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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Physischen Leiden, die es zu ertragen gab, und von denen -- für die in den
Monaten Dezember und Januar bei den Ausfallen beteiligten Truppen -- die
Kälte das schlimmste gewesen sein dürfte. Man erlebt die Straßennufstände mit,
nimmt mi den Ausfällen teil, hört die deutschen Bomben sausen und erfährt über
Pferdcstcaks, Elefantenrüssel und Rattenbraten alles, was wissenswert ist. Der
sich ans der rü" Lond'liat, also recht eigentlich im Herzen des Hiurrtier la-tin ab¬
spielende Teil des Romans ist echt pariserisch. Mademoiselle Umi, ein niedliches
und in seiner Art ehrbares kleines Frauenzimmer, das der Jnnggesellenwirtschaft
des Bildhauers Martial Poncet als Hansfrau vorsteht und von der Gattin des
Professors am OoUöAo do I-'runvo, des "berühmten" Jules Thedenat -- auch er
schreibt eine Geschichte der Revolution -- mit anerkennenswerter Vvrnrteilsfreiheit
besucht, gepflegt und für voll angesehen wird, erliegt den priv^lions ein "isA", und
wenn wir den Verfassern glnnben, giebt ihr die Nachricht vom Abschluß einer
"Paris entehrenden" Kapitulation den Rest. Einen Versuch, dem Leser einzureden,
daß der Anblick hessischer Dragoner den jugendlichen Helden Eugene uns Leben
bringt, geben die Verfasser zwar auf, vermutlich weil ihnen eine, solche Feinfühlig¬
keit bei einem Manne zu hysterisch vorgekommen ist, aber was sie sage", verdient
doch wiederholt zu werden. Die Dragoner, grün, reiten am Park, in dem der
Genesende Luft schöpft, vorbei und "benehmen sich, als wären sie zu Hause." Der
Horizont wird durch sie verfinstert: das erdrückende Gewicht fällt auf den Kranken,
dessen Antlitz sich so zusammenzieht, daß ihn seine erschreckte Gattin bei der Hand
faßt. Hinterher, um das Unglück vollzumachen, kommen "Husaren mit gelben
Schnüren" vorbei. "Sein Auge folgte ihnen, heißt es, stieren Blicks. Sein bischen
Lebensfreude war hin. Mit geröteten Wangen erhob er die geballte Faust gegen
die Reiter, die -- man sollte es kaum glauben -- ruhig weiter ritte". Und
gebrochen, plötzlich entkräftet, hielt er sich am Arme seiner Gattin fest. Sein Atem
war kurz, seine Beine waren wie gelähmt." Nun kommt allerdings noch eine Er¬
kältung dazu, aber die Verfasser können sich doch die Genugthuung uicht versagen,
die arme Iran, die sich fragt, wie die verzehrende Krankt/eit über ihn gekommen
sei, ausrufen zu lassen: "Wann hat es ihn bei der Gurgel gepackt? War es
neulich im Laubgang, als er die Preußen hatte vorbeireiten sehen?"

Selbstverständlich ist auch in den Pariser Episoden die Phrase obenauf, und
das mag sie jn wohl auch in Wirklichkeit gewesen sein. Was die Thatsachen an¬
langt, so ist es einem beim Lesen nicht immer ganz geheuer zu Mute. Mau fühlt
dem ungesunden Urteile, der hochgradig erregten Stimmung und dem fiebernden
Pulsschläge der in Paris eingeschlossenen Marguerittischen Helden gegenüber, daß
man ihnen ungezählte Brausepulver ciurührcn möchte, und in ihren langen, charakte¬
ristisch schattierten Gesprächen bleibt an niemand ein guter Bissen als an einem
hochbegabte", thatkräftigen, auch als Volksführer ausgezeichneten General, dessen
einziger Fehler es ist, daß er nicht in Fleisch und Blut zur Erscheinung kommt,
sondern nnr als Jdealgestalt in ihren Wünschen lebt. Von Kaiser Wilhelm heißt
es: weißer Backenbart und leidcnschaftlose Züge, hinter denen sich ein Jahrhundert
nachtragender politischer Empfindlichkeit und der mißgünstige Wunsch, für Jena
Vergeltung zu üben, verbergen; Bismarck hat eine Doggenseele und einen Doggen¬
kopf; er ist ein brntnles Genie, das mit sarkastischeni Übermnte mordet. Moltke
endlich, der eisige Augen und das ausgetrocknete, faltenreiche Gesicht einer Parze
hat, ist der algebraische Rechenmeister des Mords.

