Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

1902 um die im übrigen selbständig bleibende königlich württembergische PostVer¬
waltung die Reichspostmarke, annimmt. Endlich! wird so mancher geseufzt haben.
Denn mit allen solchen Dingen, die unsre Einheit eines äußerlich zum Ausdruck
bringen, was für die Empfindung des Volks und des Auslands keineswegs gleich-
giltig ist, geht es bei uns ganz entsetzlich langsam. Die Einheit des bürgerlichen
Rechts war längst gesichert, als das deutsche Reichsheer, das formell noch in einzelne
selbständig verwaltete "Armeen" mit eignen Feldzeichen zerfällt und nicht einmal
eine gemeinsame Rangliste hat, am hundertjährigen Geburtstage Kaiser Wilhelms I.,
über ein Vierteljahrhundert uach der Reichsgründung, die deutsche Kokarde neben
der Kokarde in den verschiedentlicher Landesfarbcn anlegte, und dreißig Jahre
mußten seit jenem Zeitpunkte vergehn, ehe einer der beiden süddeutschen Staaten,
die unter ihren "Reservatrechten" anch die PostHoheit "gerettet" hatten -- denn
so faßte mans dort ans --, sich herbeiließ, nicht etwa diese Pvsthoheit aufzu¬
geben, sondern eben nnr ein gemeinsames Zeichen einzunehmen, etwa wie bei den
Münzen. Und sogar über diesen neuen schrecklichen Erfolg der "Verpreußung"
weint die Partikularistische Presse heiße Thränen, und auch der Halbmondfaal des
bescheidnen württembergischen Landtagshanses wird ohne Zweifel bald von beweg¬
lichen Klagen patriotischer Herzen wiederhallen. Denn so steht es: das "Volk" ist
immer noch in Gefühlen und Gewohnheiten ganz pnrtiknlaristisch, und es hemmt
sogar die Regierungen, wenn sie, weiterschauend als die Wählerschaften, im wvhl-
verstaudueu Interesse des eignen Landes, einmal ein "Opfer" für die Neichs-
einheit bringen wollen. Wie wäre es sonst möglich, daß man sich allerorten gegen
eine deutsche Eiseubnhugeuvsseuschnft so heftig sträubt, die doch so sicher kommen
wird, wie einstmals der Zollverein gekommen ist, in einer Zeit, die auf immer
stärkere Konzentration des Verkehrswesens gebieterisch hindrängt! Vollends in
Bildern, das zwar alle Vorteile der Reichsgenossenschaft genießt, aber in vieler
Beziehung mehr neben, als im Reiche steht, hat der Minister von Crnilsheim sofort
erklären müssen, die Regierung sei "fest entschlossen," an den bestehenden Ver¬
hältnissen nichts zu ändern. Nun, "kommen wird einstens der Tag, wo die heilige
Ilios hinsinkt," nämlich die bnhrische Svnderbriefmarke, beileibe nicht die bayrische
PostHoheit -- soweit reichen anch unsre kühnsten Träume nicht --, wie der Raupen-
Helm, dieses angestammte Palladium bayrischer Art aus der Napoleonischen Zeit,
auch schon der schrecklichen Pickelhaube, diesem Sinnbilde der "Verpreußung," ge¬
wichen ist, dank dem weisen Entschlüsse des Prinz-Regenten, der doch wohl auch
zu beurteilen weiß, was Bädern und dem Reiche frommt. Aber einen Teil der
Schuld an solchen unerfreulichen Erscheinungen, die die Schwäche unsers National¬
bewußtseins immer wieder, auch dem Auslande, in beschämender und nicht unbedenk¬
licher Weise verraten, trägt unsre nationale Presse, wenn sie jede partikularistische
Empfindlichkeit (angeblich nach Bismnrck!) ängstlich zu schone" rät, eine Schädigung
des Reichsgedankens sogar von der Abschaffung der billigen Sonntagsfahrkarten in
Thüringen fürchtet und ganz vergessen hat, daß sich jede Verfassung, am meisten
die eines so jungen Gemeinwesens, wie das Deutsche Reich, weiter entwickeln muß,
wenn das Gemeinwesen nicht verkümmern oder gar zu Grnnde gehn soll, wie der
Deutsche Bund an der UnVeränderlichkeit und Unverbesserlichkeit seiner Verfassung
zu Grunde gegangen ist. Kein Mensch, um allerwenigsten die preußische Regierung,
denkt daran, den Einzelstaaten eines ihrer dnrch die Reichsverfassung gesicherten
Rechte, namentlich etwaige "Reservatrechte" ohne ihre Zustimmung zunehmen; aber
daß ein Menschenalter nach der Reichsgründung der freiwillige Verzicht auf die
württembergische Svnderbriefmarke noch Opposition erweckt, das ist in der That
" ein Zeichen einer bedauerlichen politischen Unreife.




