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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Soklor Dnttinüll" und sein Freund

der froh war, wenn er seine Sonntagspredigt gehalten hatte, und wenn er seine lange
Pfeife anstecken konnte. Aber er war Schulmonarch und durste als solcher nicht
übersehen werden. Da war vor allen Herr von Nienhagen, der Besitzer des
Fronhofs.

Wie soll ich es anfangen, Herrn von Nienhagen zu schildern, ohne einerseits der
geschichtlichen Wahrheit, andrerseits dem pietätvollen Andenken, das man dem alten
Herrn schuldet, zu nahe zu treten. Ich mache es wie die Historiker, rei-^ta. rolero,
und überlasse es dem Leser, sich sein Teil dazu zu denken. Herr von Nienhagen
war Oberstleutnant gewesen und einmal aus dem Manöver überraschend schnell nach
Hause gekommen. Man sagte ihm nach, das; er, in Reserve stehend, sein Bataillon
die Hosen habe wechseln lassen und dabei von den feindlichen Husaren überrascht
und samt seinem Bataillon ohne Hosen gefangen genommen worden sei. Wenn
das wahr ist, aber ich glaube es nicht recht, dann verdiente er freilich den Cylinder-
Hut, den er von diesem Tage an trug. Später ist er mit seiner Frau und seinen
beiden Töchtern auf sein Gut, den Fronhof, übergesiedelt, während sich der Herr
Sohn als Kadett und später als Leutnant ab und zu der erstaunten Welt am
Böhnhardt zeigte. Der Herr Oberstleutnant war eine der bekanntesten Personen
in der Gegend. Ein prächtiger Herr, sagte der Herr Landrat, der ihn übrigens
nicht näher kannte, ein ernster Christ, sagte der Herr Pastor, in Anbetracht der
reichlichen Gabe, die er zu den Kollekten zu spenden Pflegte, ein Mann von gut
und gerne dreihundert Morgen Land, sagte der Herr Schulze, der es wissen mußte,
ein hochgebildeter Edelmann, sagte der Herr Kantor, der sich von dem Herrn
Oberstleutnant wissenschaftliche Bücher zu borgen pflegte. -- Ach was, meinte der
Oberamlmnnn Schlieche, euer Oberstleutnant ist ein alter Konfusivnarins, der in
alles mögliche seine Nase steckt, aber nichts ordentliches versteht.

Es wäre nun uoch vou manchem rudern zu berichten, der in unsrer Geschichte
eine Rolle spielt, aber wir hebe" es auf auf gelegne Zeit. Wir kommen ja sonst
gar nicht vom Flecke.

Eines Tages fuhr man Holz durch Holzweißig, drei, vier große Wage" voll
behaueuer Stämme und Bretter. Die Wagen kamen vou Altum und fuhren durch
deu untern Teil des Dorfs auf der Landstraße nach dem Rottethal weiter. Der
Gastwirt zum Braunen Bären, Andreas Happich, stand wie gewöhnlich im Fenster
seiner Gaststube und beobachtete, was draußen vorging. Er betrachtete auch die
vier Wagen mit gespannter Aufmerksamkeit, sah die Dvrfstrnße hinauf, sah sie hinab,
schob sein Käpsel von der rechten nach der linken Seite und konnte die Sache
nicht ergründen. Und die Gäste in der Gaststube konnte" es auch nicht. Als die
Stammgäste abends, und zwar zahlreicher als sonst, versammelt waren, war schon mehr
Klarheit in die Sache gekommen. Fritze Raupach hatte gesehen, daß man das Holz
auf Fritze Pvplitzen seiner Wiese abgeladen hatte, und der Herr Förster hatte mit
den Zimmerleuten gesprochen und erfahren, daß man dort einen Brunnen oder so
etwas machen wolle. Hierauf hielt der Herr Kantor einen Vortrag über artesische
Brunnen, Hcronsbälle und andre physikalische Dinge und konstatierte, daß die Gegend
einen ausgesprochen artesischen Charakter habe -- was Andreas Happich mit gutem
Gewissen bestätigen konnte. Zuletzt kam einer mit der Nachricht, es solle ein Bohr¬
turm werden. So? ein Bohrturm?

Es wurde wirklich ein Bohrturm; er stand da wie hiugeblaseu. Dann wurde
eine Lokomobile mit großem Gedröhn durch das Dorf ins Rottethal gefahren,
wobei der Weg und die Bäume am Wege arg geschädigt wurden, und am Abend
desselben Tages saß ein Herr Bohrmeister am Stammtische bei Happich, umgeben
vou den angesehenen Einwohnern des Orts, den Herrn Kantor an der Spitze. Es
war nicht gewöhnliche Neugier, die sie am Freitag, wo mau sonst ordnungsmäßig
zu Hause blieb, ins Wirtshaus geführt hatte, sondern das Bewußtsein von der Be¬
deutung des Augenblicks. Der Bvhrmeister entscheidet doch darüber, was unter der
Erde ist, was natürlich außer ihm kein Mensch wissen kann. Und wie viel hängt


Soklor Dnttinüll« und sein Freund

der froh war, wenn er seine Sonntagspredigt gehalten hatte, und wenn er seine lange
Pfeife anstecken konnte. Aber er war Schulmonarch und durste als solcher nicht
übersehen werden. Da war vor allen Herr von Nienhagen, der Besitzer des
Fronhofs.

