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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Dokwr Outtmüller und sein Freund

herangekommen war, sah man eine ganze Illumination von Weißen elektrischen und
roten Öllampen. Bei Tage aber sah man über den Gebäuden unablässig weiße
Dampfwolken und schwarzen Kohlenrauch lagern. Und die beiden Räder oben auf
dem Förderturme, die sich in hastiger Eile vorwärts und rückwärts drehten, waren
gleichsam die Unruhe in der Uhr. Tag und Nacht herrschte ein Geruch von
Kohlendampf und Chlorgas. Meister Lampe legte, wenn er des Abends aus dem
Walde herauskam, die Ohren zurück und rümpfte die Nase und verschmähte Gras
und Kraut, das auch schon "ach Industrie schmeckte. Der Holzhäher hielt sich mehr
als je für berechtigt, mit entrüsteten Geschrei seinen Unwillen kund zu thu", die
Singdrosseln, die Lnubvögel und die Grasmücken zogen stillschweigend ab, und nur
die Krähen zogen ihre gewohnte Straße früh und abends über das Werk hinweg,
wobei eine der andern ihre pessimistischen Bemerkungen zurief. Zuletzt wurde auch
eine Villa für den Herrn Direktor abseits vom Werke an den Waldrand gebaut.
Diese imponierte den Leuten ganz besonders, denn so ein schönes Haus gab es in
der ganzen Gegend nicht. Und noch mehr imponierte es ihnen, wenn der Herr
Direktor mit seiner Tochter Lydia im eleganten Wagen durchs Dorf fuhr. Dann
war es Happich nicht zu verdenken, wenn er ans Fenster trat und dem Wagen
nachschaute, solange noch ein Rad zu sehen war, und mit gutem Gewissen behauptete,
daß kein zweiter so schöner Wagen in der ganzen Gegend zu finden sei.

Der Einfluß des Werks machte sich weithin fühlbar. Nicht allein, daß alle
Wege der Umgegend in Grund und Boden gefahren wurden, nicht allein, daß der
Rvttebach auf Stunden weit durch Unrat und Salze verdorben wurde, daß die
Karpfen im Mühlteiche wirklich starben, und der Müller mit Schauder" die Flüssig¬
keit anstaunte, die früher Wasser gewesen war, nnn aber sein Rad mit einer mi߬
farbnen Kruste überzog, auch in der Bevölkrung trat eine Umwandlung ein. Das
Werk beschäftigte im Schacht und in der Fabrik mit der Zeit über tausend Arbeiter.
Zuerst kamen Bergleute aus aller Welt Enden an. Die besten ihrer Art waren
es nicht, sondern die locker sitzenden, die Zugvögel, die es nirgend lauge aushielten,
die schlechten oder unverträglichen Arbeiter, die von den ältern Werken abgeschoben
wurden. Wo eine Wohnung, eine Dachkammer, ein Unterschlupf frei war, da
nisteten sie sich in den Dörfern auf stundenweite in der Umgegend ein. Zur Zeit
des Schichtwechsels sah man sie mit Stock, Kober und Blechflasche ausgerüstet im
Gänsemarsch ans Richtwegen aus dem Walde und über die Höhen angezogen kommen.
Später, als die Fabrik gebaut war, gingen auch die Knechte und die Tagelöhner
in hellen Haufen zum Werk über, und da die Bauern von auswärts Ersatz heran¬
zogen, so entstand Wohnungsnot. Das Werk baute eine Kaserne für einen Stamm
der Arbeiter und Häuser für die Beamten, die andern konnten sehen, wo sie
blieben.

Warum bauen Sie denn nicht? fragte eiuer der Beamten den Schulzen von
Holzweißig, mit dem er sich über deu Gegenstand unterhielt.

Wir werden uns schön hüten, erwiderte der Schulze; da kämen wir schön in
die Bredülje. Wenns nach mir geht, kommt kein Schächter weiter ins Dorf, wir
haben von der Sorte schon mehr als genug.

Eine Zeit lang erreichte es der Schulze durch Ermahnungen, durch Schwierig¬
keiten, die er machte, durch Schikane, die er in Aussicht stellte, die Baulust nieder¬
zuhalten. Aber es war wohl zu erkennen, daß es auf die Dauer nicht helfen werde.
Auf Poplitz, der als "gebildeter Landwirt" keinen Lvknlpatriotismus hatte, und ans
etliche der "Kleinen," die ihre Hansanteile gern an den Mann bringen wollten,
war kein Verlaß. Leute, die bauen wollten, gab es eine ganze Menge, es mußte
also verhütet werden, daß Bauflecke verkauft wurden. Und so spann der Schulze
eine Intrigue, verabredete sich mit seinen Freunden, berief zu möglichst ungünstigem
Termin eine Versammlung und setzte das Ortsstatnt dnrch, daß bei schwerer Geld¬
strafe oder entsprechender Gefängnisstrafe ohne Genehmigung des Schulzen kein
Land zu Baustellen verkauft werden dürfe.