Herausgegeben von Johannes Gruncnv in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Gruncnv in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

1902 um die im übrigen selbständig bleibende königlich württembergische PostVer¬
waltung die Reichspostmarke, annimmt. Endlich! wird so mancher geseufzt haben.
Denn mit allen solchen Dingen, die unsre Einheit eines äußerlich zum Ausdruck
bringen, was für die Empfindung des Volks und des Auslands keineswegs gleich-
giltig ist, geht es bei uns ganz entsetzlich langsam. Die Einheit des bürgerlichen
Rechts war längst gesichert, als das deutsche Reichsheer, das formell noch in einzelne
selbständig verwaltete „Armeen" mit eignen Feldzeichen zerfällt und nicht einmal
eine gemeinsame Rangliste hat, am hundertjährigen Geburtstage Kaiser Wilhelms I.,
über ein Vierteljahrhundert uach der Reichsgründung, die deutsche Kokarde neben
der Kokarde in den verschiedentlicher Landesfarbcn anlegte, und dreißig Jahre
mußten seit jenem Zeitpunkte vergehn, ehe einer der beiden süddeutschen Staaten,
die unter ihren „Reservatrechten" anch die PostHoheit „gerettet" hatten — denn
so faßte mans dort ans —, sich herbeiließ, nicht etwa diese Pvsthoheit aufzu¬
geben, sondern eben nnr ein gemeinsames Zeichen einzunehmen, etwa wie bei den
Münzen. Und sogar über diesen neuen schrecklichen Erfolg der „Verpreußung"
weint die Partikularistische Presse heiße Thränen, und auch der Halbmondfaal des
bescheidnen württembergischen Landtagshanses wird ohne Zweifel bald von beweg¬
lichen Klagen patriotischer Herzen wiederhallen. Denn so steht es: das „Volk" ist
immer noch in Gefühlen und Gewohnheiten ganz pnrtiknlaristisch, und es hemmt
sogar die Regierungen, wenn sie, weiterschauend als die Wählerschaften, im wvhl-
verstaudueu Interesse des eignen Landes, einmal ein „Opfer" für die Neichs-
einheit bringen wollen. Wie wäre es sonst möglich, daß man sich allerorten gegen
eine deutsche Eiseubnhugeuvsseuschnft so heftig sträubt, die doch so sicher kommen
wird, wie einstmals der Zollverein gekommen ist, in einer Zeit, die auf immer
stärkere Konzentration des Verkehrswesens gebieterisch hindrängt! Vollends in
Bildern, das zwar alle Vorteile der Reichsgenossenschaft genießt, aber in vieler
Beziehung mehr neben, als im Reiche steht, hat der Minister von Crnilsheim sofort
erklären müssen, die Regierung sei „fest entschlossen," an den bestehenden Ver¬
hältnissen nichts zu ändern. Nun, „kommen wird einstens der Tag, wo die heilige
Ilios hinsinkt," nämlich die bnhrische Svnderbriefmarke, beileibe nicht die bayrische
PostHoheit — soweit reichen anch unsre kühnsten Träume nicht —, wie der Raupen-
Helm, dieses angestammte Palladium bayrischer Art aus der Napoleonischen Zeit,
auch schon der schrecklichen Pickelhaube, diesem Sinnbilde der „Verpreußung," ge¬
wichen ist, dank dem weisen Entschlüsse des Prinz-Regenten, der doch wohl auch
zu beurteilen weiß, was Bädern und dem Reiche frommt. Aber einen Teil der
Schuld an solchen unerfreulichen Erscheinungen, die die Schwäche unsers National¬
bewußtseins immer wieder, auch dem Auslande, in beschämender und nicht unbedenk¬
licher Weise verraten, trägt unsre nationale Presse, wenn sie jede partikularistische
Empfindlichkeit (angeblich nach Bismnrck!) ängstlich zu schone» rät, eine Schädigung