Wie soll ich es anfangen, Herrn von Nienhagen zu schildern, ohne einerseits der
geschichtlichen Wahrheit, andrerseits dem pietätvollen Andenken, das man dem alten
Herrn schuldet, zu nahe zu treten. Ich mache es wie die Historiker, rei-^ta. rolero,
und überlasse es dem Leser, sich sein Teil dazu zu denken. Herr von Nienhagen
war Oberstleutnant gewesen und einmal aus dem Manöver überraschend schnell nach
Hause gekommen. Man sagte ihm nach, das; er, in Reserve stehend, sein Bataillon
die Hosen habe wechseln lassen und dabei von den feindlichen Husaren überrascht
und samt seinem Bataillon ohne Hosen gefangen genommen worden sei. Wenn
das wahr ist, aber ich glaube es nicht recht, dann verdiente er freilich den Cylinder-
Hut, den er von diesem Tage an trug. Später ist er mit seiner Frau und seinen
beiden Töchtern auf sein Gut, den Fronhof, übergesiedelt, während sich der Herr
Sohn als Kadett und später als Leutnant ab und zu der erstaunten Welt am
Böhnhardt zeigte. Der Herr Oberstleutnant war eine der bekanntesten Personen
in der Gegend. Ein prächtiger Herr, sagte der Herr Landrat, der ihn übrigens
nicht näher kannte, ein ernster Christ, sagte der Herr Pastor, in Anbetracht der
reichlichen Gabe, die er zu den Kollekten zu spenden Pflegte, ein Mann von gut
und gerne dreihundert Morgen Land, sagte der Herr Schulze, der es wissen mußte,
ein hochgebildeter Edelmann, sagte der Herr Kantor, der sich von dem Herrn
Oberstleutnant wissenschaftliche Bücher zu borgen pflegte. — Ach was, meinte der
Oberamlmnnn Schlieche, euer Oberstleutnant ist ein alter Konfusivnarins, der in
alles mögliche seine Nase steckt, aber nichts ordentliches versteht.

Es wäre nun uoch vou manchem rudern zu berichten, der in unsrer Geschichte
eine Rolle spielt, aber wir hebe» es auf auf gelegne Zeit. Wir kommen ja sonst
gar nicht vom Flecke.

Eines Tages fuhr man Holz durch Holzweißig, drei, vier große Wage» voll
behaueuer Stämme und Bretter. Die Wagen kamen vou Altum und fuhren durch
deu untern Teil des Dorfs auf der Landstraße nach dem Rottethal weiter. Der
Gastwirt zum Braunen Bären, Andreas Happich, stand wie gewöhnlich im Fenster
seiner Gaststube und beobachtete, was draußen vorging. Er betrachtete auch die
vier Wagen mit gespannter Aufmerksamkeit, sah die Dvrfstrnße hinauf, sah sie hinab,
schob sein Käpsel von der rechten nach der linken Seite und konnte die Sache
nicht ergründen. Und die Gäste in der Gaststube konnte» es auch nicht. Als die
Stammgäste abends, und zwar zahlreicher als sonst, versammelt waren, war schon mehr
Klarheit in die Sache gekommen. Fritze Raupach hatte gesehen, daß man das Holz
auf Fritze Pvplitzen seiner Wiese abgeladen hatte, und der Herr Förster hatte mit
den Zimmerleuten gesprochen und erfahren, daß man dort einen Brunnen oder so
etwas machen wolle. Hierauf hielt der Herr Kantor einen Vortrag über artesische
Brunnen, Hcronsbälle und andre physikalische Dinge und konstatierte, daß die Gegend
einen ausgesprochen artesischen Charakter habe — was Andreas Happich mit gutem
Gewissen bestätigen konnte. Zuletzt kam einer mit der Nachricht, es solle ein Bohr¬
turm werden. So? ein Bohrturm?

Es wurde wirklich ein Bohrturm; er stand da wie hiugeblaseu. Dann wurde
eine Lokomobile mit großem Gedröhn durch das Dorf ins Rottethal gefahren,
wobei der Weg und die Bäume am Wege arg geschädigt wurden, und am Abend
desselben Tages saß ein Herr Bohrmeister am Stammtische bei Happich, umgeben
vou den angesehenen Einwohnern des Orts, den Herrn Kantor an der Spitze. Es
war nicht gewöhnliche Neugier, die sie am Freitag, wo mau sonst ordnungsmäßig
zu Hause blieb, ins Wirtshaus geführt hatte, sondern das Bewußtsein von der Be¬
deutung des Augenblicks. Der Bvhrmeister entscheidet doch darüber, was unter der
Erde ist, was natürlich außer ihm kein Mensch wissen kann. Und wie viel hängt


