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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Das englische Königtum

alle Kreise des Volks in eine tiefe Erbitterung hinein, die unter seinem Sohne,
der dem Beispiele und den Lehren des Vaters nur zu sehr folgte, zur Kata¬
strophe führte. Der Plan, England nach dein Vorbilde Frankreichs zu einer
absoluten Monarchie zu machen, scheiterte.

Man hätte meinen können, es sei für immer aus mit der Monarchie in
England. Doch auf die Tyrannei Karls I. folgte die noch schärfere Tyrannei
Cromwells. Wie Karl I. Cromwell in die Hände arbeitete, so hatte Crom-
wells Herrschaft bei all ihren unleugbaren Erfolgen das Ergebnis, die zurück¬
gedrängte Treue für das legitime Königsgeschlecht, die den Engländern im
Blute liegt, neu zu beleben.

Die Stuarts bestiegen den Thron wieder, wenn auch unter andern Umständen
als im Jahre 1603. Sie traten nicht wieder das Erbe der Elisabeth an.
Rechtlich zwar war die Stellung der Krone wie vor dem Bürgerkriege; keine
neue NaZim Odg-reg, beschränkte sie, Karl II. hatte keinerlei Verpflichtungen
einzugehn brauchen, um wieder auf den Thron zu kommen. Das englische
Volk war froh, aus der nach Cromwells Tode eingerissenen Haltlosigkeit
wieder in feste Verhältnisse zu kommen, und alles wetteiferte, dem Könige zu
versichern, wie sehr man sich nach ihm gesehnt habe. Aber aus der Geschichte
ließ sich die Zeit von 1642 bis 1660 nicht ausmerzen. Sie hatte bewiesen,
daß eine selbstherrliche Regierung nach französischem Muster uicht durchzuführen
war, und daß die Engländer weder ihren Geldbeutel noch ihr Gewissen der
freien Verfügung des Königs zu unterwerfen geneigt waren.

So wenig es war, sogar das hatten die Stuarts in den Jahren der
Verbannung nicht gelernt; sie wirtschafteten drauf los, als ob es nie einen
Cromwell gegeben hätte, nud brachten es endlich zuwege, daß auch die Kava¬
liere, die Gut und Blut für Karl I. geopfert hatten, ihnen den Rücken kehrten.
Als der Oranier landete, erhob sich der Norden unter dem Rufe: Ein freies
Parlament und die protestantische Religion, und Jakob II. fand sich von alleu
verlassen.

Die Engländer reden gern von der glorreichen Revolution von 1688.
Der Ausdruck ist wenig passend. Glorie hat dabei niemand gewonnen, nicht
Wilhelm, der ein Königreich ohne eine Schlacht gewann, nicht Churchill, der
seinen Herrn schnöde verriet, noch auch Jakob, der ausriß. Von dem Blut¬
vergießen, das wir mit dem Begriffe verbinden, hatte die Revolution nichts,
es sei denn, man zieht die kriegerischen Vorgänge in Schottland und Irland,
die sich anschlössen, hinein; und eine Umwälzung war sie nur für Jakob, der
sich und seine männlichen Nachkommen vertrieben sah.

War nun die sogenannte Revolution auch keine Umwälzung der be¬
stehenden Verhältnisse, so leitete sie doch Änderungen ein, die das Wesen und
die Stellung des .Königtums für die Zukunft bestimmten und mit der Gött¬
lichkeit des Königs für immer aufräumten. Jakob II. abzusetzen, dazu glaubte
niemand ein Recht zu haben, und unter den Formen des tudorischen und
stuartischeu Königtums hatte auch niemand ein solches Recht, wenn man nicht
die verabschenteu Maßregeln des laugen Parlaments als gesetzmäßig anerkennen


Das englische Königtum

alle Kreise des Volks in eine tiefe Erbitterung hinein, die unter seinem Sohne,
der dem Beispiele und den Lehren des Vaters nur zu sehr folgte, zur Kata¬
strophe führte. Der Plan, England nach dein Vorbilde Frankreichs zu einer
absoluten Monarchie zu machen, scheiterte.

Man hätte meinen können, es sei für immer aus mit der Monarchie in
England. Doch auf die Tyrannei Karls I. folgte die noch schärfere Tyrannei
Cromwells. Wie Karl I. Cromwell in die Hände arbeitete, so hatte Crom-
wells Herrschaft bei all ihren unleugbaren Erfolgen das Ergebnis, die zurück¬
gedrängte Treue für das legitime Königsgeschlecht, die den Engländern im
Blute liegt, neu zu beleben.

Die Stuarts bestiegen den Thron wieder, wenn auch unter andern Umständen
als im Jahre 1603. Sie traten nicht wieder das Erbe der Elisabeth an.
Rechtlich zwar war die Stellung der Krone wie vor dem Bürgerkriege; keine
neue NaZim Odg-reg, beschränkte sie, Karl II. hatte keinerlei Verpflichtungen
einzugehn brauchen, um wieder auf den Thron zu kommen. Das englische
Volk war froh, aus der nach Cromwells Tode eingerissenen Haltlosigkeit
wieder in feste Verhältnisse zu kommen, und alles wetteiferte, dem Könige zu
versichern, wie sehr man sich nach ihm gesehnt habe. Aber aus der Geschichte
ließ sich die Zeit von 1642 bis 1660 nicht ausmerzen. Sie hatte bewiesen,
daß eine selbstherrliche Regierung nach französischem Muster uicht durchzuführen
war, und daß die Engländer weder ihren Geldbeutel noch ihr Gewissen der
freien Verfügung des Königs zu unterwerfen geneigt waren.

