Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

es konnte rufen, wer wollte. Er fühlte sich dann eben als Pascha. Sie konnte
ja zu ihm hinter in die Backstube kommen, wenn sich so eilig hatte. Was sie von
ihm wollte, würde wohl Zeit haben."

Aber was sie diesesmal von ihm gewollt hatte, hatte "eigentlich nicht Zeit
gehabt, es hatte im Gegenteil sehr geeilt, und er würde das auch selbst gefunden
haben, wenn er gewußt hätte, worum es sich handelte. Der Briefträger hatte
nämlich eben einen Feldpostbrief gebracht, dessen äußeres Ansehen Fran Hahn sehr
in die Kniee gefahren war. "An Herrn Bäckermeister Gustav Hahn, Untere Elb-
Me, Meißen. Absender: Eugen Zeisig, XII. (Königl. Scichs.) Armeekorps. Schützen¬
regiment Ur. 108. Vierte Kompagnie." In die Kniee gefahren, wie Müttern solche
Schrecke in die Kniee fahren, wenn es sich dabei um den einzigen Sohn, in Frau
Hahns Fall um das einzige Kind handelt. Denn ihr Karl, dem allein der Pascha
den eben noch unerwidert "in der Wüste der Zeit verhallenden" Ehrennamen "Vater"
verdankte, "der Stift," wie er ihn nannte, stand bei dieser selben vierten Kompagnie,
die seit Mitte September vor Paris lag. Und wenn Eugen, der Karls Intimus
war. mit dem man aber bis jetzt nicht korrespondiert hatte, an ihren Mann schrieb,
so war höchst wahrscheinlich mit ihrem Sohne irgend etwas nicht in Ordnung.

Der Bäckermeister Gustav Hahn hatte eine Knchenstube, was in Meißen, in
dessen nächster Umgebung Reben gepflegt und Trauben gekeltert werden, gleich¬
bedeutend mit Weinstube ist. Mau braucht sich solche Meißner Weinstuben - - etwa
des Kuchens wegen ^- nicht gar zu kindlich und unschuldig vorzustellen, denn wenn
es mich ganz ehrbare Lokale waren, wo sich in die Stadt gekvmmne Bauernfamilien
Sonntags uach der Kirche mit Kind und Kegel ohne Gefahr für den Ruf der
heiratsfähige Tochter und die Sittenreinheit der als Ochsen- und Pferde¬
längen verdingten Söhne stärken konnten, so ging es doch in einigen von ihnen
-- und die Hahnsche war die bekannteste und besuchteste bei Märkten oder
abends, wenn sich die Rechten zusammengefunden hatten, bisweilen so kreuzfidel
her, daß das "Gescherre" und das Mobiliar davon zu erzählen wußten. Guter
Meißner Landwein trinkt sich bekanntlich sehr nett und steigt gewaltig zu Kopf,
wie man sich davon auch noch heutzutage jeden Sonntag Abend auf dem der Stadt
über den Fluß weg gegenüberliegenden Bahnhöfe bei der Abfahrt der nach Dresden
heimkehrenden johlenden Häuser überzeugen kann.

Was n"n Karl und die vierte Kompagnie des Schützenregiments anlangte, so
hatten sich zwar infolge eingegangner Depeschen sehr beunruhigende Gerüchte über
Ausfallsgefechte verbreitet, die am 30. November und am 2. Dezember stattgefunden
haben und bei denen auch die Regimenter 164, 166, 167 und 168 unter starkem
Verlust beteiligt gewesen sein sollten, aber man hatte sich um Karl schon so oft
ohne Not geängstigt, und der Bäckermeister, der sich gern auf den kaltblütigen
Vater spielte, hatte so oft wiederholt, Unkraut verdürbe nicht, daß man sich die
angegangnen Hiobspvsten nur im allgemeinen als etwas, das einen wie jeden
andern Patrioten beträfe, zu Herzen genommen hatte. Ein vor zwei Tagen cm-
gekommuer Brief, worin Karl von seinem Wohlbefinden und von behaglichen Zu¬
ständen vor Paris berichtete, hatte dazu beigetragen, das Hahnsche Ehepaar in
I^mer zuversichtlichen Stimmung zu bestärken.