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[0110] Soklor Dnttinüll« und sein Freund der froh war, wenn er seine Sonntagspredigt gehalten hatte, und wenn er seine lange Pfeife anstecken konnte. Aber er war Schulmonarch und durste als solcher nicht übersehen werden. Da war vor allen Herr von Nienhagen, der Besitzer des Fronhofs. Wie soll ich es anfangen, Herrn von Nienhagen zu schildern, ohne einerseits der geschichtlichen Wahrheit, andrerseits dem pietätvollen Andenken, das man dem alten Herrn schuldet, zu nahe zu treten. Ich mache es wie die Historiker, rei-^ta. rolero, und überlasse es dem Leser, sich sein Teil dazu zu denken. Herr von Nienhagen war Oberstleutnant gewesen und einmal aus dem Manöver überraschend schnell nach Hause gekommen. Man sagte ihm nach, das; er, in Reserve stehend, sein Bataillon die Hosen habe wechseln lassen und dabei von den feindlichen Husaren überrascht und samt seinem Bataillon ohne Hosen gefangen genommen worden sei. Wenn das wahr ist, aber ich glaube es nicht recht, dann verdiente er freilich den Cylinder- Hut, den er von diesem Tage an trug. Später ist er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern auf sein Gut, den Fronhof, übergesiedelt, während sich der Herr Sohn als Kadett und später als Leutnant ab und zu der erstaunten Welt am Böhnhardt zeigte. Der Herr Oberstleutnant war eine der bekanntesten Personen in der Gegend. Ein prächtiger Herr, sagte der Herr Landrat, der ihn übrigens nicht näher kannte, ein ernster Christ, sagte der Herr Pastor, in Anbetracht der reichlichen Gabe, die er zu den Kollekten zu spenden Pflegte, ein Mann von gut und gerne dreihundert Morgen Land, sagte der Herr Schulze, der es wissen mußte, ein hochgebildeter Edelmann, sagte der Herr Kantor, der sich von dem Herrn Oberstleutnant wissenschaftliche Bücher zu borgen pflegte. — Ach was, meinte der Oberamlmnnn Schlieche, euer Oberstleutnant ist ein alter Konfusivnarins, der in alles mögliche seine Nase steckt, aber nichts ordentliches versteht. Es wäre nun uoch vou manchem rudern zu berichten, der in unsrer Geschichte eine Rolle spielt, aber wir hebe» es auf auf gelegne Zeit. Wir kommen ja sonst gar nicht vom Flecke. Eines Tages fuhr man Holz durch Holzweißig, drei, vier große Wage» voll behaueuer Stämme und Bretter. Die Wagen kamen vou Altum und fuhren durch deu untern Teil des Dorfs auf der Landstraße nach dem Rottethal weiter. Der Gastwirt zum Braunen Bären, Andreas Happich, stand wie gewöhnlich im Fenster seiner Gaststube und beobachtete, was draußen vorging. Er betrachtete auch die vier Wagen mit gespannter Aufmerksamkeit, sah die Dvrfstrnße hinauf, sah sie hinab, schob sein Käpsel von der rechten nach der linken Seite und konnte die Sache nicht ergründen. Und die Gäste in der Gaststube konnte» es auch nicht. Als die Stammgäste abends, und zwar zahlreicher als sonst, versammelt waren, war schon mehr Klarheit in die Sache gekommen. Fritze Raupach hatte gesehen, daß man das Holz auf Fritze Pvplitzen seiner Wiese abgeladen hatte, und der Herr Förster hatte mit den Zimmerleuten gesprochen und erfahren, daß man dort einen Brunnen oder so etwas machen wolle. Hierauf hielt der Herr Kantor einen Vortrag über artesische Brunnen, Hcronsbälle und andre physikalische Dinge und konstatierte, daß die Gegend einen ausgesprochen artesischen Charakter habe — was Andreas Happich mit gutem Gewissen bestätigen konnte. Zuletzt kam einer mit der Nachricht, es solle ein Bohr¬ turm werden. So? ein Bohrturm? Es wurde wirklich ein Bohrturm; er stand da wie hiugeblaseu. Dann wurde eine Lokomobile mit großem Gedröhn durch das Dorf ins Rottethal gefahren, wobei der Weg und die Bäume am Wege arg geschädigt wurden, und am Abend desselben Tages saß ein Herr Bohrmeister am Stammtische bei Happich, umgeben vou den angesehenen Einwohnern des Orts, den Herrn Kantor an der Spitze. Es war nicht gewöhnliche Neugier, die sie am Freitag, wo mau sonst ordnungsmäßig zu Hause blieb, ins Wirtshaus geführt hatte, sondern das Bewußtsein von der Be¬ deutung des Augenblicks. Der Bvhrmeister entscheidet doch darüber, was unter der Erde ist, was natürlich außer ihm kein Mensch wissen kann. Und wie viel hängt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/110>, abgerufen am 27.09.2024.