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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Das englische Königtum

und muh, wo sie seinen Vorstellungen nachgab, erschien ihr Rückzug als ein
königlicher Gnadenbeweis. Unter ihr büßte die Krone nichts ein, doch was
das Königtum unter ihr stark machte, war vor allem ihre Persönlichkeit.

Die Stuarts hatten nicht die Eigenschaften, die sie berechtigt hätten, in
die Fußstapfen einer Elisabeth zu treten. Sie gehören zu den Geschlechtern,
die nichts lernen und nichts vergessen. Große Aussichten eröffneten sich ihnen,
als Elisabeths Tod ihnen zu der schottischen Krone auch die englische in den
Schoß warf. Doch nur zu wahr ist Goethes Wort: Was du ererbt von
deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. Die Stuarts haben es
nicht verstanden, ihr Erbe zu erwerben, und es ist ihnen unter den Händen
zerronnen.

Jakob I. hatte Elisabeth uicht mehr abgeguckt, als Schillers Wachtmeister
dein Friedländer. Er erbte ihre Krone, ihr Geist ging nicht auf ihn über,
und darum deuchte er sich viel erhabner als sie. Eine Art milder Cäsaren¬
wahnsinn kam über ihn, als er sich plötzlich aus den engen Verhältnissen
seiner schottischen Heimat, wo die Großen ihm das Leben sauer gemacht hatten,
auf die Höhe des englischen Thrones gehoben sah. Es giebt ein kleines ver¬
gilbtes Büchlein von ihm, betitelt Ins vutis ok g. Xiriss in uis RoMI (Mos.
Darin stellte er kühnlich den König als einen Gott auf Erden hin. Denn,
sagt er, "wenn man die Eigenschaften Gottes betrachtet, so sieht man, wie sie
in der Person eines Königs zusammentreffen. Gott hat Macht zu schaffen
oder zu vernichten, er kann Leben geben, Tod senden, kann alle richten und
ist doch niemand Rechenschaft schuldig. Und dieselbe Macht haben die Könige."
Von demselben Geiste waren die Worte eingegeben, die er einst in einer Rede
in der Sternkammer äußerte: "Wie es Atheismus und Gotteslästerung ist,
darüber zu streiten, was Gott thun kann, so ist es Anmaßung von einen:
Unterthanen, darüber zu streiten, was ein König thun kann, oder zu sagen,
daß ein König dies und das nicht thun kann."

Einem Manne mit so erhabnen Begriffen konnte ein Parlament schwerlich
als angenehme Zugabe gelten. Deshalb riet er seinein Sohne: "In diesem
Lande haben wir schon mehr gute Gesetze, als gut ausgeführt werden, und
dieweil das Parlament zur Gesetzgebung da ist, so siehe zu, daß du es nicht
mißbrauchst. Und darum halte kein Parlament, außer wenn neue Gesetze
nötig sind, was nur selten der Fall sein sollte; denn wenig aber gut aus¬
geführte Gesetze sind das beste für einen gut regierten Staat."

Wäre er sparsam gewesen wie Elisabeth, so wäre es ihm vielleicht mög¬
lich gewesen, das Parlament nur zur Gesetzgebung zu berufen. Doch im
tiefsten Frieden brauchte er mehr Geld als Elisabeth in Kriegszeiten, und nur
durch rechtswidrige Mittel konnte er sich sonst Geld verschaffen. Dazu
schwächte er durch seine Günstlingwirtschaft die beste Stütze des Throns, das
Ansehen der Staatsbeamten. Am schlimmsten aber war, daß er zu dem gött¬
lichen Rechte der Könige anch noch ein göttliches Recht der Bischöfe über die
Gewissen fügte. Gewissensdruck ist um schwersten zu ertragen.

So untergrub Jakob 1. selbst die Wurzeln des Königtums und trieb fast


Das englische Königtum

und muh, wo sie seinen Vorstellungen nachgab, erschien ihr Rückzug als ein
königlicher Gnadenbeweis. Unter ihr büßte die Krone nichts ein, doch was
das Königtum unter ihr stark machte, war vor allem ihre Persönlichkeit.

Die Stuarts hatten nicht die Eigenschaften, die sie berechtigt hätten, in
die Fußstapfen einer Elisabeth zu treten. Sie gehören zu den Geschlechtern,
die nichts lernen und nichts vergessen. Große Aussichten eröffneten sich ihnen,
als Elisabeths Tod ihnen zu der schottischen Krone auch die englische in den
Schoß warf. Doch nur zu wahr ist Goethes Wort: Was du ererbt von
deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. Die Stuarts haben es
nicht verstanden, ihr Erbe zu erwerben, und es ist ihnen unter den Händen
zerronnen.

Jakob I. hatte Elisabeth uicht mehr abgeguckt, als Schillers Wachtmeister
dein Friedländer. Er erbte ihre Krone, ihr Geist ging nicht auf ihn über,
und darum deuchte er sich viel erhabner als sie. Eine Art milder Cäsaren¬
wahnsinn kam über ihn, als er sich plötzlich aus den engen Verhältnissen
seiner schottischen Heimat, wo die Großen ihm das Leben sauer gemacht hatten,
auf die Höhe des englischen Thrones gehoben sah. Es giebt ein kleines ver¬
gilbtes Büchlein von ihm, betitelt Ins vutis ok g. Xiriss in uis RoMI (Mos.
Darin stellte er kühnlich den König als einen Gott auf Erden hin. Denn,
sagt er, „wenn man die Eigenschaften Gottes betrachtet, so sieht man, wie sie
in der Person eines Königs zusammentreffen. Gott hat Macht zu schaffen
oder zu vernichten, er kann Leben geben, Tod senden, kann alle richten und
ist doch niemand Rechenschaft schuldig. Und dieselbe Macht haben die Könige."
Von demselben Geiste waren die Worte eingegeben, die er einst in einer Rede
in der Sternkammer äußerte: „Wie es Atheismus und Gotteslästerung ist,
darüber zu streiten, was Gott thun kann, so ist es Anmaßung von einen:
Unterthanen, darüber zu streiten, was ein König thun kann, oder zu sagen,
daß ein König dies und das nicht thun kann."

Einem Manne mit so erhabnen Begriffen konnte ein Parlament schwerlich
als angenehme Zugabe gelten. Deshalb riet er seinein Sohne: „In diesem
Lande haben wir schon mehr gute Gesetze, als gut ausgeführt werden, und
dieweil das Parlament zur Gesetzgebung da ist, so siehe zu, daß du es nicht
mißbrauchst. Und darum halte kein Parlament, außer wenn neue Gesetze
nötig sind, was nur selten der Fall sein sollte; denn wenig aber gut aus¬
geführte Gesetze sind das beste für einen gut regierten Staat."

Wäre er sparsam gewesen wie Elisabeth, so wäre es ihm vielleicht mög¬
lich gewesen, das Parlament nur zur Gesetzgebung zu berufen. Doch im
tiefsten Frieden brauchte er mehr Geld als Elisabeth in Kriegszeiten, und nur
durch rechtswidrige Mittel konnte er sich sonst Geld verschaffen. Dazu
schwächte er durch seine Günstlingwirtschaft die beste Stütze des Throns, das
Ansehen der Staatsbeamten. Am schlimmsten aber war, daß er zu dem gött¬
lichen Rechte der Könige anch noch ein göttliches Recht der Bischöfe über die
Gewissen fügte. Gewissensdruck ist um schwersten zu ertragen.

So untergrub Jakob 1. selbst die Wurzeln des Königtums und trieb fast


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/470>, abgerufen am 28.07.2024.