Wer das wohlhäbige Hahnsche Haus und das darin blühende Geschäft sah,
Mte glauben sollen, der einzige Sohn so wohlsitnierter Eltern würde höhere
Schulen besucht und das Freiwilligenexamen bestanden haben. Wahrscheinlich würde
es in der That heutigentags so gekommen sein. Vor dreißig Jahren war das
^og ebeu anders gegangen, nicht weil man die Kosten gescheut oder zu scheuen
gehabt hätte, sondern weil man gefunden hatte, daß das, was der Vater und der
Großvater geleistet und womit sie sich in geselliger Beziehung begnügt hatten, für
leben wohlhabenden Bäckerssohn und deshalb auch für den Stift genügte.

Wir müssen hier dein Leser gleich von vornherein ein gutes Wort geben,


es konnte rufen, wer wollte. Er fühlte sich dann eben als Pascha. Sie konnte
ja zu ihm hinter in die Backstube kommen, wenn sich so eilig hatte. Was sie von
ihm wollte, würde wohl Zeit haben."

Aber was sie diesesmal von ihm gewollt hatte, hatte „eigentlich nicht Zeit
gehabt, es hatte im Gegenteil sehr geeilt, und er würde das auch selbst gefunden
haben, wenn er gewußt hätte, worum es sich handelte. Der Briefträger hatte
nämlich eben einen Feldpostbrief gebracht, dessen äußeres Ansehen Fran Hahn sehr
in die Kniee gefahren war. „An Herrn Bäckermeister Gustav Hahn, Untere Elb-
Me, Meißen. Absender: Eugen Zeisig, XII. (Königl. Scichs.) Armeekorps. Schützen¬
regiment Ur. 108. Vierte Kompagnie." In die Kniee gefahren, wie Müttern solche
Schrecke in die Kniee fahren, wenn es sich dabei um den einzigen Sohn, in Frau
Hahns Fall um das einzige Kind handelt. Denn ihr Karl, dem allein der Pascha
den eben noch unerwidert „in der Wüste der Zeit verhallenden" Ehrennamen „Vater"
verdankte, „der Stift," wie er ihn nannte, stand bei dieser selben vierten Kompagnie,
die seit Mitte September vor Paris lag. Und wenn Eugen, der Karls Intimus
war. mit dem man aber bis jetzt nicht korrespondiert hatte, an ihren Mann schrieb,
so war höchst wahrscheinlich mit ihrem Sohne irgend etwas nicht in Ordnung.

Der Bäckermeister Gustav Hahn hatte eine Knchenstube, was in Meißen, in
dessen nächster Umgebung Reben gepflegt und Trauben gekeltert werden, gleich¬
bedeutend mit Weinstube ist. Mau braucht sich solche Meißner Weinstuben - - etwa
des Kuchens wegen ^- nicht gar zu kindlich und unschuldig vorzustellen, denn wenn
es mich ganz ehrbare Lokale waren, wo sich in die Stadt gekvmmne Bauernfamilien
Sonntags uach der Kirche mit Kind und Kegel ohne Gefahr für den Ruf der
heiratsfähige Tochter und die Sittenreinheit der als Ochsen- und Pferde¬
längen verdingten Söhne stärken konnten, so ging es doch in einigen von ihnen
— und die Hahnsche war die bekannteste und besuchteste bei Märkten oder
abends, wenn sich die Rechten zusammengefunden hatten, bisweilen so kreuzfidel
her, daß das „Gescherre" und das Mobiliar davon zu erzählen wußten. Guter
Meißner Landwein trinkt sich bekanntlich sehr nett und steigt gewaltig zu Kopf,
wie man sich davon auch noch heutzutage jeden Sonntag Abend auf dem der Stadt
über den Fluß weg gegenüberliegenden Bahnhöfe bei der Abfahrt der nach Dresden
heimkehrenden johlenden Häuser überzeugen kann.

