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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Zur Umgestaltung der Wasserwirtschaft

Beobachtungsmaterial noch nicht erbracht werden kann. Natürlich kann man
nun leider nicht mehr auf gleichmäßig ergiebige Sommerregeu rechnen, wie
sie früher in unsern Gegenden vorherrschten, und wie sie für die Landwirt¬
schaft und Flußschiffahrt so notwendig sind. Denn daran truü uicht gedacht
werden, etwa die heutige Betriebsweise des Landbaues einzuschränken oder gar
auf das frühere Maß zurückzuschrauben. Die Aufforstung mancher abgeholzter
Bergrücken und nackter Hänge muß allerdings angestrebt werden, doch darf man
nicht glauben, daß damit auf die Wasserhaltung allgemein ein großer Einfluß
ausgeübt würde, zumal da die zersprengt liegenden Auwälder immer mehr im
Interesse der Landwirtschaft niedergelegt werden. Vielmehr wird man mit
allen Mitteln der heutigen Technik und einer energischen Gesetzgebung und
Verwnltungspraxis dahin streben müssen, mit künstlichen Wasserrückhaltungs-
anlagen, die über das ganze Land ausgedehnt werden, die Niederschlags¬
schwankungen auszugleichen. Zu dem Zwecke müssen in allen von der Land¬
wirtschaft noch nicht eingenommncn Schluchten und Thälern der Gebirge und
einiger Hügelgegenden, sowie auch in den tiefern Erosionsrinnen des Flach¬
lands um geeigneten Stellen, quer hinein, hohe Sperrmauern oder Dämme
eingebaut werden, hinter denen in tiefen Becken die überschüssigen Schmelz-
und Regenwasser eingestand und aus dem gefährlichen Strudel des Hochwaffer¬
andrangs zurückgehalten werden können -- als wertvolle Reserve für die
folgende Trockenzeit. Neben diesen großen Sammelbecken müssen die sich
zwischen den Bergen und in den Forsten hinziehenden Runscn und Wildbäche
durch kleinere Stauwerke so verbaut werden, daß sie in zahlreiche kleinere
Stufenteiche verwandelt werden. In Zusammenhang hiermit müssen außerdem an
den breitern Hängen und Flanken der Bergmassen sogenannte Horizontalgrüben
mit sehr geringem Gefälle gezogen und je nach der durchschnittlichen Menge
der zu erwartenden Niederschlage in gleichmäßigen vertikalen Abständen so ge¬
gliedert werden, daß sie das Regenwasser mit Erfolg an zu schnellem Ab¬
schießen und an dem gefährlichen Abwaschen von Schutt- und Geröllmnfsen
verhindern. Was den Forstkulturen räumlich durch die Horizontalgrüben und
Stufenteiche verloren geht, wird reichlich wiedergewonnen durch Einschränkung
der jetzt auftretenden Wasserrifsc und Murgänge und durch kräftigern Baum¬
wuchs infolge besserer Durchfeuchtung des Forstbodens.

In den von der landwirtschaftlichen Kultur cingenommnen Gebieten müssen
die schon ausgenutzte" und brachliegenden Steinbrüche, Lehm-, Thon- und
Mergelgruben, alle Ausschachtungen, uicht mehr benutzte Flachsrotten, soweit
irgend möglich, mit den Grabcnnetzen der Feldmarken in Verbindung gesetzt
und zum Einstau beuutzt werden, auch dann, wenn ein Teil des Wassers in¬
folge von Undichtigkeit der Sohle mit der Zeit versickert und als Quellwasser
oder vermehrtes Grundwasser wieder zu Tage tritt. Wertlose Thalstrecken,
die durch Verschlammung, Gcröllandrang oder Wildwasser in ihren Ertrugen
unsicher sind oder überhaupt durch magern Untergrund landwirtschaftlich wenig
nützen, können zu Fisch- und Berieselungsteichen ausgebaut werden. Überhaupt


