Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Im Ucnnxf ums Leben Das Futter in Sören Branders Scheune nahm besorgniserregend ab, und die Aber eines Tages drang ein ganz eigentümlicher Luftzug durch die undichten Über allem lag es wie eine Weissagung von etwas Herrlichen, dus nun Nun wurde das mit Heu gepolsterte Joch und das neue Geschirr, das Söreu In der Nacht aber lag er auf seinem Lager und warf das Deckbett von sich; Er hatte ja schou ein paar zusammengesparte Kronen daliegen, aber zehn Ellen Wenn er aber verlöre, wenn die Stunde käme, wo unbezahlte Rechnungen Endlich kam der Schlaf und führte ihn dahin, wo Traum und Wirklichkeit Bei Sonnenaufgang setzte Sören die Ochsen in Gang. Durch das Heidekraut Im Ucnnxf ums Leben Das Futter in Sören Branders Scheune nahm besorgniserregend ab, und die Aber eines Tages drang ein ganz eigentümlicher Luftzug durch die undichten Über allem lag es wie eine Weissagung von etwas Herrlichen, dus nun Nun wurde das mit Heu gepolsterte Joch und das neue Geschirr, das Söreu In der Nacht aber lag er auf seinem Lager und warf das Deckbett von sich; Er hatte ja schou ein paar zusammengesparte Kronen daliegen, aber zehn Ellen Wenn er aber verlöre, wenn die Stunde käme, wo unbezahlte Rechnungen Endlich kam der Schlaf und führte ihn dahin, wo Traum und Wirklichkeit Bei Sonnenaufgang setzte Sören die Ochsen in Gang. Durch das Heidekraut <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236334"/> <fw type="header" place="top"> Im Ucnnxf ums Leben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1935"> Das Futter in Sören Branders Scheune nahm besorgniserregend ab, und die<lb/> gehörnten, langhaarigen Rinder brüllten, sobald jemand in die Stallthür kam, aber<lb/> meist ließen sie die Köpfe hangen und starrten schläfrig in die leeren Krippen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1936"> Aber eines Tages drang ein ganz eigentümlicher Luftzug durch die undichten<lb/> Wände, der die Wiederkäuer veranlaßte, die Nacken in die Höhe zu heben und in<lb/> ihren Ständen unruhig zu werden; endlich öffnete sich auch die Thür des dunkeln<lb/> Torfschuppens, und die Winterstricke wurden losgebunden. Das scheckige Kalb streckte<lb/> die Nüstern in die Höhe und sog den erfrischenden Duft der zarten Feldkräuter<lb/> mit solchem Wohlbehagen ein, daß es auf seinen schiefen Beinen wankte, während<lb/> seine Blicke in Wollust schwammen, und der Speichel ihm vom Maule troff.</p><lb/> <p xml:id="ID_1937"> Über allem lag es wie eine Weissagung von etwas Herrlichen, dus nun<lb/> kommen sollte. Die Vögelchen, die im Heidekraut bauten, flogen eilig hin und her<lb/> und sammelten Hälmchen für ihr Nest. Da beschloß Söreu, beim Kaufmann in<lb/> der Stadt anzufragen, ob er ihm das Material zu einem Anbau auf Borg<lb/> geben wolle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1938"> Nun wurde das mit Heu gepolsterte Joch und das neue Geschirr, das Söreu<lb/> im Winter mit Hilfe seines Vaters verfertigt hatte, hervorgeholt, der Sonntags¬<lb/> anzug wurde herausgekramt und an den Nagel im Balken gehängt; und die steifen,<lb/> hohen Stiefel wurden uoch am Abend mit Thran eingeschmiert, daß am nächsten<lb/> Morgen, wen« die Reise losgehn sollte, alles bereit wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1939"> In der Nacht aber lag er auf seinem Lager und warf das Deckbett von sich;<lb/> er konnte es nicht aushalten vor Hitze, meinte er. Die Berechnungen, Pläne und<lb/> Sorgen, die ihm den ganzen Winter lang Tag für Tag durch den Kopf gegangen<lb/> waren, waren es, die ihn nun unruhig machten. Jetzt, in der Stunde der Ent¬<lb/> scheidung, kamen sie alle auf einmal daher und drängten sich wie ein heißer Strom<lb/> dnrch sein Gehirn. . . . Der Torfschuppen War eben viel zu klein und zu unzweck¬<lb/> mäßig, er würde überhaupt nicht mehr lange Stand halten. Und er mußte doch<lb/> ein Dach über Vieh und Ernte haben, wenn nicht das Ganze um ihn zusammen¬<lb/> brechen sollte. . . . Vielleicht hätte er sich eben hier draußen auf dem nackten Boden<lb/> doch nicht niederlassen sollen ohne einen Pfennig in der Tasche, aber er hatte dem<lb/> Drang nun eiumnl nicht widerstehn könne», der ihm keinen Frieden gelassen hatte,<lb/> bis er die Sache angepackt hatte. . . . Nein, durch mußte er, und wenn es ihm<lb/> den Hals brach! Das war der einzige Weg, sich und den Seinigen eine Zukunft<lb/> zu schaffen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1940"> Er hatte ja schou ein paar zusammengesparte Kronen daliegen, aber zehn Ellen<lb/> Haus mit Bauholz, Dach und Arbeitslohn! Da mußte er Schulden machen . . .<lb/> Aber wenn es dann so ging, wie er es sich ausgedacht hatte, und einigermaßen<lb/> glückte, wenn er Gesundheit und Arbeitskraft behielt, daß er die Sache recht in<lb/> Gang brächte, und wenn ihm sonst nichts zufließe und er ein ordentliches Darlehn<lb/> vom Kreditverein bekäme — dann konnte es doch auch gehn ... Es mußte ja<lb/> freilich täglich für sechs Münder Brot her, und wenn jedes das seinige haben sollte,<lb/> dann . . . Aber er wollte alles daransetzen und das Spiel wagen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1941"> Wenn er aber verlöre, wenn die Stunde käme, wo unbezahlte Rechnungen<lb/> und unerfüllte Versprechungen ihn umringten — wenn er daran dachte, dann wußte<lb/> er nicht, wohin er sich wenden sollte vor den dunkeln Schatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1942"> Endlich kam der Schlaf und führte ihn dahin, wo Traum und Wirklichkeit<lb/> ineinanderfließen, und wo die Einbildungskraft die herrlichen Schlösser baut, die<lb/> nicht mit Händen gemacht sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1943" next="#ID_1944"> Bei Sonnenaufgang setzte Sören die Ochsen in Gang. Durch das Heidekraut<lb/> liefen vielerlei Wegspureu nebeneinander her, aber Sören Brander kannte die<lb/> richtige und fand sich ans die sandige Landstraße, die ihn zu seinem Ziele führte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
Im Ucnnxf ums Leben
Das Futter in Sören Branders Scheune nahm besorgniserregend ab, und die
gehörnten, langhaarigen Rinder brüllten, sobald jemand in die Stallthür kam, aber
meist ließen sie die Köpfe hangen und starrten schläfrig in die leeren Krippen.