Was n»n Karl und die vierte Kompagnie des Schützenregiments anlangte, so
hatten sich zwar infolge eingegangner Depeschen sehr beunruhigende Gerüchte über
Ausfallsgefechte verbreitet, die am 30. November und am 2. Dezember stattgefunden
haben und bei denen auch die Regimenter 164, 166, 167 und 168 unter starkem
Verlust beteiligt gewesen sein sollten, aber man hatte sich um Karl schon so oft
ohne Not geängstigt, und der Bäckermeister, der sich gern auf den kaltblütigen
Vater spielte, hatte so oft wiederholt, Unkraut verdürbe nicht, daß man sich die
angegangnen Hiobspvsten nur im allgemeinen als etwas, das einen wie jeden
andern Patrioten beträfe, zu Herzen genommen hatte. Ein vor zwei Tagen cm-
gekommuer Brief, worin Karl von seinem Wohlbefinden und von behaglichen Zu¬
ständen vor Paris berichtete, hatte dazu beigetragen, das Hahnsche Ehepaar in
I^mer zuversichtlichen Stimmung zu bestärken.

Wer das wohlhäbige Hahnsche Haus und das darin blühende Geschäft sah,
Mte glauben sollen, der einzige Sohn so wohlsitnierter Eltern würde höhere
Schulen besucht und das Freiwilligenexamen bestanden haben. Wahrscheinlich würde
es in der That heutigentags so gekommen sein. Vor dreißig Jahren war das
^og ebeu anders gegangen, nicht weil man die Kosten gescheut oder zu scheuen
gehabt hätte, sondern weil man gefunden hatte, daß das, was der Vater und der
Großvater geleistet und womit sie sich in geselliger Beziehung begnügt hatten, für
leben wohlhabenden Bäckerssohn und deshalb auch für den Stift genügte.

