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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Das Reich und das Reichsland

>an einem Menschennlter sind die Elsaß-Lothringer bemüht, ihrem
Lande die verfassungsmäßigen Rechte eines deutschen Bundes¬
staats zu verschaffen. Schon am April 1871 -- wenig
Wochen nach dem Präliminarfrieden von Versailles -- haben
idie unterelsässischen Notabeln beschlösse", für die Provinz Elsaß-
Lothringen eine möglichst ausgedehnte Autonomie und eine Vertretung bei den
großen politischen Neichstörperu (Reichstag und Bundesrat) zu verlangen. Am
22. Dezember 1877 hat der Landesausschuß auf Antrag des Abgeordneten
Ferdinand Schneegans den Wunsch ausgesprochen, es möge dem Lunde eine
eigne Verfassung als Bundesstaat mit dem Sitz der Bundesregierung in Straß-
bnrg und der Vertretung im Bundesrat zugestanden werden. Am 7. März
1878 ist ferner im Landesansschuß ein Antrag Kempf, Konsum und Mieg-
Köchlin angenommen ivorden, der eine wörtliche Wiederholung des erwähnten
Antrags Schneegans enthielt. Am 14. Februar 1882 hat der Landesansschuß
auf Antrag des Abgeordneten Grad die Landesregierung ersucht, die nötigen
Schritte bei der Neichsregierung zu thun, Elsaß-Lothringen eine endgiltige,
seine politischen Befugnisse regelnde Verfassung zu geben. Auch der Reichstag
hat am 27. Mnrz 1879 auf Antrag der vier Äuwnomisten Karl August
Schneegans, North, Ruck und Lorette den Beschluß gefaßt, deu Reichskanzler
zu ersuchen, daraus hinzuwirken, daß Elsaß-Lothringen eine selbständige, im
Lande befindliche Regierung erhalte.

Das Verlangen der Elsaß-Lothringer nach voller Gleichstellung ihres
Landes mit den dentschen Bundesstaaten ist allerdings nnr omni zzr^no salis
zu verstehn. In Wirklichkeit wird die Gleichberechtigung nur auf deu Gebieten
erstrebt, auf denen sie Vorteil bringt, nicht auch auf deu Gebiete", auf denen
sie Lasten auferlegt. Das "Ausnahmegesetz" ans dein Gebiet des Unter-
stütznngswohnsitzes, d. h. das französische Gesetz vom 24. Vendemiaire des


Grenzboten I V 1901 L4


Das Reich und das Reichsland

>an einem Menschennlter sind die Elsaß-Lothringer bemüht, ihrem
Lande die verfassungsmäßigen Rechte eines deutschen Bundes¬
staats zu verschaffen. Schon am April 1871 — wenig
Wochen nach dem Präliminarfrieden von Versailles — haben
idie unterelsässischen Notabeln beschlösse», für die Provinz Elsaß-
Lothringen eine möglichst ausgedehnte Autonomie und eine Vertretung bei den
großen politischen Neichstörperu (Reichstag und Bundesrat) zu verlangen. Am
22. Dezember 1877 hat der Landesausschuß auf Antrag des Abgeordneten
Ferdinand Schneegans den Wunsch ausgesprochen, es möge dem Lunde eine
eigne Verfassung als Bundesstaat mit dem Sitz der Bundesregierung in Straß-
bnrg und der Vertretung im Bundesrat zugestanden werden. Am 7. März
1878 ist ferner im Landesansschuß ein Antrag Kempf, Konsum und Mieg-
Köchlin angenommen ivorden, der eine wörtliche Wiederholung des erwähnten
Antrags Schneegans enthielt. Am 14. Februar 1882 hat der Landesansschuß
auf Antrag des Abgeordneten Grad die Landesregierung ersucht, die nötigen
Schritte bei der Neichsregierung zu thun, Elsaß-Lothringen eine endgiltige,
seine politischen Befugnisse regelnde Verfassung zu geben. Auch der Reichstag
hat am 27. Mnrz 1879 auf Antrag der vier Äuwnomisten Karl August
Schneegans, North, Ruck und Lorette den Beschluß gefaßt, deu Reichskanzler
zu ersuchen, daraus hinzuwirken, daß Elsaß-Lothringen eine selbständige, im
Lande befindliche Regierung erhalte.

Das Verlangen der Elsaß-Lothringer nach voller Gleichstellung ihres
Landes mit den dentschen Bundesstaaten ist allerdings nnr omni zzr^no salis
zu verstehn. In Wirklichkeit wird die Gleichberechtigung nur auf deu Gebieten
erstrebt, auf denen sie Vorteil bringt, nicht auch auf deu Gebiete», auf denen
sie Lasten auferlegt. Das „Ausnahmegesetz" ans dein Gebiet des Unter-
stütznngswohnsitzes, d. h. das französische Gesetz vom 24. Vendemiaire des


Grenzboten I V 1901 L4
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[0273] [Abbildung] Das Reich und das Reichsland >an einem Menschennlter sind die Elsaß-Lothringer bemüht, ihrem Lande die verfassungsmäßigen Rechte eines deutschen Bundes¬ staats zu verschaffen. Schon am April 1871 — wenig Wochen nach dem Präliminarfrieden von Versailles — haben idie unterelsässischen Notabeln beschlösse», für die Provinz Elsaß- Lothringen eine möglichst ausgedehnte Autonomie und eine Vertretung bei den großen politischen Neichstörperu (Reichstag und Bundesrat) zu verlangen. Am 22. Dezember 1877 hat der Landesausschuß auf Antrag des Abgeordneten Ferdinand Schneegans den Wunsch ausgesprochen, es möge dem Lunde eine eigne Verfassung als Bundesstaat mit dem Sitz der Bundesregierung in Straß- bnrg und der Vertretung im Bundesrat zugestanden werden. Am 7. März 1878 ist ferner im Landesansschuß ein Antrag Kempf, Konsum und Mieg- Köchlin angenommen ivorden, der eine wörtliche Wiederholung des erwähnten Antrags Schneegans enthielt. Am 14. Februar 1882 hat der Landesansschuß auf Antrag des Abgeordneten Grad die Landesregierung ersucht, die nötigen Schritte bei der Neichsregierung zu thun, Elsaß-Lothringen eine endgiltige, seine politischen Befugnisse regelnde Verfassung zu geben. Auch der Reichstag hat am 27. Mnrz 1879 auf Antrag der vier Äuwnomisten Karl August Schneegans, North, Ruck und Lorette den Beschluß gefaßt, deu Reichskanzler zu ersuchen, daraus hinzuwirken, daß Elsaß-Lothringen eine selbständige, im Lande befindliche Regierung erhalte. Das Verlangen der Elsaß-Lothringer nach voller Gleichstellung ihres Landes mit den dentschen Bundesstaaten ist allerdings nnr omni zzr^no salis zu verstehn. In Wirklichkeit wird die Gleichberechtigung nur auf deu Gebieten erstrebt, auf denen sie Vorteil bringt, nicht auch auf deu Gebiete», auf denen sie Lasten auferlegt. Das „Ausnahmegesetz" ans dein Gebiet des Unter- stütznngswohnsitzes, d. h. das französische Gesetz vom 24. Vendemiaire des Grenzboten I V 1901 L4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/273>, abgerufen am 13.11.2024.