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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Mont Se, Mebel und der Michaelskulws

Mlf waldigen Bergesgipfeln, wo ma" sich ihm näher glaubte. In Benevent,
Monza und Pavia fanden die Krönungen mit Vorliebe in den Michaelskirchen
statt. Sogar in dein griechisch gebliebneu Teil Unteritaliens wird von Gargano
aus der Kultus neu belebt und auf dem mon8 g-ursus bei Sorrcnto (Monte
Sand' Angelo) ein viel besuchtes Heiligtum geschaffen. Noch heute findet sich
in ganz Italien unzähligemnl der Name Se. Angelo fiir Klöster, Kirchen,
Landgüter, ja sogar Dörfer und Städte. Immer ist darunter Se. Michael zu
verstehn. Auch die allbeliebten Vornamen Michele und Angelo weisen auf
die weite Verbreitung des Michaelsdienstes hin. Der gesamte Engelkultus
erscheint durch den des Erzengels Michael absorbiert.

Schließlich konnte sich auch die römische Kirche dieser Strömung uicht
entziehn, trotzdem daß sie mit den Langobarden in bitterster politischer Feind¬
schaft lebte. Bouifnzius III. oder IV. nahm deu Michaelskultus in Rom selbst
auf. Der Bau einer dem Erzengel geweihten Krypta in dem Kastell Se. Angelo
"..... der Engelsburg -- ist als ein Konknrrei,zttnternchinen gegenüber dem be¬
rühmten Wallfahrtsort der Langobarden, dem Ausgangspunkt der ganzen leb¬
haften religiösen Bewegung, anzusehen. Das Michaelsfcst am 8^ Mai und
besonders am 29. September wurde eingeführt oder allgemein anerkannt.
Seitdem wuchs der Pilgereifer außerhalb Italiens, während in Italien selbst
der Dienst des Engels seit dem elften Jahrhundert allmählich zurücktritt. Von
allen Seiten strömten Wallfahrer aller Nationen nach Italien. Bernhard, ein
Benediktinermönch des neunten Jahrhunderts, nennt allster deu Stätten des
heiligen Landes und Rom, der heiligen Stadt, in seinem Jtinerar mir noch
Michaclskirchen als Wnnderziele der Pilger: den Gargano, den goldnen Berg
lind die Felseninsel Se. Michel an der normannischen Küste.

Mont Se. Michel wurde in bewußter Nachahmung des Monte Gargano
zum Wallfahrtsort erhoben. Bischof Autpert 0on Avranches weihte ihn am
16. Oktober 709 unter der Regierung, vielleicht unter der Begünstigung des
Königs Childcbert III,, der ihn bald besucht haben soll. Der heilige Michael
war dem Bischof dreimal im Trumm erschienen mit der Weisung, auf dem
Berge nach dem Muster des Gargano ein Heiligtum zu gründen. Zum Zeugnis
der Wahrheit hatte er dem Ungläubigen mit dem Finger ein Loch in den
Schädel gedrückt. So die Legende. Antpert war klug genug zu erkennen,
daß er durch geschickte Benutzung des Michaelskultils, der gerade damals vom
Gargano aus seine größte Ausdehnung in Italien gewann, seiner Diözese
Bedeutung lind Glanz verleihen könne. Einige Mönche wurden nach dem
Gargano geschickt und erhielten dort ein Stück von dein Grottenfelsen und
einen Teil der roten Altardeckc, die der Engel selbst ausgebreitet haben sollte.
Der rote Lappen wurde später gern als ein Stück vom Pnrpurmnntel des
Erzengels augesehen. Erzählungen von der besondern Fürsorge des Erzengels
und von wunderbaren Heilungen durch diese Reliquien wurden allerorts ver¬
breitet und zogen schou 710 zahlreiche Pilger um. Von Anfang an erhielt
dieses Heiligtum den Namen in xsrieulv mais zum Unterschied vou rudern


