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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Stauiuhalt.") das täglich 420000 Kubikmeter Trink- und Nutzwasser nachdem
124 Kilometer entfernt liegenden Boston liefern soll. Bei Miuneapolis im
Mississippithal ist durch künstlichen Aufstau von vier Seen durch Erd- und Holz-
däminc eine Stnnreserve von 2440 Millionen Kubikmetern geschaffen, durch die
die Schiffahrttiefe des gewaltigen Mississippi um 0,3 Meter zur Zeit des
Sommerniedrigwassers vermehrt wird. So viel bekannt, siud ganz bedeutende
und zahlreiche Projekte im Gange. Dabei hat Amerika an sich schon sehr ge¬
waltige natürliche Wasserkraftquellen, vor allen den Niagara, der seine unge¬
heuern Wassermengen in einem einzigen Abstürze 40 Meter tief niederfallen
läßt und damit eine Kraftleistung von etwa 12 Millionen Pferdestärken bietet.
Diese ist bis jetzt allerdings nur zu einem kleinen Teile gewerblich nutzbar
gemacht, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß mit Hilfe der elektrischen Kraft¬
übertragung künftig ein viel bedeutenderer Prozentsatz der Industrie zugänglich
gemacht wird. Zudem repräsentiert der Niagarafnll noch nicht die ganze Kraft-
leistung der die vier großen Seen in Terrasseustufen durchlaufenden Wasser¬
massen. Denn der Gesamthöhennnterschied der Wasserspiegel des Ontario- und
des Eriesees betrügt nicht 40, sondern 99 Meter; und zwischen dem Erie- und
dem Obern See sind nochmals 10 oder 11 Meter Gefälle vorhanden. Bei den
ungeheuern Wassermassen, die hier in Frage kommen, bedeutet dieses Gefälle
eine geradezu erdrückende Triebkraft. Gelingt es den Amerikanern, in der
Organisation dieser und der übrigen geradezu unermeßlichen Wassermassen in
aller Stille einen Vorsprung vor der Alten Welt zu gewinnen, so dürfte das
sehr bedeutsame Folgen in der internationalen Konkurrenz nach sich ziehn, die
besonders für Deutschland schwer ins Gewicht fallen können.

Deutschland, das an großen und unmittelbaren Wasserkräften nicht so
reich ist wie Amerika oder Norwegen oder die Schweiz, kann nur durch um¬
fassendste Organisation seines gesamten Wnssernblaufs, besonders in den Quell¬
gebieten, Großes zu erreiche" hoffen, dann aber allerdings mit dem Vorteil
einer allgemein günstigen Verteilung über das ganze Land, mit Ausnahme der
eigentlichen Flachgebietc. Die der Ostsee vorgelagerten Hochebncn in Ost- und
Westpreußen und in Pommern entsenden zahlreiche Flüsse nach dem Meere,
die bei ihrem Austritt ans dem Oberland ins Unterland tief eingeschnittnc
Rinnen bilden, die vielfach zur Einrichtung von Thalsperrbeckcn geeignet
sind, und denen bedeutende Wassermengen zur Verfügung stehn, besonders
wenn ans der Hochebne für entsprechende Ausgleichteiche genügend gesorgt
wird. Die Hügelgegenden in der obern Lausitz, in Thüringen, im Vorharz
und um der mittlern Weser bieten in ihren Thälern zahlreiche Gelegenheiten
zur Anlage kleinerer und mittlerer Staubecken und zu deren unmittelbaren
Nutzbarmachttng für landwirtschaftliche und gewerbliche Zwecke. Die vielfach
sehr tief eingeschnittnen Thäler und Schluchten des niederrhcinisch-westfälischen



Vergl. die Inauguralrede des derzeitigen Rektors der k. k. Hochschule für Bodenkultur
Wien, Professor Adolf Friedrich.

Stauiuhalt.») das täglich 420000 Kubikmeter Trink- und Nutzwasser nachdem
124 Kilometer entfernt liegenden Boston liefern soll. Bei Miuneapolis im
Mississippithal ist durch künstlichen Aufstau von vier Seen durch Erd- und Holz-
däminc eine Stnnreserve von 2440 Millionen Kubikmetern geschaffen, durch die
die Schiffahrttiefe des gewaltigen Mississippi um 0,3 Meter zur Zeit des
Sommerniedrigwassers vermehrt wird. So viel bekannt, siud ganz bedeutende
und zahlreiche Projekte im Gange. Dabei hat Amerika an sich schon sehr ge¬
waltige natürliche Wasserkraftquellen, vor allen den Niagara, der seine unge¬
heuern Wassermengen in einem einzigen Abstürze 40 Meter tief niederfallen
läßt und damit eine Kraftleistung von etwa 12 Millionen Pferdestärken bietet.
Diese ist bis jetzt allerdings nur zu einem kleinen Teile gewerblich nutzbar
gemacht, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß mit Hilfe der elektrischen Kraft¬
übertragung künftig ein viel bedeutenderer Prozentsatz der Industrie zugänglich
gemacht wird. Zudem repräsentiert der Niagarafnll noch nicht die ganze Kraft-
leistung der die vier großen Seen in Terrasseustufen durchlaufenden Wasser¬
massen. Denn der Gesamthöhennnterschied der Wasserspiegel des Ontario- und
des Eriesees betrügt nicht 40, sondern 99 Meter; und zwischen dem Erie- und
dem Obern See sind nochmals 10 oder 11 Meter Gefälle vorhanden. Bei den
ungeheuern Wassermassen, die hier in Frage kommen, bedeutet dieses Gefälle
eine geradezu erdrückende Triebkraft. Gelingt es den Amerikanern, in der
Organisation dieser und der übrigen geradezu unermeßlichen Wassermassen in
aller Stille einen Vorsprung vor der Alten Welt zu gewinnen, so dürfte das
sehr bedeutsame Folgen in der internationalen Konkurrenz nach sich ziehn, die
besonders für Deutschland schwer ins Gewicht fallen können.

Deutschland, das an großen und unmittelbaren Wasserkräften nicht so
reich ist wie Amerika oder Norwegen oder die Schweiz, kann nur durch um¬
fassendste Organisation seines gesamten Wnssernblaufs, besonders in den Quell¬
gebieten, Großes zu erreiche« hoffen, dann aber allerdings mit dem Vorteil
einer allgemein günstigen Verteilung über das ganze Land, mit Ausnahme der
eigentlichen Flachgebietc. Die der Ostsee vorgelagerten Hochebncn in Ost- und
Westpreußen und in Pommern entsenden zahlreiche Flüsse nach dem Meere,
die bei ihrem Austritt ans dem Oberland ins Unterland tief eingeschnittnc
Rinnen bilden, die vielfach zur Einrichtung von Thalsperrbeckcn geeignet
sind, und denen bedeutende Wassermengen zur Verfügung stehn, besonders
wenn ans der Hochebne für entsprechende Ausgleichteiche genügend gesorgt
wird. Die Hügelgegenden in der obern Lausitz, in Thüringen, im Vorharz
und um der mittlern Weser bieten in ihren Thälern zahlreiche Gelegenheiten
zur Anlage kleinerer und mittlerer Staubecken und zu deren unmittelbaren
Nutzbarmachttng für landwirtschaftliche und gewerbliche Zwecke. Die vielfach
sehr tief eingeschnittnen Thäler und Schluchten des niederrhcinisch-westfälischen



Vergl. die Inauguralrede des derzeitigen Rektors der k. k. Hochschule für Bodenkultur
Wien, Professor Adolf Friedrich.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/83>, abgerufen am 28.07.2024.