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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Über das Urcmkciwersichcrungsgesetz

bilden, damit ihre reiche Mannigfaltigkeit nicht untergehe in öder Einförmig¬
keit, Je eher man anch in England zu dieser Erkenntnis kommt, desto besser
" wird es für England sein und für die Welt.




Über das Krankenversicherungsgesetz
(Schluß)

es habe dargestellt, daß es Nachteile haben wird, wenn die
Lücke zwischen der Krantenknssensürsorge und der Hilfe der Jn-
välideuanstalt ausgefüllt wird. Es fällt mir aber nicht ein zu
leugnen, daß hiermit mindestens in ebenso viel Fällen großer
Segen gestiftet werden wird. Viele Schwerkranke und viele
Genesende werden die verlängerte Hilfe sehr nötig brauchen. Eine ganze Zahl
von Kassen leistet ja auch schon diese Hilfe, manche unterstützen sogar bis zu
einem Jahre. Wenn eine Lücke sein soll, so braucht sie ja auch nicht gerade
bei der dreizehnten Woche zu beginnen. Erst die Veränderung des Jnvaliden-
gesetzes hat ihre äußerste Grenze statt auf das Ende des ersten Jahres auf
die Sechsundzwanzigste Woche gelegt. Wenn die Ausfüllung der Lücke ein
Fehler ist, so liegt er also in der Veränderung des Jnvälidcngesetzes. Damals
Hütte man sich fragen müssen, ob es wohlgethan sei, das Gesetz mit dem nur
willkürlich bestimmbaren Versicherungsfall an die Krankenversicherung ohne
Karenzzeit anzuschließen.

Soll jetzt allen Krankenkassen aufgegeben werden, ihre Leistungen auszu¬
dehnen, so ist das schließlich nicht mehr eine Prinzipienfrage, sondern eine
Frage der Leistungsfähigkeit der Kassen, ob die größere Wohlthat die größere
Belastung wert ist. Der Verfasser des oben zitierten Aufsatzes schätzt die Ver¬
mehrung der Kosten für eine Kasse, die ihre Leistungen von dreizehn auf sechs-
undzwanzig Wochen ausdehnt, auf höchstens ein Sechstel der bisherigen. Er
stellt aber die Forderung auf, daß die Kasscnkosten überhaupt nicht erhöht
werden sollen, und erklärt dieses Ziel für erreichbar, wenn man an Stelle der
"jetzt bestehenden Zersplitterung" der Kassen Zentralisation einführte. An
Stelle der zahlreichen nach Berufen geschiednen Kassen soll an einem Orte
nur eine alles vereinigende große Kasse geschaffen werden, wodurch viele Un¬
bequemlichkeiten für die Arbeitgeber und die Arbeiter und viele Verwaltungs¬
kosten erspart würden.

Es fragt sich, ob es eines Neichsgesetzes bedarf, um so einleuchtende
Vorteile den Kassen, die ja das Recht der Vereinigung haben, klar zu machen.
Auch könnte man den Nachteilen der Mannigfaltigkeit ihre Bordelle gegenüber
stellen. Es ist doch denkbar, daß gerade die Vielzahl aller möglichen Kassen
es erlaubt, für jeden Zweck und jeden Wunsch die passendste auszusuchen. Der


Über das Urcmkciwersichcrungsgesetz

bilden, damit ihre reiche Mannigfaltigkeit nicht untergehe in öder Einförmig¬
keit, Je eher man anch in England zu dieser Erkenntnis kommt, desto besser
" wird es für England sein und für die Welt.




Über das Krankenversicherungsgesetz
(Schluß)

es habe dargestellt, daß es Nachteile haben wird, wenn die
Lücke zwischen der Krantenknssensürsorge und der Hilfe der Jn-
välideuanstalt ausgefüllt wird. Es fällt mir aber nicht ein zu
leugnen, daß hiermit mindestens in ebenso viel Fällen großer
Segen gestiftet werden wird. Viele Schwerkranke und viele
Genesende werden die verlängerte Hilfe sehr nötig brauchen. Eine ganze Zahl
von Kassen leistet ja auch schon diese Hilfe, manche unterstützen sogar bis zu
einem Jahre. Wenn eine Lücke sein soll, so braucht sie ja auch nicht gerade
bei der dreizehnten Woche zu beginnen. Erst die Veränderung des Jnvaliden-
gesetzes hat ihre äußerste Grenze statt auf das Ende des ersten Jahres auf
die Sechsundzwanzigste Woche gelegt. Wenn die Ausfüllung der Lücke ein
Fehler ist, so liegt er also in der Veränderung des Jnvälidcngesetzes. Damals
Hütte man sich fragen müssen, ob es wohlgethan sei, das Gesetz mit dem nur
willkürlich bestimmbaren Versicherungsfall an die Krankenversicherung ohne
Karenzzeit anzuschließen.