Wir schließen hier, weil es in Farbe und Behandlung zum vorhergehende"
paßt, gleich an, was der "berühmte" Jules Thedenat über deu Beweggrund sagt,
der seiner Überzeugung nach der deutschen Kriegführung zu Grunde liegt. Er
könnte sagen: die Absicht, sich so zu wehren, daß seine Landsleute Veranlassung
hätten, es sich wicdervorkommcnden Falls zweimal zu überlege", ehe sie wieder an-


Grsnzboten IV 1901 8S
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Physischen Leiden, die es zu ertragen gab, und von denen — für die in den
Monaten Dezember und Januar bei den Ausfallen beteiligten Truppen — die
Kälte das schlimmste gewesen sein dürfte. Man erlebt die Straßennufstände mit,
nimmt mi den Ausfällen teil, hört die deutschen Bomben sausen und erfährt über
Pferdcstcaks, Elefantenrüssel und Rattenbraten alles, was wissenswert ist. Der
sich ans der rü» Lond'liat, also recht eigentlich im Herzen des Hiurrtier la-tin ab¬
spielende Teil des Romans ist echt pariserisch. Mademoiselle Umi, ein niedliches
und in seiner Art ehrbares kleines Frauenzimmer, das der Jnnggesellenwirtschaft
des Bildhauers Martial Poncet als Hansfrau vorsteht und von der Gattin des
Professors am OoUöAo do I-'runvo, des „berühmten" Jules Thedenat — auch er
schreibt eine Geschichte der Revolution — mit anerkennenswerter Vvrnrteilsfreiheit
besucht, gepflegt und für voll angesehen wird, erliegt den priv^lions ein »isA«, und
wenn wir den Verfassern glnnben, giebt ihr die Nachricht vom Abschluß einer
„Paris entehrenden" Kapitulation den Rest. Einen Versuch, dem Leser einzureden,
daß der Anblick hessischer Dragoner den jugendlichen Helden Eugene uns Leben
bringt, geben die Verfasser zwar auf, vermutlich weil ihnen eine, solche Feinfühlig¬
keit bei einem Manne zu hysterisch vorgekommen ist, aber was sie sage», verdient
doch wiederholt zu werden. Die Dragoner, grün, reiten am Park, in dem der
Genesende Luft schöpft, vorbei und „benehmen sich, als wären sie zu Hause." Der
Horizont wird durch sie verfinstert: das erdrückende Gewicht fällt auf den Kranken,
dessen Antlitz sich so zusammenzieht, daß ihn seine erschreckte Gattin bei der Hand
faßt. Hinterher, um das Unglück vollzumachen, kommen „Husaren mit gelben
Schnüren" vorbei. „Sein Auge folgte ihnen, heißt es, stieren Blicks. Sein bischen
Lebensfreude war hin. Mit geröteten Wangen erhob er die geballte Faust gegen
die Reiter, die — man sollte es kaum glauben — ruhig weiter ritte». Und
gebrochen, plötzlich entkräftet, hielt er sich am Arme seiner Gattin fest. Sein Atem
war kurz, seine Beine waren wie gelähmt." Nun kommt allerdings noch eine Er¬
kältung dazu, aber die Verfasser können sich doch die Genugthuung uicht versagen,
die arme Iran, die sich fragt, wie die verzehrende Krankt/eit über ihn gekommen
sei, ausrufen zu lassen: „Wann hat es ihn bei der Gurgel gepackt? War es
neulich im Laubgang, als er die Preußen hatte vorbeireiten sehen?"

Selbstverständlich ist auch in den Pariser Episoden die Phrase obenauf, und
das mag sie jn wohl auch in Wirklichkeit gewesen sein. Was die Thatsachen an¬
langt, so ist es einem beim Lesen nicht immer ganz geheuer zu Mute. Mau fühlt
dem ungesunden Urteile, der hochgradig erregten Stimmung und dem fiebernden
Pulsschläge der in Paris eingeschlossenen Marguerittischen Helden gegenüber, daß
man ihnen ungezählte Brausepulver ciurührcn möchte, und in ihren langen, charakte¬
ristisch schattierten Gesprächen bleibt an niemand ein guter Bissen als an einem
hochbegabte», thatkräftigen, auch als Volksführer ausgezeichneten General, dessen
einziger Fehler es ist, daß er nicht in Fleisch und Blut zur Erscheinung kommt,
sondern nnr als Jdealgestalt in ihren Wünschen lebt. Von Kaiser Wilhelm heißt
es: weißer Backenbart und leidcnschaftlose Züge, hinter denen sich ein Jahrhundert
nachtragender politischer Empfindlichkeit und der mißgünstige Wunsch, für Jena
Vergeltung zu üben, verbergen; Bismarck hat eine Doggenseele und einen Doggen¬
kopf; er ist ein brntnles Genie, das mit sarkastischeni Übermnte mordet. Moltke
endlich, der eisige Augen und das ausgetrocknete, faltenreiche Gesicht einer Parze
hat, ist der algebraische Rechenmeister des Mords.

