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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

neue Fabriken gegründet und neue Bahnen gebaut, damit werde die Hoffnung auf
gewinnreiche Anlage allgemein geweckt, der Kurs und der Zinsfuß in die Höhe
getrieben, bis der Speknlationsbau zusammenbreche. So erklärten sich zwei Er¬
scheinungen: daß der Eisenbahnbau nicht stetig, sondern stoßweise fortschreite, und
daß die Eisenpreise genau mit der Geschäftslage auf- und abwärts schwankten, wie
er in seinen Diagrammen zeigt. Dabei scheinen uns jedoch zwei wichtige Umstände
nicht gebührend hervorgehoben zu sein. Erstens, daß es doch zuguderletzt der Konsum
ist, der entscheidet, denn wenn die nut den neuen Maschinen erzeugten Waren und
die neuen Verkehrsmittel konsumiert würden (Eisenbahnen und Elektrizitätswerke
werden durch Benutzung verbraucht), so konnte keine Handelsstockung eintreten.
Zweitens (was er allerdings, aber nur nebenbei einmal erwähnt), daß sich England
gerade durch das, was ihm in den letzten Jahrzehnten noch Gewinn gebracht hat:
die Maschinenausfuhr und die Anlegung neuer Verkehrsanstalten im Ausland (früher
waren es Bmimwollenwaren) die Konkurrenten groß zieht und die Wurzeln seiner
eignen wirtschaftlichen Existenz abschneidet. Der Verfasser glaubt übrigens, daß es
mit dem industriellen Monopol Englands ein für alle mal vorbei sei, daß sein Handel
unaufhaltsam zurückgehe, und daß ihm besonders die Ausschaltung seiner Vermittler¬
rolle einen Schlag versetzt habe, den es nicht verwinden könne; jetzt besorgten alle
Staaten den Absatz ihrer Produkte und ihre Einfuhr selbst ohne Vermittlung Eng¬
lands. Der letzte Abschnitt des Buchs behandelt die sozialen Wirkungen der Handels¬
krisen. Zur englischen Elendsgeschichte wird da einiges neue oder wenigstens bis
jetzt bei uns nicht bekannte Material beigebracht. Besonders interessant ist das
Kapitel über den Baumwollenhunger der sechziger Jahre. Die hohnvollen Reden
der konservativen Lords über das Gebaren der Fabrikanten und die Angaben über
die Unfähigkeit der brotlos gewordnen Maschinenspinner, sich mit Muskelarbeit ihr
Brot zu verdienen, würden unsern deutschen Lords ausgezeichnet gefallen, wenn
sie sich herabließen, das Buch eines Sozinlisteu zu lesen; denn das ist der Ver¬
fasser, aber er schreibt gar nicht hetzerisch, sondern streng akademisch.


Praktische Musiker und Musikfvrscher.

Als am 3. September Friedrich
Chrysander zur Ruhe gegangen war, schienen auch seine Gegner unter dem
Eindruck zu stehn, daß die deutsche Musik einen schweren Verlust erlitten habe;
nun aber glauben sie sich wieder rühren zu dürfen. Eine vielgelesene Leipziger
Tageszeitung hat die erste Gelegenheit, die sich in der Aufführung von Händels
Judas Makkabttus durch das Gewandhaus bot, benutzt, gegen den letzten Teil
von Chrysandcrs Lebenswerk, seine praktischen Einrichtungen Hcindelscher Oratorien,
einen kräftigen Vorstoß auszuführen. Der Musikredaktcur des Blattes dankt dem
Gewandhaus, daß es die Mode, die diese Einrichtungen emporhebe, nicht mitmache,
erklärt, daß Chrysandcrs Accompagnement dilettantisch, sein Prinzip der historischen
Rekonstruktion haltlos sei, und kommt zu dem Schluß, die Mujikforscher sollten
von den Bearbeitungen überhaupt die Hand lassen, sie seien bei den praktischen
Musikern viel besser aufgehoben.

Da die Grenzboten schon frühzeitig für Chrysander eingetreten sind, wirds
ihnen erlaubt sein, über diesen Ausfall auch ein Wörtchen zu sagen. Nur nebenbei
mag bemerkt werden, daß der Redakteur sich mit dem Kompliment an das Gewand¬
haus versehen hat. Das allgemeine Verhältnis dieses Instituts zur alten Musik mag
unerörtert bleiben, aber im Jahre 1895 hat es sich bekanntermaßen bemüht, von
Chrysander die Einrichtung der "Deborah" zur Aufführung zu erhalten. Auch das
Wollen wir übergehn, daß der Redciktenr über die Möglichkeit historischer Re¬
konstruktion im Irrtum ist und von den Forderungen, die Chrysander z. B- über
die Stärkeverhältnisse von Chor und Orchester aufgestellt hat, nichts zu wissen
scheint. Nur seinen Versuch, mit dem Gegensatz von praktischen Musikern und
Musikforschern zu operiere", wollen wir uns etwas näher ansehen. Eigne Er--