des Reichsgedankens sogar von der Abschaffung der billigen Sonntagsfahrkarten in
Thüringen fürchtet und ganz vergessen hat, daß sich jede Verfassung, am meisten
die eines so jungen Gemeinwesens, wie das Deutsche Reich, weiter entwickeln muß,
wenn das Gemeinwesen nicht verkümmern oder gar zu Grnnde gehn soll, wie der
Deutsche Bund an der UnVeränderlichkeit und Unverbesserlichkeit seiner Verfassung
zu Grunde gegangen ist. Kein Mensch, um allerwenigsten die preußische Regierung,
denkt daran, den Einzelstaaten eines ihrer dnrch die Reichsverfassung gesicherten
Rechte, namentlich etwaige „Reservatrechte" ohne ihre Zustimmung zunehmen; aber
daß ein Menschenalter nach der Reichsgründung der freiwillige Verzicht auf die
württembergische Svnderbriefmarke noch Opposition erweckt, das ist in der That
" ein Zeichen einer bedauerlichen politischen Unreife.




Herausgegeben von Johannes Gruncnv in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Gruncnv in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236238"/>
          <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1582" prev="#ID_1581"> 1902 um die im übrigen selbständig bleibende königlich württembergische PostVer¬<lb/>
waltung die Reichspostmarke, annimmt. Endlich! wird so mancher geseufzt haben.<lb/>
Denn mit allen solchen Dingen, die unsre Einheit eines äußerlich zum Ausdruck<lb/>
bringen, was für die Empfindung des Volks und des Auslands keineswegs gleich-<lb/>
giltig ist, geht es bei uns ganz entsetzlich langsam. Die Einheit des bürgerlichen<lb/>
Rechts war längst gesichert, als das deutsche Reichsheer, das formell noch in einzelne<lb/>
selbständig verwaltete &#x201E;Armeen" mit eignen Feldzeichen zerfällt und nicht einmal<lb/>
eine gemeinsame Rangliste hat, am hundertjährigen Geburtstage Kaiser Wilhelms I.,<lb/>
über ein Vierteljahrhundert uach der Reichsgründung, die deutsche Kokarde neben<lb/>
der Kokarde in den verschiedentlicher Landesfarbcn anlegte, und dreißig Jahre<lb/>
mußten seit jenem Zeitpunkte vergehn, ehe einer der beiden süddeutschen Staaten,<lb/>
die unter ihren &#x201E;Reservatrechten" anch die PostHoheit &#x201E;gerettet" hatten &#x2014; denn<lb/>
so faßte mans dort ans &#x2014;, sich herbeiließ, nicht etwa diese Pvsthoheit aufzu¬<lb/>
geben, sondern eben nnr ein gemeinsames Zeichen einzunehmen, etwa wie bei den<lb/>
Münzen. Und sogar über diesen neuen schrecklichen Erfolg der &#x201E;Verpreußung"<lb/>
weint die Partikularistische Presse heiße Thränen, und auch der Halbmondfaal des<lb/>
bescheidnen württembergischen Landtagshanses wird ohne Zweifel bald von beweg¬<lb/>
lichen Klagen patriotischer Herzen wiederhallen. Denn so steht es: das &#x201E;Volk" ist<lb/>
immer noch in Gefühlen und Gewohnheiten ganz pnrtiknlaristisch, und es hemmt<lb/>
sogar die Regierungen, wenn sie, weiterschauend als die Wählerschaften, im wvhl-<lb/>
verstaudueu Interesse des eignen Landes, einmal ein &#x201E;Opfer" für die Neichs-<lb/>
einheit bringen wollen. Wie wäre es sonst möglich, daß man sich allerorten gegen<lb/>
eine deutsche Eiseubnhugeuvsseuschnft so heftig sträubt, die doch so sicher kommen<lb/>
wird, wie einstmals der Zollverein gekommen ist, in einer Zeit, die auf immer<lb/>
stärkere Konzentration des Verkehrswesens gebieterisch hindrängt! Vollends in<lb/>
