützen für seinen Gast Platz zu<lb/> schaffen. Als sich dieser jedoch etwas vorsichtig niedersetzen wollte, kehrte ganz<lb/> entsetzt die Frau Doktor zurück. — Aber Gustav, rief sie, wie kannst du nur den<lb/> Herrn Doktor in solcher Umgebung zum Sitzen nötigen! Entschuldigen Sie nur,<lb/> Herr Doktor — Paul, nicht über den Rasen laufen! —, daß Sie es bet uns so<lb/> unordentlich treffen. Wenn wir gewußt hätten, daß wir heute solchen Besuch kriegen<lb/> würden! Und in die gute Stube kann ich Sie auch nicht führen. Da liegt alles<lb/> voll Wäsche. Ach Gott, und da stehn auch meines Mannes Stiefel. Minna, wie<lb/> kannst du dem Herrn seine Stiefel mitten im Wege stehn lassen. Entschuldigen<lb/> nur und treten Sie in meines Mannes Studierzimmer. Paulchen, da liegt<lb/> "und deine Trompete auf der Erde. Es ist zu schrecklich heute bei uns. Bitte,<lb/> schen Sie nur ja nicht hin.</p><lb/> <p xml:id="ID_1018"> Doktor Blume stand dabei in Hemdärmeln und der blauen Küchenschürze,<lb/> ""Ver stände den Redefluß seiner lieben Frau zu dämpfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1019"> Aber Gustav, fuhr sie fort, so spuke dich doch und zieh deinen guten Rock an,<lb/> was soll der Herr Doktor denn von uns denken?</p><lb/> <p xml:id="ID_1020"> Gustav, der manchmal schon in seinem Leben mit dem Kollegen zusammen in<lb/> Hemdärmeln und die Schürze vorgebunden gearbeitet hatte, hielt die Sache nicht<lb/> für sehr eilig, ging aber auf eine neue dringende Aufforderung seiner lieben Frau<lb/> in die Kammer, wo er pfeifend herumrumorte, bis er, mit einem Rocke zweifelhafter<lb/> Güte angethan, wieder erschien. Während dessen hatte sich Doktor Duttmüller im<lb/> Sofa niedergelassen und die Einrichtung des Zimmers gemustert und gefunden, daß<lb/> es in einer Hofverwalterstube auch nicht viel anders aussehe als beim Landarzte,<lb/> und Frau Doktor hatte Brot, Butter und einen Teller, der mit köstlichen Würsten<lb/> hvchbeladen war, hingestellt und eine Kollektion von schnapsen, die ihre Spezialität<lb/> ^ren, hinzugefügt, nicht anders, wie wenn der Gast eine Wildnis von hundert<lb/> -teilen „durchquert" hätte und eben in äußerster Erschöpfung angelangt wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1021" next="#ID_1022"> Die leibliche Pflege war damit in befriedigender Weise geregelt. Louis Dult-<lb/> 'mulier war kein Kostverächter, und er würde sichs noch besser haben schmecken<lb/> lasse», wenn er es nicht für fein gehalten hätte, wenig zu essen. Aber der geistige<lb/> ^»stausch wollte nicht recht in Fluß kommen. Da war eine Frage, die der Frau<lb/> ^vktor auf den Lippen lag: Wie haben Sie sich denn in Holzweißig eingerichtet?<lb/> Wie gefällt es Ihnen denn in unsrer Gegend? aber diese Frage führte auf<lb/> oas Konkurrenzverhältnis zwischen Doktor Dnttmüller und ihrem Manne, und das<lb/> wollte vorsichtig behandelt sein. Sie fragte also: Haben Sie auch schou Beeren-<lb/> vein gemacht? Duttmüller wußte kaum, daß es Beerenwein und einen fundamen-<lb/> wlen Unterschied zwischen Johannisbeerwein und Stachelbeerwein gebe. Auch in<lb/> l< k ^ der Schnäpse zeigte Duttmüller ein nur sehr geringes Verständnis, und so<lb/> "es der Unterhaltuugsfadeu ab. Doktor Blume strich sich über den Stoppelbart</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
Doktor Duttmüller und sein Freund
entgegen, der von der andern Seite mit schönster Bügelfalte, weitesten Beinkleidern,
Cylinder und brandroten Handschuhen seinen Einzug hielt, Doktor Louis Dutt¬
müller machte seine elegantesten Verbeugungen und hatte sich eine besonders elegante
Begrüßungsphrase zurecht gelegt, er kam aber nicht dazu, sie an den Mann zu
bringen, denn der alte Herr rief schon von fern mit herzlichem Tone: Sein Sie
mir schön willkommen, Herr Kollege. Eine Hand kann ich Ihnen nicht geben,
denn wir stecken bis über die Ellenbogen im Beerensafte. Bitte, Sie brauchen
sich nicht zu entschuldigen. Es macht nichts, und es ist Ihnen vielleicht lieb zu
sehen, wie es in einem Doktorhause auf dem Lande zugeht.