Maßgebliches und Unmaßgebliches

neue Fabriken gegründet und neue Bahnen gebaut, damit werde die Hoffnung auf
gewinnreiche Anlage allgemein geweckt, der Kurs und der Zinsfuß in die Höhe
getrieben, bis der Speknlationsbau zusammenbreche. So erklärten sich zwei Er¬
scheinungen: daß der Eisenbahnbau nicht stetig, sondern stoßweise fortschreite, und
daß die Eisenpreise genau mit der Geschäftslage auf- und abwärts schwankten, wie
er in seinen Diagrammen zeigt. Dabei scheinen uns jedoch zwei wichtige Umstände
nicht gebührend hervorgehoben zu sein. Erstens, daß es doch zuguderletzt der Konsum
ist, der entscheidet, denn wenn die nut den neuen Maschinen erzeugten Waren und
die neuen Verkehrsmittel konsumiert würden (Eisenbahnen und Elektrizitätswerke
werden durch Benutzung verbraucht), so konnte keine Handelsstockung eintreten.
Zweitens (was er allerdings, aber nur nebenbei einmal erwähnt), daß sich England
gerade durch das, was ihm in den letzten Jahrzehnten noch Gewinn gebracht hat:
die Maschinenausfuhr und die Anlegung neuer Verkehrsanstalten im Ausland (früher
waren es Bmimwollenwaren) die Konkurrenten groß zieht und die Wurzeln seiner
eignen wirtschaftlichen Existenz abschneidet. Der Verfasser glaubt übrigens, daß es
mit dem industriellen Monopol Englands ein für alle mal vorbei sei, daß sein Handel
unaufhaltsam zurückgehe, und daß ihm besonders die Ausschaltung seiner Vermittler¬
rolle einen Schlag versetzt habe, den es nicht verwinden könne; jetzt besorgten alle
Staaten den Absatz ihrer Produkte und ihre Einfuhr selbst ohne Vermittlung Eng¬
lands. Der letzte Abschnitt des Buchs behandelt die sozialen Wirkungen der Handels¬
krisen. Zur englischen Elendsgeschichte wird da einiges neue oder wenigstens bis
jetzt bei uns nicht bekannte Material beigebracht. Besonders interessant ist das
Kapitel über den Baumwollenhunger der sechziger Jahre. Die hohnvollen Reden
der konservativen Lords über das Gebaren der Fabrikanten und die Angaben über
die Unfähigkeit der brotlos gewordnen Maschinenspinner, sich mit Muskelarbeit ihr
Brot zu verdienen, würden unsern deutschen Lords ausgezeichnet gefallen, wenn
sie sich herabließen, das Buch eines Sozinlisteu zu lesen; denn das ist der Ver¬
fasser, aber er schreibt gar nicht hetzerisch, sondern streng akademisch.


Praktische Musiker und Musikfvrscher.

Als am 3. September Friedrich
Chrysander zur Ruhe gegangen war, schienen auch seine Gegner unter dem
Eindruck zu stehn, daß die deutsche Musik einen schweren Verlust erlitten habe;
nun aber glauben sie sich wieder rühren zu dürfen. Eine vielgelesene Leipziger
Tageszeitung hat die erste Gelegenheit, die sich in der Aufführung von Händels
Judas Makkabttus durch das Gewandhaus bot, benutzt, gegen den letzten Teil
von Chrysandcrs Lebenswerk, seine praktischen Einrichtungen Hcindelscher Oratorien,
einen kräftigen Vorstoß auszuführen. Der Musikredaktcur des Blattes dankt dem
Gewandhaus, daß es die Mode, die diese Einrichtungen emporhebe, nicht mitmache,
erklärt, daß Chrysandcrs Accompagnement dilettantisch, sein Prinzip der historischen
Rekonstruktion haltlos sei, und kommt zu dem Schluß, die Mujikforscher sollten
von den Bearbeitungen überhaupt die Hand lassen, sie seien bei den praktischen
Musikern viel besser aufgehoben.

Da die Grenzboten schon frühzeitig für Chrysander eingetreten sind, wirds
ihnen erlaubt sein, über diesen Ausfall auch ein Wörtchen zu sagen. Nur nebenbei
mag bemerkt werden, daß der Redakteur sich mit dem Kompliment an das Gewand¬
haus versehen hat. Das allgemeine Verhältnis dieses Instituts zur alten Musik mag
unerörtert bleiben, aber im Jahre 1895 hat es sich bekanntermaßen bemüht, von
Chrysander die Einrichtung der „Deborah" zur Aufführung zu erhalten. Auch das
Wollen wir übergehn, daß der Redciktenr über die Möglichkeit historischer Re¬
konstruktion im Irrtum ist und von den Forderungen, die Chrysander z. B- über
die Stärkeverhältnisse von Chor und Orchester aufgestellt hat, nichts zu wissen
scheint. Nur seinen Versuch, mit dem Gegensatz von praktischen Musikern und
Musikforschern zu operiere», wollen wir uns etwas näher ansehen. Eigne Er--