Bildern, das zwar alle Vorteile der Reichsgenossenschaft genießt, aber in vieler<lb/>
Beziehung mehr neben, als im Reiche steht, hat der Minister von Crnilsheim sofort<lb/>
erklären müssen, die Regierung sei &#x201E;fest entschlossen," an den bestehenden Ver¬<lb/>
hältnissen nichts zu ändern. Nun, &#x201E;kommen wird einstens der Tag, wo die heilige<lb/>
Ilios hinsinkt," nämlich die bnhrische Svnderbriefmarke, beileibe nicht die bayrische<lb/>
PostHoheit &#x2014; soweit reichen anch unsre kühnsten Träume nicht &#x2014;, wie der Raupen-<lb/>
Helm, dieses angestammte Palladium bayrischer Art aus der Napoleonischen Zeit,<lb/>
auch schon der schrecklichen Pickelhaube, diesem Sinnbilde der &#x201E;Verpreußung," ge¬<lb/>
wichen ist, dank dem weisen Entschlüsse des Prinz-Regenten, der doch wohl auch<lb/>
zu beurteilen weiß, was Bädern und dem Reiche frommt. Aber einen Teil der<lb/>
Schuld an solchen unerfreulichen Erscheinungen, die die Schwäche unsers National¬<lb/>
bewußtseins immer wieder, auch dem Auslande, in beschämender und nicht unbedenk¬<lb/>
licher Weise verraten, trägt unsre nationale Presse, wenn sie jede partikularistische<lb/>
Empfindlichkeit (angeblich nach Bismnrck!) ängstlich zu schone» rät, eine Schädigung<lb/>
des Reichsgedankens sogar von der Abschaffung der billigen Sonntagsfahrkarten in<lb/>
Thüringen fürchtet und ganz vergessen hat, daß sich jede Verfassung, am meisten<lb/>
die eines so jungen Gemeinwesens, wie das Deutsche Reich, weiter entwickeln muß,<lb/>
wenn das Gemeinwesen nicht verkümmern oder gar zu Grnnde gehn soll, wie der<lb/>
Deutsche Bund an der UnVeränderlichkeit und Unverbesserlichkeit seiner Verfassung<lb/>
zu Grunde gegangen ist. Kein Mensch, um allerwenigsten die preußische Regierung,<lb/>
denkt daran, den Einzelstaaten eines ihrer dnrch die Reichsverfassung gesicherten<lb/>
Rechte, namentlich etwaige &#x201E;Reservatrechte" ohne ihre Zustimmung zunehmen; aber<lb/>
daß ein Menschenalter nach der Reichsgründung der freiwillige Verzicht auf die<lb/>
württembergische Svnderbriefmarke noch Opposition erweckt, das ist in der That<lb/><note type="byline"> "</note> ein Zeichen einer bedauerlichen politischen Unreife. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Gruncnv in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Gruncnv in Leipzig &#x2014; Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0416] Maßgebliches und Unmaßgebliches 1902 um die im übrigen selbständig bleibende königlich württembergische PostVer¬ waltung die Reichspostmarke, annimmt. Endlich! wird so mancher geseufzt haben. Denn mit allen solchen Dingen, die unsre Einheit eines äußerlich zum Ausdruck bringen, was für die Empfindung des Volks und des Auslands keineswegs gleich- giltig ist, geht es bei uns ganz entsetzlich langsam. Die Einheit des bürgerlichen Rechts war längst gesichert, als das deutsche Reichsheer, das formell noch in einzelne selbständig verwaltete „Armeen" mit eignen Feldzeichen zerfällt und nicht einmal eine gemeinsame Rangliste hat, am hundertjährigen Geburtstage Kaiser Wilhelms I., über ein Vierteljahrhundert uach der Reichsgründung, die deutsche Kokarde neben der Kokarde in den verschiedentlicher Landesfarbcn anlegte, und dreißig Jahre mußten seit jenem Zeitpunkte vergehn, ehe einer der beiden süddeutschen Staaten, die unter ihren „Reservatrechten" anch