Mont Se, Mebel und der Michaelskulws

Mlf waldigen Bergesgipfeln, wo ma» sich ihm näher glaubte. In Benevent,
Monza und Pavia fanden die Krönungen mit Vorliebe in den Michaelskirchen
statt. Sogar in dein griechisch gebliebneu Teil Unteritaliens wird von Gargano
aus der Kultus neu belebt und auf dem mon8 g-ursus bei Sorrcnto (Monte
Sand' Angelo) ein viel besuchtes Heiligtum geschaffen. Noch heute findet sich
in ganz Italien unzähligemnl der Name Se. Angelo fiir Klöster, Kirchen,
Landgüter, ja sogar Dörfer und Städte. Immer ist darunter Se. Michael zu
verstehn. Auch die allbeliebten Vornamen Michele und Angelo weisen auf
die weite Verbreitung des Michaelsdienstes hin. Der gesamte Engelkultus
erscheint durch den des Erzengels Michael absorbiert.

Schließlich konnte sich auch die römische Kirche dieser Strömung uicht
entziehn, trotzdem daß sie mit den Langobarden in bitterster politischer Feind¬
schaft lebte. Bouifnzius III. oder IV. nahm deu Michaelskultus in Rom selbst
auf. Der Bau einer dem Erzengel geweihten Krypta in dem Kastell Se. Angelo
"..... der Engelsburg — ist als ein Konknrrei,zttnternchinen gegenüber dem be¬
rühmten Wallfahrtsort der Langobarden, dem Ausgangspunkt der ganzen leb¬
haften religiösen Bewegung, anzusehen. Das Michaelsfcst am 8^ Mai und
besonders am 29. September wurde eingeführt oder allgemein anerkannt.
Seitdem wuchs der Pilgereifer außerhalb Italiens, während in Italien selbst
der Dienst des Engels seit dem elften Jahrhundert allmählich zurücktritt. Von
allen Seiten strömten Wallfahrer aller Nationen nach Italien. Bernhard, ein
Benediktinermönch des neunten Jahrhunderts, nennt allster deu Stätten des
heiligen Landes und Rom, der heiligen Stadt, in seinem Jtinerar mir noch
Michaclskirchen als Wnnderziele der Pilger: den Gargano, den goldnen Berg
lind die Felseninsel Se. Michel an der normannischen Küste.

Mont Se. Michel wurde in bewußter Nachahmung des Monte Gargano
zum Wallfahrtsort erhoben. Bischof Autpert 0on Avranches weihte ihn am
16. Oktober 709 unter der Regierung, vielleicht unter der Begünstigung des
Königs Childcbert III,, der ihn bald besucht haben soll. Der heilige Michael
war dem Bischof dreimal im Trumm erschienen mit der Weisung, auf dem
Berge nach dem Muster des Gargano ein Heiligtum zu gründen. Zum Zeugnis
der Wahrheit hatte er dem Ungläubigen mit dem Finger ein Loch in den
Schädel gedrückt. So die Legende. Antpert war klug genug zu erkennen,
daß er durch geschickte Benutzung des Michaelskultils, der gerade damals vom
Gargano aus seine größte Ausdehnung in Italien gewann, seiner Diözese
Bedeutung lind Glanz verleihen könne. Einige Mönche wurden nach dem
Gargano geschickt und erhielten dort ein Stück von dein Grottenfelsen und
einen Teil der roten Altardeckc, die der Engel selbst ausgebreitet haben sollte.
Der rote Lappen wurde später gern als ein Stück vom Pnrpurmnntel des
Erzengels augesehen. Erzählungen von der besondern Fürsorge des Erzengels
und von wunderbaren Heilungen durch diese Reliquien wurden allerorts ver¬
breitet und zogen schou 710 zahlreiche Pilger um. Von Anfang an erhielt
dieses Heiligtum den Namen in xsrieulv mais zum Unterschied vou rudern