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[0630] Maßgebliches und Unmaßgebliches neue Fabriken gegründet und neue Bahnen gebaut, damit werde die Hoffnung auf gewinnreiche Anlage allgemein geweckt, der Kurs und der Zinsfuß in die Höhe getrieben, bis der Speknlationsbau zusammenbreche. So erklärten sich zwei Er¬ scheinungen: daß der Eisenbahnbau nicht stetig, sondern stoßweise fortschreite, und daß die Eisenpreise genau mit der Geschäftslage auf- und abwärts schwankten, wie er in seinen Diagrammen zeigt. Dabei scheinen uns jedoch zwei wichtige Umstände nicht gebührend hervorgehoben zu sein. Erstens, daß es doch zuguderletzt der Konsum ist, der entscheidet, denn wenn die nut den neuen Maschinen erzeugten Waren und die neuen Verkehrsmittel konsumiert würden (Eisenbahnen und Elektrizitätswerke werden durch Benutzung verbraucht), so konnte keine Handelsstockung eintreten. Zweitens (was er allerdings, aber nur nebenbei einmal erwähnt), daß sich England gerade durch das, was ihm in den letzten Jahrzehnten noch Gewinn gebracht hat: die Maschinenausfuhr und die Anlegung neuer Verkehrsanstalten im Ausland (früher waren es Bmimwollenwaren) die Konkurrenten groß zieht und die Wurzeln seiner eignen wirtschaftlichen Existenz abschneidet. Der Verfasser glaubt übrigens, daß es mit dem industriellen Monopol Englands ein für alle mal vorbei sei, daß sein Handel unaufhaltsam zurückgehe, und daß ihm besonders die Ausschaltung seiner Vermittler¬ rolle einen Schlag versetzt habe, den es nicht verwinden könne; jetzt besorgten alle Staaten den Absatz ihrer Produkte und ihre Einfuhr selbst ohne Vermittlung Eng¬ lands. Der letzte Abschnitt des Buchs behandelt die sozialen Wirkungen der Handels¬ krisen. Zur englischen Elendsgeschichte wird da einiges neue oder wenigstens bis jetzt bei uns nicht bekannte Material beigebracht. Besonders interessant ist das Kapitel über den Baumwollenhunger der sechziger Jahre. Die hohnvollen Reden der konservativen Lords über das Gebaren der Fabrikanten und die Angaben über die Unfähigkeit der brotlos gewordnen Maschinenspinner, sich mit Muskelarbeit ihr Brot zu verdienen, würden unsern deutschen Lords ausgezeichnet gefallen, wenn sie sich herabließen, das Buch eines Sozinlisteu zu lesen; denn das ist der Ver¬ fasser, aber er schreibt gar nicht hetzerisch, sondern streng akademisch. Praktische Musiker und Musikfvrscher. Als am 3. September Friedrich Chrysander zur Ruhe gegangen war, schienen auch seine Gegner unter dem Eindruck zu stehn, daß die deutsche Musik einen schweren Verlust erlitten habe; nun aber glauben sie sich wieder rühren zu dürfen. Eine vielgelesene Leipziger Tageszeitung hat die erste Gelegenheit, die sich in der Aufführung von Händels Judas Makkabttus durch das Gewandhaus bot, benutzt, gegen den letzten Teil von Chrysandcrs Lebenswerk, seine praktischen Einrichtungen Hcindelscher Oratorien, einen kräftigen Vorstoß auszuführen. Der Musikredaktcur des Blattes dankt dem Gewandhaus, daß es die Mode, die diese Einrichtungen emporhebe, nicht mitmache, erklärt, daß Chrysandcrs Accompagnement dilettantisch, sein Prinzip der historischen Rekonstruktion haltlos sei, und kommt zu dem Schluß, die Mujikforscher sollten von den Bearbeitungen überhaupt die Hand lassen, sie seien bei den praktischen Musikern viel besser aufgehoben. Da die Grenzboten schon frühzeitig für Chrysander eingetreten sind, wirds ihnen erlaubt sein, über diesen Ausfall auch ein Wörtchen zu sagen. Nur nebenbei mag bemerkt werden, daß der Redakteur sich mit dem Kompliment an das Gewand¬ haus versehen hat. Das allgemeine Verhältnis dieses Instituts zur alten Musik mag unerörtert bleiben, aber im Jahre 1895 hat es sich bekanntermaßen bemüht, von Chrysander die Einrichtung der „Deborah" zur Aufführung zu erhalten. Auch das Wollen wir übergehn, daß der Redciktenr über die Möglichkeit historischer Re¬ konstruktion im Irrtum ist und von den Forderungen, die Chrysander z. B- über die Stärkeverhältnisse von Chor und Orchester aufgestellt hat, nichts zu wissen scheint. Nur seinen Versuch, mit dem Gegensatz von praktischen Musikern und Musikforschern zu operiere», wollen wir uns etwas näher ansehen. Eigne Er--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/630>, abgerufen am 27.07.2024.