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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Politische Erkenntnis von den Sahungen seiner Partei umschlossen sei. Er hat
die Großmannsucht, es ist ihm nicht genug nu der Arbeit, die ihm durch die
Führung der Partei zugewiesen ist, sein Ehrgeiz drängt nach einer glänzender,,
Souue, die ihn bescheine. So lasset ihn hinfahren. Für die nationalliberale
Partei, die in der Mitte zwischen den Extremen stehend die Mehrheit des
Politischen Lebens verbürgt wie keine andre, ist er nichts mehr nütze.

Natürlich fand das Urteil derer, die so sprachen, volle Bestätigung durch
Miquels Berufung zum Minister. Seht da, nnn ist eingetreten, was wir
gesagt haben, sein Ehrgeiz hat erreicht, was er für sich wollte, über die Partei
hat das Nachsehen! Das; dabei Miquel auch nicht ein Jota von seinen großen
Überzeugungen aufgab, wurde übersehen: er war einmal der große Abtrünnige
und verdiente kein Vertrauen mehr. So erfuhr auch er, daß zwischen dem
"Hosiannah" und dem "Kreuziget ihn" häufig uur die Spanne eines Tages
liegt. Vollends gar, als ihn, durch die Huld Seiner Majestät der Adelstitel
verliehen wurde. Wenn mau sich vergegenwärtigen will, wie diese Standes-
erhöhung in den Reihen seiner frühern Geleitschaft aufgenommen wurde, so
lese man, was Bismarck in den Gedanken und Erinnerungen über die Wirkung
schreibt, die seine Erhebung in den Fürstenstand bei dem pommerschen Land¬
adel hatte. Konnte einer weiter in der Verleugnung des liberalen Prinzips
gehn, das doch gerade in dem Namen Miquels den traditionellen Träger
gehabt hatte?

l''e,rg.8<Z2 l'or^rQö! Und doch konnte gerade Miquel vou sich sagen, daß
^ es sei, der das nationalliberale Gesetz zur Erfüllung bringe. Denn in dem
Schwergewicht wahrhaft nationaler Arbeit wird er n"r von dem Einen, seinem
größesten Zeitgenossen, übertroffen, und was das liberal anbetrifft, so ist vor
allen er aus der Partei heraus thätig gewesen, das Wort auch zur Wahrheit
zu machen. Liberal heißt freigebig gegen jedermann. Der wahrhaft liberale
Mai", läßt das Wasser, das seine eigne Wiese gedüngt hat, nach Kräften auch
über die Triften seines Nachbarn laufen. Wir wollen mit dem National-
liberalismns nicht darüber rechten, wie weit er nach der Abschaffung der
Adels- und andrer Vorrechte den Begriff des Worts bei sich hat fossil werden
lassen, aber es ist eine Wahrheit, daß der Begriff in dem Führer, der die
Partei im Stich gelassen haben soll, immer lebendig geblieben ist. Die Wahr¬
heit scheint durch jede Lebensform, durch die eine klarer und leuchtender und
durch die andre dunkler und matter, aber es wäre widernatürlich, wenn sie
nicht i" irgend einer Weise an allem teil hätte.

In dieser Erkenntnis ist Johannes von Miqnel, je höher sein Lebens-
stern am Firmament der nationalen Politik emporstieg, desto eifriger bemüht
gewesen, den Ansprüchen, die die einzelnen Erscheinungen machen durften, gerecht
zu werden. Auch das kann man von ihm sagen, daß wo diese Liberalität nach
der einen oder der andern Seite hin durch seinen phänomenalen haushälte¬
rischer Sinn gehemmt schien, doch seine Thätigkeit dem Ganzen zu gute ge¬
kommen ist. Seine Verdienste um den preußischen Staat und das Deutsche
^eich sind denen eines Moltke und Rom, gleich zu rechnen; wie bei diesen


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Politische Erkenntnis von den Sahungen seiner Partei umschlossen sei. Er hat
die Großmannsucht, es ist ihm nicht genug nu der Arbeit, die ihm durch die
Führung der Partei zugewiesen ist, sein Ehrgeiz drängt nach einer glänzender,,
Souue, die ihn bescheine. So lasset ihn hinfahren. Für die nationalliberale
Partei, die in der Mitte zwischen den Extremen stehend die Mehrheit des
Politischen Lebens verbürgt wie keine andre, ist er nichts mehr nütze.

Natürlich fand das Urteil derer, die so sprachen, volle Bestätigung durch
Miquels Berufung zum Minister. Seht da, nnn ist eingetreten, was wir
gesagt haben, sein Ehrgeiz hat erreicht, was er für sich wollte, über die Partei
hat das Nachsehen! Das; dabei Miquel auch nicht ein Jota von seinen großen
Überzeugungen aufgab, wurde übersehen: er war einmal der große Abtrünnige
und verdiente kein Vertrauen mehr. So erfuhr auch er, daß zwischen dem
„Hosiannah" und dem „Kreuziget ihn" häufig uur die Spanne eines Tages
liegt. Vollends gar, als ihn, durch die Huld Seiner Majestät der Adelstitel
verliehen wurde. Wenn mau sich vergegenwärtigen will, wie diese Standes-
erhöhung in den Reihen seiner frühern Geleitschaft aufgenommen wurde, so
lese man, was Bismarck in den Gedanken und Erinnerungen über die Wirkung
schreibt, die seine Erhebung in den Fürstenstand bei dem pommerschen Land¬
adel hatte. Konnte einer weiter in der Verleugnung des liberalen Prinzips
gehn, das doch gerade in dem Namen Miquels den traditionellen Träger
gehabt hatte?

l''e,rg.8<Z2 l'or^rQö! Und doch konnte gerade Miquel vou sich sagen, daß
^ es sei, der das nationalliberale Gesetz zur Erfüllung bringe. Denn in dem
Schwergewicht wahrhaft nationaler Arbeit wird er n»r von dem Einen, seinem
größesten Zeitgenossen, übertroffen, und was das liberal anbetrifft, so ist vor
allen er aus der Partei heraus thätig gewesen, das Wort auch zur Wahrheit
zu machen. Liberal heißt freigebig gegen jedermann. Der wahrhaft liberale
Mai», läßt das Wasser, das seine eigne Wiese gedüngt hat, nach Kräften auch
über die Triften seines Nachbarn laufen. Wir wollen mit dem National-
liberalismns nicht darüber rechten, wie weit er nach der Abschaffung der
Adels- und andrer Vorrechte den Begriff des Worts bei sich hat fossil werden
lassen, aber es ist eine Wahrheit, daß der Begriff in dem Führer, der die
Partei im Stich gelassen haben soll, immer lebendig geblieben ist. Die Wahr¬
heit scheint durch jede Lebensform, durch die eine klarer und leuchtender und
durch die andre dunkler und matter, aber es wäre widernatürlich, wenn sie
nicht i» irgend einer Weise an allem teil hätte.

In dieser Erkenntnis ist Johannes von Miqnel, je höher sein Lebens-
stern am Firmament der nationalen Politik emporstieg, desto eifriger bemüht
gewesen, den Ansprüchen, die die einzelnen Erscheinungen machen durften, gerecht
zu werden. Auch das kann man von ihm sagen, daß wo diese Liberalität nach
der einen oder der andern Seite hin durch seinen phänomenalen haushälte¬
rischer Sinn gehemmt schien, doch seine Thätigkeit dem Ganzen zu gute ge¬
kommen ist. Seine Verdienste um den preußischen Staat und das Deutsche
^eich sind denen eines Moltke und Rom, gleich zu rechnen; wie bei diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/639>, abgerufen am 28.07.2024.