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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Deutschland und England

toi'iss to vllivti sdö no 80re ok otium), und Kaiser Wilhelms "ertragreicher
Besuch" (truittul visit) in England verschaffte ihm "dieses huldvolle Zugeständnis
unsers Anteils an Samoa" (dirs Arg,"seul oouLössiou on our part ok L^ava).
Hier können wir das einzige Wort, das hierher paßt, nicht in der Feder
zurückhalten; wir nennen das auf gut deutsch eine "Unverschämtheit" und
überlassen es den Engländern, das mit imxucZsueö oder iusolönev zu über¬
setzen. Hat denn England über Portugiesisch-Afrika zu verfügen, und ist sein
Anspruch darauf auch nur um einen Deut besser als der unsre? Hat es nicht
für seinen kleinen Anteil an Samoa, den es jahrelang benutzt hatte, um uns
dort Steine in den Weg zu werfen, eine recht ausgiebige Entschädigung em¬
pfangen? Nicht England hat uns damals ein "huldvolles Zugeständnis"
gemacht, sondern Kaiser Wilhelm ihm, indem er, der öffentlichen Meinung in
Deutschland zum Trotz, nach England ging und so in dem Augenblicke, wo
das Kriegsspiel in Südafrika für die englischen Waffen sehr schlecht stand, aller
Welt zeigte, daß er nichts gegen England im Schilde führe. Und in der That
eine AraLötuI oonesssiori an dieses war der noch heute in Deutschland nicht
verschmerzte Afrikavertrag vom 1. Juli 1890, der ihm Sansibar, Witu-
land u. a, in, für den zerbröckelnder Scindfteinfelsm Helgoland überließ, einen
ganzen Anzug für einen Hosenknopf, wie der Engländer Stanley damals
höhnisch sagte.

Aber diese Politik der ^celui oonvessions gegen Deutschland soll auf¬
hören; England muß zurückkehren zu Lord Palmerstons Politik. Und nun
entwickelt die UgUorml lisvisv einen wohldurchdachten Plan zu einer Ver¬
ständigung zwischen England und Rußland. Im "nähern Osten" l^on- Last)
jvll Rußland auf jede Einmischung in den stg,w8 quo in Ägypten verzichten,
England dagegen anerkennen, daß die Erfüllung der "historischen Mission"
Rußlands auf der Balkanhnlbinsel nicht gegen ein britisches Lebensinteresse
verstößt, und die Begünstigung s?f der deutschen Pläne in der asiatischen
Türkei aufgeben (also ohne Umschweife gesprochen, die Türkei, abgesehen von
Ägypten und Cypern, an Nußland ausliefern). In Persien und Zentralasien
soll England den Russen einen Schienenweg nach einem Hafen am Persische"
Golf öffnen, wogegen auch hier der staws <zuo anerkannt werden soll. Im
"äußersten Osten" "Mr Last) muß England sein Einverständnis mit Japan
als den "Schlußstein" (KpMcms) seiner dortigen Politik pflegen, ihm also
"eine ausschließliche Einflußsphäre" (an öxolusivo 8pllsr6 ok intlusnov) in
Korea zugestehn, mit Rußland aber sich dahin verständigen , daß dieses seine
Stellung in der Mandschurei und in der Mongolei durch unmittelbare Ver¬
handlungen mit China regelt, England ebenso die seinige im Jangtsethal,
beide mit der Verpflichtung, in diesen Gegenden keine Unternehmung einer
dritten Macht zu unterstützen. So würde Nußland neutral bleiben im Falle
eines deutsch-englischen, England im Falle eines deutsch-russischen Kriegs. Mit
Frankreich würde England dadurch in bessere Beziehungen kommen, Italien,
"das Lord Byron liebte, und dem Lord Palmerston so ergeben war" (wie
rührend!), ist sein "natürlicher Bundesgenosse" wie Portugal, und sollte Oster-


Deutschland und England

toi'iss to vllivti sdö no 80re ok otium), und Kaiser Wilhelms „ertragreicher
Besuch" (truittul visit) in England verschaffte ihm „dieses huldvolle Zugeständnis
unsers Anteils an Samoa" (dirs Arg,«seul oouLössiou on our part ok L^ava).
Hier können wir das einzige Wort, das hierher paßt, nicht in der Feder
zurückhalten; wir nennen das auf gut deutsch eine „Unverschämtheit" und
überlassen es den Engländern, das mit imxucZsueö oder iusolönev zu über¬
setzen. Hat denn England über Portugiesisch-Afrika zu verfügen, und ist sein
Anspruch darauf auch nur um einen Deut besser als der unsre? Hat es nicht
für seinen kleinen Anteil an Samoa, den es jahrelang benutzt hatte, um uns
dort Steine in den Weg zu werfen, eine recht ausgiebige Entschädigung em¬
pfangen? Nicht England hat uns damals ein „huldvolles Zugeständnis"
gemacht, sondern Kaiser Wilhelm ihm, indem er, der öffentlichen Meinung in
Deutschland zum Trotz, nach England ging und so in dem Augenblicke, wo
das Kriegsspiel in Südafrika für die englischen Waffen sehr schlecht stand, aller
Welt zeigte, daß er nichts gegen England im Schilde führe. Und in der That
eine AraLötuI oonesssiori an dieses war der noch heute in Deutschland nicht
verschmerzte Afrikavertrag vom 1. Juli 1890, der ihm Sansibar, Witu-
land u. a, in, für den zerbröckelnder Scindfteinfelsm Helgoland überließ, einen
ganzen Anzug für einen Hosenknopf, wie der Engländer Stanley damals
höhnisch sagte.