Wir schließen hier, weil es in Farbe und Behandlung zum vorhergehende»
paßt, gleich an, was der „berühmte" Jules Thedenat über deu Beweggrund sagt,
der seiner Überzeugung nach der deutschen Kriegführung zu Grunde liegt. Er
könnte sagen: die Absicht, sich so zu wehren, daß seine Landsleute Veranlassung
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Grsnzboten IV 1901 8S
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[0313] troncons 6u ^l^ive Physischen Leiden, die es zu ertragen gab, und von denen — für die in den Monaten Dezember und Januar bei den Ausfallen beteiligten Truppen — die Kälte das schlimmste gewesen sein dürfte. Man erlebt die Straßennufstände mit, nimmt mi den Ausfällen teil, hört die deutschen Bomben sausen und erfährt über Pferdcstcaks, Elefantenrüssel und Rattenbraten alles, was wissenswert ist. Der sich ans der rü» Lond'liat, also recht eigentlich im Herzen des Hiurrtier la-tin ab¬ spielende Teil des Romans ist echt pariserisch. Mademoiselle Umi, ein niedliches und in seiner Art ehrbares kleines Frauenzimmer, das der Jnnggesellenwirtschaft des Bildhauers Martial Poncet als Hansfrau vorsteht und von der Gattin des Professors am OoUöAo do I-'runvo, des „berühmten" Jules Thedenat — auch er schreibt eine Geschichte der Revolution — mit anerkennenswerter Vvrnrteilsfreiheit besucht, gepflegt und für voll angesehen wird, erliegt den priv^lions ein »isA«, und wenn wir den Verfassern glnnben, giebt ihr die Nachricht vom Abschluß einer „Paris entehrenden" Kapitulation den Rest. Einen Versuch, dem Leser einzureden, daß der Anblick hessischer Dragoner den jugendlichen Helden Eugene uns Leben bringt, geben die Verfasser zwar auf, vermutlich weil ihnen eine, solche Feinfühlig¬ keit bei einem Manne zu hysterisch vorgekommen ist, aber was sie sage», verdient doch wiederholt zu werden. Die Dragoner, grün, reiten am Park, in dem der Genesende Luft schöpft, vorbei und „benehmen sich, als wären sie zu Hause." Der Horizont wird durch sie verfinstert: das erdrückende Gewicht fällt auf den Kranken, dessen Antlitz sich so zusammenzieht, daß ihn seine erschreckte Gattin bei der Hand faßt. Hinterher, um das Unglück vollzumachen, kommen „Husaren mit gelben Schnüren" vorbei. „Sein Auge folgte ihnen, heißt es, stieren Blicks. Sein bischen Lebensfreude war hin. Mit geröteten Wangen erhob er die geballte Faust gegen die Reiter, die — man sollte es kaum glauben — ruhig weiter ritte». Und gebrochen, plötzlich entkräftet, hielt er sich am Arme seiner Gattin fest. Sein Atem war kurz, seine Beine waren wie gelähmt." Nun kommt allerdings noch eine Er¬ kältung dazu, aber die Verfasser können sich doch die Genugthuung uicht versagen, die arme Iran, die sich fragt, wie die verzehrende Krankt/eit über ihn gekommen sei, ausrufen zu lassen: „Wann hat es ihn bei der Gurgel gepackt? War es neulich im Laubgang, als er die Preußen hatte vorbeireiten sehen?" Selbstverständlich ist auch in den Pariser Episoden die Phrase obenauf, und das mag sie jn wohl auch in Wirklichkeit gewesen sein. Was die Thatsachen an¬ langt, so ist es einem beim Lesen nicht immer ganz geheuer zu Mute. Mau fühlt dem ungesunden Urteile, der hochgradig erregten Stimmung und dem fiebernden Pulsschläge der in Paris eingeschlossenen Marguerittischen Helden gegenüber, daß man ihnen ungezählte Brausepulver ciurührcn möchte, und in ihren langen, charakte¬ ristisch schattierten Gesprächen bleibt an niemand ein guter Bissen als an einem hochbegabte», thatkräftigen, auch als Volksführer ausgezeichneten General, dessen einziger Fehler es ist, daß er nicht in Fleisch und Blut zur Erscheinung kommt, sondern nnr als Jdealgestalt in ihren Wünschen lebt. Von Kaiser Wilhelm heißt es: weißer Backenbart und leidcnschaftlose Züge, hinter denen sich ein Jahrhundert nachtragender politischer Empfindlichkeit und der mißgünstige Wunsch, für Jena Vergeltung zu üben, verbergen; Bismarck hat eine Doggenseele und einen Doggen¬ kopf; er ist ein brntnles Genie, das mit sarkastischeni Übermnte mordet. Moltke endlich, der eisige Augen und das ausgetrocknete, faltenreiche Gesicht einer Parze hat, ist der algebraische Rechenmeister des Mords. Wir schließen hier, weil es in Farbe und Behandlung zum vorhergehende» paßt, gleich an, was der „berühmte" Jules Thedenat über deu Beweggrund sagt, der seiner Überzeugung nach der deutschen Kriegführung zu Grunde liegt. Er könnte sagen: die Absicht, sich so zu wehren, daß seine Landsleute Veranlassung hätten, es sich wicdervorkommcnden Falls zweimal zu überlege», ehe sie wieder an- Grsnzboten IV 1901 8S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/313>, abgerufen am 01.09.2024.