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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

konnte oder mochte ruhig im Bett liegen; lauschend, spähend und sich vorwärts
tastend arbeiteten sich die dunkeln Gestalten um die wankenden Häusermauern. In
der düstern, stürmischen Nacht wachte" die Eigentümer über die baufällige" Häuser,
die ihr einziger Reichtum waren.

Am nächsten Morgen wurde die Zerstörung offenbar: eingestürzte Schornsteine,
aufgerissene Dächer, zerschmetterte Fenster, zusammengcbrochne Mauern, nmgeworfne
Torfhnnfeu, das waren die traurigen Spuren des Sturms. Auch bei Söreu Brander
hatte er beträchtlichen Schaden angerichtet.

Und der Winter stand vor der Thür.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Aufgetrutelter Brathnhu.

Großvaters Koch wußte, daß der alte Herr
kein Freund von ciufgebratuem Stückfleisch oder Geflügel war. Anfgebratnes, außer
Kartoffelklößen, ist auch ein elender Fraß. Baumann, so hieß der Künstler, war
deshalb, wenn früh der Speisezettel für den Mittagstisch beraten wurde, die
Meldung, daß es "Phönix" als Braten geben würde, immer etwas peinlich. Wenn
vom Enkel auf den Großvater geschlossen werden darf, war zwar in einem solchen
Falle kein wilder Ausbruch von Entrüstung zu befürchten, aber ein ermüdeter
schlaffer Zug um die Mundwinkel, dem Köche, wenn sie ein Gericht vorschlagen,
ungern begegnen. Eines Tags, wo es schon überhaupt nicht gut gegangen war,
fragte Großvater nach dem Braten, um sich daran für die andern Gerichte, die
ihm nicht behagten, schadlos zu halten. -- Aufgetrutelter Brathnhn, Freilich Gnaden,
sagte Baumann scheinbar unbefangen, als wenn er nicht wüßte, daß das die Sache
kaum besser machen würde. Der Phönix freilich machte die Sache nicht besser,
aber daß Baumann mit der Zunge daneben gefahren war, hätte dem alten Herrn,
der für die Art Spaß Sinn hatte, gebürstete Leber und Maccaroni annehmbar
gemacht. Seitdem erschien bei ihm und später bei seiner Tochter der ä" e^xo
InSis,n jedesmal als "aufgetrutelter Brathahn" auf dem Tische.

Großvater hatte Recht: wenn es einmal ein Trnthcchnsgespenst gab -- und
warum hätte es das bei Leuten, die keine "Barone" waren, nicht geben sollen? --,
so war es besser, das Gespenst kalt als hors ä'oouvrs zu essen, und Baumann
konnte sich da seine pikanten Brateutnuken, die er dem Aufgetrutelten mit auf deu
Weg gab, ersparen.

I^g, äslimitation as la lrontisrs kiAoe0-g.Afing,nah") ist auch aufgetruteltes, über
Hellem Feuer rasch wieder augebratnes Konservegeflügel: vor vierzehn Jahren gemachte
Aufzeichnungen über vor dreißig Jahren Geschehenes. Wenn der Verfasser, Oberst
Laussedat, den Inhalt seiner Konservebüchse kalt auf den Tisch gebracht hätte,
wären die gepfefferter Türken nicht nötig gewesen, mit denen er sein Aufgetruteltes
serviert: ein Vorwort (av^ut-xroxos), eine Einleitung (intisänetion) und -- mehr
kann man unmöglich verlangen -- auch noch eine feierliche Verabschiedung vom
Leser laäisu an loetvur). Wir sind zufälligerweise ziemlich genau mit dein bekannt,
was sich deutscherseits bei der in Frage kommenden achtzehnhnnderteiuundsiebzigcr



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Maßgebliches und Unmaßgebliches

konnte oder mochte ruhig im Bett liegen; lauschend, spähend und sich vorwärts
tastend arbeiteten sich die dunkeln Gestalten um die wankenden Häusermauern. In
der düstern, stürmischen Nacht wachte» die Eigentümer über die baufällige» Häuser,
die ihr einziger Reichtum waren.

Am nächsten Morgen wurde die Zerstörung offenbar: eingestürzte Schornsteine,
aufgerissene Dächer, zerschmetterte Fenster, zusammengcbrochne Mauern, nmgeworfne
Torfhnnfeu, das waren die traurigen Spuren des Sturms. Auch bei Söreu Brander
hatte er beträchtlichen Schaden angerichtet.

Und der Winter stand vor der Thür.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Aufgetrutelter Brathnhu.

Großvaters Koch wußte, daß der alte Herr
kein Freund von ciufgebratuem Stückfleisch oder Geflügel war. Anfgebratnes, außer
Kartoffelklößen, ist auch ein elender Fraß. Baumann, so hieß der Künstler, war
deshalb, wenn früh der Speisezettel für den Mittagstisch beraten wurde, die
Meldung, daß es „Phönix" als Braten geben würde, immer etwas peinlich. Wenn
vom Enkel auf den Großvater geschlossen werden darf, war zwar in einem solchen
Falle kein wilder Ausbruch von Entrüstung zu befürchten, aber ein ermüdeter
schlaffer Zug um die Mundwinkel, dem Köche, wenn sie ein Gericht vorschlagen,
ungern begegnen. Eines Tags, wo es schon überhaupt nicht gut gegangen war,
fragte Großvater nach dem Braten, um sich daran für die andern Gerichte, die
ihm nicht behagten, schadlos zu halten. — Aufgetrutelter Brathnhn, Freilich Gnaden,
sagte Baumann scheinbar unbefangen, als wenn er nicht wüßte, daß das die Sache
kaum besser machen würde. Der Phönix freilich machte die Sache nicht besser,
aber daß Baumann mit der Zunge daneben gefahren war, hätte dem alten Herrn,
der für die Art Spaß Sinn hatte, gebürstete Leber und Maccaroni annehmbar
gemacht. Seitdem erschien bei ihm und später bei seiner Tochter der ä» e^xo
InSis,n jedesmal als „aufgetrutelter Brathahn" auf dem Tische.