Aber diese Politik der ^celui oonvessions gegen Deutschland soll auf¬
hören; England muß zurückkehren zu Lord Palmerstons Politik. Und nun
entwickelt die UgUorml lisvisv einen wohldurchdachten Plan zu einer Ver¬
ständigung zwischen England und Rußland. Im „nähern Osten" l^on- Last)
jvll Rußland auf jede Einmischung in den stg,w8 quo in Ägypten verzichten,
England dagegen anerkennen, daß die Erfüllung der „historischen Mission"
Rußlands auf der Balkanhnlbinsel nicht gegen ein britisches Lebensinteresse
verstößt, und die Begünstigung s?f der deutschen Pläne in der asiatischen
Türkei aufgeben (also ohne Umschweife gesprochen, die Türkei, abgesehen von
Ägypten und Cypern, an Nußland ausliefern). In Persien und Zentralasien
soll England den Russen einen Schienenweg nach einem Hafen am Persische»
Golf öffnen, wogegen auch hier der staws <zuo anerkannt werden soll. Im
„äußersten Osten" «Mr Last) muß England sein Einverständnis mit Japan
als den „Schlußstein" (KpMcms) seiner dortigen Politik pflegen, ihm also
„eine ausschließliche Einflußsphäre" (an öxolusivo 8pllsr6 ok intlusnov) in
Korea zugestehn, mit Rußland aber sich dahin verständigen , daß dieses seine
Stellung in der Mandschurei und in der Mongolei durch unmittelbare Ver¬
handlungen mit China regelt, England ebenso die seinige im Jangtsethal,
beide mit der Verpflichtung, in diesen Gegenden keine Unternehmung einer
dritten Macht zu unterstützen. So würde Nußland neutral bleiben im Falle
eines deutsch-englischen, England im Falle eines deutsch-russischen Kriegs. Mit
Frankreich würde England dadurch in bessere Beziehungen kommen, Italien,
„das Lord Byron liebte, und dem Lord Palmerston so ergeben war" (wie
rührend!), ist sein „natürlicher Bundesgenosse" wie Portugal, und sollte Oster-


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[0379] Deutschland und England toi'iss to vllivti sdö no 80re ok otium), und Kaiser Wilhelms „ertragreicher Besuch" (truittul visit) in England verschaffte ihm „dieses huldvolle Zugeständnis unsers Anteils an Samoa" (dirs Arg,«seul oouLössiou on our part ok L^ava). Hier können wir das einzige Wort, das hierher paßt, nicht in der Feder zurückhalten; wir nennen das auf gut deutsch eine „Unverschämtheit" und überlassen es den Engländern, das mit imxucZsueö oder iusolönev zu über¬ setzen. Hat denn England über Portugiesisch-Afrika zu verfügen, und ist sein Anspruch darauf auch nur um einen Deut besser als der unsre? Hat es nicht für seinen kleinen Anteil an Samoa, den es jahrelang benutzt hatte, um uns dort Steine in den Weg zu werfen, eine recht ausgiebige Entschädigung em¬ pfangen? Nicht England hat uns damals ein „huldvolles Zugeständnis" gemacht, sondern Kaiser Wilhelm ihm, indem er, der öffentlichen Meinung in Deutschland zum Trotz, nach England ging und so in dem Augenblicke, wo das Kriegsspiel in Südafrika für die englischen Waffen sehr schlecht stand, aller Welt zeigte, daß er nichts gegen England im Schilde führe. Und in der That eine AraLötuI oonesssiori an dieses war der noch heute in Deutschland nicht verschmerzte Afrikavertrag vom 1. Juli 1890, der ihm Sansibar, Witu- land u. a, in, für den zerbröckelnder Scindfteinfelsm Helgoland überließ, einen ganzen Anzug für einen Hosenknopf, wie der Engländer Stanley damals höhnisch sagte. Aber diese Politik der ^celui oonvessions gegen Deutschland soll auf¬ hören; England muß zurückkehren zu Lord Palmerstons Politik. Und nun entwickelt die UgUorml lisvisv einen wohldurchdachten Plan zu einer Ver¬ ständigung zwischen England und Rußland. Im „nähern Osten" l^on- Last) jvll Rußland auf jede Einmischung in den stg,w8 quo in Ägypten verzichten, England dagegen anerkennen, daß die Erfüllung der „historischen Mission" Rußlands auf der Balkanhnlbinsel nicht gegen ein britisches Lebensinteresse verstößt, und die Begünstigung s?f der deutschen Pläne in der asiatischen Türkei aufgeben (also ohne Umschweife gesprochen, die Türkei, abgesehen von Ägypten und Cypern, an Nußland ausliefern). In Persien und Zentralasien soll England den Russen einen Schienenweg nach einem Hafen am Persische» Golf öffnen, wogegen auch hier der staws <zuo anerkannt werden soll. Im „äußersten Osten" «Mr Last) muß England sein Einverständnis mit Japan als den „Schlußstein" (KpMcms) seiner dortigen Politik pflegen, ihm also „eine ausschließliche Einflußsphäre" (an öxolusivo 8pllsr6 ok intlusnov) in Korea zugestehn, mit Rußland aber sich dahin verständigen , daß dieses seine Stellung in der Mandschurei und in der Mongolei durch unmittelbare Ver¬ handlungen mit China regelt, England ebenso die seinige im Jangtsethal, beide mit der Verpflichtung, in diesen Gegenden keine Unternehmung einer dritten Macht zu unterstützen. So würde Nußland neutral bleiben im Falle eines deutsch-englischen, England im Falle eines deutsch-russischen Kriegs. Mit Frankreich würde England dadurch in bessere Beziehungen kommen, Italien, „das Lord Byron liebte, und dem Lord Palmerston so ergeben war" (wie rührend!), ist sein „natürlicher Bundesgenosse" wie Portugal, und sollte Oster-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/379>, abgerufen am 01.09.2024.