Zur Umgestaltung der Wasserwirtschaft

Beobachtungsmaterial noch nicht erbracht werden kann. Natürlich kann man
nun leider nicht mehr auf gleichmäßig ergiebige Sommerregeu rechnen, wie
sie früher in unsern Gegenden vorherrschten, und wie sie für die Landwirt¬
schaft und Flußschiffahrt so notwendig sind. Denn daran truü uicht gedacht
werden, etwa die heutige Betriebsweise des Landbaues einzuschränken oder gar
auf das frühere Maß zurückzuschrauben. Die Aufforstung mancher abgeholzter
Bergrücken und nackter Hänge muß allerdings angestrebt werden, doch darf man
nicht glauben, daß damit auf die Wasserhaltung allgemein ein großer Einfluß
ausgeübt würde, zumal da die zersprengt liegenden Auwälder immer mehr im
Interesse der Landwirtschaft niedergelegt werden. Vielmehr wird man mit
allen Mitteln der heutigen Technik und einer energischen Gesetzgebung und
Verwnltungspraxis dahin streben müssen, mit künstlichen Wasserrückhaltungs-
anlagen, die über das ganze Land ausgedehnt werden, die Niederschlags¬
schwankungen auszugleichen. Zu dem Zwecke müssen in allen von der Land¬
wirtschaft noch nicht eingenommncn Schluchten und Thälern der Gebirge und
einiger Hügelgegenden, sowie auch in den tiefern Erosionsrinnen des Flach¬
lands um geeigneten Stellen, quer hinein, hohe Sperrmauern oder Dämme
eingebaut werden, hinter denen in tiefen Becken die überschüssigen Schmelz-
und Regenwasser eingestand und aus dem gefährlichen Strudel des Hochwaffer¬
andrangs zurückgehalten werden können — als wertvolle Reserve für die
folgende Trockenzeit. Neben diesen großen Sammelbecken müssen die sich
zwischen den Bergen und in den Forsten hinziehenden Runscn und Wildbäche
durch kleinere Stauwerke so verbaut werden, daß sie in zahlreiche kleinere
Stufenteiche verwandelt werden. In Zusammenhang hiermit müssen außerdem an
den breitern Hängen und Flanken der Bergmassen sogenannte Horizontalgrüben
mit sehr geringem Gefälle gezogen und je nach der durchschnittlichen Menge
der zu erwartenden Niederschlage in gleichmäßigen vertikalen Abständen so ge¬
gliedert werden, daß sie das Regenwasser mit Erfolg an zu schnellem Ab¬
schießen und an dem gefährlichen Abwaschen von Schutt- und Geröllmnfsen
verhindern. Was den Forstkulturen räumlich durch die Horizontalgrüben und
Stufenteiche verloren geht, wird reichlich wiedergewonnen durch Einschränkung
der jetzt auftretenden Wasserrifsc und Murgänge und durch kräftigern Baum¬
wuchs infolge besserer Durchfeuchtung des Forstbodens.

In den von der landwirtschaftlichen Kultur cingenommnen Gebieten müssen
die schon ausgenutzte» und brachliegenden Steinbrüche, Lehm-, Thon- und
Mergelgruben, alle Ausschachtungen, uicht mehr benutzte Flachsrotten, soweit
irgend möglich, mit den Grabcnnetzen der Feldmarken in Verbindung gesetzt
und zum Einstau beuutzt werden, auch dann, wenn ein Teil des Wassers in¬
folge von Undichtigkeit der Sohle mit der Zeit versickert und als Quellwasser
oder vermehrtes Grundwasser wieder zu Tage tritt. Wertlose Thalstrecken,
die durch Verschlammung, Gcröllandrang oder Wildwasser in ihren Ertrugen
unsicher sind oder überhaupt durch magern Untergrund landwirtschaftlich wenig
nützen, können zu Fisch- und Berieselungsteichen ausgebaut werden. Überhaupt