Großvater hatte Recht: wenn es einmal ein Trnthcchnsgespenst gab — und
warum hätte es das bei Leuten, die keine „Barone" waren, nicht geben sollen? —,
so war es besser, das Gespenst kalt als hors ä'oouvrs zu essen, und Baumann
konnte sich da seine pikanten Brateutnuken, die er dem Aufgetrutelten mit auf deu
Weg gab, ersparen.

I^g, äslimitation as la lrontisrs kiAoe0-g.Afing,nah") ist auch aufgetruteltes, über
Hellem Feuer rasch wieder augebratnes Konservegeflügel: vor vierzehn Jahren gemachte
Aufzeichnungen über vor dreißig Jahren Geschehenes. Wenn der Verfasser, Oberst
Laussedat, den Inhalt seiner Konservebüchse kalt auf den Tisch gebracht hätte,
wären die gepfefferter Türken nicht nötig gewesen, mit denen er sein Aufgetruteltes
serviert: ein Vorwort (av^ut-xroxos), eine Einleitung (intisänetion) und — mehr
kann man unmöglich verlangen — auch noch eine feierliche Verabschiedung vom
Leser laäisu an loetvur). Wir sind zufälligerweise ziemlich genau mit dein bekannt,
was sich deutscherseits bei der in Frage kommenden achtzehnhnnderteiuundsiebzigcr



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[0517] Maßgebliches und Unmaßgebliches konnte oder mochte ruhig im Bett liegen; lauschend, spähend und sich vorwärts tastend arbeiteten sich die dunkeln Gestalten um die wankenden Häusermauern. In der düstern, stürmischen Nacht wachte» die Eigentümer über die baufällige» Häuser, die ihr einziger Reichtum waren. Am nächsten Morgen wurde die Zerstörung offenbar: eingestürzte Schornsteine, aufgerissene Dächer, zerschmetterte Fenster, zusammengcbrochne Mauern, nmgeworfne Torfhnnfeu, das waren die traurigen Spuren des Sturms. Auch bei Söreu Brander hatte er beträchtlichen Schaden angerichtet. Und der Winter stand vor der Thür. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Aufgetrutelter Brathnhu. Großvaters Koch wußte, daß der alte Herr kein Freund von ciufgebratuem Stückfleisch oder Geflügel war. Anfgebratnes, außer Kartoffelklößen, ist auch ein elender Fraß. Baumann, so hieß der Künstler, war deshalb, wenn früh der Speisezettel für den Mittagstisch beraten wurde, die Meldung, daß es „Phönix" als Braten geben würde, immer etwas peinlich. Wenn vom Enkel auf den Großvater geschlossen werden darf, war zwar in einem solchen Falle kein wilder Ausbruch von Entrüstung zu befürchten, aber ein ermüdeter schlaffer Zug um die Mundwinkel, dem Köche, wenn sie ein Gericht vorschlagen, ungern begegnen. Eines Tags, wo es schon überhaupt nicht gut gegangen war, fragte Großvater nach dem Braten, um sich daran für die andern Gerichte, die ihm nicht behagten, schadlos zu halten. — Aufgetrutelter Brathnhn, Freilich Gnaden, sagte Baumann scheinbar unbefangen, als wenn er nicht wüßte, daß das die Sache kaum besser machen würde. Der Phönix freilich machte die Sache nicht besser, aber daß Baumann mit der Zunge daneben gefahren war, hätte dem alten Herrn, der für die Art Spaß Sinn hatte, gebürstete Leber und Maccaroni annehmbar gemacht. Seitdem erschien bei ihm und später bei seiner Tochter der ä» e^xo InSis,n jedesmal als „aufgetrutelter Brathahn" auf dem Tische. Großvater hatte Recht: wenn es einmal ein Trnthcchnsgespenst gab — und warum hätte es das bei Leuten, die keine „Barone" waren, nicht geben sollen? —, so war es besser, das Gespenst kalt als hors ä'oouvrs zu essen, und Baumann konnte sich da seine pikanten Brateutnuken, die er dem Aufgetrutelten mit auf deu Weg gab, ersparen. I^g, äslimitation as la lrontisrs kiAoe0-g.Afing,nah") ist auch aufgetruteltes, über Hellem Feuer rasch wieder augebratnes Konservegeflügel: vor vierzehn Jahren gemachte Aufzeichnungen über vor dreißig Jahren Geschehenes. Wenn der Verfasser, Oberst Laussedat, den Inhalt seiner Konservebüchse kalt auf den Tisch gebracht hätte, wären die gepfefferter Türken nicht nötig gewesen, mit denen er sein Aufgetruteltes serviert: ein Vorwort (av^ut-xroxos), eine Einleitung (intisänetion) und — mehr kann man unmöglich verlangen — auch noch eine feierliche Verabschiedung vom Leser laäisu an loetvur). Wir sind zufälligerweise ziemlich genau mit dein bekannt, was sich deutscherseits bei der in Frage kommenden achtzehnhnnderteiuundsiebzigcr I^i, VÄumwtion as l?i'vutisi's ?iAno»-L.IIsmlmäs par lo Oownsl I^MWoältt. ?aris, ^l>. I)sIg,Axg,og.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/517>, abgerufen am 13.11.2024.