Wir müssen hier dein Leser gleich von vornherein ein gutes Wort geben,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236441"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2343" prev="#ID_2342"> es konnte rufen, wer wollte. Er fühlte sich dann eben als Pascha. Sie konnte<lb/>
ja zu ihm hinter in die Backstube kommen, wenn sich so eilig hatte. Was sie von<lb/>
ihm wollte, würde wohl Zeit haben."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2344"> Aber was sie diesesmal von ihm gewollt hatte, hatte &#x201E;eigentlich nicht Zeit<lb/>
gehabt, es hatte im Gegenteil sehr geeilt, und er würde das auch selbst gefunden<lb/>
haben, wenn er gewußt hätte, worum es sich handelte. Der Briefträger hatte<lb/>
nämlich eben einen Feldpostbrief gebracht, dessen äußeres Ansehen Fran Hahn sehr<lb/>
in die Kniee gefahren war. &#x201E;An Herrn Bäckermeister Gustav Hahn, Untere Elb-<lb/>
Me, Meißen. Absender: Eugen Zeisig, XII. (Königl. Scichs.) Armeekorps. Schützen¬<lb/>
regiment Ur. 108. Vierte Kompagnie." In die Kniee gefahren, wie Müttern solche<lb/>
Schrecke in die Kniee fahren, wenn es sich dabei um den einzigen Sohn, in Frau<lb/>
Hahns Fall um das einzige Kind handelt. Denn ihr Karl, dem allein der Pascha<lb/>
den eben noch unerwidert &#x201E;in der Wüste der Zeit verhallenden" Ehrennamen &#x201E;Vater"<lb/>
verdankte, &#x201E;der Stift," wie er ihn nannte, stand bei dieser selben vierten Kompagnie,<lb/>
die seit Mitte September vor Paris lag. Und wenn Eugen, der Karls Intimus<lb/>
war. mit dem man aber bis jetzt nicht korrespondiert hatte, an ihren Mann schrieb,<lb/>
so war höchst wahrscheinlich mit ihrem Sohne irgend etwas nicht in Ordnung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2345"> Der Bäckermeister Gustav Hahn hatte eine Knchenstube, was in Meißen, in<lb/>
dessen nächster Umgebung Reben gepflegt und Trauben gekeltert werden, gleich¬<lb/>
bedeutend mit Weinstube ist. Mau braucht sich solche Meißner Weinstuben - - etwa<lb/>
des Kuchens wegen ^- nicht gar zu kindlich und unschuldig vorzustellen, denn wenn<lb/>
es mich ganz ehrbare Lokale waren, wo sich in die Stadt gekvmmne Bauernfamilien<lb/>
Sonntags uach der Kirche mit Kind und Kegel ohne Gefahr für den Ruf der<lb/>
heiratsfähige Tochter und die Sittenreinheit der als Ochsen- und Pferde¬<lb/>
längen verdingten Söhne stärken konnten, so ging es doch in einigen von ihnen<lb/>
&#x2014; und die Hahnsche war die bekannteste und besuchteste bei Märkten oder<lb/>
abends, wenn sich die Rechten zusammengefunden hatten, bisweilen so kreuzfidel<lb/>
her, daß das &#x201E;Gescherre" und das Mobiliar davon zu erzählen wußten. Guter<lb/>
Meißner Landwein trinkt sich bekanntlich sehr nett und steigt gewaltig zu Kopf,<lb/>
wie man sich davon auch noch heutzutage jeden Sonntag Abend auf dem der Stadt<lb/>
über den Fluß weg gegenüberliegenden Bahnhöfe bei der Abfahrt der nach Dresden<lb/>
heimkehrenden johlenden Häuser überzeugen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2346"> Was n»n Karl und die vierte Kompagnie des Schützenregiments anlangte, so<lb/>
hatten sich zwar infolge eingegangner Depeschen sehr beunruhigende Gerüchte über<lb/>
Ausfallsgefechte verbreitet, die am 30. November und am 2. Dezember stattgefunden<lb/>
haben und bei denen auch die Regimenter 164, 166, 167 und 168 unter starkem<lb/>
Verlust beteiligt gewesen sein sollten, aber man hatte sich um Karl schon so oft<lb/>
ohne Not geängstigt, und der Bäckermeister, der sich gern auf den kaltblütigen<lb/>
Vater spielte, hatte so oft wiederholt, Unkraut verdürbe nicht, daß man sich die<lb/>
angegangnen Hiobspvsten nur im allgemeinen als etwas, das einen wie jeden<lb/>
andern Patrioten beträfe, zu Herzen genommen hatte. Ein vor zwei Tagen cm-<lb/>
gekommuer Brief, worin Karl von seinem Wohlbefinden und von behaglichen Zu¬<lb/>
ständen vor Paris berichtete, hatte dazu beigetragen, das Hahnsche Ehepaar in<lb/>
I^mer zuversichtlichen Stimmung zu bestärken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2347"> Wer das wohlhäbige Hahnsche Haus und das darin blühende Geschäft sah,<lb/>
Mte glauben sollen, der einzige Sohn so wohlsitnierter Eltern würde höhere<lb/>
Schulen besucht und das Freiwilligenexamen bestanden haben. Wahrscheinlich würde<lb/>
es in der That heutigentags so gekommen sein. Vor dreißig Jahren war das<lb/>
^og ebeu anders gegangen, nicht weil man die Kosten gescheut oder zu scheuen<lb/>
gehabt hätte, sondern weil man gefunden hatte, daß das, was der Vater und der<lb/>