Soll jetzt allen Krankenkassen aufgegeben werden, ihre Leistungen auszu¬
dehnen, so ist das schließlich nicht mehr eine Prinzipienfrage, sondern eine
Frage der Leistungsfähigkeit der Kassen, ob die größere Wohlthat die größere
Belastung wert ist. Der Verfasser des oben zitierten Aufsatzes schätzt die Ver¬
mehrung der Kosten für eine Kasse, die ihre Leistungen von dreizehn auf sechs-
undzwanzig Wochen ausdehnt, auf höchstens ein Sechstel der bisherigen. Er
stellt aber die Forderung auf, daß die Kasscnkosten überhaupt nicht erhöht
werden sollen, und erklärt dieses Ziel für erreichbar, wenn man an Stelle der
„jetzt bestehenden Zersplitterung" der Kassen Zentralisation einführte. An
Stelle der zahlreichen nach Berufen geschiednen Kassen soll an einem Orte
nur eine alles vereinigende große Kasse geschaffen werden, wodurch viele Un¬
bequemlichkeiten für die Arbeitgeber und die Arbeiter und viele Verwaltungs¬
kosten erspart würden.

Es fragt sich, ob es eines Neichsgesetzes bedarf, um so einleuchtende
Vorteile den Kassen, die ja das Recht der Vereinigung haben, klar zu machen.
Auch könnte man den Nachteilen der Mannigfaltigkeit ihre Bordelle gegenüber
stellen. Es ist doch denkbar, daß gerade die Vielzahl aller möglichen Kassen
es erlaubt, für jeden Zweck und jeden Wunsch die passendste auszusuchen. Der


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[0382] Über das Urcmkciwersichcrungsgesetz bilden, damit ihre reiche Mannigfaltigkeit nicht untergehe in öder Einförmig¬ keit, Je eher man anch in England zu dieser Erkenntnis kommt, desto besser " wird es für England sein und für die Welt. Über das Krankenversicherungsgesetz (Schluß) es habe dargestellt, daß es Nachteile haben wird, wenn die Lücke zwischen der Krantenknssensürsorge und der Hilfe der Jn- välideuanstalt ausgefüllt wird. Es fällt mir aber nicht ein zu leugnen, daß hiermit mindestens in ebenso viel Fällen großer Segen gestiftet werden wird. Viele Schwerkranke und viele Genesende werden die verlängerte Hilfe sehr nötig brauchen. Eine ganze Zahl von Kassen leistet ja auch schon diese Hilfe, manche unterstützen sogar bis zu einem Jahre. Wenn eine Lücke sein soll, so braucht sie ja auch nicht gerade bei der dreizehnten Woche zu beginnen. Erst die Veränderung des Jnvaliden- gesetzes hat ihre äußerste Grenze statt auf das Ende des ersten Jahres auf die Sechsundzwanzigste Woche gelegt. Wenn die Ausfüllung der Lücke ein Fehler ist, so liegt er also in der Veränderung des Jnvälidcngesetzes. Damals Hütte man sich fragen müssen, ob es wohlgethan sei, das Gesetz mit dem nur willkürlich bestimmbaren Versicherungsfall an die Krankenversicherung ohne Karenzzeit anzuschließen. Soll jetzt allen Krankenkassen aufgegeben werden, ihre Leistungen auszu¬ dehnen, so ist das schließlich nicht mehr eine Prinzipienfrage, sondern eine Frage der Leistungsfähigkeit der Kassen, ob die größere Wohlthat die größere Belastung wert ist. Der Verfasser des oben zitierten Aufsatzes schätzt die Ver¬ mehrung der Kosten für eine Kasse, die ihre Leistungen von dreizehn auf sechs- undzwanzig Wochen ausdehnt, auf höchstens ein Sechstel der bisherigen. Er stellt aber die Forderung auf, daß die Kasscnkosten überhaupt nicht erhöht werden sollen, und erklärt dieses Ziel für erreichbar, wenn man an Stelle der „jetzt bestehenden Zersplitterung" der Kassen Zentralisation einführte. An Stelle der zahlreichen nach Berufen geschiednen Kassen soll an einem Orte nur eine alles vereinigende große Kasse geschaffen werden, wodurch viele Un¬ bequemlichkeiten für die Arbeitgeber und die Arbeiter und viele Verwaltungs¬ kosten erspart würden. Es fragt sich, ob es eines Neichsgesetzes bedarf, um so einleuchtende Vorteile den Kassen, die ja das Recht der Vereinigung haben, klar zu machen. Auch könnte man den Nachteilen der Mannigfaltigkeit ihre Bordelle gegenüber stellen. Es ist doch denkbar, daß gerade die Vielzahl aller möglichen Kassen es erlaubt, für jeden Zweck und jeden Wunsch die passendste auszusuchen. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/382>, abgerufen am 27.07.2024.