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herangekommen war, sah man eine ganze Illumination von Weißen elektrischen und
roten Öllampen. Bei Tage aber sah man über den Gebäuden unablässig weiße
Dampfwolken und schwarzen Kohlenrauch lagern. Und die beiden Räder oben auf
dem Förderturme, die sich in hastiger Eile vorwärts und rückwärts drehten, waren
gleichsam die Unruhe in der Uhr. Tag und Nacht herrschte ein Geruch von
Kohlendampf und Chlorgas. Meister Lampe legte, wenn er des Abends aus dem
Walde herauskam, die Ohren zurück und rümpfte die Nase und verschmähte Gras
und Kraut, das auch schon »ach Industrie schmeckte. Der Holzhäher hielt sich mehr
als je für berechtigt, mit entrüsteten Geschrei seinen Unwillen kund zu thu», die
Singdrosseln, die Lnubvögel und die Grasmücken zogen stillschweigend ab, und nur
die Krähen zogen ihre gewohnte Straße früh und abends über das Werk hinweg,
wobei eine der andern ihre pessimistischen Bemerkungen zurief. Zuletzt wurde auch
eine Villa für den Herrn Direktor abseits vom Werke an den Waldrand gebaut.
Diese imponierte den Leuten ganz besonders, denn so ein schönes Haus gab es in
der ganzen Gegend nicht. Und noch mehr imponierte es ihnen, wenn der Herr
Direktor mit seiner Tochter Lydia im eleganten Wagen durchs Dorf fuhr. Dann
war es Happich nicht zu verdenken, wenn er ans Fenster trat und dem Wagen
nachschaute, solange noch ein Rad zu sehen war, und mit gutem Gewissen behauptete,
daß kein zweiter so schöner Wagen in der ganzen Gegend zu finden sei.

Der Einfluß des Werks machte sich weithin fühlbar. Nicht allein, daß alle
Wege der Umgegend in Grund und Boden gefahren wurden, nicht allein, daß der
Rvttebach auf Stunden weit durch Unrat und Salze verdorben wurde, daß die
Karpfen im Mühlteiche wirklich starben, und der Müller mit Schauder» die Flüssig¬
keit anstaunte, die früher Wasser gewesen war, nnn aber sein Rad mit einer mi߬
farbnen Kruste überzog, auch in der Bevölkrung trat eine Umwandlung ein. Das
Werk beschäftigte im Schacht und in der Fabrik mit der Zeit über tausend Arbeiter.
Zuerst kamen Bergleute aus aller Welt Enden an. Die besten ihrer Art waren
es nicht, sondern die locker sitzenden, die Zugvögel, die es nirgend lauge aushielten,
die schlechten oder unverträglichen Arbeiter, die von den ältern Werken abgeschoben
wurden. Wo eine Wohnung, eine Dachkammer, ein Unterschlupf frei war, da
nisteten sie sich in den Dörfern auf stundenweite in der Umgegend ein. Zur Zeit
des Schichtwechsels sah man sie mit Stock, Kober und Blechflasche ausgerüstet im
Gänsemarsch ans Richtwegen aus dem Walde und über die Höhen angezogen kommen.
Später, als die Fabrik gebaut war, gingen auch die Knechte und die Tagelöhner
in hellen Haufen zum Werk über, und da die Bauern von auswärts Ersatz heran¬
zogen, so entstand Wohnungsnot. Das Werk baute eine Kaserne für einen Stamm
der Arbeiter und Häuser für die Beamten, die andern konnten sehen, wo sie
blieben.

Warum bauen Sie denn nicht? fragte eiuer der Beamten den Schulzen von
Holzweißig, mit dem er sich über deu Gegenstand unterhielt.

Wir werden uns schön hüten, erwiderte der Schulze; da kämen wir schön in
die Bredülje. Wenns nach mir geht, kommt kein Schächter weiter ins Dorf, wir
haben von der Sorte schon mehr als genug.

Eine Zeit lang erreichte es der Schulze durch Ermahnungen, durch Schwierig¬
keiten, die er machte, durch Schikane, die er in Aussicht stellte, die Baulust nieder¬
zuhalten. Aber es war wohl zu erkennen, daß es auf die Dauer nicht helfen werde.
Auf Poplitz, der als „gebildeter Landwirt" keinen Lvknlpatriotismus hatte, und ans
etliche der „Kleinen," die ihre Hansanteile gern an den Mann bringen wollten,
war kein Verlaß. Leute, die bauen wollten, gab es eine ganze Menge, es mußte
also verhütet werden, daß Bauflecke verkauft wurden. Und so spann der Schulze
eine Intrigue, verabredete sich mit seinen Freunden, berief zu möglichst ungünstigem
Termin eine Versammlung und setzte das Ortsstatnt dnrch, daß bei schwerer Geld¬
strafe oder entsprechender Gefängnisstrafe ohne Genehmigung des Schulzen kein
Land zu Baustellen verkauft werden dürfe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/116>, abgerufen am 27.09.2024.