So wenig es war, sogar das hatten die Stuarts in den Jahren der
Verbannung nicht gelernt; sie wirtschafteten drauf los, als ob es nie einen
Cromwell gegeben hätte, nud brachten es endlich zuwege, daß auch die Kava¬
liere, die Gut und Blut für Karl I. geopfert hatten, ihnen den Rücken kehrten.
Als der Oranier landete, erhob sich der Norden unter dem Rufe: Ein freies
Parlament und die protestantische Religion, und Jakob II. fand sich von alleu
verlassen.

Die Engländer reden gern von der glorreichen Revolution von 1688.
Der Ausdruck ist wenig passend. Glorie hat dabei niemand gewonnen, nicht
Wilhelm, der ein Königreich ohne eine Schlacht gewann, nicht Churchill, der
seinen Herrn schnöde verriet, noch auch Jakob, der ausriß. Von dem Blut¬
vergießen, das wir mit dem Begriffe verbinden, hatte die Revolution nichts,
es sei denn, man zieht die kriegerischen Vorgänge in Schottland und Irland,
die sich anschlössen, hinein; und eine Umwälzung war sie nur für Jakob, der
sich und seine männlichen Nachkommen vertrieben sah.

War nun die sogenannte Revolution auch keine Umwälzung der be¬
stehenden Verhältnisse, so leitete sie doch Änderungen ein, die das Wesen und
die Stellung des .Königtums für die Zukunft bestimmten und mit der Gött¬
lichkeit des Königs für immer aufräumten. Jakob II. abzusetzen, dazu glaubte
niemand ein Recht zu haben, und unter den Formen des tudorischen und
stuartischeu Königtums hatte auch niemand ein solches Recht, wenn man nicht
die verabschenteu Maßregeln des laugen Parlaments als gesetzmäßig anerkennen


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[0471] Das englische Königtum alle Kreise des Volks in eine tiefe Erbitterung hinein, die unter seinem Sohne, der dem Beispiele und den Lehren des Vaters nur zu sehr folgte, zur Kata¬ strophe führte. Der Plan, England nach dein Vorbilde Frankreichs zu einer absoluten Monarchie zu machen, scheiterte. Man hätte meinen können, es sei für immer aus mit der Monarchie in England. Doch auf die Tyrannei Karls I. folgte die noch schärfere Tyrannei Cromwells. Wie Karl I. Cromwell in die Hände arbeitete, so hatte Crom- wells Herrschaft bei all ihren unleugbaren Erfolgen das Ergebnis, die zurück¬ gedrängte Treue für das legitime Königsgeschlecht, die den Engländern im Blute liegt, neu zu beleben. Die Stuarts bestiegen den Thron wieder, wenn auch unter andern Umständen als im Jahre 1603. Sie traten nicht wieder das Erbe der Elisabeth an. Rechtlich zwar war die Stellung der Krone wie vor dem Bürgerkriege; keine neue NaZim Odg-reg, beschränkte sie, Karl II. hatte keinerlei Verpflichtungen einzugehn brauchen, um wieder auf den Thron zu kommen. Das englische Volk war froh, aus der nach Cromwells Tode eingerissenen Haltlosigkeit wieder in feste Verhältnisse zu kommen, und alles wetteiferte, dem Könige zu versichern, wie sehr man sich nach ihm gesehnt habe. Aber aus der Geschichte ließ sich die Zeit von 1642 bis 1660 nicht ausmerzen. Sie hatte bewiesen, daß eine selbstherrliche Regierung nach französischem Muster uicht durchzuführen war, und daß die Engländer weder ihren Geldbeutel noch ihr Gewissen der freien Verfügung des Königs zu unterwerfen geneigt waren. So wenig es war, sogar das hatten die Stuarts in den Jahren der Verbannung nicht gelernt; sie wirtschafteten drauf los, als ob es nie einen Cromwell gegeben hätte, nud brachten es endlich zuwege, daß auch die Kava¬ liere, die Gut und Blut für Karl I. geopfert hatten, ihnen den Rücken kehrten. Als der Oranier landete, erhob sich der Norden unter dem Rufe: Ein freies Parlament und die protestantische Religion, und Jakob II. fand sich von alleu verlassen. Die Engländer reden gern von der glorreichen Revolution von 1688. Der Ausdruck ist wenig passend. Glorie hat dabei niemand gewonnen, nicht Wilhelm, der ein Königreich ohne eine Schlacht gewann, nicht Churchill, der seinen Herrn schnöde verriet, noch auch Jakob, der ausriß. Von dem Blut¬ vergießen, das wir mit dem Begriffe verbinden, hatte die Revolution nichts, es sei denn, man zieht die kriegerischen Vorgänge in Schottland und Irland, die sich anschlössen, hinein; und eine Umwälzung war sie nur für Jakob, der sich und seine männlichen Nachkommen vertrieben sah. War nun die sogenannte Revolution auch keine Umwälzung der be¬ stehenden Verhältnisse, so leitete sie doch Änderungen ein, die das Wesen und die Stellung des .Königtums für die Zukunft bestimmten und mit der Gött¬ lichkeit des Königs für immer aufräumten. Jakob II. abzusetzen, dazu glaubte niemand ein Recht zu haben, und unter den Formen des tudorischen und stuartischeu Königtums hatte auch niemand ein solches Recht, wenn man nicht die verabschenteu Maßregeln des laugen Parlaments als gesetzmäßig anerkennen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/471>, abgerufen am 28.07.2024.