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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Gedanken zum Fall Krosigk

er am Rittmeister von Krosigk in Gumbinnen begangne Mord
wird voraussichtlich in der nächsten Zeit die Militärgerichte noch¬
mals, und zwar wieder in öffentlicher Verhandlung beschäftigen.
Es scheint unzweifelhaft zu sein, daß das Reichskriegsgericht als
Revisionsinstanz das auf Mord in Verbindung mit Meuterei
gegen den Unteroffizier Marten lautende Urteil zweiter Instanz wird kassieren
müsse", sodaß der Fall ein zweitesmal vor einem Oberkriegsgericht verhandelt
werden wird. Sowohl die reichskriegsgerichtliche wie die neue oberkriegsgericht-
liche Verhandlung werden voraussichtlich in die bevorstehende parlamentarische
Tagung fallen. Aber auch wenn das nicht geschieht, ist eine sehr lebhafte Er¬
örterung des Falls sicher zu erwarten. Es wird dabei an übertriebnen An¬
grissen, auch an ausgesprochnen Hetzreden gegen die Militärverwaltung im all¬
gemeinen und die Militärgerichtsbarkeit im besondern, gegen die Offiziere und
Wohl auch gegen den obersten Kriegsherrn nicht fehlen, und leider ebensowenig
an einer ganz besondern Empfänglichkeit dafür im Volk, auch in seinen ge¬
bildetem, zu objektiver Beurteilung fähigern Schichten. Vor allem werden die
neuen Verhandlungen über den Fall Krosigk aber auch in den militärischen
Kreisen selbst, sowohl bei den bei der Fahne stehenden, wie namentlich bei den
Millionen von Unteroffizieren und Mannschaften der Reserve und der Land¬
wehr und bei sonstigen alten "Kriegern" neues Aufsehen und selbstverständlich
auch auf die vor der Ableistung ihrer Militärpflicht stehenden jungen Leute
einen lebhaften Eindruck machen. Wer Augen hat, zu sehen, und Ohren zu
hören, dem muß aus allem, was er in den genannten Kreisen und Schichten
des Volks schon bisher sehen und hören konnte, der furchtbare Ernst der Sache
klar geworden sein, aber auch die Pflicht, für sein Teil alles zu thun, ihren
verhängnisvollen Wirkungen möglichst entgegen zu treten.

Schwere Vorwürfe sind zunächst der Militärverwaltung daraus gemacht
worden und werdeu ihr sicher im Reichstag noch gemacht werden, daß ein
Manu von den unglücklichen Charakter- und Temperamenteigenschaften des
ermordeten Rittmeisters solange in der Stellung eines Schwadronschefs hatte
erhalten bleiben, ja überhaupt in sie gelangen können. Hierin ist dem Anschein
nach allerdings gefehlt worden, denn den Vorgesetzten wie den Kameraden des
Ermordeten ist die Unerträglichkeit seiner Eigenschaften schon lange bekannt ge¬
wesen, und es ist selbstverständlich ganz ausgeschlossen, daß bei pflichtmäßigem
Einschreiten der dazu unmittelbar berufnen Instanzen, etwa "von oben," wie
man zu sagen pflegt, der unfähige Offizier seines Namens wegen auf dem PlaK,




Gedanken zum Fall Krosigk

er am Rittmeister von Krosigk in Gumbinnen begangne Mord
wird voraussichtlich in der nächsten Zeit die Militärgerichte noch¬
mals, und zwar wieder in öffentlicher Verhandlung beschäftigen.
Es scheint unzweifelhaft zu sein, daß das Reichskriegsgericht als
Revisionsinstanz das auf Mord in Verbindung mit Meuterei
gegen den Unteroffizier Marten lautende Urteil zweiter Instanz wird kassieren
müsse», sodaß der Fall ein zweitesmal vor einem Oberkriegsgericht verhandelt
werden wird. Sowohl die reichskriegsgerichtliche wie die neue oberkriegsgericht-
liche Verhandlung werden voraussichtlich in die bevorstehende parlamentarische
Tagung fallen. Aber auch wenn das nicht geschieht, ist eine sehr lebhafte Er¬
örterung des Falls sicher zu erwarten. Es wird dabei an übertriebnen An¬
grissen, auch an ausgesprochnen Hetzreden gegen die Militärverwaltung im all¬
gemeinen und die Militärgerichtsbarkeit im besondern, gegen die Offiziere und
Wohl auch gegen den obersten Kriegsherrn nicht fehlen, und leider ebensowenig
an einer ganz besondern Empfänglichkeit dafür im Volk, auch in seinen ge¬
bildetem, zu objektiver Beurteilung fähigern Schichten. Vor allem werden die
neuen Verhandlungen über den Fall Krosigk aber auch in den militärischen
Kreisen selbst, sowohl bei den bei der Fahne stehenden, wie namentlich bei den
Millionen von Unteroffizieren und Mannschaften der Reserve und der Land¬
wehr und bei sonstigen alten „Kriegern" neues Aufsehen und selbstverständlich
auch auf die vor der Ableistung ihrer Militärpflicht stehenden jungen Leute
einen lebhaften Eindruck machen. Wer Augen hat, zu sehen, und Ohren zu
hören, dem muß aus allem, was er in den genannten Kreisen und Schichten
des Volks schon bisher sehen und hören konnte, der furchtbare Ernst der Sache
klar geworden sein, aber auch die Pflicht, für sein Teil alles zu thun, ihren
verhängnisvollen Wirkungen möglichst entgegen zu treten.

Schwere Vorwürfe sind zunächst der Militärverwaltung daraus gemacht
worden und werdeu ihr sicher im Reichstag noch gemacht werden, daß ein
Manu von den unglücklichen Charakter- und Temperamenteigenschaften des
ermordeten Rittmeisters solange in der Stellung eines Schwadronschefs hatte
erhalten bleiben, ja überhaupt in sie gelangen können. Hierin ist dem Anschein
nach allerdings gefehlt worden, denn den Vorgesetzten wie den Kameraden des
Ermordeten ist die Unerträglichkeit seiner Eigenschaften schon lange bekannt ge¬
wesen, und es ist selbstverständlich ganz ausgeschlossen, daß bei pflichtmäßigem
Einschreiten der dazu unmittelbar berufnen Instanzen, etwa „von oben," wie
man zu sagen pflegt, der unfähige Offizier seines Namens wegen auf dem PlaK,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/29>, abgerufen am 01.09.2024.