Aber eines Tages drang ein ganz eigentümlicher Luftzug durch die undichten
Wände, der die Wiederkäuer veranlaßte, die Nacken in die Höhe zu heben und in
ihren Ständen unruhig zu werden; endlich öffnete sich auch die Thür des dunkeln
Torfschuppens, und die Winterstricke wurden losgebunden. Das scheckige Kalb streckte
die Nüstern in die Höhe und sog den erfrischenden Duft der zarten Feldkräuter
mit solchem Wohlbehagen ein, daß es auf seinen schiefen Beinen wankte, während
seine Blicke in Wollust schwammen, und der Speichel ihm vom Maule troff.
Über allem lag es wie eine Weissagung von etwas Herrlichen, dus nun
kommen sollte. Die Vögelchen, die im Heidekraut bauten, flogen eilig hin und her
und sammelten Hälmchen für ihr Nest. Da beschloß Söreu, beim Kaufmann in
der Stadt anzufragen, ob er ihm das Material zu einem Anbau auf Borg
geben wolle.
Nun wurde das mit Heu gepolsterte Joch und das neue Geschirr, das Söreu
im Winter mit Hilfe seines Vaters verfertigt hatte, hervorgeholt, der Sonntags¬
anzug wurde herausgekramt und an den Nagel im Balken gehängt; und die steifen,
hohen Stiefel wurden uoch am Abend mit Thran eingeschmiert, daß am nächsten
Morgen, wen« die Reise losgehn sollte, alles bereit wäre.
In der Nacht aber lag er auf seinem Lager und warf das Deckbett von sich;
er konnte es nicht aushalten vor Hitze, meinte er. Die Berechnungen, Pläne und
Sorgen, die ihm den ganzen Winter lang Tag für Tag durch den Kopf gegangen
waren, waren es, die ihn nun unruhig machten. Jetzt, in der Stunde der Ent¬
scheidung, kamen sie alle auf einmal daher und drängten sich wie ein heißer Strom
dnrch sein Gehirn. . . . Der Torfschuppen War eben viel zu klein und zu unzweck¬
mäßig, er würde überhaupt nicht mehr lange Stand halten. Und er mußte doch
ein Dach über Vieh und Ernte haben, wenn nicht das Ganze um ihn zusammen¬
brechen sollte. . . . Vielleicht hätte er sich eben hier draußen auf dem nackten Boden
doch nicht niederlassen sollen ohne einen Pfennig in der Tasche, aber er hatte dem
Drang nun eiumnl nicht widerstehn könne», der ihm keinen Frieden gelassen hatte,
bis er die Sache angepackt hatte. . . . Nein, durch mußte er, und wenn es ihm
den Hals brach! Das war der einzige Weg, sich und den Seinigen eine Zukunft
zu schaffen!
Er hatte ja schou ein paar zusammengesparte Kronen daliegen, aber zehn Ellen
Haus mit Bauholz, Dach und Arbeitslohn! Da mußte er Schulden machen . . .
Aber wenn es dann so ging, wie er es sich ausgedacht hatte, und einigermaßen
glückte, wenn er Gesundheit und Arbeitskraft behielt, daß er die Sache recht in
Gang brächte, und wenn ihm sonst nichts zufließe und er ein ordentliches Darlehn
vom Kreditverein bekäme — dann konnte es doch auch gehn ... Es mußte ja
freilich täglich für sechs Münder Brot her, und wenn jedes das seinige haben sollte,
dann . . . Aber er wollte alles daransetzen und das Spiel wagen!
Wenn er aber verlöre, wenn die Stunde käme, wo unbezahlte Rechnungen
und unerfüllte Versprechungen ihn umringten — wenn er daran dachte, dann wußte
er nicht, wohin er sich wenden sollte vor den dunkeln Schatten.
Endlich kam der Schlaf und führte ihn dahin, wo Traum und Wirklichkeit
ineinanderfließen, und wo die Einbildungskraft die herrlichen Schlösser baut, die
nicht mit Händen gemacht sind.
Bei Sonnenaufgang setzte Sören die Ochsen in Gang. Durch das Heidekraut
liefen vielerlei Wegspureu nebeneinander her, aber Sören Brander kannte die
richtige und fand sich ans die sandige Landstraße, die ihn zu seinem Ziele führte.
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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