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[0027] Zur Umgestaltung der Wasserwirtschaft Beobachtungsmaterial noch nicht erbracht werden kann. Natürlich kann man nun leider nicht mehr auf gleichmäßig ergiebige Sommerregeu rechnen, wie sie früher in unsern Gegenden vorherrschten, und wie sie für die Landwirt¬ schaft und Flußschiffahrt so notwendig sind. Denn daran truü uicht gedacht werden, etwa die heutige Betriebsweise des Landbaues einzuschränken oder gar auf das frühere Maß zurückzuschrauben. Die Aufforstung mancher abgeholzter Bergrücken und nackter Hänge muß allerdings angestrebt werden, doch darf man nicht glauben, daß damit auf die Wasserhaltung allgemein ein großer Einfluß ausgeübt würde, zumal da die zersprengt liegenden Auwälder immer mehr im Interesse der Landwirtschaft niedergelegt werden. Vielmehr wird man mit allen Mitteln der heutigen Technik und einer energischen Gesetzgebung und Verwnltungspraxis dahin streben müssen, mit künstlichen Wasserrückhaltungs- anlagen, die über das ganze Land ausgedehnt werden, die Niederschlags¬ schwankungen auszugleichen. Zu dem Zwecke müssen in allen von der Land¬ wirtschaft noch nicht eingenommncn Schluchten und Thälern der Gebirge und einiger Hügelgegenden, sowie auch in den tiefern Erosionsrinnen des Flach¬ lands um geeigneten Stellen, quer hinein, hohe Sperrmauern oder Dämme eingebaut werden, hinter denen in tiefen Becken die überschüssigen Schmelz- und Regenwasser eingestand und aus dem gefährlichen Strudel des Hochwaffer¬ andrangs zurückgehalten werden können — als wertvolle Reserve für die folgende Trockenzeit. Neben diesen großen Sammelbecken müssen die sich zwischen den Bergen und in den Forsten hinziehenden Runscn und Wildbäche durch kleinere Stauwerke so verbaut werden, daß sie in zahlreiche kleinere Stufenteiche verwandelt werden. In Zusammenhang hiermit müssen außerdem an den breitern Hängen und Flanken der Bergmassen sogenannte Horizontalgrüben mit sehr geringem Gefälle gezogen und je nach der durchschnittlichen Menge der zu erwartenden Niederschlage in gleichmäßigen vertikalen Abständen so ge¬ gliedert werden, daß sie das Regenwasser mit Erfolg an zu schnellem Ab¬ schießen und an dem gefährlichen Abwaschen von Schutt- und Geröllmnfsen verhindern. Was den Forstkulturen räumlich durch die Horizontalgrüben und Stufenteiche verloren geht, wird reichlich wiedergewonnen durch Einschränkung der jetzt auftretenden Wasserrifsc und Murgänge und durch kräftigern Baum¬ wuchs infolge besserer Durchfeuchtung des Forstbodens. In den von der landwirtschaftlichen Kultur cingenommnen Gebieten müssen die schon ausgenutzte» und brachliegenden Steinbrüche, Lehm-, Thon- und Mergelgruben, alle Ausschachtungen, uicht mehr benutzte Flachsrotten, soweit irgend möglich, mit den Grabcnnetzen der Feldmarken in Verbindung gesetzt und zum Einstau beuutzt werden, auch dann, wenn ein Teil des Wassers in¬ folge von Undichtigkeit der Sohle mit der Zeit versickert und als Quellwasser oder vermehrtes Grundwasser wieder zu Tage tritt. Wertlose Thalstrecken, die durch Verschlammung, Gcröllandrang oder Wildwasser in ihren Ertrugen unsicher sind oder überhaupt durch magern Untergrund landwirtschaftlich wenig nützen, können zu Fisch- und Berieselungsteichen ausgebaut werden. Überhaupt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/27>, abgerufen am 01.09.2024.