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[0093] Mont Se, Mebel und der Michaelskulws Mlf waldigen Bergesgipfeln, wo ma» sich ihm näher glaubte. In Benevent, Monza und Pavia fanden die Krönungen mit Vorliebe in den Michaelskirchen statt. Sogar in dein griechisch gebliebneu Teil Unteritaliens wird von Gargano aus der Kultus neu belebt und auf dem mon8 g-ursus bei Sorrcnto (Monte Sand' Angelo) ein viel besuchtes Heiligtum geschaffen. Noch heute findet sich in ganz Italien unzähligemnl der Name Se. Angelo fiir Klöster, Kirchen, Landgüter, ja sogar Dörfer und Städte. Immer ist darunter Se. Michael zu verstehn. Auch die allbeliebten Vornamen Michele und Angelo weisen auf die weite Verbreitung des Michaelsdienstes hin. Der gesamte Engelkultus erscheint durch den des Erzengels Michael absorbiert. Schließlich konnte sich auch die römische Kirche dieser Strömung uicht entziehn, trotzdem daß sie mit den Langobarden in bitterster politischer Feind¬ schaft lebte. Bouifnzius III. oder IV. nahm deu Michaelskultus in Rom selbst auf. Der Bau einer dem Erzengel geweihten Krypta in dem Kastell Se. Angelo "..... der Engelsburg — ist als ein Konknrrei,zttnternchinen gegenüber dem be¬ rühmten Wallfahrtsort der Langobarden, dem Ausgangspunkt der ganzen leb¬ haften religiösen Bewegung, anzusehen. Das Michaelsfcst am 8^ Mai und besonders am 29. September wurde eingeführt oder allgemein anerkannt. Seitdem wuchs der Pilgereifer außerhalb Italiens, während in Italien selbst der Dienst des Engels seit dem elften Jahrhundert allmählich zurücktritt. Von allen Seiten strömten Wallfahrer aller Nationen nach Italien. Bernhard, ein Benediktinermönch des neunten Jahrhunderts, nennt allster deu Stätten des heiligen Landes und Rom, der heiligen Stadt, in seinem Jtinerar mir noch Michaclskirchen als Wnnderziele der Pilger: den Gargano, den goldnen Berg lind die Felseninsel Se. Michel an der normannischen Küste. Mont Se. Michel wurde in bewußter Nachahmung des Monte Gargano zum Wallfahrtsort erhoben. Bischof Autpert 0on Avranches weihte ihn am 16. Oktober 709 unter der Regierung, vielleicht unter der Begünstigung des Königs Childcbert III,, der ihn bald besucht haben soll. Der heilige Michael war dem Bischof dreimal im Trumm erschienen mit der Weisung, auf dem Berge nach dem Muster des Gargano ein Heiligtum zu gründen. Zum Zeugnis der Wahrheit hatte er dem Ungläubigen mit dem Finger ein Loch in den Schädel gedrückt. So die Legende. Antpert war klug genug zu erkennen, daß er durch geschickte Benutzung des Michaelskultils, der gerade damals vom Gargano aus seine größte Ausdehnung in Italien gewann, seiner Diözese Bedeutung lind Glanz verleihen könne. Einige Mönche wurden nach dem Gargano geschickt und erhielten dort ein Stück von dein Grottenfelsen und einen Teil der roten Altardeckc, die der Engel selbst ausgebreitet haben sollte. Der rote Lappen wurde später gern als ein Stück vom Pnrpurmnntel des Erzengels augesehen. Erzählungen von der besondern Fürsorge des Erzengels und von wunderbaren Heilungen durch diese Reliquien wurden allerorts ver¬ breitet und zogen schou 710 zahlreiche Pilger um. Von Anfang an erhielt dieses Heiligtum den Namen in xsrieulv mais zum Unterschied vou rudern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/93>, abgerufen am 01.09.2024.