die PostHoheit „gerettet" hatten — denn so faßte mans dort ans —, sich herbeiließ, nicht etwa diese Pvsthoheit aufzu¬ geben, sondern eben nnr ein gemeinsames Zeichen einzunehmen, etwa wie bei den Münzen. Und sogar über diesen neuen schrecklichen Erfolg der „Verpreußung" weint die Partikularistische Presse heiße Thränen, und auch der Halbmondfaal des bescheidnen württembergischen Landtagshanses wird ohne Zweifel bald von beweg¬ lichen Klagen patriotischer Herzen wiederhallen. Denn so steht es: das „Volk" ist immer noch in Gefühlen und Gewohnheiten ganz pnrtiknlaristisch, und es hemmt sogar die Regierungen, wenn sie, weiterschauend als die Wählerschaften, im wvhl- verstaudueu Interesse des eignen Landes, einmal ein „Opfer" für die Neichs- einheit bringen wollen. Wie wäre es sonst möglich, daß man sich allerorten gegen eine deutsche Eiseubnhugeuvsseuschnft so heftig sträubt, die doch so sicher kommen wird, wie einstmals der Zollverein gekommen ist, in einer Zeit, die auf immer stärkere Konzentration des Verkehrswesens gebieterisch hindrängt! Vollends in Bildern, das zwar alle Vorteile der Reichsgenossenschaft genießt, aber in vieler Beziehung mehr neben, als im Reiche steht, hat der Minister von Crnilsheim sofort erklären müssen, die Regierung sei „fest entschlossen," an den bestehenden Ver¬ hältnissen nichts zu ändern. Nun, „kommen wird einstens der Tag, wo die heilige Ilios hinsinkt," nämlich die bnhrische Svnderbriefmarke, beileibe nicht die bayrische PostHoheit — soweit reichen anch unsre kühnsten Träume nicht —, wie der Raupen- Helm, dieses angestammte Palladium bayrischer Art aus der Napoleonischen Zeit, auch schon der schrecklichen Pickelhaube, diesem Sinnbilde der „Verpreußung," ge¬ wichen ist, dank dem weisen Entschlüsse des Prinz-Regenten, der doch wohl auch zu beurteilen weiß, was Bädern und dem Reiche frommt. Aber einen Teil der Schuld an solchen unerfreulichen Erscheinungen, die die Schwäche unsers National¬ bewußtseins immer wieder, auch dem Auslande, in beschämender und nicht unbedenk¬ licher Weise verraten, trägt unsre nationale Presse, wenn sie jede partikularistische Empfindlichkeit (angeblich nach Bismnrck!) ängstlich zu schone» rät, eine Schädigung des Reichsgedankens sogar von der Abschaffung der billigen Sonntagsfahrkarten in Thüringen fürchtet und ganz vergessen hat, daß sich jede Verfassung, am meisten die eines so jungen Gemeinwesens, wie das Deutsche Reich, weiter entwickeln muß, wenn das Gemeinwesen nicht verkümmern oder gar zu Grnnde gehn soll, wie der Deutsche Bund an der UnVeränderlichkeit und Unverbesserlichkeit seiner Verfassung zu Grunde gegangen ist. Kein Mensch, um allerwenigsten die preußische Regierung, denkt daran, den Einzelstaaten eines ihrer dnrch die Reichsverfassung gesicherten Rechte, namentlich etwaige „Reservatrechte" ohne ihre Zustimmung zunehmen; aber daß ein Menschenalter nach der Reichsgründung der freiwillige Verzicht auf die württembergische Svnderbriefmarke noch Opposition erweckt, das ist in der That " ein Zeichen einer bedauerlichen politischen Unreife. Herausgegeben von Johannes Gruncnv in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Gruncnv in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/416
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/416>, abgerufen am 28.07.2024.