Großvater geleistet und womit sie sich in geselliger Beziehung begnügt hatten, für<lb/>
leben wohlhabenden Bäckerssohn und deshalb auch für den Stift genügte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2348" next="#ID_2349"> Wir müssen hier dein Leser gleich von vornherein ein gutes Wort geben,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0619] es konnte rufen, wer wollte. Er fühlte sich dann eben als Pascha. Sie konnte ja zu ihm hinter in die Backstube kommen, wenn sich so eilig hatte. Was sie von ihm wollte, würde wohl Zeit haben." Aber was sie diesesmal von ihm gewollt hatte, hatte „eigentlich nicht Zeit gehabt, es hatte im Gegenteil sehr geeilt, und er würde das auch selbst gefunden haben, wenn er gewußt hätte, worum es sich handelte. Der Briefträger hatte nämlich eben einen Feldpostbrief gebracht, dessen äußeres Ansehen Fran Hahn sehr in die Kniee gefahren war. „An Herrn Bäckermeister Gustav Hahn, Untere Elb- Me, Meißen. Absender: Eugen Zeisig, XII. (Königl. Scichs.) Armeekorps. Schützen¬ regiment Ur. 108. Vierte Kompagnie." In die Kniee gefahren, wie Müttern solche Schrecke in die Kniee fahren, wenn es sich dabei um den einzigen Sohn, in Frau Hahns Fall um das einzige Kind handelt. Denn ihr Karl, dem allein der Pascha den eben noch unerwidert „in der Wüste der Zeit verhallenden" Ehrennamen „Vater" verdankte, „der Stift," wie er ihn nannte, stand bei dieser selben vierten Kompagnie, die seit Mitte September vor Paris lag. Und wenn Eugen, der Karls Intimus war. mit dem man aber bis jetzt nicht korrespondiert hatte, an ihren Mann schrieb, so war höchst wahrscheinlich mit ihrem Sohne irgend etwas nicht in Ordnung. Der Bäckermeister Gustav Hahn hatte eine Knchenstube, was in Meißen, in dessen nächster Umgebung Reben gepflegt und Trauben gekeltert werden, gleich¬ bedeutend mit Weinstube ist. Mau braucht sich solche Meißner Weinstuben - - etwa des Kuchens wegen ^- nicht gar zu kindlich und unschuldig vorzustellen, denn wenn es mich ganz ehrbare Lokale waren, wo sich in die Stadt gekvmmne Bauernfamilien Sonntags uach der Kirche mit Kind und Kegel ohne Gefahr für den Ruf der heiratsfähige Tochter und die Sittenreinheit der als Ochsen- und Pferde¬ längen verdingten Söhne stärken konnten, so ging es doch in einigen von ihnen — und die Hahnsche war die bekannteste und besuchteste bei Märkten oder abends, wenn sich die Rechten zusammengefunden hatten, bisweilen so kreuzfidel her, daß das „Gescherre" und das Mobiliar davon zu erzählen wußten. Guter Meißner Landwein trinkt sich bekanntlich sehr nett und steigt gewaltig zu Kopf, wie man sich davon auch noch heutzutage jeden Sonntag Abend auf dem der Stadt über den Fluß weg gegenüberliegenden Bahnhöfe bei der Abfahrt der nach Dresden heimkehrenden johlenden Häuser überzeugen kann. Was n»n Karl und die vierte Kompagnie des Schützenregiments anlangte, so hatten sich zwar infolge eingegangner Depeschen sehr beunruhigende Gerüchte über Ausfallsgefechte verbreitet, die am 30. November und am 2. Dezember stattgefunden haben und bei denen auch die Regimenter 164, 166, 167 und 168 unter starkem Verlust beteiligt gewesen sein sollten, aber man hatte sich um Karl schon so oft ohne Not geängstigt, und der Bäckermeister, der sich gern auf den kaltblütigen Vater spielte, hatte so oft wiederholt, Unkraut verdürbe nicht, daß man sich die angegangnen Hiobspvsten nur im allgemeinen als etwas, das einen wie jeden andern Patrioten beträfe, zu Herzen genommen hatte. Ein vor zwei Tagen cm- gekommuer Brief, worin Karl von seinem Wohlbefinden und von behaglichen Zu¬ ständen vor Paris berichtete, hatte dazu beigetragen, das Hahnsche Ehepaar in I^mer zuversichtlichen Stimmung zu bestärken. Wer das wohlhäbige Hahnsche Haus und das darin blühende Geschäft sah, Mte glauben sollen, der einzige Sohn so wohlsitnierter Eltern würde höhere Schulen besucht und das Freiwilligenexamen bestanden haben. Wahrscheinlich würde es in der That heutigentags so gekommen sein. Vor dreißig Jahren war das ^og ebeu anders gegangen, nicht weil man die Kosten gescheut oder zu scheuen gehabt hätte, sondern weil man gefunden hatte, daß das, was der Vater und der Großvater geleistet und womit sie sich in geselliger Beziehung begnügt hatten, für leben wohlhabenden Bäckerssohn und deshalb auch für den Stift genügte. Wir müssen hier dein Leser gleich von vornherein ein gutes Wort geben,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/619
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/619>, abgerufen am 01.09.2024.