Großpapa, sagte der kleine Paul, warum macht es denn der Mann immer
so? — und damit ahmte er Doktor Duttmüllers modernsteife Verbeugungen in
uicht gerade beschönigender Weise nach.
Du hältst den Mund, Paul, sagte Großvater streng, sonst giebt es Kloppe.
Aber treten Sie doch ein, Herr Doktor.
Der alte Herr machte alles Ernstes Anstalt, in der Veranda zwischen der
Fruchtpresse, den Töpfen, Schüsseln und Saftpfützen für seinen Gast Platz zu
schaffen. Als sich dieser jedoch etwas vorsichtig niedersetzen wollte, kehrte ganz
entsetzt die Frau Doktor zurück. — Aber Gustav, rief sie, wie kannst du nur den
Herrn Doktor in solcher Umgebung zum Sitzen nötigen! Entschuldigen Sie nur,
Herr Doktor — Paul, nicht über den Rasen laufen! —, daß Sie es bet uns so
unordentlich treffen. Wenn wir gewußt hätten, daß wir heute solchen Besuch kriegen
würden! Und in die gute Stube kann ich Sie auch nicht führen. Da liegt alles
voll Wäsche. Ach Gott, und da stehn auch meines Mannes Stiefel. Minna, wie
kannst du dem Herrn seine Stiefel mitten im Wege stehn lassen. Entschuldigen
nur und treten Sie in meines Mannes Studierzimmer. Paulchen, da liegt
"und deine Trompete auf der Erde. Es ist zu schrecklich heute bei uns. Bitte,
schen Sie nur ja nicht hin.
Doktor Blume stand dabei in Hemdärmeln und der blauen Küchenschürze,
""Ver stände den Redefluß seiner lieben Frau zu dämpfen.
Aber Gustav, fuhr sie fort, so spuke dich doch und zieh deinen guten Rock an,
was soll der Herr Doktor denn von uns denken?
Gustav, der manchmal schon in seinem Leben mit dem Kollegen zusammen in
Hemdärmeln und die Schürze vorgebunden gearbeitet hatte, hielt die Sache nicht
für sehr eilig, ging aber auf eine neue dringende Aufforderung seiner lieben Frau
in die Kammer, wo er pfeifend herumrumorte, bis er, mit einem Rocke zweifelhafter
Güte angethan, wieder erschien. Während dessen hatte sich Doktor Duttmüller im
Sofa niedergelassen und die Einrichtung des Zimmers gemustert und gefunden, daß
es in einer Hofverwalterstube auch nicht viel anders aussehe als beim Landarzte,
und Frau Doktor hatte Brot, Butter und einen Teller, der mit köstlichen Würsten
hvchbeladen war, hingestellt und eine Kollektion von schnapsen, die ihre Spezialität
^ren, hinzugefügt, nicht anders, wie wenn der Gast eine Wildnis von hundert
-teilen „durchquert" hätte und eben in äußerster Erschöpfung angelangt wäre.
Die leibliche Pflege war damit in befriedigender Weise geregelt. Louis Dult-
'mulier war kein Kostverächter, und er würde sichs noch besser haben schmecken
lasse», wenn er es nicht für fein gehalten hätte, wenig zu essen. Aber der geistige
^»stausch wollte nicht recht in Fluß kommen. Da war eine Frage, die der Frau
^vktor auf den Lippen lag: Wie haben Sie sich denn in Holzweißig eingerichtet?
Wie gefällt es Ihnen denn in unsrer Gegend? aber diese Frage führte auf
oas Konkurrenzverhältnis zwischen Doktor Dnttmüller und ihrem Manne, und das
wollte vorsichtig behandelt sein. Sie fragte also: Haben Sie auch schou Beeren-
vein gemacht? Duttmüller wußte kaum, daß es Beerenwein und einen fundamen-
wlen Unterschied zwischen Johannisbeerwein und Stachelbeerwein gebe. Auch in
l< k ^ der Schnäpse zeigte Duttmüller ein nur sehr geringes Verständnis, und so
"es der Unterhaltuugsfadeu ab. Doktor Blume strich sich über den Stoppelbart
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